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Language:
Deutsch
Stats:
Published:
2025-01-09
Updated:
2025-08-28
Words:
78,994
Chapters:
23/?
Comments:
2
Kudos:
4
Bookmarks:
1
Hits:
278

Ziemlich echte Helden

Summary:

Der Alltag des General Sephiroth fließt nicht direkt über vor fröhlichen Ereignissen. Aber er hat sich mit seinem Leben bei ShinRa arrangiert, und seine beiden Freunde Angeal und Genesis reichern es mit entspannten Stunden hier und da an. Dass er erotische Gefühle für Genesis hegt, ist sein gut gehütetes Geheimnis. Dann jedoch veranstaltet der Präsident eine Party, zu der auch Sephiroth und Genesis erscheinen müssen, und plötzlich ist alles anders. Ein Streit führt zu einem Kuss, der die beiden Männer auf einen seltsam verschlungenen Weg und letztendlich in einen Abgrund führt. Kein Problem für echte Helden. Oder?

Notes:

Die Geschichte wird ebenfalls auf Fanfiktion.de gepostet. Sie ist noch nicht beendet. Zurzeit sind 58 Kapitel fertiggestellt. Die Handlung ist zunächst an Crisis Core und Before Crisis orientiert, hält sich aber nicht streng an die Vorgabe. Später wird sie vollständig vom Original abweichen.
Ich schildere hier die Beziehung von Sephiroth und Genesis und ihre Entwicklung. Ich schreibe überwiegend in Sephiroths und Genesis' POV. Weitere Tags werden voraussichtlich im Verlauf noch hinzugefügt.

Chapter 1: Routine

Chapter Text

Kapitel 1: Routine

 

Ich liege auf der Untersuchungsliege. Den Blick habe ich auf die Leuchtstoffröhre an der Decke gerichtet, deren helles, kaltes Licht das Labor erfüllt. Früher hat mich das Metall der Liege an meiner nackten Haut immer gestört, ebenso wie die Metallschellen, die meine Beine unterhalb der Knie fixieren. Natürlich wusste ich, wieso das Metall und die Schellen notwendig sind. Trotzdem haben sie mir Angst gemacht, als ich jung war. Jetzt bildet mein Haar eine weiche Schicht zwischen der Liegefläche und meinem Körper, und mir ist bewusst, dass ich die Schellen mit einer unerheblichen Kraftanstrengung zerreißen könnte. Das macht es leichter, jedenfalls meistens.

Andererseits könnte Blut an mein Haar kommen, und dann müsste ich es noch einmal waschen. Das wäre ungünstig. Ich würde es wahrscheinlich nicht rechtzeitig zum Beginn der Party schaffen.

“So, mein Lieber, dann wollen wir mal. Es geht los.”

“Ja, Professor.”

Die Nadel in meiner Vene ist wie immer unangenehm. Es mag seltsam erscheinen bei jemandem, den Verletzungen, die jeden normalen Menschen töten würden, nicht einmal außer Gefecht setzen, aber ich hasse Nadeln. Sie sind in der Lage, mir jegliche Kontrolle zu nehmen, indem sie mir betäubende oder krampfauslösende Substanzen zuführen, und das sind die schlimmsten Erfahrungen, die ich gemacht habe. Und ich habe in meinem Leben, so kurz es auch ist, viele und sehr schlimme Erfahrungen gemacht.

Die Nadel, durch die nun mein Blut läuft, ist hingegen harmlos. Dennoch schaue ich lieber empor zu der Lampe.

Die Party. Der Präsident hat unmissverständlich klar gemacht, dass wir alle kommen müssen. Die Vorstandsmitglieder, die Direktoren, die SOLDIERs First Class, auch die führenden Offiziere der Infanterie sowie die Geldelite der Midgarer Gesellschaft und einige Journalisten. Die Anwesenheit der Presse ist wichtig, denn durch ihre Fotos und Reportagen soll sie die Bevölkerung mit der Hauptperson vertraut machen, deretwegen diese Party veranstaltet wird: Rufus, der Sohn des Präsidenten, der zum Vizepräsidenten ernannt worden ist.

"Gehst du auch zur Party, Professor?"

"Party?"

"Für Rufus. Nachher."

"Oh. Nun, ich weiß nicht, vielleicht später am Abend, wenn ich mit den Untersuchungen der Proben durch bin."

Also nicht. Der Professor hat’s gut, für ihn gilt immer eine Ausnahme.

Die Nadel wird aus meinem Arm entfernt.

“Ich entnehme jetzt eine Muskelfaserprobe. Tief atmen. Du kennst das ja.”

Also wird es vermutlich doch Blut in meinen Haaren geben. Professor Hojo verzichtet prinzipiell auf Abdeckungen. Unnötiger Aufwand, wie er sagt. Ich starre weiter auf die Lampe und hole tief Luft. Das Skalpell schneidet in meinen Oberschenkel, und mein Muskel zuckt unwillkürlich. Deshalb die Schellen, damit es nicht zu unabsichtlichen Verletzungen kommt. Der Schmerz ist unwichtig. Die dicke Hohlnadel wird in die kleine Wunde eingeführt und frisst sich in mein Fleisch. Stanzt ein kleines Stückchen heraus. Blut sickert über mein Bein.

Ich atme ruhig und versuche, an etwas anderes zu denken. Etwas anderes als Hojos gummiummantelte Finger auf meiner Haut. Schon als Kind habe ich dieses Gefühl nicht gemocht, und meine Abneigung gegen die Berührung ist im Laufe der Jahre eher stärker geworden. Ich lasse mich überhaupt nicht gerne berühren. Es gefällt mir auch nicht, vor Hojo nackt zu sein. Aber das ist nun mal ein wichtiger Teil meines Lebens. Die regelmäßigen und umfassenden Untersuchungen gehören zu mir wie das Training und das Kämpfen.

Leider fällt mir nichts Angenehmes zur Ablenkung ein. Nur die bevorstehende Party, und meine Freude darauf hält sich in engen Grenzen. Ich weiß nie, wie ich mich in einer Gruppe von Zivilisten verhalten soll, vor allem wenn es die Führungsriege des Konzerns betrifft. Small Talk ist etwas, das ich einfach nicht beherrsche, so sehr ich es auch bereits versucht habe. Ich verstehe nicht, wie diese Menschen mit so viel falscher Freundlichkeit so viel inhaltsleeres Zeug reden können.

Da stellt Hojo plötzlich eine Frage, die ein ganz neues Thema aufwirft. "Gibt es eigentlich schon Erkenntnisse über den Hackerangriff auf unser Netzwerk? Ich musste Stunden meiner kostbaren Zeit opfern, um irgendeinem IT-Heini aufzulisten, welche Dateien betroffen sind. Er meinte, sie sind nicht nur zerstört, sondern vermutlich zuvor auch kopiert worden. Unglaublicherweise konnten sie bisher nicht wiederhergestellt werden. Wir sitzen in der technisch am höchsten aufgerüsteten Firma des Planeten und können ein paar gehackte Daten nicht retten. Ist das nicht grotesk?" Er kichert abgehackt und freudlos. "Ich muss die Daten aus meinen handschriftlichen Notizen ergänzen, das dauert abermals Stunden. Also, weiß man, wer es auf die Früchte meines Genies abgesehen hat?"

"Darüber habe ich bisher keine Information erhalten", antworte ich wahrheitsgemäß. "Es betrifft ja SOLDIER nicht direkt, sondern die Wissenschaftsabteilung. Ich nehme an, die Turks arbeiten noch an der Sache, sonst hätte man dich sicher schon informiert."

"Ah ja, die Turks", grummelt er abschätzig. "Die Herren Agenten, die glauben, sie wissen und können alles. Der gute Veld wird auch nicht jünger. Alles Stümper", fügt er angewidert hinzu.

Es wäre zwecklos, ihm zu sagen, dass er immer eine externe Kopie von allen Updates erstellen sollte, also lasse ich es.

"Was für Daten genau sind denn gestohlen worden?", erkundige ich mich. Der Vorfall hat vor drei Tagen den halben Tower lahmgelegt, weil das Computersystem heruntergefahren wurde, um die Firewalls zu erneuern und zu verstärken. Wir können von Glück sagen, dass nicht mehr Schaden entstanden ist, wie auch immer unsere anonymen Gegner das angestellt haben.

“SOLDIER-Daten, vor allem deine", beantwortet Hojo meine Frage. "Da war jemand am Werk, der wusste, was er will."

Unbehaglich runzele ich die Stirn. “S.”

“Was?”

“SOLDIER und Sephiroth - fängt beides mit S an; er wusste auch, wo er suchen musste. Oder sie. Und was sie wollen? Meine Fähigkeiten kopieren … oder ... " Ich zögere und er ergänzt:

"Oder dich ausschalten, ja. Wobei ich das Letztere für unwahrscheinlich halte. Dazu bräuchte man direkten Zugang zu meinem Laboratorium."

Überrascht sehe ich ihn an. "Um mich zu kopieren nicht?"

"Dafür bräuchte man Zugang zu meinem Kopf", erwidert er mit einem Grinsen, das vielleicht verschmitzt wirken soll, aber nur verächtlich ist, da sich seine Mundwinkel beim Lächeln stets nach unten ziehen. "In jedem Fall kein angenehmer Gedanke, dass da draußen Leute herumlaufen, die die Ergebnisse meiner erfolgreichsten Forschung missbrauchen wollen.”

Ich spüre, wie das kleine Loch in meinem Bein desinfiziert, mit Mako besprüht und mit einem makoimprägnierten Pflaster verklebt wird. Der brennende Schmerz ebbt bereits ab. Ich werde die Wunde den Abend über noch spüren, aber morgen wird sie sich geschlossen haben, ohne eine Spur zu hinterlassen.

“Vielleicht die Typen von AVALANCHE?”, überlege ich laut.

“Wer?”

“Die neue Rebellengruppe, die neulich schon Ärger gemacht hat. Sie nennen sich AVALANCHE.”

“Hm.” Mehr kommentiert er nicht, während er die gebrauchten Instrumente ordnet. Dann kündigt er plötzlich an: "Du wirst gleich eine Injektion bekommen. Ich habe ein neues Makopräparat entwickelt, das dein Erbmaterial um einiges stärken sollte, wenn man es direkt in die Hoden injiziert."

Ich fühle ein Ziehen im Magen, und mein Mund wird trocken. Ich habe die aufgezogene Spritze in der Metallschale beim Hereinkommen bemerkt, hellblaue Flüssigkeit mit dünnen, grünlichen Schlieren. Aber damit, dass Hojo wieder einmal eine Nadel in die empfindlichste Stelle meines Körpers treiben würde, habe ich nicht gerechnet.

“Hast du dir in letzter Zeit selbst Vergnügen bereitet?”, fragt er.

Ich verbiete mir zu schlucken. “Nein”, lüge ich glatt.

Ein leises, höhnisches Lachen verrät mir, dass mein wissenschaftlicher Betreuer die Lüge durchschaut. “Nun, wie du meinst.”

"Ist diese Injektion denn wirklich notwendig? Aus rein wissenschaftlicher Sicht?" Ich bringe einen neutralen Tonfall zustande.

"Aber sicher." Hojo wird lebhaft. Es ist eines seiner Lieblingsthemen. "Deine Gene sind wertvoller als der gesamte Tower, mein Guter, und deine Fähigkeit zur Reproduktion muss auf ihrem Höhepunkt sein. Es gibt da ein junges Mädchen, das in den Slums von Sektor fünf lebt. Aerith, ich hatte sie doch schon erwähnt. Sie ist zur Hälfte eine Cetra, ein Abkömmling der Alten mit ihren ganz speziellen Fähigkeiten, und sobald sie zu uns kommt, werdet ihr beide ein großartiges Paar abgeben. Ein phänomenales Paar! Allerdings müssen wir vorher noch dafür sorgen, dass deine Hormone fit genug werden, nicht wahr?"

Mir wird übel. Allein der Gedanke, mit einer Frau zusammen zu kommen, wird meine Hormone eher lähmen als beflügeln. Wenn ich mir “Vergnügen bereite”, pflege ich an Männer zu denken. Davon weiß niemand außer mir selbst, und das soll auch so bleiben. Glücklicherweise sind meine Spermien bisher sehr “schwach”, wie der Professor sich ausdrückt, was schlicht bedeutet, dass ich zeugungsunfähig bin. Und so lange das so bleibt, gibt es keinen Grund für Intimitäten mit einer Frau.

Hojo löst die Schellen um meine Unterschenkel. “Spreize jetzt deine Beine über den Rand der Liege, damit ich sie neu befestigen kann.”

Keine gute Idee, und das weiß er genau. Ich kneife die Beine zusammen. Wie ein Mädchen, das Angst hat, seine Unschuld zu verlieren. Wie erbärmlich! “Heute ist ein schlechter Zeitpunkt dafür, Professor”, teile ich ihm mit. Meine Stimme ist zu dünn, und ich verfluche die Scham, die mir die Kehle zuschnürt. “Sie wissen, dass sich die Hoden nach einer solchen Behandlung für Stunden entzünden und anschwellen. Auf der Party muss ich mich aber normal bewegen können.”

Er starrt mich an. Seine dunklen Augen hinter den Brillengläsern sind kalt, seine Hand liegt auffordernd auf meinem Knie. Seine Mundwinkel biegen sich verächtlich nach unten, als er entgegnet: “Sephiroth, du bist ein SOLDIER First Class. Willst du dich wirklich vor dieser kleinen Unannehmlichkeit drücken und so meine Arbeit behindern, hm?”

Ich richte mich in sitzende Stellung auf. Am liebsten würde ich seine Hand von meinem Körper schlagen, aber das wäre ungehörig und ehrlos. Ja, seine Arbeit - auch die an mir - geschieht im Namen des Konzerns, dem ich Gehorsam schulde. Dem ich mein Leben schulde, denn der Konzern hat mich nach dem Tod meiner Mutter aufgezogen. Die Verweigerung des Gehorsams ist gleichbedeutend mit Ehrverlust, dem schwersten Vergehen für einen Soldaten. Das hat man mir zwanzig Jahre lang eingebläut. Aber das hier … geht zu weit! Weiß er, was für Schmerzen er verursachen wird, die die ganze Nacht und noch länger anhalten werden? Natürlich weiß er es. Und er weiß auch genauso gut wie ich, dass ich nicht schwach sein darf.

Doch heute finde ich eine Ausrede, die nicht einmal eine ist. “Ich muss auf dieser Veranstaltung  maßgeschneiderte Kleidung tragen. Das ist nach der Injektion schlicht nicht möglich. Es geht nicht.” Der Ton meiner Stimme klingt nicht nach der Befehlsgewalt des Generals, der ich bin, sondern wie der eines bettelnden Kindes, und genauso fühle ich mich auch. Ich hasse mich dafür. Und ich hasse ihn, weil er meine Schwäche sieht. Ich kämpfe die Gefühle, die ungebeten in mir aufsteigen, nieder. Wenigstens meine Miene soll neutral bleiben wie üblich, während ich mich zwinge, seinen Blick zu erwidern.

“Party! Pah!”, stößt er schließlich näselnd hervor. “Die ist natürlich wichtiger als meine Forschung, oder wie? Und du - willst ein läppischer Fehlschlag sein, ja? Wirklich unglaublich. Also los, dann verschwinde! Ich schicke dir einen neuen Termin.”

Brüsk dreht er sich um und schlurft grummelnd in sein angrenzendes Büro.

Ich erhebe mich von der verdammten Liege, um in die entgegengesetzte Richtung in die Umkleidekabine zu gehen.

Ich habe gewonnen! Jedenfalls für dieses Mal. Ich sollte erleichtert und zufrieden sein. Aber mein Magen fühlt sich an wie ein Stein. Hojos Missfallen kann ich nicht ignorieren. Ich habe meine Pflicht nicht erfüllt, die darin besteht, für ShinRa zu kämpfen und zu siegen und die Untersuchungen und Behandlungen zu absolvieren, die man für mich ansetzt. "Mein kostbarstes Subjekt" - so nennt Hojo mich, wenn ich seine Erwartungen erfülle. Oder "meine großartigste Forschung". Wenn er wütend auf mich ist, so wie jetzt, bin ich ein "Fehlschlag". Erst relativ spät, in meinen Teenagerjahren habe ich die wahre Bedeutung dieser Formulierungen begriffen. Für diesen Mann war ich nie ein Mensch, eine Person. Er betrachtet mich vielmehr als Versuchsobjekt, und zwar ausschließlich. So wie ShinRa nichts weiter in mir sieht als eine hochentwickelte Waffe oder wahlweise ein Aushängeschild.

Früher hat mich das sogar stolz gemacht, ich hielt es für eine Auszeichnung. Eigentlich haben erst Genesis und Angeal mir beigebracht, dass Menschlichkeit etwas Wertvolles ist, dass uns menschliche Gefühle über Roboter und Computer erheben. Gefühle, die ich nicht haben will, so wie den infantilen Kummer, wenn Hojo mich einen "Fehlschlag" nennt. Obwohl ich den Mann hasse und verachte, lässt sich die Gewohnheit aus der Kindheit nur schwer abschütteln.

 

Auf dem Weg zurück zu meinem Apartment frage ich mich wieder einmal, wieso ich mich so schwer gegen Hojo wehren kann. Ich habe schließlich sonst nichts Kindliches mehr an mir. Ich bin mir bewusst, dass ich körperlich und geistig den meisten, wenn nicht gar allen Menschen auf dem Planeten überlegen bin. Ich befehlige die Truppen der planetenweit größten Armee und ich bin verantwortlich für den Tod von Tausenden. ShinRa steht kurz davor, Wutai in die Knie zu zwingen, und das ist zum größten Teil mein Verdienst. Ich bin ein Held. Was immer sich die Leute darunter auch vorstellen mögen. Wieso kusche ich vor einem mittelmäßigen Wissenschaftler, der selbst keinerlei Ehre besitzt?

Und wieso wird mir schlecht beim Gedanken an die alberne Party?

 

Ich beeile mich, meine alltägliche Kleidung abzulegen. Eine sorgfältige Überprüfung meiner Haare ergibt, dass nur einzelne Strähnen an den Spitzen mit ein wenig Blut befleckt sind. Ich wasche sie rasch am Waschbecken aus. Dann streife ich die Sachen für die Party über. Eine eng sitzende Stoffhose, ein Hemd, dessen obere fünf Knöpfe ich offen lasse, und ein perfekt geschnittenes Jackett, alles in Schwarz. Die beiden Oberteile sind aus Seide. Genesis hat sie mir aufgeschwatzt, als ich den Fehler beging, ihn einmal beim Shopping zu begleiten, weil Angeal keine Zeit hatte. Er findet die Klamotten "stylish". Ich fühle mich verkleidet.

Nun, das ist jetzt egal. Es geht darum, pünktlich zu sein. Ich werde mich mit Rufus Shinra fotografieren lassen, ich werde mit Leuten reden, die ich nicht kenne, und ich werde versuchen, freundlich auszusehen. Genesis wird sich nicht mit mir abgeben, weil Angeal nicht da ist, da er eine Mission außerhalb Midgars hat. Ich werde Champagner trinken, ohne das Gesicht zu verziehen. Ich verabscheue Champagner, aber er ist immerhin nicht so schlimm wie eine Spritze in die Hoden, bei Weitem nicht.

Den Spiegel in der Diele lasse ich außer Acht. Von mir aus brauchte er überhaupt nicht da zu sein, ich weiß, wie ich aussehe. Ich ziehe die Apartmenttür hinter mir zu und mache mich auf den Weg zum Festsaal des ShinRa-Towers.

Chapter 2: Blitzlichtgewitter

Summary:

Die Party beginnt. Wir begegnen gemeinsam mit Sephiroth einigen Leuten aus dem Vorstand.

Notes:

Die ersten 10 Kapitel sind in der 1.Person aus Sephiroths Sicht geschrieben. Danach wechselt der POV zwischen den Protagonisten und geht in die 3.Person. Nur Sephiroth bleibt weiter in der 1.Person.

Chapter Text

Ich betrete den Saal durch die hohe, offenstehende Doppeltür. Ein SOLDIER Third Class und Cissnei, eines der jüngeren Turk-Mitglieder mit schulterlangem, rotem Haar flankieren sie. Der Soldat nimmt bei meinem Erscheinen Haltung an, Cissnei lächelt mir zu und grüßt mit "'N Abend, General." In ihrem Anzug mit Krawatte wirkt sie angesichts des feierlichen Chaos um uns her ebenso professionell wie deplatziert.
Wir haben noch nicht zusammengearbeitet, aber sie ist ein bekanntes Gesicht im Tower. Trotz ihrer Jugend hat sie den Ruf, kompetent zu sein, und sie ist freundlich, ohne sich anzubiedern.
Ich bleibe stehen und erkundige mich: "Alles unter Kontrolle?"
"Alles perfekt, Sir", antwortet sie. "Jeder Zugang ist mit doppelten Wachen besetzt und den Kollegen im Saal entgeht nichts."
Ich nicke ihr zu und gehe weiter.
Es besteht stets die Möglichkeit, dass der Konzern von Terroristen angegriffen wird. Sonst hätten die Spezialisten von SOLDIER und den Turks kaum eine Daseinsberechtigung. Trotz der ungewissen Bedrohung, die die neue Gruppierung AVALANCHE darstellt, agiert der Sicherheitsdienst so selbstbewusst und ruhig wie immer. Bleibt zu hoffen, dass die ShinRa insgesamt besser geschützt ist als unser virtuelles System bis vor drei Tagen.
Der Saal ist größer als unser Trainingsraum und hell erleuchtet durch mehrere makogespeiste Kronleuchter an der Decke. Es gibt ein reichhaltiges Büffet an einer Wand, Stehtische und Sitzelemente im Raum verteilt, ein Klavier samt Pianisten und eine Fensterfront mit einer ausladenden Terrasse davor. Die anwesenden Gäste stehen in Klümpchen herum oder laufen hin und her auf der Suche nach jemandem, dem sie ihre Gesellschaft aufdrängen können; jeder und jede hält ein Sektglas. Die Damen sind in ihren Abendkleidern und mit ihrem Schmuck so bunt wie Knallbonbons im Gold Saucer und gehen mir ebenso auf die Nerven. Ihre schrillen Stimmen mischen sich mit dem Geklimper vom Klavier.
Vom Vorstand sind außer Hojo alle da. Rufus Shinra steht neben seinem Vater und schüttelt Hände. Sein Lächeln entblößt perfekte Zähne und erreicht seine kalten, blauen Augen nicht. Der Präsident nebelt ihn mit seiner Zigarre ein. Ich glaube, er hat schon wieder etwas zugenommen.
Ich habe erst ein paar Schritte getan, als mehrere Leute auf mich zulaufen und Blitzlicht aufflammt.
"General Sephiroth, würden Sie zu mir schauen, bitte?"
"General, werden Sie sich zur Lage in Wutai äußern?"
"Würden Sie mir ein Lächeln geben, General?”
Natürlich sage ich nichts und lächle auch nicht. Das hier ist nicht meine Party. Ich bleibe kurz stehen und blicke die Reihe der Journalisten entlang, ehe ich weitergehe.
Der kleine Aufruhr ist nicht unbemerkt geblieben. Die Leute drehen sich nach mir um. Ja, ich bin ein Star, ob mir das passt oder nicht. Morgen wird in den Klatschblättern stehen, wie großartig ich auch in Zivil aussehe. Vielen Dank, Genesis. Nur fühle ich mich auf diesem glatten, sozialen Parkett ohne meine Uniform noch unsicherer als es ohnehin der Fall ist.

Apropos - meinen Kollegen spüre ich, noch bevor ich ihn in der Nähe von Rufus entdecke. Es ist ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann, weder angenehm noch unangenehm. Ich weiß einfach, dass er in der Nähe ist, wie ich es auch von Angeal wüsste, wenn er anwesend wäre. Den beiden geht es mit mir genauso, wir haben uns vor Jahren mal darüber ausgetauscht. Es ist ein Phänomen, für das es keine schlüssige Erklärung gibt. An unserem Mako-Status kann es nicht liegen, denn mit anderen SOLDIERs First Class haben wir solche Erfahrungen nicht gemacht. Es verstärkt unser Empfinden, einzigartig zu sein.
Genesis bräuchte dafür allerdings keine Verstärkung mehr. Er ist kaum zu übersehen. Sein leuchtend rotbraunes Haar und das rote Jackett mit passender, roter Krawatte stechen aus der Menge heraus. Er lacht und redet und versprüht blendende Laune. Sein Lachen ist ebenso unecht wie das von Rufus, doch im Gegensatz zu dessen Augen sind die von Genesis nicht nur durchdringend hellblau, sondern funkeln auch, und das nicht nur vom Mako. Auch er hat mich bemerkt und wirft mir einen Blick zu. Er drückt nichts aus, sein Funkeln bezieht sich nicht auf mich, sondern auf die Aufmerksamkeit, die ihm hier zuteil wird. Und doch löst er ein feines Prickeln aus, das von meinem Bauch her abwärts rieselt.
Immer wenn ich Genesis Rhapsodos erblicke, fällt es mir schwer, über seine Schönheit hinwegzusehen. Und damit meine ich nicht nur sein Aussehen, das ohne Zweifel sehr attraktiv ist. Aber es ist seine Ausstrahlung, die mich fasziniert, seit ich ihn zum ersten Mal traf. Sein Temperament, seine Leidenschaft, die mir selbst so unähnlich sind, wirken fast wie ein Bann auf mich. Die Farbe Rot und die Feuermagie, die er beide so gern benutzt, sind seine Symbole und zugleich Symbole für das Leben schlechthin. Ich bewundere ihn für seine Fähigkeit, sich dem Leben vorbehaltlos hinzugeben. Eine Gabe, die mir vollkommen fehlt. Mein wichtigstes Instrument, um zu überleben, ist Kontrolle in allen Bereichen. Ich analysiere jede Situation automatisch und rein verstandesmäßig, während er intuitiv handelt und danach strebt, möglichst viel Genuss aus jeder Situation herauszuholen, egal, ob es ein Date, eine öde Party oder auch eine Schlacht ist.
Leider ist diese beeindruckende Lebenslust, oder sollte ich es Lebensgier nennen, mit einem Ego verbunden, das meinem in nichts nachsteht. Mich stößt es ab, wie sehr er seine Überheblichkeit und Verachtung gegenüber anderen braucht, um dieses Ego zu füttern. Angeal ist in dieser Hinsicht wesentlich toleranter mit Genesis als ich, aber er ist auch viel länger mit ihm befreundet und steht ihm näher als ich. Ob ich Genesis meinen Freund nennen würde - es fällt mir schwer, mir darüber klar zu werden. Vor allem betrachtet er sich selbst als meinen Rivalen um den sinnlosen und schwammigen Titel des “Helden”. Und dennoch …

Der Präsident lacht und winkt mich zu sich. Hinter der Gruppe, im Halbschatten, bemerke ich Tseng, den zweiten Mann in der Befehlskette der Turks. Unsere Blicke kreuzen sich kurz. Wie immer trägt er sein langes, schwarzes Haar in einen Pferdeschwanz gebunden. Seine wutaianischen Züge drücken keinerlei Gemütsregung aus.
Sobald ich vor dem Präsidenten stehe, klopft er mir auf die Schulter. “Sephiroth, mein Junge, schön, dass du da bist.” Ich bin nicht sein Junge, denke ich. Genauso wenig wie Hojos. Ob diese Leute sich etwas weniger besitzergreifend ausdrücken könnten? Nein, wohl kaum. “Komm mit, wir lassen ein paar Fotos auf der Terrasse machen.”
Also gehe ich mit ihm, Rufus und Genesis nach draußen, gefolgt von den Fotografen.
Die Terrasse ist eine ausladende Plattform aus Stahl, begrenzt von einem brusthohen Geländer. Die Shinras stellen sich nebeneinander auf, Genesis und ich jeweils an die Seiten, und die Blitzlichter flammen wieder auf. Ich praktiziere den SOLDIER-Blick - scharf und konzentriert, nicht zu grimmig und absolut affig. Aber das ist eben das, was sich die Leute bei einem SOLDIER First Class vorstellen.
Nachdem der Präsident wieder in den Saal zurückgekehrt ist, gibt es noch einige Aufnahmen von Rufus mit Genesis und mir. Ich stehe so dicht neben dem Vize-Präsidenten, dass ich sein Aftershave rieche - es ist aufdringlich und vermutlich sehr teuer. Drei Mal streicht er sein Haar zurück, obwohl nicht eine Strähne in Unordnung ist. Nun ja.

Endlich ist das Fotoshooting vorüber, und wir gehen wieder hinein. Ein Kellner mit einem Tablett bietet uns Champagner an, und auch ich nehme gehorsam ein Glas. Ich muss das Zeug ja nicht trinken, sondern nur halten. Genesis bleibt an Rufus’ Seite, sie reden lebhaft miteinander über LOVELESS. Seit wann interessiert sich Rufus für Kultur? Aber ich muss zugeben, ich kenne ihn eigentlich gar nicht, auch wenn ich seit fünfzehn Jahren im selben Haus lebe wie er. Der Tower ist eben weitläufig. Ich weiß nur, dass ich den neu ernannten Vize-Präsidenten nicht leiden kann. Er ist genauso eingebildet wie Genesis, hat aber weder dessen Format noch so viel Stil wie er.
Ich entferne mich von den beiden. Zu ihrer Unterhaltung hätte ich nichts beizutragen. Außerdem lege ich keinen Wert darauf, Zeuge zu sein, wie gut sich Genesis neuerdings mit Rufus versteht. Das Ziehen in meinem Magen bei dem Anblick genügt mir.
Das bedeutet, dass ich heute Abend überwiegend auf mich gestellt sein werde, denn Angeal ist leider auf einer Mission. Auf solchen sozialen Veranstaltungen halte ich mich sonst gerne an ihn, und er ist auch nicht jemand, der sich über meine Unbeholfenheit lustig machen würde. Im Gegensatz zu einem gewissen rothaarigen Commander.

Ich stehe an einem der marmorverkleideten Pfeiler und tue ab und zu so, als nippte ich an meinem Glas.
Da ich alleine bin, fühlen sich ständig Leute angespornt, mich anzusprechen. Sie sind reich und mächtig genug und das Ambiente scheint ihnen sicher genug, dass sie es wagen können, sich einem der gefährlichsten Lebewesen des Planeten zu nähern und ihm womöglich die Pranke - äh, die Hand zu schütteln. Letzteres tue ich äußerst ungern, wenn ich meine Handschuhe nicht trage, was ich hier natürlich nicht tue. Außerdem hasse ich es, wenn immer wieder jemand - irgendeine aufgetakelte Frau - meine Haare berühren will. Wie würden diese Personen es finden, wenn ich ihre seltsamen Frisuren anfassen wollte? Wahrscheinlich würden sie feuchte Höschen bekommen, unddieserGedanke bringt mich wirklich fast zum Würgen.
Im Allgemeinen missachte ich also die angebotenen Hände und antworte einsilbig und kühl genug, dass ihre Besitzer sich rasch wieder verziehen. Dann steht plötzlich Scarlet vor mir, unsere “Blondine vom Dienst”, wie Genesis sie zu nennen pflegt. Übrigens ist sie wirklich gut in ihrem Job, alle möglichen tödlichen Maschinen zu entwerfen, was sie jedoch im persönlichen Umgang keineswegs erträglicher macht.
“Sephiroth, mein Hübscher, das ist doch mal ein heißes Outfit. Was für ein Kontrast zu deiner Mähne. Sehr reizvoll."
Und schon hat sie ihre Finger in meinen Haaren! Ich weiche zur Seite, aber sie greift sich einfach eine Strähne und betastet und beäugt sie wie ein Stück Stoff. "Da weiß man doch, dass das SOLDIER-Budget nutzbringend investiert wird. Kya-ha-ha-ha!”
Sie neigt sich so nah zu mir, dass ihr ausladender, von roter Seide knapp verhüllter Busen meine halbnackte Brust berührt. Nun, der Einsatz von Masamune steht hier nicht zur Auswahl - leider. Für einen Moment erwäge ich, ihr meinen Champagner in das geschmacklose Dekolleté zu kippen. Aber erstens gehört sie nun mal zum Vorstand, und außerdem ist mein offenes Hemd ja auch nicht ganz unschuldig. Dabei soll es gar nicht verführerisch wirken, mir ist in hochgeschlossener Kleidung einfach immer zu warm. Es gehört zu meinen Privilegien, auch auf einer so offiziellen Veranstaltung halbwegs leger herumlaufen zu können, ohne dafür kritisiert zu werden.
Endlich lässt sie von meinen Haaren ab und hakt sich dafür bei mir ein. “Lass uns die Öffentlichkeit gemeinsam betören, hm?”, säuselt sie und klopft mit ihren Fingern, deren grelles Nagellackrot in meinen Augen brennt, auf meinen Unterarm.
Was soll das? Soll das freundlich sein? Beruhigend? Wahrscheinlich bedeutet es gar nichts, und sie will nur davon ablenken, wie eng sie sich an mich schmiegt. Wir schlendern durch den Saal, ich noch steifer als sonst - bei einem General wirkt das normal -, sie grinsend und nach allen Seiten nickend, um irgendwelche anderen Gäste zu grüßen. Die Blicke, die wir ernten, sind neugierig bis beeindruckt. Ich nehme an, damit hat sie ihr Ziel erreicht. Ich spare mir jegliche höfliche Verrenkungen meiner Mimik und begnüge mich damit, mich positiv von Heidegger zu unterscheiden. Dessen aufdringliches, heiser-grelles Lachen hört man durch den ganzen Saal.
Nebenbei werfe ich einen Blick hinüber zu der Stelle, wo ich Genesis und Rufus vorhin gesehen habe. Sie stehen immer noch dort, Rufus ist umringt von Leuten und sonnt sich in ihrer Aufmerksamkeit. Auch Genesis scheint sich wohlzufühlen. Er lacht viel und affektiert. Sein langer, silberner Ohrring blitzt durch sein Haar, und ich frage mich unvermittelt, wie er es finden würde, wenn jemand - zum Beispiel ich - daran zupfen würde. Schnell schaue ich woanders hin.
Nach einer Weile seufzt Scarlet tief und geziert auf. “Ach, Sephiroth, kannst du nicht wenigstens so tun, als wärst du ein menschliches Wesen?”
“Wie bitte?” Was will sie jetzt wieder von mir?
“Das hier ist eine Party, keine Lagebesprechung vor einer Schlacht. Warum lächelst du nicht mal? Du hast doch Muskeln im Gesicht, oder?”
Ich mache unbestimmt “hm”. Meiner Erfahrung nach entmutigt das Leute wie sie sehr schnell.
Sie seufzt erneut und bleibt stehen. “Ich brauche noch etwas zu trinken. Willst du mir nicht ein Glas Champagner besorgen? Ein Gentleman tut sowas, weißt du.”
Ach ja? Ich habe nie behauptet, ein Gentleman zu sein. Ich bin Soldat. Aber das äußere ich natürlich nicht. Stattdessen halte ich ihr mein eigenes, noch fast volles Glas hin. “Du kannst meins haben. Ich mag sowieso keinen Champagner.”
Die angewiderte Art, wie sie den Mund verzieht, ist eine nette Abwechslung zu ihrem ständigen Grinsen. “Oh Götter, Sephiroth! Du bist wirklich unmöglich.”
Ich fixiere sie ungerührt und hebe nur langsam eine Augenbraue. Ich weiß, dass das normalerweise abweisend und bedrohlich wirkt, aber sie lässt sich nicht so leicht einschüchtern.
Sie zuckt mit ihren nackten Schultern. “Also, gib schon her! Der große Sephiroth teilt seinen Champagner mit mir! Kya-ha-ha!”
Sie nimmt mir das Glas aus der Hand und leert es in einem Zug. Dann schaut sie sich unternehmungslustig um. Sie scheint sich wohl zu fühlen. Wie werde ich sie bloß los? Ich muss mir eine Ausrede einfallen lassen. Aber welche? Mir fehlt in diesen Dingen die Raffinesse, würde Genesis sagen.
Da kommt ein braunhaariger Mann im schwarzen Anzug auf uns zu. Der Anzug sieht neu und sehr fein aus. Es ist Veld, der Direktor der Turks. Er nickt uns freundlich zu. “Hallo Scarlet, Sephiroth. Amüsiert ihr euch?”
Scarlet wittert ein neues Opfer. “Na sowas, Veld.” Sie mustert seine Krawatte mit deutlichem Missfallen. “Ich hätte nicht gedacht, dass man jemanden mit so einem Strang hier reinlässt. Besitzen Sie keine Fliege? Oder wenigstens einen Anzug, der nicht ganz so laut 'Turk!' schreit?"
“Ich werde nächstes Mal eine bessere Wahl treffen, versprochen.” Veld lächelt stoisch. Die lange Narbe auf seiner Wange wirkt dabei noch mehr wie ein Bruch in seinem Gesicht als sonst. “Leider muss ich Ihnen unseren General entführen”, fährt er fort. “Ich habe etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen.”
Was kann das sein? Ich habe mit Veld eigentlich nie persönlich zu tun. Missionen, an denen neben SOLDIERs auch seine Turks beteiligt sind, bespricht er mit Lazard, der sie dann an uns übergibt, wie alle anderen Aufträge auch. Veld kenne ich nur von den allgemeinen Board-Meetings. Bisher schien er mir ein angenehmer Mensch zu sein, nicht so vorlaut und herrisch wie die meisten anderen Vorstandsmitglieder und erstaunlich sympathisch, wenn man seinen Beruf bedenkt.
Scarlet stöhnt auf. “Noch einer, der diese Party für ein Arbeitsmeeting hält. Na dann.” Und damit wendet sie sich ab und macht sich vermutlich auf die Suche nach unterhaltsameren Leuten. Wie schön.

"Wollen wir auf die Terrasse gehen, ein bisschen frische Luft schnappen?", schlägt Veld vor.
"Sicher", stimme ich zu. Mir ist alles recht, was mich aus diesem hellerleuchteten Irrenhaus hinausbringt. Und Veld möchte vermutlich keine Zuhörer haben bei dem, was er mir zu sagen hat, was immer das sein mag.
Auf der Terrasse herrscht Zwielicht von einzelnen Laternen am Rand. Auch hier stehen einige Leute herum und reden gedämpft oder lehnen am Geländer und schauen auf das prächtige, im Lichterglanz funkelnde Midgar. Der leichte, grünliche Dunst, der ständig von den Reaktoren aufsteigt, verursacht eine seltsam unwirkliche Atmosphäre.
Veld bleibt mit mir in der Nähe des Geländers stehen. "Nun?", frage ich. "Worüber wollen Sie so dringend mit mir reden?"
"Oh." Er schaut mich an und lacht kurz und ehrlich, wie mir scheint. "Das war nur vorgeschoben. Ehrlich gesagt wollte ich Sie von Scarlet befreien. Sie sahen neben ihr ziemlich ... unglücklich aus."
Der Mann muss wirklich eine hervorragende Beobachtungsgabe haben, ich bin mir sicher, dass mir nicht viele mein Unbehagen ansehen konnten. Er ist nicht umsonst der Chef der Turks.
"Dann danke ich Ihnen”, erwidere ich offen mit dem nettesten Schmunzeln, das mir zur Verfügung steht. Mein Repertoire auf diesem Gebiet ist nicht übermäßig groß.
In dem ruhigen Blick seiner braunen Augen liegt mehr Verständnis, als ich bei jemandem mit seinem Job erwarten würde.
“Ich bin auch kein Freund von pompösen, offiziellen Anlässen”, vertraut er mir an. “Aber es ist nicht immer möglich, ihnen zu entgehen. Wie das so ist mit allen Dingen, die der Konzern von denen fordert, die tief in seinem Machtbereich stecken. Ich fürchte, er kennt kein Mitleid.”
Erstaunt über den plötzlichen Ernst in seinen Worten, sehe ich ihn an. Das Lächeln umspielt noch immer seine Lippen, doch es ist anders jetzt. Traurig? Wehmütig?
Ich hatte nicht daran gedacht, dass es auch anderen so gehen könnte, die nicht wie ich im Konzern aufgewachsen sind. Aber ShinRas Macht existiert auf vielen Ebenen, und Veld ist schon sehr lange dabei. Ich glaube, er war bereits mit dem alten Shinra befreundet, als dessen Vater noch eine Waffenfabrik führte. Der Konzern würde nie jemanden ziehen lassen, der so viele seiner Geheimnisse kennt wie Veld. Ob er dem Konzern den Rücken kehren würde, wenn er könnte?
Die Frage behalte ich natürlich für mich. So sage ich nur: “Ich weiß, was Sie meinen.”
Er nickt. “Das ist mir klar.”
Es ist ein bisschen sonderbar, sich von einem Menschen, der einem eigentlich fremd ist, verstanden zu fühlen.
Ich wechsle lieber das Thema. "Übrigens - ist schon etwas über den Hackerangriff auf Professor Hojos Dateien bekannt?"
"Nicht wirklich”, erwidert er wieder völlig sachlich. “Nur dass es ein Profi gewesen sein muss, der keine verwertbaren Spuren hinterlassen hat bis auf den Spruch: 'Mako gehört dem Planeten! Nieder mit ShinRa!' Dazu gibt es ein GIF, das einen Raben darstellt, der 'fufu' sagt."
Ich runzle ein wenig die Stirn. "Wie lustig. Und so originell."
“In der Tat. Wir scheinen es mit einem rechten Witzbold zu tun zu haben. Dass sich derjenige mit den üblichen ökologischen Protestgruppen zu identifizieren scheint, die das Mako als Rohstoff für die Energieversorgung kritisieren, ist fast etwas enttäuschend."
“Könnte es eine Verbindung mit diesen Unruhestiftern geben, die vor einer Woche auf sich aufmerksam gemacht haben und sich offenbar AVALANCHE nennen?"
Veld nickt knapp. "Das ist unsere Befürchtung. Es würde bedeuten, dass sie wesentlich gefährlicher sind und eine stärkere kriminelle Struktur haben, als es zunächst schien. Gut möglich, dass wir alle demnächst mehr Arbeit bekommen."
“Nun, ShinRa dürfte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, wie immer.”
“Natürlich, General.”
Da ich sehe, dass sein Blick an mir vorbeischweift, drehe ich mich um und entdecke meinen Vorgesetzten Direktor Lazard Deusericus nur wenige Meter von uns entfernt. Er ist allein und sieht zu uns her.
“Sephiroth”, sagt er mit einem kleinen Lächeln, “sind Sie den Aasgeiern mit den Fotoapparaten entkommen?”
“Es scheint so”, antworte ich leichthin.
Sofort verändert sich die Stimmung. Mit Lazard bin ich vertraut, er ist neben Genesis und Angeal der Mann, mit dem ich am häufigsten zu tun habe und dem ich am meisten von mir zeige. In seiner Gegenwart kann ich mich zumindest ein wenig entspannen.
“Dann werde ich mich mal wieder ins Gewühl stürzen”, meint Veld. “Ich wünsche Ihnen beiden noch einen angenehmen Abend.”
Lazard und ich erwidern den Wunsch, und Veld geht zurück in den Saal.

Chapter 3: Das Duell

Summary:

Eine Party bei ShinRa kann gefährlicher sein als ein Einsatz in Wutai. Für Sephiroth keine wirklich neue Erkenntnis.

Chapter Text


Ich stelle mich zu Lazard. Er nimmt die Brille ab und reibt sich über die Augen. Sein blondes Haar ist gut frisiert wie immer, aber sein Blick ist nicht so klar wie sonst, woraus ich schließe, dass er nicht mehr ganz nüchtern ist.
“Wir haben jetzt also einen Vize-Präsidenten”, sagt er mit einem Lächeln, dessen Bitterkeit mir bei ihm fremd ist. “Ich weiß zwar nicht, warum du und ich diese Tatsache feiern sollen, aber ShinRa verlangt natürlich seine PR.” Er setzt die Brille wieder auf und wendet sich zu dem Häusermeer unter uns. 
Wenn wir privat miteinander reden oder uns niemand sonst hört, duzen wir uns. Auch mit Genesis und Angeal hält Lazard das so. Nur im offiziellen Rahmen sagen wir ‘Sie’ und ‘Sir’, immerhin ist er unser direkter Vorgesetzter.
Ich weiß nicht, was ich auf seine Bemerkung antworten soll, daher sage ich nichts und schaue neben ihm auf die Stadt in ihrer grün überhauchten Pracht. 
“Rufus wird von nun an regelmäßig an den Vorstandssitzungen teilnehmen”, murmelt Lazard, “und ganz sicher wird er seinen Standpunkt noch vehementer vertreten als bisher, und seine Kritik an anderen wird noch giftiger ausfallen, egal wie unsinnig seine Argumente sind.” Er spricht leise, so als richte er seine Worte nicht direkt an mich, sondern wolle seinen Gedanken nur irgendwie Ausdruck verleihen vor jemandem, dem er traut.
Auch er mag Rufus nicht. Ich kenne niemanden, der das tut. Außer Genesis offensichtlich. Ich fühle einen Stich bei dem Gedanken.
Lazard seufzt. “Wir können froh sein, wenn Genesis dem Jungen seinen Hintern hinhält. Das sollte bei Rufus für gute Laune sorgen, und die macht ihn wesentlich erträglicher.”
Wie bitte?! Perplex starre ich ihn an. “Das … meinst du nicht ernst, oder?”
Ich hatte ja den Eindruck, dass die beiden flirten, aber ich habe nicht gedacht, dass es stimmt. Ich interpretiere soziale Interaktionen ja häufig falsch.
Lazard wendet sich zu mir. Er lächelt wieder, noch immer ohne jede Freude. “Doch, Sephiroth. Er wird ihn ficken, glaub mir. Und ich hoffe nur, es gefällt ihm. Aber Rufus ist jung, schön und jetzt auch noch mächtig, also warum sollte es Genesis nicht gefallen?”
Ich weiß nicht, was ich gedacht habe, jedenfalls habe ich Rufus nicht für schwul gehalten. Vielleicht ist er ja bisexuell. Dass Genesis auf Männer steht, weiß ich, er macht daraus nicht so ein Geheimnis wie ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der alte Shinra eine Affäre zwischen seinem Sohn und einem Commander von SOLDIER gutheißen wird.
Der vage Schmerz in meinem Innern wird schärfer. 
“Mach doch nicht so ein entsetztes Gesicht”, sagt Lazard wenig hilfreich. “Sex ist nicht so schlecht, weißt du, und ob Männlein oder Weiblein … was soll’s.”
Er hat keine Ahnung, was gerade in mir vorgeht, und das ist gut so. Soll er denken, ich sei einfach verklemmt. Bin ich ja auch.
Lazard klopft mir in freundschaftlicher Art auf die Schulter. Er ist einer der wenigen, denen ich das erlaube, aber diesmal meine ich etwas wie Mitleid darin zu spüren, und das ist mehr als unangenehm.
"Lass uns zurückgehen", seufzt er. "Die Gäste sollen schließlich die Gegenwart von General Sephiroth genießen. Das können sie nicht, wenn du dich hier draußen rumdrückst."
Da hat er wohl recht. 

Im Saal bekommen wir sofort wieder Champagner angeboten. Lazard sieht nicht aus, als würde ihn das stören. Er kippt gleich die Hälfte des Getränks hinunter. Grinsend schaut er dann auf das Glas, das ich erneut kurlos in der Hand halte.
"Ist wohl nicht dein Geschmack?"
Ich schüttele den Kopf, zucke die Achseln.
"Weißt du was", meint Lazard verschwörerisch, aber ich soll nie erfahren, was ich wissen könnte, denn da spricht uns Reeve Tuesti an.
"Lazard, Sephiroth. Wie geht's?"
"Gut, gut", erwidert Lazard übertrieben heiter. "Wir haben einen Vize-Präsidenten, hurra! Jetzt kann uns nix Schlimmes mehr passier'n. Schtimmt's?"
Tuesti lacht gutmütig. "Na, ich glaube, wir sollten ein bisschen aufpassen, dass wir nicht zu viel Champagner haben, mein Freund. Ich würde gerne kurz mit dir etwas besprechen. Sie entschuldigen, Sephiroth?"
Was bleibt mir anderes übrig?
Lazard winkt mir mit seinem Glas zu. "En'schuldigen Sie mich, Generale mio." Er lallt nicht direkt, aber allzu viel fehlt nicht mehr. Ich hoffe, Tuesti kümmert sich um ihn. Er ist ein guter Mann, wenn auch vielleicht ein wenig unbedarft.
Und schon bin ich wieder alleine. 
Unwillkürlich schweift mein Blick durch den Saal auf der Suche nach einem rotbraunen Haarschopf. Er ist leicht zu finden, direkt neben einem geradezu blendenden Blond. Die beiden sind nicht mehr so stark belagert wie vorhin und scheinen sich weiterhin eine Menge zu erzählen zu haben. Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass sie ein schönes Paar sind - beide sehr gutaussehend und geschmackvoll gekleidet. Rufus ist in Weiß wie üblich, was ihm hervorragend steht. Der Gedanke, dass dieser Bengel Genesis in ein paar Stunden in sein Bett zerren wird, lässt mir übel werden.
Wieso empfinde ich so? Was ist los mit mir? Was interessiert es mich, wie Genesis seine Nächte verbringt? Sonst kann ich es schließlich auch ignorieren, kann mir sagen, dass alles, was dieser Mann in mir auslöst, nur auf gewissen chemischen Vorgängen in meinem Hirn und meinem Unterleib beruht. Aber jetzt habe ich ihn und seinen Lover in spe direkt vor Augen. Und alles ist anders.

Ich will etwas tun. Muss etwas tun, irgendetwas. Nicht nur dumm herumstehen und zusehen. Auf dem Schlachtfeld hätte Rufus mir absolut nichts entgegenzusetzen, aber hier ... Auch das hier ist ein Schlachtfeld, denke ich, und ich bin gezwungen, mit Waffen zu kämpfen, die ich nicht beherrsche. Was tue ich gewöhnlich, wenn ich einem Gegner gegenüberstehe, den ich nicht bezwingen kann? Keine Ahnung, das letzte Mal, dass ich in einer solchen Situation war, ist zehn oder zwölf Jahre her. Damals war ich etwa elf und bezog eine Tracht Prügel von meinem Vorgänger, General Bertrand Felcon, einem First Class SOLDIER, der in dem Programm neue Maßstäbe gesetzt hatte. Zwei Jahre später war ich ihm ebenbürtig und absolvierte an seiner Seite meine erste Schlacht in Wutai. Er ist schon lange tot, gefallen.
Als ich in meiner Ausbildung auf ihn traf, habe ich mich maßlos überschätzt und bin in jede Finte von ihm hineingelaufen. Und als ich sehr schnell begriffen hatte, dass ich ihm hoffnungslos unterlegen war, habe ich trotzdem weitergemacht, denn aufgeben kam für mich nicht in Frage, egal wie viele Schrammen ich mir bei dem Duell holte.
Und genau so werde ich es jetzt auch halten. Mir fällt sogar ein Eröffnungssatz ein, den ich benutzen kann. Ich habe nämlich heute im Foyer des Towers auf einem von Midgars Klatschblättern ein Foto von Rufus und seiner herausgeputzten Begleiterin in der gestrigen LOVELESS-Premiere gesehen.
Ich atme tief durch und gehe hinüber zu ihm und Genesis, stelle mich zu ihnen. Da ich Genesis' Kollege bin, ist das sogar unauffällig, im Gegensatz zu meiner Person. Es ist schlicht nicht möglich, mich zu übersehen, und so drehen sich das blondumrahmte und das rotbraunumrahmte Gesicht mir auch sogleich zu. Genesis' schöne Augen nehmen einen leicht irritierten Ausdruck an - klar, er kennt ein solches Auftreten bei so einem Anlass von mir nicht. 
Rufus lächelt mich kalt und gleichgültig an. "General."
"Vize-Präsident." Wie gut, dass wir so schöne Titel haben, dann benötigen wir keine persönliche Anrede, die zu unserem unterkühlten Verhältnis auch nicht passen würde. "Ich habe gehört, die Premiere der neuen LOVELESS-Inszenierung gestern soll sehr sehenswert gewesen sein." Habe ich nicht, aber darum geht es ja auch gar nicht.
"Tatsächlich?" Rufus ist es schleierhaft, was ich von ihm will, das ist deutlich. Bis jetzt fühlt er sich nur vage bei seinem Flirt gestört.
"Vielleicht hättest du selbst hingehen sollen", bemerkt Genesis spitz. "Dann wüsstest du, dass es eine gloriose Aufführung war."
"Ja, nur leider hatte ich zu der Zeit noch zu arbeiten", gebe ich zurück.
Er verdreht die Augen. Wahrscheinlich versteht er es als Vorwurf und nicht als die Ausrede, die es ist. Ich will keinen Streit mit ihm, aber der wird sich wohl ohnehin nicht vermeiden lassen, wenn ich das hier durchziehe.
"Hat es der charmanten, jungen Dame an deiner Seite auch so gut gefallen?", frage ich Rufus.
"Allerdings", antwortet er weiterhin verwirrt. "Wieso interessiert dich das?"
Wir duzen uns, alles andere wäre lächerlich, da wir uns von Kindheit an kennen, wenn auch nicht gut.
Ich zucke mit einer Schulter. "Ich wundere mich nur, dass sie offenbar nicht anwesend ist, auf einer Party, die zu deinen Ehren gegeben wird."
Obwohl er immer noch lächelt, krümmen sich seine Lippen verächtlich. Allmählich reicht es ihm wohl. "Ich weiß nicht, was das hier soll, aber auf jeden Fall geht dich mein Privatleben absolut nichts an."
“Das ist richtig”, gebe ich ungerührt zu. “Ich finde es nur schade, dass sie nicht hier ist und dass du dich deshalb an meinen Kollegen heranmachen musst.”
Oh ja, das hat gesessen. Rufus' Augen verengen sich, seine Lippen werden schmal. Ich würde gerne sehen, was sich in Genesis’ Miene tut, aber ich werde meinen Blick nicht von Rufus wenden.
“Und worauf willst du hinaus, General?”, fragt er scheinbar ahnungslos. “Wir unterhalten uns über Kultur, an der wir beide interessiert sind, im Gegensatz zu dir. Was stört dich daran?”
Ungefähr bis hierher habe ich das Gespräch vorhergesehen und meine Beiträge vorbereitet. Jetzt kann ich entweder wieder gehen oder ich fange an zu improvisieren und blamiere mich vermutlich in Grund und Boden. Nun denn.
“Ich sehe durchaus, woran ihr wirklich interessiert seid. Ich denke einfach, ein SOLDIER First Class passt nicht zu dir, das ist alles.” Das klingt doch recht schneidig, und ich bin ein bisschen stolz auf mich. Hoffentlich fragt er, warum ich so denke.
Den Gefallen tut er mir leider nicht. “Ist das so? Du kannst dir nicht vorstellen, wie gleichgültig mir deine Meinung ist. Ich muss mich nicht mit jemandem abgeben, der sogar auf einer Party aussieht, als wäre er auf einer Beerdigung.” Sein verächtliches Grinsen hat Ähnlichkeit mit dem von Scarlett, als sie Velds Krawatte kritisiert hat. Wenigstens zeigt er keinerlei Überlegenheit, da er sich auf die niedrige Ebene einlässt, die ich vorgegeben habe.
Wir könnten noch eine Weile über alberne Äußerlichkeiten streiten, aber das ist ja nicht mein Ziel. Ich will ihm gerade an den Kopf werfen, er solle doch bitte die Finger von einem Mann lassen, der ihm so haushoch überlegen ist wie Genesis, als eben dieser giftig einwirft:
“Er hat genauso wenig Sinn für Mode wie für irgendeine andere Art von Kultur.”
Rufus lacht leise auf, und ich sehe nun doch zu Genesis. Das Blau seiner Augen blitzt mich zornig an. Während Rufus ein wenig zu mir hochschauen muss, sind Genesis’ Augen mit meinen auf einer Höhe. Das liegt allerdings an den Fünf-Zentimeter-Absätzen, die sämtliche Schuhe haben, die er trägt. Er sucht sie sorgfältig aus, um den Größenunterschied zwischen uns auszugleichen. 
Ich kann natürlich nachvollziehen, dass er sauer ist, aber diese Bemerkung verstehe ich nicht. Schließlich hat er die Klamotten, die ich anhabe, selbst ausgesucht. Ich wünschte, ich könnte ihm erklären, warum ich das hier mache, aber der rationale Grund ist der, den ich schon genannt habe: Ich möchte, dass er erkennt, dass Shinra ihn nicht verdient.
Der neugekürte Vize-Präsident legt süffisant nach: “Ich bitte dich, er kann nichts dafür. Im Labor, wo er aufgewachsen ist, hat er halt keine geistigen oder sozialen Werte vermittelt bekommen. Er ist ein Killer. Nichts weiter.”
Die Behauptung ist so alt wie ich selbst und wird deshalb nicht wahrer. Ich bin bei ShinRa aufgewachsen, aber keineswegs in einem Labor, und habe eine vollständige Schulbildung genossen. Meine Ausbildung zum SOLDIER First Class und zum Oberbefehlshaber dürfte kaum weniger anspruchsvoll gewesen sein als seine zum - Milliardenerben. Das ist auch das, was ich ihm entgegnen will. Aber das Thema lenkt völlig von der Sache ab, um die es geht. Und so ist das, was aus meinem Mund kommt, etwas total anderes: “Dafür bin ich keine Schlampe.”
Ich weiß schon, bevor der Satz zu Ende ist, dass das dumm war. Es ist plump und unverschämt einer Person gegenüber, die zum Vorstand gehört. Es ist etwas, wofür ich mich werde entschuldigen müssen! Und vor allem fordert es Rufus heraus, mir seine neue Macht um die Ohren zu hauen.
Er bleibt ganz ruhig, nur sein Blick brodelt. Er tritt dicht an mich heran, viel dichter als mir lieb ist, aber natürlich weiche ich nicht zurück. "Vorsicht, General", zischt er. "Wenn ich will, beauftrage ich Hojo mit einer Behandlung, nach der das Einzige, was dann noch männlich an dir ist, dein perverses Schwert sein wird."
Ich fühle, wie ich versteinere, wie meine Gesichtsmuskeln einfrieren. Dieser  Konter geht viel tiefer, als meine Attacke es getan haben kann. Hojo, meine ewige Nemesis. Auf diese Drohung gibt es keine Erwiderung. Ich weiß nicht, ob Rufus tatsächlich die Befugnis zu einem solchen Befehl innehat, aber mein Geist reagiert umfassend auf den Trigger. Mir wird kalt, mein Puls schießt in die Höhe. Zugleich formt sich mein Magen zu einem glühend heißen Ball der Wut. Ich könnte dem Bastard vor mir mit meinen bloßen Händen das Genick brechen. Jetzt und hier. Das weiß er genau. Aber ich werde es nicht tun, denn ich würde meine Tat nicht lange überleben. Auch das weiß er, so wie ich es weiß. 
Zu der Wut in mir gesellt sich wilde Verzweiflung. Ich zwinge Ausdruckslosigkeit in meinen Blick, um Shinra die letzte Genugtuung, mich fallen zu sehen, zu verweigern. Lächerlich in Anbetracht meines Schweigens, das meine Niederlage allzu deutlich belegt, und in Anbetracht des grünen Feuers, das jetzt zweifellos in meinen Augen lodert. Das Mako habe ich nicht unter Kontrolle.
Rufus' Lippen kräuseln sich im Triumph. 
Ich wende mich stumm ab und gehe. Meine Bewegungen gleichmäßig und geschmeidig aussehen zu lassen, ist ein härterer Kampf als jede Trainingseinheit im Simulator. Als ich die Flügeltür erreiche, schmerzt mein Kiefer von dem Druck der zusammengepressten Zähne. Meine herabhängenden Hände zittern, weil ich ihnen verbiete, sich zu Fäusten zu ballen.

Was habe ich mir nur dabei gedacht, mich mit Rufus Shinra anzulegen? Noch dazu auf seiner eigenen Party? Seit wann bin ich so masochistisch?
Und wo bei der Liebe Gaias soll ich jetzt hin? Mir ist klar, was von mir erwartet wird. Wenn ich einfach in mein Apartment verschwinde, zitiert mich Hojo morgen zu sich und fragt, was mit mir los ist. Jede Auffälligkeit in meinem Verhalten zieht eine Untersuchung nach sich, erst recht, wenn der Verdacht auf eine psychische Labilität besteht. Aber hierbleiben kann ich nicht. Mir ist übel vor Anspannung. 
Auch in der Lounge vor dem Saal stehen Leute herum. Und natürlich sehen alle zu mir. Wo ich hinkomme, starrt jeder mich an, und wenn ich nur auf die Toilette gehe! Wobei - das ist im Moment nicht die schlechteste Möglichkeit. 
Zielstrebig  marschiere ich durch die Lounge, an den Aufzügen vorbei in Richtung der Toiletten. Im Waschraum drücke ich mich lautlos an den drei oder vier Männern vorbei, die dort verteilt stehen, und verschwinde in der hintersten Kabine. Ich verriegele die Tür und lehne mich an die Wand neben der Porzellanschüssel. Ich atme tief und bewusst - ein und aus. Der Effekt ist gering. Ich möchte noch immer meine Faust in die strahlend weißen Fliesen schlagen, wieder und wieder, mit der Vorstellung, es sei Rufus Shinras Visage.
Ich beherrsche mich. Ich muss durchhalten, irgendwann wird die brennende Wut, die in mir tobt, nachlassen. Ich versuche, nicht an Genesis zu denken, aber das ist natürlich zwecklos. Ich habe bewusst vermieden, ihn anzusehen, als ich gegangen bin. Jetzt frage ich mich unwillkürlich, ob auch in seinen Augen der Triumph zu lesen war. Er sammelt meine Niederlagen wie Trophäen, so klein sie auch sind. Da er im Kampf keine von mir zu sehen bekommt, hält er sich an die verbalen.  Eine sarkastische Bemerkung von ihm auf meine Kosten, der ich die Antwort schuldig bleibe, eine Zurechtweisung von Lazard oder Heidegger. Mein Versagen vor Rufus muss für ihn eine Krönung in unserem Verhältnis darstellen.
Seine Eifersucht auf meine Fähigkeiten und meinen Ruhm hat etwas Kindisches. Dann wieder gibt er sich in meiner Gegenwart zugänglich und kameradschaftlich, versucht, mich in private Treffen mit ihm und Angeal zu ziehen, und wirft mir seine ärgerliche Verachtung an den Kopf, wenn ich nicht mitspiele. Dass er Empfindungen in mir weckt, die mir neu sind und mich verunsichern, darf er niemals erfahren.
Der emotionale Tumult in mir treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Ich wünschte, ich könnte eiskalt duschen, so lange, bis ich nichts mehr fühle.
Nebenbei höre ich Gerede aus dem Waschraum, das ich nicht beachte. Dann Schritte, die sich nähern. Plötzlich klopft jemand so energisch an die Tür, hinter der ich mich verschanze, dass ich zusammenfahre, und eine Stimme ruft fordernd: 
“Sephiroth!”

 

Chapter 4: Banoranische Hackbällchen

Summary:

Sephiroth erlebt eine Überraschung von unerwarteter Seite.

Chapter Text

"Sephiroth? Ich bin's, mach auf!"
Das ist Genesis! Was macht der denn hier? Ich starre hilflos die Tür an. Ganz bestimmt will ich jetzt nicht mit ihm sprechen. Ausgerechnet! Aber hartnäckig, wie er nun mal ist, gibt er nicht so schnell auf.
"Lass den Scheiß, oder ich tret die Tür ein! Dazu brauch ich nicht mal Feuer-Materia!"
Da hat er zweifellos recht, das wäre sogar für einen Infantristen keine Herausforderung.
Regt er sich auf, weil ich ihn gewissermaßen gleichzeitig mit Rufus als Schlampe bezeichnet habe? Er ist eine, er lässt sich oft genug über seine Liebeleien mit irgendwelchen Bürschchen aus. Einer der Gründe, warum ich nicht oft mit ihm und Angeal ausgehe. Ich muss mir das nicht anhören.
Und was will er jetzt tun? Sich vielleicht mit mir duellieren wie üblich? Hier?? Im Moment würde mir das sogar ganz gut passen, wütend genug bin ich. Ich öffne den Riegel, reiße die Tür so heftig auf, dass sie schallend an die benachbarte Wand kracht, und belle: "Was?!"
Natürlich zuckt er nicht zurück, wie es jeder normale Mensch täte. Stattdessen mustert er mich mit einem seltsamen Ausdruck, den ich nicht deuten kann. Im Gegensatz dazu tanzen in meinen Augen vermutlich grüne Flammen. Ich muss mich unbedingt sofort wieder in den Griff kriegen.
Sekundenlang sehen wir einander nur an. Dann sagt Genesis völlig ruhig: "Der Präsident will dich sprechen. Er vermisst sein Aushängeschild."
Ich bin nicht sicher, dass ich verstehe, was er da redet. "Der Präsident?", frage ich dümmlich.
"Dein Abgang war ein bisschen auffällig", erklärt er. "Als ich dir gefolgt bin, hat der Alte mich aufgehalten und beauftragt, dich zurückzubringen."
Götter, wie ich dieses Theater hasse, das sie um mich machen! Warum können sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?
Als ich nichts sage, weil ich befürchte, sonst loszubrüllen, tritt Genesis zwei Schritte zur Seite. Er macht eine elegante Figur mit der schmalen, schwarzen Anzughose und dem schwarzem Hemd unter dem leuchtend roten Jackett. Mit leiser, dunkler Stimme sagt er: "Und ist auch der Morgen ohne Hoffnung, nichts soll meine Rückkehr verhindern."
Man könnte meinen, das LOVELESS-Zitat sei in dieser Situation albern, ja spöttisch. Aber der Ernst, mit dem er es spricht, transportiert etwas, das mich berührt. Er meint wirklich, was er sagt, er scheint zu verstehen, was in mir vorgeht. Jedenfalls ist es das, was ich spontan empfinde. Und es ändert etwas an meiner Verfassung. Der glühende Ball in mir sinkt in sich zusammen und verwandelt sich wieder in meinen Magen, auch wenn er sich nun ziemlich klein und hart anfühlt. Meine Pulsfrequenz geht zurück, und ich habe nicht mehr das Gefühl, dass mir gleich die Halsschlagader platzt.
Ich gehe an Genesis vorbei zum Waschbecken. Der Raum ist leer bis auf uns. Offenbar hat er vorhin die anwesenden Männer hinausgescheucht. Ich lasse kaltes Wasser über meine Hände laufen und spritze mir eine Ladung ins Gesicht. Es bewirkt nicht viel, außer dass die vorderen Strähnen meiner Haare nass werden und tropfen. Genesis hält mir Papiertücher hin und ich trockne mich ab. Genesis schweigt. Er hält einen Abstand ein, der angenehm ist.
Wieso ist er so? Sollte er nicht bei Rufus sein statt bei mir? Wieso beklagt er sich nicht wortreich darüber, dass er mich einsammeln muss, anstatt sich zu amüsieren?
Er steht an der Tür und fragt: "Bist du soweit?"
Kann ich nicht behaupten.
Ich nicke und er erwidert es. Wir verlassen die Toiletten und gehen Seite an Seite zurück zum Saal. Genesis ist nicht so nah, dass er mich berühren würde, aber nah genug, dass ich ihn spüre. Noch immer spricht er nicht. Ich merke jedoch, wie er mich aus dem Augenwinkel beobachtet. Ich kenne diese Art von ihm, nur nicht bei geselligen Anlässen. Nüchtern, beherrscht, konzentriert bis in die letzte Faser - im Einsatz ist er so. In der Schlacht, wenn in jeder Sekunde unser Leben von der richtigen Einschätzung der Lage abhängt.
Direkt bei der Flügeltür neben der rothaarigen Turk steht Tseng und sieht uns entgegen. Nein, er sieht nur mich an. Was hat er vor? Bin ich jetzt schon ein "Fall" für die Turks? Auch jetzt sind seine exotischen Züge ohne jeden Ausdruck.
Niemand weiß, ob er ein reinblütiger Wutaiani oder ein Mischling ist. Aufgewachsen ist er in einem Waisenhaus in Mideel. Als er mit sechzehn zu ShinRa kam, waren seine wutaianischen Sprachkenntnisse nur rudimentär. Ich war damals zehn und hatte ein halbes Jahr lang mit ihm zusammen einen intensiven Sprachkurs, der uns auf die Teilnahme am Krieg gegen Wutai vorbereitete. Ich mag Tsengs kühle Art und seine Zuverlässigkeit.
Als ich mit ihm auf einer Höhe bin, macht er einen Schritt auf mich zu, der mich auffordert, anzuhalten, ohne mir direkt den Weg zu versperren. Ich bleibe stehen und erwidere reglos den Blick der dunklen Mandelaugen.
"Verzeihung, Sephiroth", sagt Tseng ruhig. "Gibt es ein Problem?"
"Nein", antworte ich ebenso kalt. "Alles in bester Ordnung."
Sekundenlang hält er meinen Blick mit seinem fest, und ich warte, dass er sagt, was er eigentlich will. Aber es kommt nichts mehr. Unterschwellig registriere ich, dass er nicht aggressiv oder drohend dreinschaut, sondern nur sehr aufmerksam. Dann weicht er zurück und wendet sich ab, und Genesis und ich gehen weiter in den Festsaal.
Wir begeben uns in Richtung des Präsidenten, der uns entgegenkommt. Seine harten, blauen Augen messen mich mit einem strengen, aber nicht verärgerten Blick.
"Sephiroth, schön, dass du wieder hier bist. Du hast ein bisschen Aufmerksamkeit erregt vorhin, als du so unvermittelt verschwunden bist. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass etwas zwischen Rufus und dir vorgefallen wäre. Was war da los?"
Ich könnte Rufus' plumpen Flirt mit Genesis jetzt petzen, oder? Aber ich habe keinerlei Beweis dafür, dass es mehr war als eine angeregte Unterhaltung. Außerdem würde ich Genesis damit genauso schaden wie Rufus, und aus irgendeinem Grund will ich das nicht.
Also antworte ich: "Es war nichts, Sir. Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit über die Premiere der neuen LOVELESS-Inszenierung gestern Abend." Meine Stimme ist so fest und ruhig, wie ich es von ihr gewohnt bin.
Der Alte sieht zufrieden aus. "Ah gut, gut. Du wirst noch mindestens eine halbe Stunde hier bleiben, schön sichtbar für die Gäste. Ich will, dass jeder die Möglichkeit hat, ShinRas großen Helden persönlich kennenzulernen. Das wirft ein goldenes Licht auf den Anlass dieser Party, wenn du verstehst."
Auf den kleinen Bastard, der sich nun Vize-Präsident nennen darf - ich verstehe seine Absicht vollkommen. "Natürlich, Sir."
"Schön. Du machst das schon." Er klopft mir auf die Schulter und wendet sich seinen Pflichten als Gastgeber zu.
Ich frage mich, wie ich noch eine halbe Stunde lang den Irrsinn in diesem Raum aushalten soll. Ich bin berühmt für mein unerschütterliches Nervenkostüm in den gefährlichsten Situationen, aber dennoch bin ich keine Maschine. Auch ich habe Gefühle und heute scheinen sie alle gleichzeitig über mir zusammenzuschlagen.
Genesis’ Stimme dicht neben mir reißt mich aus meinen düsteren Betrachtungen. "Na also, machen wir den Boss glücklich. Wir werden uns an das Büffet halten. Komm."
Ich folge ihm durchaus widerwillig, aber es ist besser, als wieder allein herumzustehen.
Das Büffet ist riesig und unübersichtlich und ich habe nicht den geringsten Appetit. "Ich will nichts essen”, murmele ich.
"Tu's trotzdem", entgegnet er gelassen. "Es lenkt ab und man kann sich an dem Teller festhalten." Er wirft mir über die Schulter ein schiefes Grinsen zu, das selten bei ihm ist. Es hat etwas von Selbstironie. "Wenn du isst, wird es nicht weiter auffallen, dass du nicht sprichst. Überlass den Small Talk mir, ich hab schon als Kind gelernt, mit dem Geldadel umzugehen."
Ich lasse ihn gewähren, und er füllt zwei Teller mit kleinen, goldbraunen Kugeln und gibt eine gelbe Soße dazu. Einen der Teller bekomme ich in die Hand gedrückt.
"Was ist das?", frage ich argwöhnisch.
"Frittierte Hirsebällchen mit Rosinen und Mandeln. Das Gelbe ist ein Curry-Dip. Schmeckt gut. Probier's mal.” Er platziert eine Gabel auf meinem Teller. "Eigentlich isst man die mit den Fingern, aber das ist hier natürlich ein No Go."
Ich hebe erstaunt die Brauen. "Woher kennst du dich mit diesem Zeug aus?" Ich meine, Genesis' Interesse auch an kulinarischen Spezialitäten ist mir bekannt, aber etwas verblüfft bin ich schon.
"Das Rezept stammt aus der banoranischen Küche", erklärt er lächelnd. "Man erhält die Bällchen in meinem Heimatort an jedem Imbiss."
Sieh an. Und ich dachte, alles, was Banora hervorgebracht hätte, seien Äpfel. Ich koste ein Hirsebällchen mitsamt Soße und es ist wirklich schmackhaft. Süßlich und ein wenig scharf. Ich merke, dass mein Magen sich langsam beruhigt, sobald die Nahrung ihn erreicht.
Wir gehen ein Stück weiter und stellen uns an einen Stehtisch, der gerade frei ist. Sofort gesellen sich zwei Damen mit Champagnergläsern zu uns, eine junge und eine ältere, offenbar Mutter und Tochter. Sie stellen sich mit Namen vor, die ich augenblicklich wieder vergesse, und plappern davon, wie begeistert sie jede Nachricht von Silver Elite und Red Leather verschlingen, den Fan Clubs von mir und Genesis. Es ist der reine Horror, wenn ich mir vorstelle, dass ganze Horden vom Kaliber dieser beiden sich zusammenrotten, um irgendwelche Bilder und Nachrichten über mich zu konsumieren. Das Thema hat mir heute gerade noch gefehlt.
Genesis hingegen lacht die Damen charmant an und geht scheinbar erfreut auf ihr Geschwafel ein. Wie er das schafft, ist mir schleierhaft. Er kann das noch besser als Angeal, der doch etwas zurückhaltender ist. Ich brauche selbst überhaupt nichts zu sagen. Seine Nähe ist wie ein Schild, der mich schützend umgibt, und ich bin ihm sehr dankbar. Ziemlich schnell sind wir von einer ganzen Traube von Leuten umgeben, die meisten sind weiblich. Bemerkungen über die verschiedensten Themen fliegen hin und her, von kulturellen Events über Chocobos bis hin zu beliebten Reisezielen wie Costa del Sol und der Icicle Region. Ich nicke ab und zu und lächle flüchtig und halte wieder ein Champagnerglas, um nicht unangenehm aufzufallen. Ich fühle mich mehr denn je wie ein Tier im Zoo.
Zwischendurch sehe ich mich nach Rufus um. Er steht in der Nähe der Terrassentür und plaudert genauso lebhaft mit einer Gruppe von Gästen wie Genesis neben mir. Ob die beiden sich für später verabredet haben? Der Gedanke bewirkt, dass mir das Partyvolk noch mehr auf die Nerven geht, und ich dränge ihn gewaltsam zurück.
Im Schatten an der Wand ein Stück entfernt sehe ich Tseng, der seinen Posten wieder eingenommen hat. Er schaut nicht zu mir oder auf die Leute im Saal, sondern zu Rufus. Er scheint ihn geradezu zu beobachten. Doch ansonsten ist sein Blick wie üblich nicht zu deuten.

Irgendwann sieht Genesis endlich auf die Uhr und merkt entschuldigend an, es sei schon spät und wir hätten morgen früh eine wichtige Mission, natürlich streng geheim. Es ist sagenhaft, wie mühelos er lügen kann. Ich habe das erst relativ spät gelernt und muss sagen, dass es mir noch immer gegen den Strich geht, sogar Hojo gegenüber. Ich empfinde es einfach als Schwäche, sich nicht zur Wahrheit zu bekennen, egal, wie unangenehm oder gefährlich sie sein mag.
Der Erfolg von Genesis' Schwindelei ist es aber immerhin, dass wir kurz darauf den elenden Käfig der letzten Stunden verlassen und uns vor den Aufzügen wiederfinden. Ich weiß allerdings nicht, warum er zusammen mit mir gegangen ist. Er hat ja sicher etwas Besseres zu tun.
Ohne mich anzuschauen, murmelt er: “Mein Freund, fliegst du hinfort? Einer Welt entgegen, die uns verabscheut? Ein trostloser Morgen allein wird dich erwarten. Woher der Wind auch wehen mag.”
Die Stelle kommt mir nur vage bekannt vor. Ich habe auch keine Lust, mich im Moment mit dem ach so beliebten Epos zu beschäftigen. Genesis zitiert es oft, ohne dass man erkennen könnte, wo der Bezug zur aktuellen Situation ist. Ich weiß sowieso nie, was in ihm vorgeht, abgesehen von seiner Besessenheit, mir ebenbürtig zu sein oder mich sogar zu übertreffen.
Ich mag den Gedanken daran nicht, daher versuche ich, ihn und mich abzulenken und frage: “Warum hast du die Party schon verlassen? Du scheinst dich gut unterhalten zu haben.”
Er schnaubt abfällig. “Ach ja? Nein, lohnt sich nicht. Ich begleite dich nach unten.”
Automatisch protestiere ich: “Das ist nicht nötig. Ich finde sehr gut allein zu meinem Apartment.”
Er misst mich mit einem Seitenblick und meint ungerührt: “Du siehst aus wie ausgekotzt.”
Besten Dank auch.
Der Aufzug kommt und sobald sich die Türen hinter uns schließen und uns somit allen neugierigen Augen entziehen, atme ich auf. Nach außen hin zeige ich davon natürlich nichts. Ich habe da nebenbei noch eine Anmerkung. “Es war übrigens nicht sehr schlau, dass du Rufus’ Kritik an meiner Kleidung zugestimmt hast. Die Sachen hast du selber ausgesucht, schon vergessen?”
“Ich habe ihm nicht zugestimmt, nur nicht widersprochen”, gibt Genesis zurück. “Und ich wollte dich ärgern. Du warst nicht gerade dezent, das wirst du schon zugeben müssen.”
Ja, gebe ich zu, aber nicht hörbar.
Jetzt hat unser Schweigen etwas Verbissenes. Es ist, als würde Rufus hier zwischen uns stehen. Rufus mit seiner niederträchtigen Drohung. Ich weiß jetzt schon, dass ich eine harte Nacht vor mir habe, und nicht nur eine. Es wird mehrere Tage und Nächte dauern, bis ich aufhören kann, darüber nachzugrübeln, ob er die Drohung wahr machen wird, zumal Hojo ja sowieso eine Injektion in meine Hoden beabsichtigt. Ich denke zwar, er wäre nicht damit einverstanden, mich zu kastrieren und damit seinen größten Erfolg, wie er mich gerne nennt, zu beschädigen. Aber wer kennt schon die verschrobenen Wege, auf denen ein wissenschaftlicher Geist denkt.
Schon schiebt sich das Bild von Genesis und Rufus vor mein geistiges Auge. Ob er sich wirklich später noch mit dem Bastard trifft … ? Danach werde ich ihn ganz sicher nicht fragen. Keinesfalls. Es nutzt mir gar nichts, wenn ich es weiß, im Gegenteil.
Ich höre mich fragen: “Triffst du dich nachher mit Rufus?” Was bin ich nur für ein erbärmlicher Idiot!
Der Fahrstuhl hält in unserer Etage, und wir treten hinaus auf den Gang, der zu den Unterkünften der First Class führt.
Im Gehen sagt Genesis nur “nein” und schüttelt kurz den Kopf.
Nein? Habe ich mich etwa geirrt? War es tatsächlich nur eine gewöhnliche Unterhaltung und Lazard hat eine alkoholisierte Fantasie hineininterpretiert? Aber dann hätte Rufus anders reagiert und Genesis auch. Sie hätten einfach darüber gelacht, wie vollständig ich mich blamiere. Außerdem war der Flirt für mich ebenfalls ersichtlich. Aber was weiß ich schon über zwischenmenschliche Interaktionen.
Als wir an Genesis’ Apartmenttür ankommen, nehme ich an, er wird sich verabschieden und hineingehen, aber er tut nichts dergleichen. Er geht neben mir weiter. Was wird das?
Schweigend begeben wir uns ans Ende des Ganges, wo mein Apartment liegt. Es ist das größte und angeblich schönste hier. Eine Mauer aus Glas, viel Licht und Weite. Für mich ist darin nur ein Platz wichtig: das Bett. Dorthin ziehe ich mich zurück, wenn ich erschöpft bin von dem harten und einsamen Leben, das ich führe. Das ich führen muss. Es ist der Platz, an dem ich mich sicher fühle, an dem ich schlicht ich selbst sein kann.
Ich öffne die Tür mit der Schlüsselkarte, und Genesis sagt: “Ich könnte noch mit reinkommen … “
Achselzuckend antworte ich: “Wenn du willst”, und so folgt er mir in die Wohnung, als ich hineingehe. Ich höre seine Schritte auf dem Teppich, als sich die Tür selbsttätig schließt.

Chapter 5: Der erste Kuss

Summary:

Dieser Abend entwickelt sich vielversprechend. Aber nicht unbedingt mühelos.

Chapter Text

 


Was will er hier? Ich bin müde, und ich möchte allein sein mit mir und dem Strudel von Gefühlen, die ich nicht haben will. Und wieso ist er überhaupt so still? Normalerweise redet er ununterbrochen, und ich habe Mühe, den ganzen Unsinn auszublenden.
Ich mache Licht und gehe zu der langen, dunklen Couch im Wohnzimmer, doch ich setze mich nicht hin. Ich weiß nicht, was wir hier machen, und fühle mich plötzlich fast so verloren wie in dem Festsaal. Auch Genesis bleibt stehen, mitten im Raum. Er nimmt seine Krawatte ab, rollt sie zusammen und steckt sie in die Tasche des Jacketts. Dann öffnet er die obersten drei Knöpfe seines Hemdes. Mit den Fingern fährt er sich flüchtig durchs Haar. Er trägt die Haare jetzt etwas länger als früher, knapp schulterlang. Es steht ihm gut. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, wie die Strähnen sich wohl zwischen meinen Fingern anfühlen würden. Unwillig schüttele ich den Kopf. 
Vielleicht sollte ich ihm etwas zu trinken anbieten? 

“Er hätte das nicht sagen sollen”, meint er unvermittelt.
Ich schaue erstaunt auf. “Was?”
“Das mit Hojo. Er hätte das mit Hojo nicht sagen sollen. Das war mehr als geschmacklos. Es war unter der Gürtellinie.” Ja, das finde ich auch, aber ich hätte nicht vermutet, dass er so denkt. “Das habe ich ihm auch gesagt”, fügt er hinzu.
“Oh … ?” Das wird Rufus kaum erfreut haben. Keine Ahnung, wie ich mich dazu äußern soll, also lasse ich es.
Er mustert mich forschend, der Blick so angespannt, dass sich zwischen seinen fein gezupften Brauen eine kleine, senkrechte Falte bildet. 
“Warum hast du das getan?”, fragt er. “Warum hast du dich mit Rufus Shinra angelegt? Das frage ich mich schon die ganze Zeit. Immerhin ist er nicht jemand, den man sich zum Feind machen sollte, schon gar nicht jetzt, wo er den zweithöchsten Posten im Konzern innehat. Wobei sich erst noch zeigen wird, wie viel Macht er wirklich besitzt, aber dennoch."
Ich zucke abermals die Schultern. "Was soll's." Viel mehr wird er von mir nicht hören.
Die Falte auf seiner Stirn vertieft sich. "Du hast ihn ziemlich heftig angegangen. Dafür musst du doch einen Grund gehabt haben."
"Ich mag ihn halt nicht", gebe ich vage bekannt und merke selbst, wie dürftig diese Feststellung als Erklärung ist.
Prompt lacht Genesis humorlos auf. "Das hat man gemerkt. Hattest du vorher einen Streit mit ihm?"
"Nicht direkt. Aber ich hatte recht, oder?", frage ich fast provokant. Inzwischen will ich es doch wissen.
"Ja", gibt Genesis unumwunden zu. "Waren wir so offensichtlich, sogar für dich?"
Ich erkenne selten, was zwischen anderen Menschen unausgesprochen passiert, das ist richtig. Aber ich war ja nicht der Einzige. Ich beschließe, ihn zu konfrontieren. "Lazard erwähnte etwas davon, dass du beabsichtigst, Rufus deinen 'Hintern hinzuhalten'."
"Darauf wäre es hinausgelaufen", erwidert er. Ich meine, einen bitteren Unterton zu vernehmen. "Der gute Lazard hat ja eine ziemlich direkte Art, so etwas auszudrücken."
“Habt ihr vorher schon … Ich meine, bist du mit ihm zusammen?”, erkundige ich mich so beiläufig wie möglich.
“Gaia behüte, nein. Wir suchen beide nichts Festes. Wir waren uns heute Abend nur einig. Bis du aufgekreuzt bist.”
"Ich fand, dass ... " - du zu schade für ihn bist - "... es nicht zu dir gepasst hätte."
Diesmal ist sein Lachen offener. "Nun, das ist Ansichtssache."
"Tut mir leid, dass ich dir die Tour vermasselt habe." Tut es natürlich nicht, und die Floskel klingt auch eher sarkastisch als reuevoll oder auch nur höflich.
Genesis berichtigt mich jedoch. "Nicht mir. Ihm hast du sie vermasselt."
"Ihm?"
"Allerdings. Ich gehe nicht mit jemandem ins Bett, der sich zu solchen Niederträchtigkeiten herablässt wie er. So nötig habe ich es dann doch nicht. Offenbar kannte ich ihn bisher zu wenig. Auch das habe ich ihm sehr deutlich mitgeteilt."
Verblüfft starre ich ihn an. Das heißt, dass ich gewonnen habe? Dass ich mit meinem fragwürdigen Auftritt genau das erreicht habe, was ich wollte? Unglaublich! Und unglaublich gut. Ich scheine unvorsichtig genug zu sein, dass sich die freudige Überraschung in meinem Gesicht spiegelt, denn Genesis' Ausdruck ändert sich und nimmt eine noch viel intensivere und ungläubige Note an.
"Es ... es ging um ... mich ... ?", wispert er beinahe. "Du hast das meinetwegen ... " 
Die aufziehende Erkenntnis in seinen Augen beunruhigt mich zutiefst. Ich schnaube abweisend, was ihn aber nicht beeindruckt. "Du warst ... " Oh nein, sprich das nicht aus! "... eifersüchtig?!"
Und damit ist die Katastrophe perfekt! 

"Quatsch!", schnappe ich, rechne aber mit keinem großen Erfolg meines Bemühens. Ich erwarte also den Ausbruch seines Spottes, seiner Selbstgefälligkeit, seines Triumphes. Wappne mich für den Kampf, der folgen wird, der aus Worten als Waffen bestehen wird und für den ich viel zu müde bin.
Nichts davon tritt ein.
Ich kann den Ausdruck seiner Miene nicht mehr interpretieren, aber jedenfalls prustet er nicht los. Er bewegt sich um den Couchtisch herum auf mich zu, zögernd, vorsichtig fast, mich nicht aus den Augen lassend. "Du hättest es ja mal erwähnen können, oder?", meint er leichthin.
Ich bin verwirrt, ebenso von ihm wie von mir selbst. "Was erwähnen?"
"Dass du mich magst."
"Das Gespräch verliert gerade jeglichen Sinn", stelle ich betont sachlich fest. Und selbst wenn ich irgendwelche Geständnisse machen wollte, was ich nicht will, sind meine Gefühle ihm gegenüber keineswegs so eindeutig. "Außerdem bin ich nicht masochistisch veranlagt. Bisher hast du jedenfalls weder mit deinen Worten noch mit deinem Schwert besonders nachdrücklich meine Sympathie gesucht."
“Göttin, Sephiroth!" Theatralisch wirft er die Arme hoch und lässt sie wieder fallen. “Kein Mensch weiß, was in deinem Kopf vor sich geht. Selbst wenn wir nur zu dritt sind, bleiben deine Mauern hochgefahren, du lässt nur das durch, wovon du denkst, dass es deinem coolen Bild in unseren Augen entspricht. Weißt du, welchen Spitznamen du bei den Seconds hast?"
Da ist er also doch noch, sein Ausbruch. Allerdings nicht ganz so, wie ich ihn erwartet habe. 
Die Frage kann ich leicht beantworten. "Man nennt mich den silbernen General." Ein Spitzname, der mir recht gut gefällt, wie ich zugeben muss.
Doch Genesis schüttelt den Kopf. "Nein. Sie nennen dich General Gletscher." Ach ja? Ich runzle leicht verwirrt die Stirn. Er fährt fort. "Und genau das bist du. Alles gleitet scheinbar an deiner Eismauer ab. Niemand soll wissen, wie es in dir aussieht, aber es ist schwierig, einen Menschen zu mögen, den man gar nicht kennt. Nicht kennenlernen kann, weil er einem nichts von sich preisgibt. Mir ist bewusst, dass ich dich ständig herausfordere auf verschiedene Weise und dass das unbequem ist für dich. Aber glaub mir, es geschieht nicht, um dich zu kränken, sondern um eine Reaktion zu provozieren. Irgendetwas, das ... "
Er stockt, und ich nutze die Gelegenheit, um etwas bissig einzuwerfen: "Was ich bisher von dir vor allem erfahren habe, war deine Eifersucht auf mich." Die kann er nicht leugnen, egal, was an seinen Vorwürfen dran sein mag.
Er legt den Kopf schief, als wolle er seine Optionen abwägen, und kommt noch näher. "Hmm, vielleicht habe ich ja einfach die falsche Methode gewählt."
Und dann beobachte ich, wie er die letzten drei Schritte an mich herantritt, die Hand ausstreckt, um mit den Fingerspitzen meinen Unterkiefer zu berühren, und sich dann vorneigt und seine Lippen auf meine legt! 

Ich bin fassungslos. Wirklich und ganz und gar paralysiert. Genesis Rhapsodos küsst mich! Und ich bin sicher, dass er nicht betrunken ist, jedenfalls nicht so betrunken. Mit aufgerissenen Augen bleibe ich stocksteif stehen, viel zu verblüfft, um zurückzuweichen. Ich rieche sein Rasierwasser und sein Deodorant und den Champagner. Sein Atem trifft kitzelnd auf meine Wange. Seine Lippen bewegen sich leicht, tastend und streichelnd. Es ist schön. Auch aufregend, verwirrend und unbeschreiblich. Ich spüre mein Herz hoch oben in meiner Kehle pochen. Noch nie waren wir einander so nahe.
Ich weiß nicht, ob ich Panik oder einen Orgasmus bekommen soll.
Der Kuss dauert eine kleine Ewigkeit, die leider allzu bald endet, als Genesis sich von mir löst und zwei Schritte rückwärts macht. Seine Wangen sind rosa überhaucht, was ich noch nie bei ihm gesehen habe. Ist das etwa Scham? Er hebt beschwichtigend die Hände, zieht den Kopf ein wenig zwischen die Schultern, als befürchte er, dass ich ihn schlage. Dabei bin ich überhaupt nicht wütend.
"O-okay", sagt er rau. "Das war ... offensichtlich ein Irrtum. Vergiss es, okay? Wir machen einfach so weiter wie vorher, ja?"
Ich höre, was er sagt, aber ich höre ihm nicht zu. Stattdessen schaue ich auf seinen Mund. Weich. Intim. Wundervoll an meinem eigenen. Ich will mehr davon. Und zwar genau jetzt.
Ohne auf sein Gerede einzugehen,  greife ich seinen Oberarm und ziehe ihn wieder zu mir. Er verstummt abrupt, leistet keinen Widerstand. Im Gegenteil, sein Körper lehnt sich mir entgegen. Er sieht überrascht aus, das ist das Letzte, was ich wahrnehme, bevor ich tue, was er zuvor getan hat, und die Augen schließe.
So ist es noch intensiver. Alle meine Nervenzellen scheinen sich in meinen Lippen versammelt zu haben, als ich sie auf seine drücke. Ich muss sie entspannen und ein wenig öffnen, dann kann ich abwechselnd an seiner Ober- und Unterlippe nippen und behutsam saugen. Sie tun dasselbe bei mir. Sie sind so zart und nun werden sie feucht. Ich merke, dass meine Hand in seinem Haar ist, wie ich es mir vor ein paar Minuten noch vorgestellt habe. Es ist fein und weich und dicht und ich möchte mich darin vergraben. Sein Arm schiebt sich in meinen Nacken.
Zwischen meinen Beinen spüre ich ein deutliches Ziehen, und das macht mir die Zwickmühle bewusst, in die ich mich hier manövriert habe. Was ich hier tue, ist nämlich eine ganz schlechte Idee.
Da ich mich nicht durchringen kann, den Kuss zu beenden, lege ich die Hände auf Genesis' Schultern und schiebe ihn fast gewaltsam von mir. Es tut körperlich weh, als der Kontakt abreißt. Noch mehr schmerzt mich der ratlose Blick seiner weit geöffneten Augen.
"Du hast recht", murmle ich mühsam. "Wir sollten das nicht tun. Wir vergessen es."
“Was?!”

Um mir seine verständliche Empörung vorzustellen, muss ich sie nicht sehen. Daher drehe ich mich zur Seite von ihm weg. Ich habe soeben einen schweren Fehler gemacht, den ich aufrichtig bereue. Niemals hätte ich meinem törichten Wunsch, meiner Sehnsucht nachgeben dürfen. 
“Du solltest jetzt gehen, Genesis”, sage ich mit aller Beherrschung, die ich aufbringe. Ich ertrage ihn keine Sekunde länger in meiner Nähe.
Aber da bin ich bei Rhapsodos an den Falschen geraten. Hätte ich mir ja denken können. “Was ist los?”, fragt er, ohne sich einen Zentimeter wegzubewegen.
Ich erwäge, einfach gar nichts mehr zu sagen. Er wird keine Erklärung bekommen, weil ich ihm keine geben werde.
“Sephiroth?” Sein Ton gewinnt an Nachdruck.
Ich beginne in Richtung Küche zu gehen. Nur weg von ihm! 
“Sephiroth!” Natürlich folgt er mir. Er packt meinen Unterarm, lässt aber los, als ich herumfahre. 
Etwas werde ich wohl oder übel äußern müssen. “Ich kann dir nicht geben, was du willst”, bringe ich hervor. Das entspricht sogar der Wahrheit. Wahrscheinlich. Mehr oder weniger.
Er ist keineswegs abgeschreckt, sondern fragt nur weiter: “Was heißt das? Und woher weißt du, was ich will?”
Nein, Schluss damit! Ich schüttle den Kopf, betrete die kleine Küche und fülle Leitungswasser in ein Glas. Meine Kehle ist wie ausgetrocknet. Rasch kippe ich einige große Schlucke hinunter. 
Schon schiebt er sich vor mich, blaues Feuer züngelt mich aus den großen Augen an. “Sephiroth, du kannst mich nicht so küssen und dann abservieren ohne eine Erklärung. So läuft das nicht. Also - was kannst du mir nicht geben?” Sein Ton würde einem Turk beim Verhör alle Ehre machen.
Ich weiche seinem Blick aus, was nicht gut klappt.
“Sex?”, fragt er unverblümt.
Mir entweicht ein “hmph”. Ich werde nicht darüber reden, schon gar nicht mit ihm. Ich will an ihm vorbeigehen zurück ins Zimmer, aber er stellt sich mir in den Weg. Ich bin wahrhaftig in meiner eigenen Küche gefangen!
“Also Sex! Warum glaubst du, dass du keinen Sex mit mir haben kannst?”, bohrt er weiter. “Homophobie kann es ja nicht sein, denn der Kuss hat dir gefallen. Sehr. Sonst hättest du ihn wohl kaum wiederholt. Oder ist es, weil du mein Vorgesetzter bist? Das ist kein Grund, niemanden interessiert es, was wir privat miteinander tun, und unsere Arbeit wird es nicht beeinträchtigen. Dazu sind wir zu professionell.”
Ich schiebe ihn unsanft zur Seite und gehe ziellos quer durchs Wohnzimmer. Er läuft hinter mir her.
“Wenn du glaubst, du kannst mich so abwimmeln, kennst du mich schlecht. Und wenn ich dir den Wurm stückchenweise aus der Nase ziehen muss.”
Ich wünschte, Angeal wäre hier. Er würde ihm sagen, dass er es gutsein lassen soll, und Genesis würde auf ihn hören. Er ist der einzige, auf den er hört. Manchmal.
Mit einem überdrüssigen Schnaufen stelle ich das Glas auf den Couchtisch. “Genesis, kannst du mich bitte in Ruhe lassen.” Es ist keine Frage und schon gar keine Bitte. Es ist ein Befehl. Ich unterstreiche ihn mit einem Blick voller Autorität und viel zu viel Verzweiflung.
Genesis wird bemerkenswert ernst und ruhig. Das ist kein gutes Zeichen. Er brütet etwas aus. Prompt fragt er: “Oder … hast du schlechte Erfahrungen gemacht?” Seine Stimme ist dunkel und ungewohnt sanft und verursacht ein Prickeln, das mein Rückgrat hinabrieselt. Als ich nicht antworte, fühlt er sich unsinnigerweise bestätigt und führt aus: “Sephiroth, so etwas kann man überwinden. Es ist extrem wichtig, dass man Worte für die schlimmen Gefühle findet, sonst vergiften sie dein ganzes Leben. Es ist hart, ich weiß. Ich meine, ich kann mir das vorstellen. Aber ich bin bereit, dir zuzuhören, wirklich. Warst du … ein Teenager? Oder ein Kind?”, erkundigt er sich beinahe säuselnd vor Behutsamkeit. Ich spüre keine Neugier bei ihm, nur ehrliche Sorge.
Das ist eine Seite an ihm, die mir völlig unbekannt ist. Dieser Mann ist so egozentrisch, dass man ihm kaum Empathie zutraut. Die wäre in unserem Job auch eher hinderlich. Aber dass er sich mir gegenüber plötzlich so fürsorglich gibt, verleiht ihm eine enorme Anziehungskraft. Andererseits wittere ich Mitleid, und das ist etwas, das ich mehr hasse als alles andere. Daher kann ich nicht umhin, ihn anzufahren: “Nein, Genesis! Keine schlechten Erfahrungen! Nicht als Kind und auch nicht als Teenager.”
Seine Brauen rutschen empor und er fragt rührend hilflos: “Oh, nicht?”
Und da platzt mir der Kragen. Unkontrolliert fauche ich: “Nein! Keine schlechten Erfahrungen. Und auch keine guten! Gar keine Erfahrungen! Okay? Keine. Erfahrungen.”

 

Chapter 6: Informiert sein ist alles

Chapter Text

Shiva! Was ist das bloß mit mir, dass ich ihm heute alles, was ich unbedingt für mich behalten will, aufs Butterbrot schmiere! Ich wende mich wieder ab, starre zum Fenster, auf die nächtliche Schwärze dahinter, weil ich nicht mitansehen will, wenn seine perplexe Miene, die so viel von einem unschuldigen, kleinen Jungen hat, in die grinsende Spottmaske umschlägt, die ich von Genesis kenne.
"Was ist?", frage ich, als ich nichts höre außer Stille. Lass es uns hinter uns bringen, den Streit austragen, der uns vom Anfang des Abends an unterschwellig begleitet hat. "Willst du mich nicht auslachen? Das ist deine große Chance, Genesis." Wirf mir ins Gesicht, was für ein Versager ich bin. Den Beweis habe ich dir gratis geliefert. Was willst du mehr.
Aber die Stille hält an, und so sehe ich doch zu ihm, die Hände an meinen Seiten unwillkürlich zu Fäusten geballt.
Er wirkt immer noch verwirrt und fast erschreckend ernst. "Nein", sagt er langsam. “Ich … ich habe keine Lust, dich auszulachen. Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss. Aber … eine Chance ... " Er bricht ab. Irgendwie macht er den Eindruck, als würde er etwas in meinem Gesicht suchen, so aufmerksam mustert er mich. Oder als sähe er mich zum ersten Mal? "Würdest du es denn ... wollen?", fragt er auf einmal leise. "Ich meine, an Angeboten dürfte es kaum mangeln."
Und ich denke erstaunt, es ist, als würde er mich zum ersten Mal wirklich ansehen. Mich, nicht den Vorgesetzten, die Werbefigur, den Rivalen. Sondern den Menschen Sephiroth. Der Gedanke ruft ein wundes Ziehen in meiner Brust hervor, das mir ein nacktes und verletzliches Gefühl gibt, und ich will nicht mehr angeschaut werden, schon gar nicht von diesen intensiven Saphiren, in denen so viele zurückgehaltene Gefühle glimmen. Ich neige den Kopf nach vorn und zur Seite, sodass die vorderen Strähnen meiner Haare vor mein Gesicht fallen, wie ich es mitunter tue, wenn ich jemandem ausweichen will und es anders nicht kann.
"Vielleicht", murmele ich. "Es hat sich irgendwie nie ergeben." Und Hojo würde mir den Hals umdrehen und so viele Tests und Behandlungen veranstalten, dass ich wirklich gleich im Labor einziehen könnte. Aber Hojo ist nicht hier, und das Kind Sephiroth gibt es schon lange nicht mehr.

Genesis bewegt sich. Er geht auf mich zu - was mache ich, wenn er mich berührt?! -, an mir vorbei und setzt sich auf die Couch. Er atmet tief durch und dann rezitiert er, versonnen vor sich niederblickend: "Ein unergründliches Geheimnis ist das Geschenk der Göttin; auf der Suche nach ihm erheben wir uns zum Himmel; Wellen kräuseln des Wassers Antlitz; rastlos ist die irrende Seele."
Schon wieder LOVELESS? Aber seine Stimme, die so melodisch ist, wenn sie die geliebten Verse spricht, schickt einen erneuten Schauer über meinen Rücken. Er schaut auf, sein Blick jetzt gesammelt und freundlich. Mit einer eleganten Geste und einer einladend gehobenen Braue weist er neben sich. "Warum probieren wir es nicht einfach aus? Es ist der sicherste Weg, um herauszufinden, ob man etwas möchte oder nicht."
Ich bin weiß nicht, ob ich mich darauf einlassen sollte. Ich bin erschöpft, ich will die ungewohnten Klamotten loswerden und ins Bett gehen. War ich nicht vorhin schon an der Stelle? “Ich denke, du solltest gehen”, sage ich und höre selbst, dass ich nicht überzeugend klinge.
“Ich weiß”, erwidert er ruhig. “Aber wenn ich das tue, werden wir nie wieder darüber sprechen. Wir werden für immer schweigen, weil es uns peinlich ist, und die Chance verlieren.” Eine Analyse auf den Punkt, wie es oft nicht seine Art ist. Aber auch das kann er. Sanft fährt er fort: "Die Göttin steigt vom Himmel herab, Schwingen des Lichts und der Dunkelheit entfaltet; sie führt uns zur Seligkeit, ihrer immerwährenden Gabe."
"Das ist die falsche Reihenfolge", grummele ich automatisch. Ich bin nicht sicher, wo das Zitat hingehört, aber es gehört nicht in den Anschluss an das erste.
Jetzt lächelt Genesis heiter, und seine Augen lächeln mit. "Stimmt. Aber es passt gerade so gut."
Na schön, alleine wäre ich vermutlich auch nicht entspannter und schlafen könnte ich ohnehin nicht. So nehme ich letztendlich neben ihm Platz in einem sympathischen Abstand von etwa einem Meter. Ich kann ihn jetzt anschauen, habe meinen Blick unter Kontrolle.
Als ich nichts weiter sage, meint er: "Du glaubst also zu wissen, was ich will. Möglicherweise ist das jedoch ein Irrtum. Ich kann dir nur sagen, Routine, die aus reichen Erfahrungen resultiert, ist es nicht." Sein Ton ist gleichmäßig. Vielleicht hat er das Zitat benutzt, um zur Ruhe zu kommen. Hat ihn all das, was heute Abend geschehen ist, etwa ebenso aufgewühlt wie mich?
Eine kleine Weile sehen wir uns abwartend an, bevor er wieder spricht. "Mir hat der Kuss auch gefallen, Sephiroth. Es würde mir ebenso gefallen, dir ein paar Dinge zu zeigen, sodass du entscheiden kannst, ob du sie vielleicht gleichfalls magst. Das wäre zum Beispiel etwas, das ich tatsächlich will."
Mir entkommt ein leises Schnauben. Ausgerechnet Genesis Rhapsodos, der selbsternannte Sexgott, will sich zum Sexlehrer degradieren?
"Was denn?", fragt er stirnrunzelnd. "Wieso nicht?"
Die Antwort darauf gebe ich zügig und bestimmt: "Ich bin kein One Night Stand."
Er schüttelt den Kopf. "Nein, so habe ich das auch nicht gemeint."
"Ich will in meinem Schlafzimmer keinen Kampf um Dominanz”, konkretisiere ich, “und ich brauche niemanden, der die Gerüchte um mein Intimleben anfeuert."
Das trifft ihn, ich sehe es daran, wie er die Augen verengt. Nach einem Moment stellt er mit einem rauen Unterton fest: "Du vertraust mir nicht. Nun ja, das habe ich vermutlich verdient. Was du befürchtest, habe ich nicht vor. Das ist nicht meine Art, sofern der Partner es nicht wünscht. Aber ich schätze, es wird schwierig, dich von meiner Integrität zu überzeugen."
Das könnte zutreffen. Andererseits: "In jeder Schlacht würde ich dir mein Leben anvertrauen. Ohne Vorbehalte.” Und das trifft definitiv zu.
Abermals hebt er die Brauen, öffnet den Mund, schließt ihn wieder, ohne etwas zu äußern. Ich habe ihn offenbar schon wieder verblüfft, was nun mich erstaunt. “Überrascht dich das? Du weißt, dass ich deine militärischen Fähigkeiten schätze.” Nicht umsonst ist er schließlich seit Jahren mein Stellvertreter.
“Das ist es auch nicht, was mich überrascht”, erwidert er, “sondern dass du es tatsächlich mal aussprichst.”
Er klingt nicht vorwurfsvoll, eher amüsiert. Trotzdem bin ich es nun, der innerlich ein wenig zusammenzuckt. Ich habe eigentlich gute Kenntnisse in Teamleitung, habe sogar einen Kurs dafür absolviert und weiß wohl, dass man eine gute Leistung loben soll. Mein Spitzname bei den Seconds, den mir Genesis vorhin verraten hat, zeigt allerdings, dass ich meine natürliche Zurückhaltung wohl nicht immer ausreichend überwinde. Außerdem trägt Genesis’ Arroganz nun mal dazu bei, dass ich ihm nicht gerne entgegenkomme. Da sollte ich etwas ändern.
“Du bist ein hervorragender Soldat und ein überaus starker und geschickter Kämpfer”, sage ich und höre mich idiotisch steif und gedrechselt an.
Genesis verdreht die Augen und schüttelt lachend den Kopf, während ein schwaches Rosa auf seinen Wangenknochen erscheint. “Ich weiß nicht, was wir hier machen, aber wir sollten unbedingt damit aufhören.”
Da hat er zweifellos recht. Ich fühle mich ausgesprochen unbehaglich. Würde Furchtlosigkeit nicht zu meiner Grundausstattung gehören, würde ich sagen, ich habe mehr Schiss als sonstwas. Aber ich kann nicht mehr aussteigen, und ich will es auch nicht. Irgendwie sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es kein Zurück mehr gibt.
Genesis zieht sein Jackett aus und legt es über die Rückenlehne, öffnet die Manschetten seines schwarzen Seidenhemdes und schiebt die Ärmel ein Stück hoch. Dann rückt er in einer geschmeidigen Bewegung dicht an mich heran. Er sieht mir in die Augen. Langsam wandert sein Blick über mein Gesicht. Ich hätte erwartet, so eine Musterung von Genesis wäre mir unangenehm, aber so ist es nicht. Vielleicht weil sein Ausdruck so ernst ist.
Nimmt er mich wirklich so ernst, wie es aussieht?
Er hebt eine Hand und streckt sie nach meinem Gesicht aus, so geruhsam, dass ich genug Zeit habe auszuweichen. Ich weiche nicht aus. Er streicht meine Haare nach hinten, lässt die Fingerspitzen leicht hindurchgleiten. Ich stelle fest, dass mich diese Berührung nicht aggressiv macht, im Gegensatz zu der von anderen Menschen.
“Tu alles, was du möchtest”, sagt er. “Sag mir oder zeig mir, was du von dem magst oder nicht magst, was ich tue. Okay? Es ist wichtig, dass du nichts machst, nur weil du denkst, es müsste so sein.”
Befremdlich, dass er das betont. “Natürlich mache ich nichts mit, was ich nicht will. Das versteht sich doch von selbst.”
“So sollte es sein, ja. Aber für jeden von uns kann es Ausnahmen geben. Ich wollte nur klarmachen, dass das hier keine ist.”
Ich meine, eine melancholische Note in seinem Ton zu vernehmen. Hat er etwa selbst auf dem Gebiet etwas erlebt, das nicht gut für ihn war? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich etwas gegen seinen Willen gefallen lässt, aber auch er war mal jung und unerfahren, bevor er der beste Krieger ShinRas nach mir wurde. Und auch ich kenne schließlich die Ausnahmen, die er erwähnt. Ich denke an Hojo.
“Okay”, murmele ich und verbanne Hojo energisch aus meinem Kopf.
Genesis’ Finger streicheln meine Wange hinab zum Ohr und zum Hals, bleiben dort liegen. Er neigt sich vor und küsst mich. Ich nehme seine leicht geöffneten Lippen in Empfang, erwidere ihre Liebkosungen. Mein Herz hämmert wie verrückt, und Genesis Puls steht ihm nicht nach. Als SOLDIERs sind wir in der Lage, so etwas wahrzunehmen. Aber wieso ist Genesis so aufgeregt? Die Situation ist doch nicht neu für ihn, er verführt ständig irgendwelche Männer. Und für jemanden wie ihn ist unser Kuss harmlos, so viel weiß sogar ich.
Ich fühle seine Zungenspitze, die sanft meine Lippen neckt und sich zwischen sie schiebt. Doch an der Barriere meiner Zähne stößt sie auf ihre Grenze. Ich weiß nicht, ob ich einen Zungenkuss schon ausprobieren möchte. Wie immer, wenn ich unsicher bin, brauche ich mehr Daten für eine Entscheidung und zögere deshalb. Ob Genesis das kindisch findet? Benehme ich mich gerade wie ein Mädchen?
Aber er bedrängt mich nicht, löst sich von meinem Mund und verteilt weiche Küsse auf meinem Unterkiefer und Hals. Seine widerspenstigen Haarspitzen kitzeln mich, und ich stelle fest, dass ich es mag. Die Haut über meiner Halsschlagader leckt er kurz, dann schiebt er seine linke Hand auf meine nackte Brust. Bewegt sie tastend. Die Berührung lässt mich erschauern. Nur knapp kann ich ein Keuchen vermeiden. Beide Reaktionen liegen im rein positiven Spektrum. Im Allgemeinen werde ich ausschließlich von Ärzten und vor allem von Hojo berührt, und das ist einer der Gründe, warum ich bisher vor Intimitäten mit anderen Menschen zurückgescheut bin. Schon wieder Hojo. Aber Genesis' Hände haben nichts mit denen des Professors gemein, sie sind warm, tragen kein Latex, sind ganz und gar Genesis. Fast möchte ich mich dafür bei ihm bedanken, doch das käme vermutlich allzu absurd rüber.
Er beginnt, den Stoff meines Hemdes aus dem Hosenbund zu zupfen, öffnet es vollständig, schiebt den Stoff auseinander. Der ist jetzt überflüssig, oder? Ich sollte ihn wohl ablegen, zumindest wenn ich will, dass Genesis weitermacht. Kurzentschlossen streife ich das Jackett und das Hemd ab, lasse beides im wahrsten Sinn des Wortes hinter mir. Er rückt ein wenig von mir ab, um meinen Oberkörper eingehend zu betrachten. Das wundert mich etwas, denn wir haben im Trainingsbereich von SOLDIER schon oft gemeinsam die Duschen benutzt. Wir wissen, wie jeder von uns unbekleidet aussieht, bergen insofern keine Überraschungen füreinander.
Aber unsere Situation jetzt ist natürlich alles andere als alltäglich.
Ihm scheint jedenfalls zu gefallen, was er sieht. Meine Muskulatur ist gut ausgebildet, dafür muss ich nicht viel mehr tun als das tägliche Training. Dabei bin ich schlank, in den Schultern nur ein wenig breiter als Genesis.
Seine Hände beginnen fest über meine Haut zu streichen, die Muskeln hier und da sanft zu kneten. Er neigt sich wieder vor, küsst die Haut über meinem Schlüsselbein. Dann senkt er den Kopf und widmet sich mit Lippen und Zunge meiner Brustwarze. Das Gefühl ist intensiver als ich erwartet habe. Wenn ich mich selbst dort gestreichelt oder gezwickt habe, habe ich kaum etwas gefühlt. Jetzt fährt es in meinen Unterleib und mein Penis reagiert. Unwillkürlich halte ich den Atem an. Und obgleich ich Genesis nicht berühre, erhöht sich bei ihm die Atemfrequenz.
In mir regt sich der Wunsch, ihn in all seiner nackten Schönheit vor mir zu haben.
Doch da trennt er sich mit einem kleinen Schmatzen von mir und schaut mir wieder forschend in die Augen. "Alles in Ordnung für dich?"
Ich beschränke mich auf ein abgehacktes Nicken.
Jetzt tritt ein Funkeln in seinen Blick, und er küsst mich abermals auf den Hals, das Ohr, den Mund. Seine Lippen sind angespannter, härter als zuvor, und als ich diesmal seine Zungenspitze spüre, gewähre ich ihr Einlass. Unsere Zungen begegnen sich, gleiten lasziv umeinander. Die Intimität ist überwältigend. Selbst wenn wir uns in dieser Sekunde für immer trennen, werde ich Genesis nie wieder so sehen können wie bisher. Das lässt mich wieder zweifeln, aber die Faszination überwiegt bei Weitem.
Wir küssen uns lange, er lässt unterdessen seine Hand an meiner Seite liegen, schiebt die andere in meinen Nacken und in mein Haar. Ich lege einen Arm um seine Taille. Es ist irritierend und großartig zugleich.
Doch da löst er sich von mir. “Du willst mir erzählen, ich bin der Erste, den du so küsst? Dafür küsst du verdammt gut, Seph.”
“Ich besitze einen Fernseher”, entgegne ich und kann den Stolz über das Kompliment nicht ganz verdrängen.
Genesis grinst breit. "Sag bloß. Du guckst also Sexfilmchen nach Mitternacht auf Midgar Networks?"
"Manchmal", gebe ich zu. "Aus rein akademischem Interesse."
"Natürlich." Er legt den Kopf schräg, sodass ihm eine seidige Strähne halb übers Auge fällt. "Sonst noch interessantes Material? Magazine, DVDs?"
"Nein. An so primitives Zeug halte ich mich nicht." Sondern zum Beispiel an die Vorstellung von ihm unter der Dusche, wenn ich anregende Fantasien brauche, aber das geht ihn überhaupt nichts an.
Apropos Fantasie: Ich streiche ihm die Haarsträhne aus dem Gesicht, lege meine Handfläche an seine Wange und fahre vorsichtig mit dem Daumen über seine vollen Lippen. Die erste Fantasie, die sich mir aufdrängte, sobald ich mir seine attraktive Ausstrahlung auf mich eingestanden hatte. Auch das ist intim, viel intimer, als wenn wir einfach nur Sex hätten, zumindest denke ich das. Genesis schließt halb die Augen und lehnt sich in meine Hand. Ich hätte ihn nie für jemanden gehalten, der Zärtlichkeit mag, aber offenbar tut er es.
Wir küssen uns erneut, dann zieht auch er sein Hemd aus.
Wieder wandern seine Hände auf meinen Leib, tiefer diesmal. Kurz reibt er an meinem Schritt entlang, und was er dort fühlt, bringt ihn zum Lächeln. Sein Lächeln ist Provokation, aber es fehlt die Schärfe, die er sonst hineinlegt. Als ich nichts tue, weil ich viel zu beschäftigt damit bin, mich daran zu erinnern, wie man atmet, nimmt er meine Hand und legt sie an seine Brust. Führt meine Finger über die Muskeln, über die helle Haut, die so glatt und ebenmäßig ist wie meine eigene. Das Mako lässt weder Narben noch Pickel zu.
Als er meine Hand loslässt, berühre ich neugierig seine Brustwarzen, reibe sie, wie er es bei mir getan hat; sehe fasziniert zu, wie sie sich verhärten und ein wenig anschwellen. Genesis beißt sich auf die Unterlippe und atmet tief ein, lächelt dann wieder.
Als ich von ihm ablasse, meine ich Bedauern in seinen Augen zu erkennen. Es ist nicht das, was er braucht und sich wünscht, davon bin ich überzeugt. Er sagt jedoch nichts, sondern legt seine Hand auf mein Bein. Vermutlich kommen wir nun also zum nächsten Kapitel.

Chapter 7: Wie du mir, so ich dir

Notes:

Achtung! Lemon voraus!

Chapter Text

 

 

Kapitel 7: Wie du mir, so ich dir

 

 

Er fährt meinen Oberschenkel aufwärts, reibt erneut über den Stoff zwischen meinen Beinen, diesmal mit mehr Nachdruck. Mein Penis reagiert sofort, aber es ist zu wenig, das Material ist zu fest. Aber darum geht es wohl auch nicht, vielmehr beobachtet mich Genesis, meine Reaktion. Ich bleibe passiv, warte ab. Wenn ich mein Begehren offen zeigen würde, würde ich mich ihm ausliefern. Dazu bin ich nicht bereit. Selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht, zu massiv ist die Routine, meine Schwächen zu verbergen.

Schließlich fragt er: “Okay?”

“Okay”, antworte ich rau. Ja, ich will, dass wir weitergehen, will erfahren, wie es ist und wie er aussieht, wenn … “Sollten wir nicht vielleicht ins Schlafzimmer wechseln?”, schlage ich vor.

“Nein, ich denke nicht", erwidert er. "Die Couch ist praktischer als das Bett. Sie bietet mehr Möglichkeiten, man kann bequem sitzen oder liegen, man kann mühelos davor knien.”

“Ich könnte dich über die Lehne beugen”, bemerke ich ungewohnt frech.

Er misst mich mit einem tadelnden Blick, der aber gespielt ist. “Glaub mir, Sephiroth, das kommt später. Viel später.”

“Wie du meinst”, gebe ich nach und mache eine geistige Notiz, dass er die Idee nicht rundweg abgelehnt hat.

"Wir haben Zeit", murmelt er, während er geschickt meine Hose öffnet. "Alle Zeit der Welt. Heute Nacht, morgen Nacht. Jede Nacht."

Er zieht die Hose herab, und ich helfe ihm. Ich werde die Stiefeletten los, die ich heute trage, und dann die kurze, schwarze Shorts. Genesis  blickt auf meinen Unterleib, auf mein Glied, das sich ihm halb erigiert entgegenreckt. Mittlerweile rauscht das Blut in meinen Ohren, und ich kann unsere Herzrhythmen nicht mehr unterscheiden.

Er berührt meinen Penis beinahe ehrfürchtig, streicht an ihm entlang, verschafft mir einen heißen Schauer am ganzen Körper.

“Ich … würde ihn gerne lutschen”, gibt er behutsam bekannt. “Ist das auch okay?”

Ich nicke und frage neugierig: “Kannst du deepthroaten?”

Sein Kopf ruckt hoch und er starrt mich an. “Und woher kennst du bitte die Deepthroat-Technik? Und Dominanzkämpfe und Zungenküsse? Und erzähl mir nicht, das bekommt man alles im FSK16-Programm im Midgar-Fernsehen präsentiert, wo obendrein alles hetero ist.”

Ich muss innerlich schmunzeln und gebe scheinbar ungerührt Auskunft: “Ich besitze außerdem auch einen Internetanschluss mit einer bemerkenswert stabilen Firewall. Dort gibt es eine Unmenge an informativen Dokus, man braucht keine Pornos dafür.”

“Mit Firewall also, ja?”, grinst er und lacht leise. “Der große General ist natürlich immer umfassend und diskret informiert, egal, um welches Schlachtfeld es geht.”

“So ist es”, entgegne ich und schenke ihm eine überheblich angehobene Augenbraue, aber die ist ironisch gemeint. Ich weiß sehr wohl, dass es auf dem fraglichen Gebiet genau wie in unserem Beruf ohne praktische Erfahrung nichts zu gewinnen gibt.

Im Moment jedoch bin ich froh über die kleine Ablenkung. Splitternackt und halb hart vor Genesis zu sitzen, ist ein merkwürdiges Gefühl, ebenso beschämend wie erregend. Wobei die Erregung sofort überwiegt, sobald seine Hand wieder meinen Schaft massiert.

“Ja, ich kann deepthroaten”, sagt Genesis. “Mit etwas Übung ist es für uns kein Problem, das Mako macht uns auch an dieser Stelle weniger empfindlich. Allerdings ist dein ... Gerät schon eine echte Herausforderung.”

Naja, er ist ziemlich groß, aber auf eine solche Aussage war ich nicht gefasst, und ich bin erleichtert, als sich Genesis über meinen Schoß beugt, denn ich spüre überdeutlich, wie meine Ohren heiß werden. Ich erröte außerordentlich selten, doch wenn es denn geschieht, kann ich nicht gut damit umgehen.

Genesis fährt einmal fest mit der Zunge über die Spitze meines Gliedes, was sowohl es als auch mich zucken lässt. Dann gleitet er von der Couch auf den Boden vor mich. Seine Hände streichen über meine Schenkel, spreizen sie mit sanfter Nachdrücklichkeit, und er kniet sich zwischen meine Beine.

Genesis Rhapsodos liegt vor mir auf den Knien und das obendrein ganz freiwillig! Dass ich das noch erlebe! Ich finde es zugleich grotesk und so aufregend, dass sich ein heißes Prickeln in meinem Bauch ausbreitet.

Mit Mund und Händen geht er an seine Aufgabe. Er beginnt bei meinem Nabel und arbeitet sich von da abwärts. Er ist behutsam, aber gründlich, scheint kein Fleckchen auslassen zu wollen. Atemlos beobachte ich ihn, dieses schöne, sonderbare Wesen, das sich plötzlich so intensiv, so leidenschaftlich mit mir befasst. Mein Penis reagiert heftig auf den Anblick, fast mehr als auf die Berührungen, die ich teilweise kaum spüre. Meine Haut ist am Unterleib nicht sehr sensibel, an den Hoden fühle ich wenig. Am empfindlichsten ist meine Erektion, die sogar zuckt, als er über die Spitze leckt. Ähnlich ist es an den Innenseiten meiner Oberschenkel. Als er sich an einer Stelle festsaugt, beginnt es schnell wie mit haarfeinen Nadeln zu stechen, und ich halte wieder den Atem an. Kann er dasselbe bitte an meinem Glied machen?

Tatsächlich widmet er sich prompt wieder dem Organ. Nachdem er es einmal in den Mund genommen und an ihm entlanggesaugt hat, schaut er prüfend zu mir auf.

"Alles okay?"

Ich krächze nur: "Mach weiter."

Und das tut er.

Er kommt nun schnell zur Sache. Sein Mund ist unglaublich heiß, feucht und eng, und ich bin in keiner Weise auf das Gefühl vorbereitet, das er auslöst. Ich habe zwar angenommen, dass sich ein Blowjob anders anfühlen würde als meine eigene Handarbeit, aber ich dachte nicht, dass es so ist. So atemberaubend, so fantastisch, so ... unbeschreiblich! Und es wird noch besser, immer besser!

Ich kralle die Finger ins Polster, beiße die Zähne aufeinander, Schweiß bricht mir aus, ich fühle, wie meine Schenkel zu beben beginnen und mein Penis so hart wird, dass es schmerzt. Aber ich kann ... nicht.

Ich kann das nicht! Nicht vor Genesis, ausgerechnet! Nicht in Genesis' Kehle, um Gaias willen! Selbst wenn ich wollte, ginge es nicht. Ich erwäge, ins Badezimmer zu rennen und die Sache selbst zu erledigen, doch ich käme jetzt nicht einmal auf die Füße! Ein schockierender Zustand für ShinRas General, abgesehen von allem anderen.

Plötzlich verschwindet die feuchte Wärme, weil Genesis sich kniend aufrichtet.

"H-he!", protestiere ich wenig eloquent.

Er starrt keuchend zu mir hoch. Er sieht aus, als stünde er mitten in der Schlacht - gewissermaßen. Das Haar hängt ihm ins gerötete Gesicht, seine Augen tränen, seine Lippen sind geschwollen und nass, und er wischt sich mit dem Handrücken den Speichel vom Kinn. Er ist schöner denn je, aber offensichtlich nicht sehr glücklich.

"Verdammt nochmal, Sephiroth! Lass los! Du platzt gleich, und ich auch nebenbei bemerkt. Du darfst kommen. Du sollst kommen! Also lass es endlich zu, okay?"

Ich nicke benommen, und er setzt sich wieder auf die Couch, fast auf mich, und küsst mich hart. Das ist offenbar genug Ablenkung, denn als seine Hand meinen Schaft frenetisch pumpt, komme ich explosiv mit einem dunklen Laut, der irgendwo zwischen einem monsterartigen Brüllen und einem gurgelnden Stöhnen liegt. Bis auf Weiteres bin ich unfähig zu denken.

 

Als ich wieder richtig zu mir komme, ist Genesis noch immer dicht neben mir. Ich schaue in hellblau leuchtende Augen unter leicht gerunzelten Brauen, während eine Hand besänftigend mein Haar streichelt. "Alles gut?", erkundigt er sich.

Das ist schwer zu beantworten. Zackary Fair würde sagen: "Ich bin geflasht", und das wäre eine ganz gute Beschreibung. Aber vor allem möchte ich jetzt nicht mehr nackt sein, und so schiebe ich ihn von mir. "Ich muss ins Bad", murmele ich.

Er hält mich nicht auf, fragt nur: "Hast du noch Wodka da?"

"In der Küche", teile ich ihm mit,  raffe mich auf und husche ins Bad, meine Klamotten auf dem Weg aufsammelnd.

Schnaufend lehne ich mich gegen die geflieste Wand. Ich atme langsam und tief und fühle mich allmählich wieder wie ich selbst. Wozu Waschräume doch gut sind! Das ist mir bisher in meiner SOLDIER-Karriere gar nicht so klar gewesen.

Ich muss mich reinigen, ein Blick in den großen Spiegel sagt mir, dass weiße Spritzer überall an mir kleben. Genesis geht es sicher nicht viel anders, aber er muss eben warten. Eigentlich würde ich gerne duschen, aber ich will nicht mit nassen Haaren bei ihm herumsitzen. Ich könnte meine Haare auch hochstecken, um sie trocken zu halten, doch das allein würde zehn Minuten dauern. Ich kann ja auch morgen Früh duschen. Also wische ich mich mit einem Lappen und viel Wasser ab, vermeide unterdessen darüber nachzudenken, was gerade geschehen ist. Es ist einfach absonderlich.

Vielleicht wäre es besser, wenn ich jetzt alleine wäre? Eine Intimität, wie sie zwischen Genesis und mir stattgefunden hat, muss ich erst einmal verarbeiten. Oder soll ich gleich den zweiten Schritt machen und mich revanchieren? Sicher erwartet er das, aber möchte ich es auch? Ich weiß es nicht. Ich bin verwirrt, und das ist schlecht. Es macht mich schwach. Ich will nicht schwach sein, schon gar nicht vor Genesis. Also werde ich ihn nicht hinauswerfen, sondern weitermachen. Ich bin ein sehr konsequenter Mensch, der nie auf halbem Wege stehenbleibt.

Nachdem ich mich abgetrocknet und Shorts und Hose wieder angezogen habe, ist ein großer Teil meiner Selbstsicherheit zurückgekehrt. Ich kämme meine Haare flüchtig durch und gehe aufrecht und zumindest äußerlich gelassen zurück.

 

Das Bild, das sich mir im Wohnzimmer bietet, hat sich etwas verändert. Genesis lümmelt auf meiner Couch, ein halbvolles Glas Wodka in der Hand. Er hat sich offensichtlich bereits auch gewaschen - an der Spüle - und sein Haar sitzt fast so perfekt wie immer. Einen Fuß hat er auf das Polster gezogen, sein Ellenbogen ruht auf dem Knie. Seine Schuhe hat er ausgezogen.

Ich nehme das Glas mit Wodka, das auf dem Couchtisch steht, und setze mich wieder neben ihn. Die Flasche ist halb leer. Sie ist von dem letzten gemeinsamen Abend zu dritt übrig geblieben, vor Angeals Einsatz in Wutai. Wenn ich allein bin, trinke ich selten Alkohol, und so hebe ich die angebrochenen Flaschen dann eben auf.

Genesis hält sein Glas vor mich. "Cheers."

Ich klicke meines mit einem stumpfen "Klink" dagegen. "Cheers."

Der Wodka brennt angenehm in meiner Kehle und das macht mich wach und aufmerksam. Die üblichen Wirkungen von Alkohol setzen bei uns nur ein, wenn wir große Mengen konsumieren, und halten nicht lange an, da die chemischen Verbindungen vom Organismus schneller abgebaut werden als bei normalen Menschen.

Genesis seufzt, den Blick auf sein Glas gerichtet. "Grausam ist das Schicksal, mein Freund. Weder Träume noch Ehre bleiben uns. Der Pfeil hat den Bogen der Göttin verlassen."

Warum bei Bahamut zitiert er das jetzt? Überhaupt ist LOVELESS von Sex und Ekstase meiner Meinung nach ungefähr so weit entfernt wie ShinRa von Wutai - in geographischer wie in kultureller Hinsicht. Aber sein ernster Gesichtsausdruck passt dazu. Weshalb ist er plötzlich melancholisch? Und wie soll ich ihn danach fragen, geschweige denn es ändern? Ich sehe ihn ratlos an und trinke noch ein paar Schlucke, die mir keine Erleuchtung bescheren. Wie auch?

"Ich erspare dir und mir die platte Frage, wie ich war", verkündet Genesis und wirft mir einen schwer zu deutenden Blick zu - frustriert, sarkastisch? "Deine Begeisterung hält sich ja sichtbar in Grenzen."

Was? "Begeisterung?"

Er lacht leise und bitter auf. "Ja, die ist nicht vorhanden. Das Ganze war offenbar eine eher flaue Angelegenheit für dich. Wahrlich bedauerlich."

Was redet er da nur? "Wie kommst du darauf? Es war ... großartig. Du warst großartig!"

"Wie bitte?" Jetzt ist die Verblüffung zurück, mit Verstärkung. "Willst du sagen, es hat dir gefallen?"

"Ja! Wieso denn nicht?"

"Gütige Göttin! Weil deine Passivität, verehrter Sephiroth, das sicherste Indiz dafür ist, dass die erotischen Bemühungen einer Person auf vollständiges Desinteresse stoßen. Du hast mir nicht mal einen Hinweis gegeben, was  ich besser machen kann."

"Weil es nichts zu verbessern gab! Du warst doch dabei, als ich gekommen bin. Sah das aus, als sei ich nicht interessiert?"

"Dein Schwanz hat reagiert, ja, und das auch erst nach gutem Zureden. Aber du selbst ... " Er schüttelt den Kopf, ein halbes Grinsen im Mundwinkel. "Heißt das, du würdest ... den Gefallen  erwidern?"

"Natürlich." Ist das nicht ohnehin Ehrensache? Apropos - ich wüsste gerne, was Angeal zu all dem zu sagen hätte, was wir hier veranstalten.

Nein, tue ich nicht.

Hastig stürzt er den Rest aus seinem Glas hinunter, stellt es weg und schwingt sich herum, um sich rittlings auf meinen Schoß zu setzen, die Beine weit gespreizt. Die Hände auf meine Schultern gestützt, kippt er sein Becken nach vorn, sodass seine Erektion sich gegen den Stoff meiner Hose drückt. Wie ferngesteuert wandern meine Hände auf seine Schenkel. Warum ist hier so viel Stoff?

Er blitzt mich herausfordernd an. "Dann hast du es nicht deshalb vermieden, mich anzufassen, weil du nichts empfunden hast?"

Meine Hände streichen aufwärts und legen sich automatisch auf seinen Hintern.

"Genesis, ich bin nicht wie du. Ich lasse mich nicht leicht gehen, schon gar nicht vor anderen Menschen", erkläre ich. "Das solltest du doch wissen."

"Zugegeben, General Gletscher", erwidert er zwinkernd. “Lässt sich kaum übersehen. Aber ich dachte nicht, dass es so weit geht."

"Ich habe deine Berührungen nicht an allen Stellen gleich stark empfunden", gebe ich zu. "Ich weiß, dass das bei anderen Menschen anders ist, dass sie stärker reagieren. Ich habe dir gesagt, dass ich deinen Erwartungen nicht entsprechen werde.” Ich bemühe mich, es nicht wie eine Entschuldigung klingen zu lassen.

Er schüttelt nur den Kopf und streicht mir wieder durchs Haar. "Und ich habe gesagt, ich habe keine festen Erwartungen. Wichtig ist nur, dass du dich bei dem, was wir tun, gut fühlst. Du bist fremde Berührungen in sexuellem Rahmen nicht gewöhnt, sondern nur die Manipulationen der Wissenschaftler oder feindliche Attacken. Es kann daran liegen, aber das wird sich geben. Wir werden einfach noch viel üben müssen, um dich aufzutauen." Und er küsst mich nass und vereinnahmend.

Dann rückt er zu meinem Bedauern von mir ab, aber das hat nur den erfreulichen Grund, dass er die störende Stoffhose auszieht. Auf das, was zum Vorschein kommt, bin ich nicht gefasst. Von den perfekten Linien seiner Lenden und Schenkel werde ich abgelenkt von einem kleinen, schwarzen, halb durchsichtigen Etwas mit dünnen Riemen, das sich um seine schmalen Hüften schmiegt und das man nur mit viel gutem Willen als Slip bezeichnen kann. Es überlässt wirklich gar nichts der Fantasie und legt nahe, dass meine Mitarbeit mehr als gewünscht ist. 

Genesis setzt sich wieder neben mich, räkelt sich mit gespreizten Beinen gegen die Lehne und so präsentiert er sich mir ohne jede Hemmung. "Ich schlage vor, du entfernst als Erstes die Barriere", schmunzelt er.

Nichts lieber als das. Ich greife in den Gummizug und ziehe kräftig. Zu kräftig, wie sich zeigt, denn der Stoff gibt einen tonlosen Laut von sich und ein Fetzen davon hängt zwischen meinen Fingern!

"Oh!", mache ich erschrocken.

Genesis prustet. "Na holla, da weiß aber einer, was er will! Das Teil war schweineteuer, aber ich werd mich nicht beschweren. Nur weiter so!"

Ich pelle das komische Ding von ihm herunter, wobei er grinsend mithilft. Und dann habe ich ihn vor mir, seinen Penis, lang und aufrecht und stolz reckt er sich zu mir, als sei er froh, aus seinem neckischen Gefängnis befreit zu sein. Rot und glänzend ist der Kopf. Er scheint meine Aufmerksamkeit geradezu zu verlangen.

Genesis hat sich beschwert, ich hätte ihn zu wenig angefasst, und es ist ja nicht so, dass ich es nicht möchte. Ich streichle über seinen Bauch, seine Seite, über die Schenkel, genieße die Festigkeit der Muskeln unter meinen Händen. Dann schließe ich die Finger erst um die Hoden und dann um den pulsierenden Schaft. Ein tiefes Seufzen belohnt mich und Genesis weist mich an:

“Ich mag’s ein bisschen härter, aber ich brauche nicht deine Zahnabdrücke in meinem Schwanz. Wenn du also was mit dem Mund machen willst, beschränke dich erstmal nur auf die Spitze, okay? Ansonsten nur keine Zurückhaltung.”

Ich murmele “okay” und beuge mich hinab. Ich werde nicht vor ihm knien, damit wird er sich abfinden müssen. Ich stütze mich mit der freien Hand auf seiner kantigen Hüfte ab und fange an zu lecken und zu saugen. Es schmeckt salzig und leicht bitter. Von oben erhalte ich ein Stöhnen. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, aber es scheint mir passend, dass Genesis sich nicht zurückhält, sondern seinen Empfindungen freien Lauf lässt und keine Verlegenheit kennt.

Meine Haare fallen über meine Schultern nach vorn auf seine nackte Haut, und sofort fühle ich, wie sich seine Hände darin vergraben. Gleichzeitig fängt er an, weiter rhythmisch zu stöhnen, während sich seine Hüften anspannen und ich seinen Schaft zusätzlich reibe, wie ich es sonst bei mir selbst mache.

“Ja … ja … Sephiroth … oh ja … fester … ja … oh Göttin …jah … Sephiroth! …“

Es ist seltsam, das zu hören. Es klingt wie ein Mantra, und seine raue, atemlose Stimme meinen Namen so sagen zu hören, macht mich selber fast wieder hart. Er beginnt, an meinen Haaren zu ziehen, zuerst nur leicht, dann so heftig, dass es wehtut. Zu meinem absoluten Erstaunen stört es mich jedoch auch jetzt nicht, sondern treibt mich an, meine Bemühungen zu intensivieren. Längst windet er sich unter mir, und das ist unglaublich erregend.

Schließlich stütze ich mich hoch und pumpe ihn fest und schnell, bis er mit einem jaulenden Schrei in meine Faust kommt. Ich streiche ihn sanft aus, während er erschlafft und sich seine Atmung langsam beruhigt.

Als ich ihn anschaue, sind seine Lider über den beinahe fluoreszierenden Augen nur halb geschlossen, und um seine geöffneten Lippen liegt ein entrücktes Lächeln. Ein dünner Schweißfilm bedeckt seine Haut. Eine dicke, silberne Haarsträhne von mir hat er im unteren Drittel gegriffen und hält sie an seinen Bauch gedrückt. Ich entziehe sie ihm behutsam, was ihm ein kleines Lachen entlockt.

“Deine Haare können echt ein Kink werden, Seph”, meint er grinsend.

Ich sehe ihn nur stumm an, perplex sowohl über den ungewohnten Spitznamen als auch über die Bezeichnung “Kink”. Ich weiß sehr wohl, was das ist, hätte es aber nie im Traum auf mich bezogen. Genesis lacht noch ein bisschen mehr. Dann beugt er sich vor und küsst mich erstaunlich sanft.

“Danke”, flüstert er.

Ich kann nichts antworten und auch sonst nichts machen. Gedanken und Gefühle wirbeln durch meinen Kopf, und ich bin vollauf damit beschäftigt, nichts davon in meine Miene vordringen zu lassen.

Genesis' Finger gleiten über meine Wange. "Ich geh duschen", sagt er leise. Er steht auf und entfernt sich.

 

 

 

 

Chapter 8: Gemeinsame Nachtunruhe

Chapter Text

Ich blicke auf das klebrige, weiße Zeug, das sich an meiner linken Hand gesammelt hat. Ich sollte es wohl loswerden. Aber es ist ein Beweis für etwas, das ich noch nicht ganz fassen kann. Ich hatte Sex mit Genesis Rhapsodos! Gewissermaßen. Und ich habe keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte. Noch weniger kann ich mir vorstellen, wie es jetzt zwischen uns weitergehen soll. Ich schüttele hilflos den Kopf.
Da steht er plötzlich neben mir und hält mir ein feuchtes Tuch vor die Nase. "Hier. Ich denke, das brauchst du vielleicht." Seine Hand auf meiner Schulter, ein Kuss auf meine Schläfe. Dann ist er wieder weg und die Badezimmertür klappt.
Ich wische mich ab, gründlich, damit ich ein Weilchen beschäftigt bin. Aber bald ist von Genesis' Sperma nichts mehr zu sehen. Etwas Wodka ist noch da. Ich schenke mir ein, trinke in kleinen Schlucken. Ich denke, am wichtigsten ist mir, dass ich unsere Freundschaft nicht verliere. Ich weiß, ich hatte mir am Anfang des Abends die Frage gestellt, ob er und ich überhaupt so etwas wie Freunde sind. Jetzt bin ich mir sicher. So viel Vertrauen hat er bewiesen, hat sich vor mir geöffnet. Viel mehr als ich es mir erlaubt habe. So viel Achtung und Achtsamkeit hat er mir gezeigt. Hat sich sogar bedankt. Ich habe Genesis heute von einer neuen Seite kennengelernt, und ich bin ehrlich froh darum.
Wie werden wir einander morgen begegnen?
Die Badtür öffnet sich. Die Schritte seiner nackten Füße höre ich nur auf Grund des Makos in meinem Blut. Gleich darauf steht er vor mir, ein Handtuch um seine Hüften geschlungen. Seine Haare sind feucht und er lächelt. "Kannst du mir eine Unterhose leihen?"
"Klar."
Froh, etwas zu tun zu haben, gehe ich ins Schlafzimmer und nehme das Gewünschte aus der entsprechenden Schublade meiner Kommode. Als ich mich umdrehe, lehnt Genesis im Türrahmen und betrachtet mein Bett. Es ist ein schlichtes, aber sehr großes Doppelbett, frisch bezogen und so ordentlich wie mein ganzes Apartment.
Genesis zieht die Shorts über und wirft das Handtuch aufs Bettende. Ich bringe es ins Bad, um es ordnungsgemäß aufzuhängen. Als ich zurück ins Wohnzimmer komme, steht Genesis mit nichts an als meiner Shorts mitten im Raum.
"Ist schon ziemlich spät", teilt er mir mit. "Ehrlich gesagt habe ich keine große Lust, mich nochmal anzuziehen. Aber wenn ich fast nackt, mit meinen Kleidern überm Arm aus deinem Apartment komme und zu meinem rüberlaufe, werden die Sicherheitstypen an den Überwachungsmonitoren das verdächtig finden. Wäre es okay, wenn ich heute bei dir schlafe?"
Nein. Ja. Vielleicht. Nicht. Oder doch? Schließlich ist mein Bett mein Rückzugsort und ich bin es nicht gewohnt, es mit jemandem zu teilen. Ich bin jedoch gar nicht sicher, ob ich ihn nicht doch gerne noch ein bisschen bei mir hätte. Und wenn ich ihm meine Gastfreundschaft verweigere, nachdem wir uns gegenseitig einen geblasen haben, wäre das ziemlich unhöflich. Oder? Also antworte ich: "Ja, das ist okay. Aber denkst du nicht, dass es noch viel verdächtiger aussieht, wenn du erst am nächsten Morgen aus meinem Apartment kommst, egal was du anhast?"
Darüber lacht Genesis schallend. Es ist das Lachen, das so selten ist bei ihm und das ich so mag - offen, ehrlich, ungekünstelt. Ein wunderbares Lachen, über das ich mich regelrecht freue. So etwas gibt es nicht bei vielen Menschen, das ist zumindest meine Erfahrung. "Doch, stimmt", gibt er vergnügt zu. "Viel deutlicher kann man nicht drauf hinweisen, dass wir was am Laufen haben. Aber was soll's, ich glaube kaum, dass man dem großen General Sephiroth verbieten wird, ein bisschen mit seinem Commander rumzumachen, hm?"
"Wahrscheinlich nicht", meine ich achselzuckend. Hojos Meinung zu dem Thema ist eine andere Sache, über die ich allerdings im Moment nicht nachdenken will.
"Hast du eine unbenutzte Zahnbürste?", fragt Genesis.
Natürlich, ich habe einen ganzen Vorrat neu verpackter Zahnbürsten, und eine davon gebe ich ihm.
Nachdem wir also Zähne geputzt und die Wodkagläser abgespült haben, legen wir uns nebeneinander in mein Bett, und ich lösche das Licht.

Wir liegen im Dunkeln, voneinander abgewandt. Ich schaue auf die Fensterwand, hinter der ein matter, grüner Schein von arbeitenden Reaktoren kündet. An Schlaf ist nicht zu denken. Ich liege nicht nur nicht allein in meinem Bett, der Körper hinter mir gehört zudem noch Genesis. Und meine Gedanken wirbeln immer noch.
Es ist nicht so, dass ich niemals in Gesellschaft geschlafen hätte. Im Einsatz, vor allem bei längerer Dauer wie in Wutai, teile ich des Öfteren ein Zelt mit ein oder zwei Offizierskollegen. Auch mit Genesis und Angeal habe ich schon für mehrere Wochen im selben Zelt übernachtet. Aber das ist eine völlig andere Situation. So wie Genesis dann zum fokussierten Soldaten und Angeal ebenso wie wir zum Berufskiller wird, so werde ich zum professionellen General, dessen private Gefühle hinter der Mission zurücktreten. Es kann dort nur praktische Erwägungen geben, und wir alle haben gelernt, mit diesen Strukturen zu leben, ebenso wie mit dem Krieg. Wären wir dazu nicht fähig, so wären wir in unserem Beruf nicht so weit gekommen, wie es der Fall ist.
Aber auch, wenn die klaren Richtlinien bei militärischen Einsätzen für meine Persönlichkeit von Vorteil sind und ich im zivilen und sozialen Leben mitunter Schwierigkeiten habe, habe ich über die Jahre natürlich ein Privatleben entwickelt, wenn ich in Midgar bin. Kein Mensch kann sich ohne Unterbrechung mit der Unterwerfung einer ganzen Nation befassen, was letztendlich zum Abschlachten anderer Menschen führt. Ich tue in Midgar Dinge, die ich mag, vor allem seit ich mit Genesis und Angeal befreundet bin, und trotz der Termine im Labor erhole ich mich in der Abgeschiedenheit meines Apartments.
Und jetzt ist plötzlich alles ganz anders. Eine Weile habe ich versucht, die Gedanken über das, was geschehen ist, zu verdrängen, aber das funktioniert natürlich nicht. Ich bin viel zu aufgewühlt und könnte wahrscheinlich auch nicht schlafen, wenn Genesis nicht neben mir liegen würde.
Er schläft ebenfalls nicht. Das sagen mir seine gleichmäßigen, aber flachen Atemzüge. Ich weiß aus seinen amourösen Anekdoten, dass er selten bei einem Gespielen übernachtet. Er empfindet die morgendliche Begegnung mit einem One Night Stand als unangenehm, vor allem wenn derjenige ihn zu weiteren Treffen überreden wollen könnte. Wieso hat er mich sogar gebeten, bei mir schlafen zu dürfen? Seine Begründung, zu faul zum Anziehen zu sein, nehme ich ihm nicht so ganz ab.
Ich überlege, ob wir miteinander reden sollten, da wir sowieso beide wach sind. Im Zelt sprechen wir nachts wenig, weil wir jede Minute zur Regeneration brauchen, und wenn, dann über die weitere Planung der jeweiligen Mission. Worüber spricht man mit jemandem, mit dem man in einem breiten, sicheren Bett liegt, nachdem man mit ihm Sex hatte? Das hat mir nie jemand beigebracht, und ich bezweifle ehrlich, dass Hojo selbst in seinem Alter eine Ahnung davon hat. Zumindest hoffe ich, dass er überhaupt nie in diese Situation kommt - für die eventuelle Partnerin hoffe ich das - und möchte es mir bestimmt nicht vorstellen.
Die Matratze bewegt sich, als sich Genesis auf einmal mit einem tiefen Seufzer umdreht. Ich erwarte, dass er vielleicht aufsteht, aber dann sagt er leise:
"Ich weiß, dass du genauso wenig schlafen kannst wie ich. Woran denkst du gerade?"
Ich muss grinsen. Eine ehrliche Antwort? "An Hojo."
Die Reaktion ist die erwartete. "Autsch! Du denkst an Hojo, während du mit mir im Bett liegst?! Echt, Seph, das ist ein neuer Rekord an Ignoranz."
Ich drehe mich auch zu ihm um. "Und woran hast du gedacht - Gen?"
Er schmunzelt. "Mein Spitzname aus deinem Mund? Gefällt mir."
Ha! Und ich war überzeugt, er wäre entrüstet, wenn ich ihn genauso intim anrede wie Angeal. Muss ich die platte Abkürzung meines Namens jetzt also hinnehmen, weil wir Sex haben? Auch das noch!
In der Dunkelheit schimmern Genesis' Augen in ihrer unirdischen Farbe. Ich erkenne dank des Makos seine Züge wie blasse Schatten im Weiß der Bettwäsche. Andere Farben nehme ich im Dunkeln nicht wahr. Auf einen normalen Menschen würde es wohl gespenstisch wirken, aber ich bin nun mal daran gewöhnt. Ich kenne das glühende Grün meiner eigenen Augen schließlich, seit ich zum ersten Mal in einen Spiegel geschaut habe.
"Soll ich gehen?", fragt Genesis.
Eine Entscheidung, die ich nicht treffen kann oder will. "Willst du gehen?"
"Nein", erwidert er. "Wir können hier auch etwas anderes machen als schlafen, weißt du."
Er hebt die Hand und führt seine Finger durch mein Haar. Sein Daumen zieht meine Augenbraue nach und tastet danach über mein Jochbein. Seine Lippen sind leicht geöffnet, und ich hoffe, er wird mich küssen. Stattdessen fühle ich sein Knie, das mein Bein aufwärts reibt und sich zwischen meine Schenkel schiebt. Als es sich herausfordernd gegen meine Genitalien drängt, erwacht auch mein Glied mit einem Prickeln.
Genesis' schöner Mund verzieht sich zu einem anzüglichen Schmunzeln. Sein Knie bewegt sich weiter aufreizend, und sein Daumen hat meine Lippen erreicht und gleitet zwischen sie. Ich beiße sanft hinein, und er lacht lautlos. Dann drückt er sich hoch, und im nächsten Moment hat er mich auf den Rücken gedreht und kniet über mir, seine Hände fest auf meiner Brust.
NEIN!
Ich reagiere ungebremst aus dem Reflex. Eine Hand trifft seine Schulter, der andere Unterarm seine Brust. Genesis segelt mit einem überraschten Laut über das Bett und landet auf der anderen Seite mit einem gedämpften Poltern auf dem Boden.
In einer einzigen Bewegung bin ich auf den Beinen und bereit zum Kampf. Natürlich ist mir klar, dass ich nicht kämpfen muss, aber mein Körper macht das automatisch, sobald er eine akute Bedrohungslage registriert. Genesis hat Glück, dass ich wach bin. Hätte er sich mir in dieser Weise genähert, während ich schlafe, hätte ich ihn vermutlich ernsthaft verletzt, zumal er nicht darauf gefasst war. Aber im Schlaf würde er so etwas auch nicht versuchen, so schlau ist er auch. Die volle Tragweite seiner Aktion durchschaut er jedoch nicht.
Während er mit einem Ächzen wieder hochkommt, wende ich mich ab, um seinem verwirrten Blick zu entgehen, und flüchte rasch hinaus und ins Wohnzimmer. Mein Herz hämmert und nicht in positiver Art. Mein Magen zieht sich zusammen.
Ich stelle mich ans Fenster und weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe ihn gewarnt, dass ich ihm nicht geben kann, was er will. Er meinte ja, er wüsste es besser und er wolle keine Routine. Nun, Routine sind dieser Abend und diese Nacht sicher nicht. Das Gefühl von Hojo über mir und seinen Gummihandschuhen auf mir ist noch überaus lebendig und wird nicht so schnell vergehen. Dass ich es in meinem eigenen Bett erlebt habe, ist ein ziemlicher Schock und macht mich wütend.
Genesis kann nichts dafür. Ich hätte mich nie mit ihm ins Bett legen sollen. Wahrscheinlich hätte ich mich schon von Anfang an von ihm und Rufus Shinra fernhalten sollen. Hinterher ist man eben immer klüger.
Da ich ohnehin heute Nacht nicht mehr schlafen werde, überlege ich, mich wieder anzuziehen und ins Büro zu gehen. Irgendetwas gibt es immer zu arbeiten. Bevor ich den Plan in die Tat umsetzen kann, steht Genesis im Zimmer. Zwei Meter Sicherheitsabstand.
Ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig und werde mich auch nicht auf einen Streit mit ihm einlassen.
"Okay, ich nehme an, ich habe einen Fehler gemacht. Sagst du mir, inwiefern?" Seine Stimme klingt angespannt, aber ansonsten ruhig.
Ich werde ihm keine Erklärung geben, das kann er nicht verlangen. Er ist schon weit genug in meine Intimsphäre eingedrungen.
Als ich schweige, holt er tief Luft und wird etwas nachdrücklicher. "Sephiroth, es war nicht mit Absicht. Rede mit mir, verdammt. Ich kann keine Gedanken lesen."
"Ich habe schon mal gesagt, es war ein Fehler", gebe ich gepresst von mir. "Es funktioniert nicht."
"Wieso? Vor einer halben Stunde hat es dir noch gefallen. Warum kannst du mir nicht sagen, was ich jetzt falsch gemacht habe?"
Es hat keinen Sinn. Ich schüttele den Kopf und gehe zur Couch, um meine Sachen überzustreifen, als mir einfällt, dass ich die Hose im Schlafzimmer ausgezogen habe.
Genesis stellt sich mir in den Weg, verzichtet aber darauf, mich zu berühren. "Was hast du denn vor?"
Das darf er gerne wissen. "Ich gehe ins Büro."
"Jetzt?! Es ist halb zwei nachts! Was soll dieser Unsinn?" Sogar im Dunkeln kann ich seine fassungslose Miene ausmachen.
Ich will an ihm vorbei, doch er streckt die Arme aus, vorsichtig, als wolle er mich nicht zusätzlich reizen, sondern nur aufhalten. "Ich will nicht, dass das so endet. Warum sprichst du nicht mit mir? Was habe ich dir getan? Sephiroth!"
Gut, soll er eine Antwort haben. "Ich werde nicht unter dir liegen! Nie." Meine Stimme klingt ganz atemlos. Ich hasse das.
Seine Schultern sinken ein wenig herab. "Das ... ist alles? Deshalb willst du vor mir davonlaufen?"
So braucht er mir gar nicht zu kommen. "Ich laufe nicht davon!"
"Doch", behauptet er fast schon lässig, "genau das tust du. Also schön, gehen wir in dein Büro und reden dort. Wenn du dich dort sicherer fühlst, gut." Er langt nach seinen Kleidern, die noch über der Couchlehne liegen.
So war das natürlich nicht gemeint. Ich bleibe stehen und sehe zu, wie er seine Anzughose anzieht. Der Druck in meinem Inneren löst sich etwas.
"Ich weiß, dass es keine Absicht war", sage ich ihm. "Es liegt nicht an dir."
Er sieht zu mir und nickt langsam verstehend. Das Haar fällt ihm halb ins Gesicht. Sein nackter Oberkörper lenkt mich ab.
"Lass das", sage ich mit einer wegwerfenden Geste. "Geh wieder ins Bett."
"Und du? Kommst du nicht mit?"
"Lieber nicht."
Er kommt zu mir und nimmt meine Hand, ganz leicht, sodass ich sie ihm jederzeit entziehen kann. "Wenn es nicht an mir liegt, warum willst du mich dann nicht bei dir haben?", fragt er mit unentrinnbarer Logik.
Ich zucke wieder mit den Schultern. Er neigt sich vor und legt seine Lippen an meine Schläfe, weich und sanft. "Lass uns hierbleiben, ja?"
Also schön, ich nicke. Seine Berührungen sind angenehm, lenken mich noch weiter ab. Er ist Genesis, nicht Hojo, mein Schlafzimmer hat sich nicht in ein Labor verwandelt. Es war nur ein Trigger, und mein Körper scheint das allmählich auch zu realisieren.
“Okay”, flüstert Genesis an meiner Wange. Er ist mir wieder ganz nahe, bedrängt mich aber nicht. Nur seine Lippen, seine Nasenspitze streifen mein Gesicht. Da er seine Schuhe nicht trägt, ist er nun ein paar Zentimeter kleiner als ich. Es scheint ihn im Augenblick aber nicht zu stören. Tief atme ich seinen Duft ein. Alle seine Kosmetika scheinen irgendwelche Apfelaromen zu enthalten, aber nur leichte, nichts davon ist aufdringlich. Ich mag es.
Ich wende ihm mein Gesicht zu, lasse ihn meinen Mund finden. Unsere Küsse sind so leicht wie sein Duft, spielerisch. Ich streichle wieder sein Haar. Langsam verstehe ich, was die Leute an langen Haaren so toll finden. Genesis legt einen Arm leicht um meine Taille.
“Kommst du wieder mit ins Bett?”, fragt er.
“Mhm.” Mein Puls hat sich ebenso wie mein Magen beruhigt. Ich denke, es wird gehen, wenn Genesis bei mir bleibt. Irgendwie scheint er die Lösung für das Problem zu sein, das er ebenfalls ist. Faszinierend.
Also zieht er die Hose wieder aus, und wir gehen zurück. Unter der Decke liegen wir einander zugewandt, ohne uns zu berühren. Genesis’ Blick kann ich nicht interpretieren, aber ich bin sicher, er wird nichts Sexuelles mehr versuchen, und das ist auch gut so. Allerdings frage ich mich …
“Genesis, eins verstehe ich nicht: Wieso bist du noch hier? Du wirst dir diese Nacht doch kaum so vorgestellt haben, wie sie abgelaufen ist, oder?”
Er zögert mit der Antwort, dann meint er ruhig: “Etwas sollte ich dir vielleicht sagen - du machst mich geil, seit ich dich das erste Mal gesehen habe.”
Ach, so lange? An unser Kennenlernen kann ich mich noch gut erinnern. Wir waren beide Teenager, er ein vorlauter Angeber, ich voller Misstrauen. “Da waren wir sechzehn.”
“Nein, vierzehn. Ich sah einen Bericht über dich im Fernsehen. Du hattest deine erste Mission in Wutai absolviert und warst mit deiner Abteilung prompt in einen Hinterhalt geraten. Du hattest zwischen dreißig und vierzig wutaianische Krieger niedergemetzelt, die genaue Anzahl war nicht bekannt, und galtest als die größte Hoffnung des SOLDIER-Programms. Man konnte dich kurz in einer Pressekonferenz sehen. Deine Haare fielen über den halben Rücken, und die dunkelblauen Klamotten machten dich noch schlaksiger und blasser. Du gucktest über die Köpfe der Journalisten hinweg, als ob dich das ganze Theater überhaupt nichts anginge. Du warst … naja. Seit dem Tag wusste ich jedenfalls, dass ich schwul bin und dass ich ein Held sein will.”
Ja, auch an diesen Pressetermin erinnere ich mich. Ich empfand ihn als sehr belastend. Ich wollte nicht im Mittelpunkt stehen. Das einzig Gute daran war, dass ich einen Termin bei Hojo deshalb verpasste.
“Als wir uns dann persönlich trafen, hat sich dein Bild von mir aber wohl schnell gewandelt”, werfe ich ein.
Er lächelt schief. “Ich hatte erwartet, im Handumdrehen deine Freundschaft zu gewinnen und mit dem gewaltigen Eindruck, den ich auf dich mache, deine Bewunderung obendrein. Stattdessen hast du mich links liegenlassen. Das war zwar irgendwie cool, aber auch ziemlich entmutigend.”
“Ich hatte eher den Eindruck, dass du mich hasst, weil du mich nicht besiegen kannst. Den habe ich bis heute”, füge ich um der Ehrlichkeit willen hinzu.
Er schüttelt den Kopf. “Ich habe dich nie gehasst, Sephiroth. Ich hasse nur die Momente, in denen du glaubst, dir und allen anderen beweisen zu müssen, wie haushoch du jedem überlegen bist und dass sich das nie ändern wird. Es wäre viel leichter, deine Überlegenheit zu akzeptieren, wenn sie dir tatsächlich so unwichtig wäre, wie du immer tust.”
So sieht er mich also? Nun, ich habe keine Lust, darüber nachzudenken oder dagegenzuhalten. Ich mache nur “hm”, weil ich merke, wie ich langsam müde werde.
Genesis’ Blick wird weich, als er tief Luft holt. “Es gibt keinen Hass, nur Freude. Denn du bist geliebt von der Göttin, Held des Morgenlichts, Heiler der Welt.
Damit neigt er sich zu mir und haucht mir einen Kuss auf den Mundwinkel. “Gute Nacht.”
“Gute Nacht”, antworte ich etwas überrascht über den zufriedenen Ausdruck, den er hat, als er sich auf den Rücken dreht und die Augen schließt.
Dann folge ich seinem Beispiel und bin erstaunlich schnell eingeschlafen.

 

Chapter 9: Und ist auch der Morgen ohne Hoffnung ...

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Pünktlich um 0530 wache ich auf, so wie jeden Morgen. Ich benötige keinen Wecker, egal wann ich ins Bett gegangen bin. Es wird gerade hell im Zimmer. Ich liege auf der Seite. Etwas ist hinter mir, und auf meinen Rippen liegt etwas Hartes. Außerdem riecht es komisch. Ich weiß, dass etwas anders ist, als es sein sollte.
Götter, Genesis ist hier! In vagem Entsetzen reiße ich die Augen auf. Die Erinnerung an gestern stürmt auf mich ein, und mir wird heiß vor Scham. Wie konnte ich mich nur vor ihm - ausgerechnet! - so entblößen, im wahrsten Sinne des Wortes! Egal, es ist keine Zeit zur Analyse - ich muss weg von ihm. Beziehungsweise er von mir, immerhin befinden wir uns in meinem Apartment.
Ich richte mich ein Stück auf, unsicher, wie höflich oder schroff ich ihn hinauskomplimentieren soll. Sex ist, so gut er sich auch anfühlen mag, eine Katastrophe, die ausgeglichene Beziehungen kompliziert und schwierige Beziehungen unmöglich macht, das hätte mir vorher klar sein sollen. Deshalb hat Genesis auch nur mit Fremden Sex. Eine weise Entscheidung. Für uns nur leider nicht mehr umzusetzen.
Mit spitzen Fingern greife ich seinen Arm, der auf mir liegt, am Handgelenk und entferne ihn von mir. Von Genesis kommt ein Grunzen. Es klingt nicht, als wäre er schon wach. Eher, als würde er versuchen, weiterzuschlafen.
Ich drehe mich halb um und schaue in sein Gesicht. Seine entspannten Züge ähneln denen eines Engels, eines gefallenen Engels, wenn man die vollen Lippen und die schlafwirren Haare mit einbezieht, die es umrahmen. Prompt verspüre ich schon wieder den Wunsch, ihn zu küssen.
Stop! Das würde völlig falsche Erwartungen in ihm wecken. Ich muss wirklich unbedingt aus seiner Nähe verschwinden, um meine Gedanken zu sortieren und die Geschehnisse in eine vernünftige Ordnung zu bringen. Entschlossen wende ich mich ab und will aufstehen. Werde jedoch auf halbem Wege mit einem rüden Zug an meinem Kopf gestoppt. Er liegt auf meinen Haaren! Das ist nicht besonders erstaunlich, da sie sich im Laufe der Nacht gewöhnlich durch meine Bewegungen im Schlaf über den größten Teil des Bettes verteilen, und als er an mich herangerückt ist, ist er automatisch auf ihnen zu liegen gekommen. Zudem dreht er sich gerade noch weiter auf die kostbare Masse, um es sich wieder gemütlich zu machen, nachdem ich ihn gestört habe.
Gelinde Panik erfasst mich. Hier hilft nur rücksichtslose Offenheit. Ich rüttele hart an seiner Schulter.
"Genesis! Wach auf!"
Ein weiteres unwilliges Brummen antwortet mir. Da er es geschafft hat, sich im Gegensatz zu Angeal und mir vor größeren Mengen an Büroarbeit zu drücken, ist er es gewohnt, wesentlich später aufzustehen als wir, sofern er keine Mission hat. Ich werde schwerere Geschütze auffahren müssen. Wozu sind wir schließlich beim Militär?
"SOLDIER First Class Rhapsodos!"
Tatsächlich fährt er in sitzende Stellung hoch und nuschelt heftig blinzelnd: “S-Sir?"
Na, die Reflexe funktionieren ja noch tadellos.
"Aufstehen! Jetzt!"
Er verzieht den Mund und reibt sich übers Gesicht. "Sephiroth! Was soll das? Wie spät isses?"
"Spät genug", teile ich ihm mit. "Hoch mit dir, ich hab Arbeit zu erledigen. Du kannst in deinem Apartment weiterschlafen."
Er schnauft unwirsch. Noch immer sind ein paar meiner Strähnen unter seinem Hinterteil gefangen, aber ich will ihn nicht darauf hinweisen, aus welchem Grund auch immer. Daher fixiere ich ihn nur auffordernd, bis er nachgibt und sich grummelnd aufrafft.
Endlich! Ich begebe mich schleunigst ins Bad und nehme die ersehnte Dusche. Eine lange, erst heiße und dann eiskalte Dusche. Wenn ich meine Haare alle zwei Tage wasche, dauert es nur etwa zwanzig Minuten. Sie sind sehr pflegeleicht. Nur wenn ich eine Woche ohne vernünftige Waschmöglichkeit im Dschungel zubringen muss, brauche ich hinterher doppelt so lange.
Nach der Dusche fühle ich mich äußerlich und auch innerlich erfrischt. Während ich mit dem Handtuch behutsam das Wasser aus meinen Haaren drücke, überlege ich, dass ich versuchen werde, eine kurzfristige Mission zu übernehmen, um den Kopf frei zu bekommen und eine Entscheidung wegen Genesis zu treffen. Ich traue ihm zu, dass er auch in Zukunft mit mir Sex haben will, er schien doch recht angetan zu sein.
Aber das wäre absurd. Jemanden derartig nah an mich heranzulassen, wäre hirnrissig. Nur mit Not und Mühe habe ich mich an die seelische Nähe zu Genesis und Angeal gewöhnt, habe hin und wieder auch körperliche Nähe zugelassen - Genesis’ Arm um meine Schultern, Angeals freundliches Rückenklopfen. Von früher kenne ich so etwas kaum. Die Leute, die mich in meiner Kindheit betreut haben, vermieden häufige und innige Berührungen, um eine emotionale Abhängigkeit zu vermeiden, wie Hojo mir mal erklärt hat. Im Allgemeinen verbinde ich mit Berührungen die Hände des Professors oder anderer Laborangestellter oder die Angriffe von Feinden.
Würde ich die intime Nähe von Genesis dauerhaft dulden, so würde sich automatisch mein Verhältnis zu ihm verändern. Es würde die Ebene unserer Freundschaft, die ich einzuschätzen gelernt habe, verlassen und etwas Unwägbares werden. Etwas Emotionales, von dem ich keine Ahnung habe und das uns beide unweigerlich in Enttäuschung oder gar Hass führen würde. Ich würde ihn verletzen, ohne es zu wollen, er würde zurückschlagen, wir wären auf dem besten Weg, uns gegenseitig zu vernichten. Ich habe genug Seifenopern gesehen, um zu wissen, wie schwierig so eine Beziehung schon zwischen normalen Menschen ist. Und ich bin alles andere als normal.
Natürlich werde ich Genesis das nicht alles erklären können. Aber er ist ohnehin kein Beziehungsmensch. Vielleicht haben sich meine Bedenken längst erledigt.

Als ich das Bad verlasse, rieche ich den Duft von frischem Kaffee, und wirklich lehnt Genesis halb angezogen und mit einer Tasse in der Hand an der Lehne meiner Couch. Hastig eile ich weiter ins Schlafzimmer. Ich habe auf das Handtuch um die Hüften verzichtet, da ich dachte, er sei schon fort.
"Ich hab Kaffee gemacht", ruft er mir überflüssigerweise nach.
"Ja. Danke", gebe ich zerstreut zurück.
Während ich meine Uniform anlege, bemerke ich, wie er in der Tür lungert und mir zusieht. Was denkt er sich bloß? Ich erschauere und beeile mich noch mehr.
Plötzlich steht er hinter mir und hilft mir in den Mantel! Das ist das Verrückteste, was mir jemals passiert ist. Ich verheddere mich fast in den Ärmeln, und er lacht leise und küsst mich auf die Wange, als schließlich alles am richtigen Platz ist.
"Guten Morgen erstmal."
"Ja, Morgen", murmele ich.
Götter! Ich habe mit Vielem gerechnet, aber nicht damit, dass er da weitermacht, wo wir in der Nacht aufgehört haben. Er riecht nach den müffelnden Kleidern von gestern, hat sich aber die Haare gekämmt.
"Warum hast du es so eilig?", will er wissen. "Steht ein Meeting an?"
"Mit Lazard", lüge ich. Nein, keine Lüge, zu dem muss ich sowieso wegen der erhofften Mission.
Ich lasse das zerwühlte Bett, wie es ist, was mir eigentlich widerstrebt, aber ich muss hier raus. Auf dem Weg zur Tür hält mich Genesis auf und drückt mir eine Tasse Kaffee in die Hand. Ich nehme ein paar Schlucke. Sehr gutes Gebräu.
"Sehen wir uns heute Abend?", fragt er.
Ich starre ihn entgeistert an. "Nein!"
"Morgen?"
"Nein, sicher nicht."
"Warum nicht?"
"Genesis, ich bitte dich."
"Ja, ich bitte dich auch, Seph. Du hast gesagt, du bist kein One Night Stand, wenn ich dich daran erinnern darf."
Was möglicherweise ein Fehler war. "Ich bin dein Vorgesetzter", gebe ich zu bedenken.
Er macht nur achselzuckend "Na und?"
"Ich werde drüber nachdenken", verspreche ich. "Dann sehen wir weiter, okay?"
"Hm, wann meinst du wirst du damit fertig sein? Mit Nachdenken, meine ich?"
Der kann Fragen stellen! "Ich weiß es nicht. Ich werde dir Bescheid geben, wenn es soweit ist, ja? Bis dahin sind wir ... was auch immer."
Ich treibe ihn zur Tür hinaus und mache mich endlich auf den Weg zu den Büros. Genesis bleibt hinter mir zurück.
"Schönen Tag!", höre ich ihn noch.
Ich erwidere den Wunsch mit einer erhobenen Hand, ohne mich umzusehen. Der Gedanke, dass er wahrscheinlich innerhalb einer Woche das Interesse an mir verlieren und sich wieder andere Gefährten suchen wird, ist tröstlich. Daran werde ich mich festhalten.
Ich versuche, den Gedanken zu verdrängen, dass sein Körper noch vor weniger als einer Stunde auf meinem Haar gelegen hat. Seinen Apfelduft habe ich schließlich schon herausgewaschen.


Notes:

Danke fürs Lesen!

Chapter 10: Genesis

Chapter Text

"Ein ewig unergründliches Rätsel ist das Geschenk der Göttin.Es zu suchen, erheben wir uns zum Himmel. Die Oberfläche des Wassers wird von Wellen aufgestört, die umherirrende Seele kennt keine Rast."
Genesis gähnt und streckt sich ausgiebig. Dabei bleibt das kleine Lächeln, das sich beim Zitat aus dem großen Epos auf seine Lippen geschlichen hat, bestehen.
Also, ob er Sephiroth als das Geschenk der Göttin interpretieren will, sei mal dahingestellt. Aber - er will ihn. Und er wird ihn kriegen! Er kriegt immer alles, was er will. Meistens jedenfalls. Oder zumindest manchmal. Wenigstens gelegentlich.
Egal. Die Nacht mit Sephiroth ist unvergleichlich gewesen und er will mehr davon!
Auf der dämlichen Party, die der alte Shinra für seinen Sohn, den neuen Vize-Präsidenten, geschmissen hat, hat der größte aller Helden bewiesen, dass Genesis ihm etwas bedeutet. Was genau das ist, wäre noch herauszufinden, aber sich mit Rufus Arschloch Shinra anzulegen, ist keine Kleinigkeit, auch nicht für ihn. Genesis hofft nur, der General wird deshalb nicht noch Ärger bekommen.

Zuerst, als Sephiroth sich in seinen Flirt mit Rufus gedrängt hat, war Genesis wütend. Seit ein paar Wochen ist der junge Shinra wieder in Midgar, nachdem er für ein Jahr oder so die Militärakademie in Junon besucht hatte. Er nahm an Meetings in allen Abteilungen teil, und so war ihm Genesis mehrmals begegnet und hatte belanglose Worte und weit weniger belanglose Blicke mit ihm getauscht. Dass sie beide in der Premiere der neuen LOVELESS-Bearbeitung waren, war ein netter Zufall. In einem unbeobachteten Moment hat Rufus ihn praktisch persönlich zu der Party eingeladen - zu der Genesis vom Alten sowieso verpflichtet worden war - und keinen Zweifel an seinen ungehörigen Absichten für die restliche Nacht danach gelassen. Seine junge, weibliche Begleitung hat davon natürlich nichts mitbekommen.
Dass Rufus mit Frauen ebenso wie mit Männern spielt, ohne sich Gedanken über den nächsten Morgen hinaus zu machen, war Genesis klar und es stört ihn nicht. Er ist selber nicht viel anders. Gleiches gilt für die Tatsache, dass der Vize-Präsident kein direkt sympathischer Zeitgenosse ist. Er ist attraktiv genug, um Genesis' Fantasie zu beflügeln. Außerdem hat es ihn ungemein gereizt, mit dem Sohn vor der Nase des Vaters zu flirten. Er weiß nicht, was Shinra senior mit ihm gemacht hätte, wenn er es bemerkt hätte, aber er liebt nun mal das Prickeln von Erotik, gemischt mit Gefahr.
Aber dann hat Sephiroth Rufus mehr oder weniger direkt eine Schlampe genannt, und Rufus hat mit dieser offenen Drohung gekontert - mit einem erniedrigenden Auftrag an Hojo! In der gesamten Führungsriege ist bekannt, dass der Leiter der wissenschaftlichen Abteilung dem Super SOLDIER nicht nur monatlich seine Mako-Injektion verpasst, sondern ihn immer wieder zu sogenannten "Untersuchungen" ins Labor befiehlt. Auch dass solche "Untersuchungen" nicht harmlos sein können, da Sephiroth danach stets einen freien Tag hat, aber niemals Details erwähnt, weiß im Vorstand jeder; zweifellos auch Rufus, sonst hätte er in seiner Wut nicht auf Hojo angespielt.
Und diese Niedertracht war für Genesis dann doch zu viel. Er ärgert sich oft über Sephiroth und gönnt ihm hier und da auch eine soziale Niederlage. Aber irgendwo ist eine Grenze, und die Lust, mit jemandem ins Bett zu gehen, der seinen Freund und Kollegen fertigmachen will, ist ihm schlagartig vergangen. Das hat er Rufus auch gesagt. Der Vize-Präsident hat natürlich nur die Schultern gezuckt und vermutlich eine geringfügige Planänderung für die Nachtvorgenommen.
Genesis hingegen sah sich veranlasst, sich um Sephiroth zu kümmern. Der war so aufgebracht, so außer sich, wie er ihn noch nie gesehen hat. Dass ShinRas großer General sich in der Toilette einschließt, weil er gerade die Nerven verliert, war schon ein bedeutendes Erlebnis. Immerhin resultiert ein wesentlicher Anteil von Genesis' Ärger über ihn in seiner oft und gern zur Schau gestellten Coolness. Auf Genesis' Provokationen gibt es üblicherweise einen beißenden Konter oder gar keine Reaktion. Sephiroth eine echte Gefühlsregung zu entlocken, ist ein Kunststück, das Genesis noch nicht wirklich geschafft hat.
Umso beeindruckter war er gestern Nacht. Sephiroth so erregt zu sehen, dass seine Augen grüne Flammen speien, während auf seiner Stirn eine Ader pocht, hat seltsame Empfindungen in ihm hervorgerufen. Einerseits war da natürlich Triumph. Auf einmal war Genesis der Stärkere, der Überlegene. Endlich! Andererseits jedoch fühlte es sich nicht so gut an, wie er es sich immer vorgestellt hat.
In der Erinnerung hängt er eine Weile dem sonderbaren Gefühl nach, das in ihm aufgestiegen ist. Er war irgendwie tief berührt, ja, da war sogar eine Art von Beschützerinstinkt! Wer hätte gedacht, dass Sephiroth Derartiges in ihm wachrufen kann und ihm obendrein wichtiger wird als ein heißer Fick mit dem Sohn des Präsidenten! Tja, so schnell können die Karten neu gemischt werden.
Die folgenden Stunden dann waren wirklich grandios.
Jetzt ist es zehn Uhr vormittags, und Genesis liegt im Bett und wird langsam hart beim Gedanken an das, was sein First Class-Kollege und er so miteinander angestellt haben.
Als ihm dämmerte, dass er der Grund für die Attacke des Generals gegen Rufus war, hat er einfach nur seine perfekte Chance gesehen, diesen einzigartigen Mann flachzulegen. Aber Sephiroths Geständnis, dass er jungfräulich ist, hat gleich wieder alles geändert. Genesis kann es immer noch kaum glauben. Ausgerechnet er, dem die Männer und Frauen scharenweise zu Füßen liegen. Er würde ja noch verstehen, wenn der Mann für Sex und Erotik einfach nicht empfänglich wäre. Diesen Eindruck vermittelt er ohnehin den meisten Leuten, die ihn persönlich kennen.
Doch das ist ja nicht der Fall. Er will es, und Genesis hat ihm einen deutlichen Eindruck davon gegeben, wie sich es anfühlt. Und dafür könnte er sich pausenlos gratulieren. Denn es war ein Erdrutsch, ein Vulkanausbruch, eine Flutwelle, die er bei ihm ausgelöst hat! Gut, es hat ein paar Startschwierigkeiten gegeben, was ja kein Wunder ist bei einem Vierundzwanzigjährigen, der noch nie mit jemandem intim war. Zudem ist Sephiroth so gehemmt, dass Genesis erst wieder angenommen hat, seine Serenade würde auf taube Ohren stoßen, aber der Irrtum wurde schnell aufgeklärt.
Überhaupt hat Sephiroth auf dem Gebiet so etwas rührend Unschuldiges an sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Er hat sich im Laufe der Jahre offenbar umfassend im Fernsehen und Internet informiert, sodass er theoretisch ziemlich gut Bescheid zu wissen scheint. Das ist so typisch der große General. In der Praxis hat er sich dann aber offensichtlich nicht getraut. Ob es nur der Mangel am Mut oder auch an vertrauenswürdigen Personen war, muss Genesis noch herausfinden. Er vermutet beides.
Jedenfalls wirkt diese unschuldige Seite so widersprüchlich bei dem Mann, der unter anderem der Dämon von Wutai genannt wird, und zugleich so sexy, dass Genesis bereit war, ihm nicht nur Starthilfe, sondern sehr viel mehr von sich zu geben. Und bereit ist er immer noch. Er könnte schwören, er war in seinem Leben noch nicht so aufgeregt wie mitten in der Nacht, als sie gemeinsam unter Sephiroths Bettdecke lagen. Dabei sollte man doch meinen, nach all seinen Affären und den Einsätzen bei SOLDIER wäre er abgehärtet. Aber er kann nicht leugnen, dass Sephiroth seinen Hormonhaushalt in eine andere Dimension versetzt hat.

Heute Früh dann ist der “Morgen danach” leider eine ziemliche Enttäuschung gewesen. Sephiroth hat ihn um halb sechs rausgeworfen, weil er angeblich zur Arbeit musste - was für eine unheilige Zeit! Doch vor allem hat es Genesis verwirrt, dass er meinte, er müsse zunächst ausführlich darüber nachdenken, ob er einer Wiederholung zustimmen könne. Nachdem er in der Nacht noch getönt hat, er sei kein One Night Stand! Hatte Genesis auch gar nicht im Sinn, nicht bei diesem Mann. Und jetzt lässt er ihn in der Luft hängen! Er weiß nicht einmal, warum. Sie mögen sich, sie sind scharf aufeinander - was will er denn noch? Es für immer bei der kleinen Stippvisite in den Gefilden der Erotik belassen? Das ist doch Schwachsinn. Wenn Genesis nur wüsste, was in dem hübschen Kopf seines Kollegen so vor sich geht!
Er braucht einen Plan, so viel steht fest. Sephiroth ist nicht zu unterschätzen, weder auf dem Schlachtfeld noch in den Niederungen der Lust. Zuerst allerdings wird er sich um seinen ungeduldigen, kleinen Freund kümmern, damit er den Kopf frei bekommt.

Nachdem er geduscht und einen Kaffee getrunken hat, textet er Angeal, der am folgenden Abend aus Wutai zurückkommen soll.
Die Antwort kommt prompt:
>> Bleibt dabei. Provinz Nordwest wieder sauber. Morgen ca. 2100 zurück. <<
Genesis grinst vergnügt. Er muss seinem alten Freund morgen gleich die Sensation mitteilen. Natürlich nicht alles, denn Sephiroth möchte nicht, dass sein "sexueller Status" breitgetreten wird, und daran wird Genesis sich halten. Er kann sehr loyal sein, wenn er denn will.
Nun denn, es wird Zeit, etwas mehr Aktivität ins Tagesgeschehen zu bringen. Er fönt sich die Haare und kleidet sich an. Dann begibt er sich in den 49. Stock - die SOLDIER-Etage - und in das Büro, das er sich mit Angeal teilt. Missmutig blickt er auf den Schreibtisch seines Freundes, auf dem sichAkten und andere Unterlagen stapeln.
Träume vom Morgenlicht hat die zerbrochene Seele, ihres Stolzes verlustig, ihrer Flügel entrissen", seufzt Genesis. "Das Ende ist nah."
In einem Anfall von Irrsinn hatte er sich vor Angeals Abreise vor zwei Wochen bereit erklärt, den Freund zu vertreten. Was bedeutet, dass er sich all diesen Papieren widmen muss. Müsste.
Ob Sephiroth wohl viel zu tun hat? Man könnte einen Grund finden, ihm einen Besuch abzustatten. Aber erst einmal System in den ganzen Haufen bringen.
Nach einer knappen Stunde hat Genesis vier Häufchen gebildet - einmal Personalien, einmal Berichte, einmal Anträge und zwei oder drei Sachen, die er selber bearbeiten kann, da sie nur seine Unterschrift in Vertretung verlangen. Nachdem er die Unterschriften geleistet hat, knurrt sein Magen. Es ist ja auch schon Mittagszeit, und er hat nicht gefrühstückt. Da er weiß, dass Sephiroth prinzipiell nicht in die Kantine geht, sondern sich höchstens einen Salat von seiner Sekretärin holen lässt, nimmt er die drei unberührten Stapel und bricht in Richtung des Generalsbüros auf.
Sephiroth ist der Einzige der Firsts, der eine eigene Sekretärin hat. Angeblich lohnt sich eine solche Arbeitskraft für die beiden Commander nicht - eine Ansicht von Heidegger, der Genesis ausnahmsweise zustimmt. Angeal macht sowieso alles selber, und Genesis ist eher selten im Büro. Er findet es vollkommen legitim, sich so wenig wie möglich an den Angelegenheiten anderer Menschen abzuarbeiten. Er arbeitet an sich selbst hart genug und der Erfolg gibt ihm Recht. Warum soll er seine Energie auf öden Papierkram verplempern, wenn es genug Leute gibt, die das ganz freiwillig tun?
Sephiroths Büro liegt am anderen Ende des Ganges, gleich neben dem von Lazard.
Auf dem Weg hat Genesis Gelegenheit, einen kleinen Third Class herunterzuputzen, der kaum der militärischen Grundausbildung entwachsen sein kann und der ihn nicht vorschriftsmäßig grüßt. Der Bengel behauptet doch glatt, nicht gewusst zu haben, dass Genesis Genesis ist! Was für ein Trottel, als ob irgendjemand bei ShinRa den roten Ledermantel mit dem breiten, schwarzen Schulterschutz nicht kennen würde! Genesis verdonnert den Typen zu einer Runde Extra-Training. Kontrollieren kann er das nicht, da er den Namen des Jungen gleich wieder vergisst und auch nicht die Absicht hat, ihm weiteren Ärger zu machen. Das erbleichende Antlitz des Third ob des Tadels ist Befriedigung genug.
Kurz darauf betritt er gut gelaunt Sephiroths Vorzimmer. Misses Teager, die Sekretärin, kennt ihn natürlich und meldet ihn ziemlich lässig an. Die elektronische Tür gewährt ihm mit leisem Fauchen Einlass.
Das Büro ist genauso steril wie Sephiroths Apartment. Es herrschen die Farben Weiß und Schwarz vor, alle Möbel stehen exakt im rechten Winkel zu den Wänden und zueinander. Auf dem Schreibtisch befinden sich außer den zwei Computermonitoren, der Tastatur und einem Kaffeebecher fünf ordentliche Stapel aus Akten und anderen Papieren, im rechten Winkel angeordnet.
"Hi", grüßt Genesis und fühlt beim Anblick des Mannes in schwarzem Leder und mit den langen, silbernen Haaren ein seltsames Vibrieren in der Magengrube.
"Genesis", sagt Sephiroth, ohne den Blick von der Akte vor ihm zu wenden. "Was gibt es?"
"Ein paar Sachen, die sich bei Angeal angesammelt haben und mit denen ich mich nicht so richtig auskenne", erwidert Genesis glatt. "Ich hab sie schon vorsortiert." Er hält den neuen Stapel dem General unter die Nase.
Dieser nimmt ihn klaglos entgegen, sieht sich dann einen Moment lang verwirrt um, weil er offenbar nicht weiß, wohin mit dem zusätzlichen Zeug. Schließlich legt er es an den äußersten Rand des Schreibtischs, wo noch ein Plätzchen frei war. Genesis scheint es, als gebe Sephiroth einen stummen Seufzer von sich, aber bei ihm fallen solche Regungen so minimal aus, dass man nicht sicher sein kann.
"Ist noch etwas?", fragt der General dann kühl mit einem sehr flüchtigen Blick zu seinem Besucher.
Genesis ärgert die Flüchtigkeit dieses Blickes. Immerhin haben sie seit letzter Nacht eine gemeinsame, intime Vergangenheit. Doch er lässt sich nichts anmerken, sondern fragt freundlich: "Was hältst du davon, wenn wir zusammen zu Mittag essen? Ist schon 1240."
"Nein", antwortet Sephiroth sofort. "Ich habe noch viel Arbeit."
Obwohl sein Ärger langsam zunimmt, bleibt Genesis ruhig. "Schon klar. Aber auch Helden müssen irgendwann mal eine Pause machen. Etwas zu sich nehmen, außer Kaffee. Wir könnten zusammen Pause machen, sobald du es mit dem Arbeitsaufkommen für vereinbar hältst."
"Nein. Heute nicht. Vielleicht ein andermal."
Die Antwort hätte er gar nicht auszusprechen brauchen, Genesis kannte sie schon vorher. Aber so schnell gibt er nicht auf. "Angeal kommt morgen Abend wieder. Wollen wir drei übermorgen nach Feierabend nicht zusammen was trinken gehen? Das haben wir schon länger nicht mehr gemacht." Um genau zu sein, seit einigen Wochen nicht. Die drei SOLDIERs First Class sind nur selten zurselben Zeit in Midgar, weil sie ständig Missionen rund um den Planeten haben. Nur jeweils einer von ihnen bleibt normalerweise zur Sicherheit des Konzerns im Hauptquartier.
Wieder so ein Blick, der die Flüchtigkeitsmedaille gewinnen könnte. "Ich überlege es mir und sage dir dann Bescheid. Das wäre alles. Wegtreten."
Jetzt platzt Genesis der Kragen. "Wegtreten?! Sag mal, geht's noch? Du lässt dir die halbe Nacht lang von mir den sensationellsten - und nebenbei einzigen - Blowjob deines Lebens verpassen, und alles, was ich von dir kriege, ist 'wegtreten'?!" Mit in die Hüften gestemmten Händen steht er vor dem verflixten Schreibtisch und schäumt wie ein Geysir aus kochendem Mako.
Immerhin besitzt er jetzt Sephiroths ungeteilte Aufmerksamkeit. Für ungefähr fünf Sekunden, in denen sie sich in die Augen starren. Grün. Der Inbegriff von Grün. Die Pupillen auf Grund des Tageslichts zu senkrechten Strichen verengt wie die einer Katze. Wenn derKerl bloß nicht so schön wäre! Er sieht aus wie die Kreuzung zwischen einem Engel und einer Göttin. Mit einem Tröpfchen Dämonenblut in den aufregenden Augen.
"Ich bin im Dienst", sagt das gottähnliche Wesen dann, als würde das die letzten Rätsel der Menschheit erklären. "Außerdem habe ich mich revanchiert, wie ich mich sehr wohl erinnere. Und ich habe dich in meinem Bett geduldet, den ganzen Rest der Nacht. Ich sehe nicht, dass ich dir etwas schuldig geblieben wäre."
Genesis schnauft ein “Hmph!”, dessen Entrüstung die endlos langen Silberfransen zum Flattern bringen sollte, was sie natürlich nicht tut. Brüsk dreht er sich um und murmelt: “Erstick doch dran!” Sein Sinn für Würde verlangt allerdings, dass er laut und mit dramatisch erhobenem Arm hinterherschickt: “Längst verloren sind Träume und Ehre. Der Pfeil hat den Bogen der Göttin verlassen.”
Damit rauscht er hinaus, im Rücken das Gefühl, dass Sephiroth die Augen verdreht.
Auf dem Gang bleibt er stehen und holt tief Luft. Wie soll man bitte jemanden verführen, der sich an ein militärisches Protokoll klammert? Er muss unbedingt mit Angeal reden, so bald wie möglich. Also morgen Abend. Bis dahin wird er allein weiter an einem Plan in Bezug auf Sephiroth arbeiten. Aber zunächst einmal will er den Frust loswerden, den Mister Gletscher bei ihm hinterlassen hat. Ha, “General Gletscher” - er mag es zwar überhaupt nicht, wenn sich die Soldaten die Mäuler über ihn und seine Offizierskollegen zerreißen, aber der Spitzname trifft den Nagel auf den Kopf.
Rasch holt er sein Rapier aus dem Büro und begibt sich zum Trainingsraum. Leider ist der zu dem Zeitpunkt von einer der beiden Third-Klassen belegt, aber Genesis kann mühelos umdisponieren. Unbedarfte Jungs, die man einschüchtern kann, sind noch viel besser als Simulationen, egal wie naturgetreu diese sind.



Er hat einen netten Auftritt, sobald er in den Raum marschiert. Zwanzig geweitete Augenpaare saugen sich an ihm fest. Dem verblüfften Lieutenant teilt er mit, er werde seine Gruppe mit Anschauungsunterricht beglücken, und er tauscht sein geliebtes, tödliches Rapier mit der roten Klinge sogar gegen ein stumpfes Übungsschwert. Der Unterricht, der dann folgt, ist in der Tat anschaulich. Nach einer halben Stunde ist nur noch der Lieutenant auf den Beinen, alle anderen sitzen herum und halten sich die verschiedenen, malträtierten Körperregionen.
Auch der Lieutenant, ein Kollege, den Genesis durchaus mag, lässt sich nun auf einen Übungskampf mit ihm ein und hält sogar stattliche fünf Minuten stand, bevor ihm die Schwertspitze zwischen seinen Rippen einen schmerzhaften Bluterguss beschert. Der Mann knickt leicht ein, hält sich aber tapfer und bedankt sich sogar noch für Genesis' Unterstützung. Das kann er auch, eine Unterrichtseinheit des roten Commanders, die nicht von oben befohlen wurde, ist eine kostbare Rarität. Wer in der letzten halben Stunde gut aufgepasst hat, sollte einige neue Angriffe und Finten gelernt haben.
Mit sich und dem Planeten wieder im Reinen, wünscht Genesis noch einen schönen Tag. Nun wird er sich endlich ein verdientes, leckeres Essen gönnen.

Am Nachmittag hat er einen Termin im Labor von Professor Hollander. Das ist Routine, ein allgemeiner Gesundheits-Check, einmal im Monat gefolgt von der obligatorischen Mako-Injektion. Hin und wieder gibt es auch mal einen Test, der seinen Muskeltonus oder die Belastbarkeit seines Kreislaufs misst. Ihm ist nie besonders schlecht nach so einem Labor-Termin. Nur nach einer Injektion ist ihm oft etwas schwindelig und seine Sinneswahrnehmung ist so geschärft, dass er auf Reize unangemessen heftig reagiert. Deshalb darf er dann vierundzwanzig Stunden nicht kämpfen und muss stattdessen aufs Laufband, um das Mako sozusagen gleichmäßig im Blut zu verteilen.
Heute hat er nur eine Blutabnahme. Dennoch nimmt ihn Hollander persönlich in Empfang. Den Mann mit dem gewellten, grauen Haar und Bart kennen er und Angeal schon seit ihrer Kindheit. Er war “der Doktor”, der regelmäßig nach Banora kam, um sie denselben Tests zu unterziehen wie später in Midgar, nur dass er immer viel mehr Fragen hatte. Vom Lieblingsessen bis hin zur Gemütslage wollte er alles ganz genau wissen. Er war mit Gillian, Angeals Mutter befreundet, die aus Midgar stammt, und gewährte Angeal und dessen Freund Genesis deshalb seine besondere Aufmerksamkeit, und das obendrein kostenlos. Genesis weiß noch, dass Angeal diese “Arztverhöre” sehr viel geduldiger über sich ergehen ließ als er selbst. Und wenn Genesis flapsige Antworten gab, lächelte der Doktor nur und machte sich eine Notiz, was Genesis noch mehr reizte.
Heutzutage ist er heilfroh, dass er von Hollander betreut wird und nicht von Hojo.
“Na, Genesis, alles gut?”, fragt Hollander, als er Blut abnimmt, um seinen Makolevel zu bestimmen. “Wie war die Party?”
“Ganz toll”, antwortet Genesis trocken. “Ihr not-so-important-persons habt ein echtes Privileg, dass ihr an solchen Absurditäten nicht teilnehmen müsst.”
Hollander lacht. “Wohl wahr. Aber ich wette, mein lieber Kollege Hojo hat sich mal wieder gedrückt.”
“Hat er, Minerva sei Dank. Die anderen Typen vom Vorstand und ihre feinen Gäste waren schlimm genug.”
Noch immer grinsend sammelt der Professor die Proben ein und testet dann noch ein paar Reflexe an Genesis’ Ellenbogen, Knien, Fußsohlen und Augen.
“Und wie ist die Stimmung so?”, will er wissen. Das fragt er meistens zum Abschluss, und Genesis antwortet je nach Laune mehr oder weniger wahrheitsgemäß.
Heute hat die Wahrheit schlechte Karten, denn von seinen Aktivitäten mit Sephiroth wird er diesem Mann natürlich nichts erzählen. “Gut”, sagt er also. “Entspannt. Vielleicht ein bisschen gelangweilt, weil Angeal nicht da ist.”
“Ah richtig. Der kommt morgen Abend zurück, oder?”
“Stimmt.”
“Hm.” Der Doc lächelt weiter, während er dann anmerkt: “Für den Status ‘gelangweilt’ schlägt dein Herz ganz schön schnell. Sollten wir das im Auge behalten?”
Der Typ ist nicht dumm, das sollte Genesis mittlerweile wissen. Er schenkt ihm einen kühlen Blick und meint lässig: “Wird nicht nötig sein, denke ich. Mein Herz kann auf sich selber aufpassen.”
“Gute Antwort”, grinst Hollander. “Dann sehen wir uns bei deiner nächsten Mako-IV.”
“Klar. Bis dann.”

Dem Mann ist bewusst, dass er von seinen Schützlingen wohl eher selten die volle Wahrheit hört, wenn diese es nicht für unbedingt nötig halten, und Genesis schätzt ihn dafür, dass er sich damit begnügt. Er kennt ohnehin Genesis’ Hang zu erotischen Abenteuern, die seinen Puls schon mal nach oben treiben können. Wozu sollte es gut sein, ihn mit intimen Details zu füttern, die ihn absolut nichts angehen.
Recht zufrieden begibt sich Genesis wieder in sein Apartment.
Eine Weile liest er in LOVELESS mit leisen Rockballaden im Hintergrund. Er mag Musik der härteren Gangart. Schon als Kind hat er seinen Klavierlehrer gezwungen, die Unterrichtsstunden mit ein paar rockigen Rhythmen aufzulockern. Sehr zum Verdruss seines Vaters, der ein Abbild reicher Spießigkeit darstellt. Aber mit solchen Erinnerungen belastet er sich nicht lange.
Abends geht er nach draußen in eines seiner Lieblingsrestaurants auf der Platte, um zu Abend zu essen. Vorher hat er wohlweislich darauf verzichtet, Sephiroth zu fragen, ob er mitkommen will, denn der General hätte ohnehin abgelehnt, und Genesis wird sich nicht zum Affen machen.
Morgen wird er darauf bestehen, mit ihm zu trainieren, da kann sich Sephiroth nicht gut herausreden. Diese Trainingskämpfe zwischen ihnen sind im selben Maße reizvoll wie frustrierend, denn Genesis lernt zwar von den genialen Kampftechniken seines Rivalen, er ist ihm jedoch an Kraft und Schnelligkeit noch immer unterlegen, wenn auch nicht an Eleganz. Nie konnte er bisher ein Unentschieden erzwingen, geschweige denn ihn besiegen. Ein Umstand, mit dem er sich nie abfinden wird.
Jetzt allerdings hat er noch ein anderes, neues Ziel. Mit dem Gedanken an grüne Augen, deren Arroganz wie Nougatcreme in der Sonne schmilzt, bis nur noch Hingabe übrig ist, schläft er schließlich friedlich ein.

Chapter 11: Igelflöhe in Kalm

Chapter Text

Der nächste Morgen ist weder öde noch ohne Hoffnung, ganz im Gegenteil. Genesis hat von einem vollständig unbekleideten General geträumt und nutzt seine sehr harte Erektion, um noch ein wenig bei den aufreizenden Traumbildern zu verharren.
Nach einem lohnenden Zieldurchlauf huscht er unter die Dusche und geht gut gelaunt durch seine Morgenroutine. Er freut sich auf das Training am Nachmittag und überlegt, wie er Sephiroth dazu bringen kann, ihn zu küssen und vielleicht sogar noch etwas mehr.

Er versteht durchaus, dass der First Class Hero auf diesem Gebiet wie allgemein in sozialen Beziehungen zurückhaltend ist. Wenn man ihn aufmerksam beobachtet, wie Genesis es die letzten Jahre über getan hat, und auf kleine, beiläufige Bemerkungen achtet, weiß man, dass Sephiroth eine einsame Kindheit ohne Elternliebe und ohne die Chance hatte, Vertrauen in den eigenen Wert als Mensch zu lernen. Genesis vermutet, dass darin sein überragendes Engagement im Kampf begründet liegt. Er muss sich immer wieder die eine Sache beweisen, die ihm das Recht zu existieren gibt: Seine Stärke als Krieger, seinen Wert für ShinRa. Etwas anderes hat er nicht im Leben, nicht einmal Sex, bis jetzt jedenfalls. Das findet Genesis immer noch so schockierend wie herzzerreißend.
Er muss also behutsam und gleichzeitig entschlossen vorgehen, um Sephiroths Hemmungen und Zweifel zu überwinden. Natürlich war es unter diesen Gesichtspunkten nicht sehr schlau, den Mann regelmäßig zu provozieren, das sieht er jetzt ein. Er hätte beinahe sein Vertrauen verspielt, und das bereut er. Doch er konnte schließlich nicht ahnen, wie sein Kollege tatsächlich für ihn empfindet. Er zeigt seine Gefühle ja prinzipiell nicht, was der Grund für Genesis' Verhalten war. Natürlich konnte er sein Ziel, eine emotionale Reaktion hervorzurufen, nicht erreichen. Je kühler Sephiroth zu ihm war, desto härter ist Genesis ihn angegangen und umso kälter und verschlossener wurde Sephiroth.
Nun, dieser deprimierende Kreislauf ist endlich durchbrochen worden. Genesis nimmt sich vor, bei dem anderen höflich und charmant zu sein, ohne ihn zu bedrängen, allerdings auch ohne sich entmutigen zu lassen. Sephiroth soll wissen, woran er mit ihm ist. Der Wunsch, einen hilflosen Sephiroth mit Geduld und Geschick in die Geheimnisse der Erotik einzuführen, ihm menschliche Nähe und Zuwendung zu vermitteln und dafür von ihm bewundert zu werden, wird immer stärker in ihm.
Am späten Vormittag geht er zum Büro des Generals, um eine Verabredung fürs Training zu treffen. Zu seinem Erstaunen ist die Metalltür jedoch verschlossen. Das ist ungewöhnlich um diese Tageszeit. Stirnrunzelnd macht sich Genesis auf den Weg zurück in die 52. Etage und zu Sephiroths Apartment. Auf sein mehrfaches Klingeln erhält er keine Antwort. Er schwankt mittlerweile zwischen Ärger und Beunruhigung. Wäre der General in einem Meeting oder im Training, dann wäre auf jeden Fall seine Sekretärin im Büro.
Aber wozu gibt es die Technik? Er fischt sein Mobiltelefon aus der Manteltasche und wählt die Zwei, die automatisch Sephiroths Nummer anwählt. Nach dreimaligem Freizeichen wird sein Anruf auf die Mailbox umgeleitet. Er verzichtet auf eine Nachricht. Jetzt ist er wirklich beunruhigt. Die Möglichkeiten, wo sich der Gesuchte aufhalten kann, sind begrenzt, da er den Tower während der Arbeitszeit nicht verlassen würde und Urlaub ein ihm unbekanntes Konzept ist. Sephiroth ist zwar von seinen Gefühlen her kaum einzuschätzen, aber in seinem alltäglichen Verhalten sehr vorhersehbar, da ein Gewohnheitstier.
Hojos Labor oder Direktor Lazards Büro? Genesis entscheidet sich für Letzteres, da er - wie jeder vernünftige Mensch - um Laboratorien jeglicher Art lieber einen großen Bogen macht, soweit möglich.

Lazard sitzt vor seinem PC und sieht konzentriert aus. Er ist ein netter Kerl mit einem scharfen Verstand und mehr Autorität, als man seinen blonden Locken und modischen Accessoires zutrauen würde. Als Genesis ihn kennenlernte, hat er spontan gedacht: ‘Oh, einer, der am selben Ufer fischt wie ich. Und das bei ShinRa!' Lazards eiserner Diskretion und Zurückhaltung ist es zu verdanken, dass er für diese Meinung in all den Jahren nie einen weiteren Anhaltspunkt gefunden hat. Dafür respektiert er ihn umso mehr.
Bei seinem Eintreten schaut der Direktor auf und mustert ihn interessiert. "Genesis, schön dich zu sehen. Ich habe sowieso noch eine Frage an dich."
"Hallo, Lazard", grüßt Genesis und bleibt vor dem Schreibtisch stehen. "Was gibt es denn?"
"Es ist wegen vorgestern Nacht", erwidert Lazard und verschränkt die Hände vor sich auf der Tischplatte. "Du weißt schon, die Party. Etwas schien zwischen Sephiroth und Rufus vorgefallen zu sein ... " Er läßt das Ende des Satzes offen, als überlasse er es dem Zuhörer, sich bereits hier zu äußern, spricht dann aber weiter. "Du hast den Saal nach Sephiroth verlassen, bist kurz darauf mit ihm wiedergekommen und dann nach einer halben Stunde oder so mit ihm wieder gegangen. Ich möchte natürlich wissen, ob es Unstimmigkeiten gibt, die Leute aus meiner Abteilung betreffen."
'Du willst wissen, ob ich mit Rufus gevögelt habe', denkt Genesis. 'Und wenn nicht, warum nicht, und ob das etwas mit Seph zu tun hat und Rufus dir deshalb an den Karren pinkeln wird.' Ihm ist klar, dass unzählige Intrigen zwischen den Abteilungen des Konzerns laufen, dass jedes Vorstandsmitglied ständig versucht, möglichst viel bei der Verteilung der finanziellen Mittel für das eigene Team herauszuschlagen. Es gibt schwelende Rivalitäten zwischen Hojo und Hollander ebenso wie zwischen der Infanterie und SOLDIER, und es wird gemunkelt, dass Lazard und Rufus eine unterschwellige Fehde austragen, deren Ursprung ein Geheimnis bleibt. Alle diese Querelen stoßen Genesis ab, allerdings wundern sie ihn nicht. Schon in Banora, das eine kleine und ziemlich spießige Gemeinschaft ist, hatte es solche Vorgänge gegeben, und er hatte mitbekommen, wie sein Vater, der der Bürgermeister des Ortes war, sich damit herumärgern musste. Sephiroth sind derartige zwischenmenschliche Dinge völlig fremd. Doch gerade deshalb ist er in Gefahr, zwischen den verschiedenen Machtbereichen ShinRas zerrieben zu werden.
Es ist Genesis' Aufgabe, dies als sein Freund zu verhindern. "Es war nur eine Meinungsverschiedenheit", sagt er deshalb in neutralem Ton. "Rufus hat dann eine Bemerkung gemacht, über die Sephiroth nicht erfreut war - sie betraf Professor Hojo, soweit ich mich entsinne." Hier runzelt Lazard ein wenig die Stirn, denn Genesis' geschliffene Worte bedeuten in normale Sprache übersetzt in etwa: 'Er hat was richtig Übles über Hojo gesagt und Sephiroth damit einen gezielten Tritt in die Eier verpasst.' "Ich hielt es für sinnvoll, kurz mit Sephiroth allein darüber zu sprechen", fährt er fort. "Später haben wir uns noch etwas länger in seinem Apartment ausgetauscht." - 'Und Rufus war raus aus meiner Nachtgestaltung. Was sonst in dem Apartment passiert ist, überlasse ich deiner Fantasie.' -
Lazard gibt ein leicht gequältes "Hm" von sich, reißt sich aber gleich zusammen. "Ich danke dir für die Informationen. Und - was kann ich nun eigentlich für dich tun?” Er ist einer der wenigen, bei denen diese Frage ehrlich gemeint ist.
“Ich bin auf der Suche nach Sephiroth", antwortet Genesis. "Sein Büro ist nicht besetzt. Weißt du, wo er steckt? Wenn er ins Labor muss, sagt er sonst normalerweise Bescheid.”
“Er ist auch nicht im Labor”, gibt Lazard Auskunft. “Er ist auf Mission. Er kam gestern und fragte, ob ich nicht was für ihn habe. Gestern waren keine Missionen mehr frei, und auch heute standen nur Sachen zur Auswahl, die eigentlich für die Thirds und Seconds geeignet sind, aber er entschied sich für ein ungewöhnliches Aufkommen von Igelflöhen in Kalm. Es war ihm wohl wichtig, eine kurze Auszeit vom Büro zu haben. Oder vom Tower.” Er schaut Genesis durch seine stylischen Brillengläser forschend an, als erwarte er eine weitere Erklärung.
Genesis wird sich jedoch hüten, in die Details zu gehen. Er ist außer sich, dass Sephiroth ihm so effektiv aus dem Weg geht, ohne ihm ein Wort davon mitzuteilen. Beherrscht fragt er: “Wann erwartest du ihn zurück?”
“Nun, spätestens morgen Abend, denke ich, eine gründliche Recherche vorausgesetzt, wie wir sie von ihm gewohnt sind.”
“Okay, danke. Dann seh ich ihn vermutlich übermorgen.”
“Alles klar.”
Sie nicken sich zu und Genesis geht.
Was soll jetzt dieser Mist? Er fühlt sich von Sephiroth ausgenutzt und ignoriert. Der Mann ignoriert sogar seine eigenen Bedürfnisse, die in ihrer gemeinsamen Nacht scheu und verschämt unter der rauen Schale hervorgelugt haben. Sephiroth hat sie offenbar wieder zurück in ihr Verlies gezwängt. Für einen solchen Feigling hätte er ihn nicht gehalten, wirklich nicht. Das Einzige, was ihn aufheitert, ist die Vorstellung, wie der große General gegen eine Horde der kleinen, aber hinterhältigen Biester zu Felde zieht, die ihn mit ihren Giftstacheln beschießen. Wenn sie es schaffen sollten, dass die Stacheln sein Gesicht oder seine nackte Brust treffen, gibt es hässliche, rote, juckende Quaddeln. Es ist ihm ganz recht, dass er sich nun mit einer solchen lästigen Lappalie auseinandersetzen muss. Genesis lacht bitter auf und beeilt sich, zum VR-Raum zu kommen, um Dampf abzulassen.
Er muss unbedingt noch heute mit Angeal sprechen.
Er wählt in der Simulation ein verwinkeltes Höhlensystem als virtuelle Realität, in dem es von Monstern der verschiedensten Spezies nur so wimmelt.
Nach zwei Stunden Training und entsprechendem Frustabbau kann er sich nicht mehr zurückhalten und textet an Sephiroth:
>> Hoffe, du hast Spaß mit den Igelflöhen! Bis bald mal irgendwann. G <<
Er erhält keine Antwort.



Er verbringt zwei quälende Stunden im Büro, die ihm wie sechs vorkommen. Es ist ihm schleierhaft, wie Sephiroth und Angeal diese sinnlose, todlangweilige Tätigkeit tagelang ertragen. Selbst wenn er nach jeder Bürostunde eine Stunde Training einlegen würde, wäre er nach einem halben Tag fix und fertig mit den Nerven.
Zurück in seinem Apartment, kann er sich nicht einmal auf LOVELESS konzentrieren und langweilt sich vor dem Fernseher weiter. Irgendwann ist es endlich 21 Uhr. Genesis hat zu diesem Zeitpunkt eine Flasche Rotwein, eine Trüffelpastete aus dem Tiefkühlfach und eine halbe Packung Pfefferminz-Schokotaler intus und starrt abwechselnd auf seine Wohnungstür und sein Mobiltelefon. Auf einem dieser beiden Wege wird Angeal sich bei ihm melden, sobald er im Tower ist. Das macht er nach einer Mission, wenn Genesis in Midgar ist - immer. Nur heute nicht. Was ist los? Sollte er sich jetzt um den Sorgen machen?
Um halb zehn hat Genesis gerade beschlossen, bei Angeal anzurufen, als er eine Nachricht von Sephiroth erhält:
>> Auch solche Aufgaben müssen erledigt werden. Bin morgen zurück. << Einen Gruß schreibt er prinzipiell nicht dazu. Sowas hält er für überflüssigen Ballast. Man sieht ja an der Absenderangabe, von wem die Mail kommt.
Genesis verdreht die Augen. Dass er sich in gewisser Weise freut, überhaupt eine Antwort von Sephiroth zu bekommen, mag er sich selbst nicht eingestehen.
Um kurz vor zehn ruft er schließlich bei Angeal an.
“Hi, Gen.”
“Wo bist du?”
“Ich wünsch dir auch einen schönen Abend. Ich bin seit einer Stunde im Tower.”
Genesis beachtet seine eigene Erleichterung nicht. “Na sieh mal einer an. Und warum meldest du dich nicht?”
“Ich wollte erst noch was mit Zack besprechen. Es ist besser, wenn wir das gleich im Anschluss an die Mission machen, morgen hat er die Hälfte der Details schon wieder vergessen.” Er lacht auf eine seltsam süßliche Art, wie eine Mutter, die über ihr unerzogenes Kleinkind lacht. Widerlich.
“Okay. Wann bist du mit dem Welpen fertig? Ich komm dann rum, hab dir was Verrücktes zu erzählen.”
“Oh … äh, das ist heute nicht so günstig. Ich will dann gleich schlafen gehen, hab morgen Früh schon wieder Unterricht. Es hat vielleicht bis morgen Nachmittag Zeit, ja?”
Genesis beißt die Zähne aufeinander. “Nein, hat es nicht!”
“Genesis, bitte. Geht es um Leben und Tod?”
“Ach Scheiße!” Er tippt die Verbindung weg und wirft das Telefon wütend auf den Couchtisch.
Er hasst diese Frage. Immer, wenn Angeal keine Lust hat, ihm zuzuhören, und ihn auf später vertrösten will, stellt er diese alberne Frage. Natürlich geht es in solchen Fällen nie um Leben und Tod; wenn das der Fall wäre, würde man es ihm ja gleich mitteilen.
Besonders wurmt es Genesis, dass Angeal sich lieber seinem Schüler Zackary Fair widmet als dem Mann, den er seit seiner Kindheit seinen besten Freund nennt. Fair ist ein denkbar unbedarfter Third Class SOLDIER, der außer endlosen Serien an Kniebeugen nicht viel zur Abteilung beiträgt. Seine schwarzen Haare trägt er senkrecht vom Kopf abstehend, sodass er aussieht wie die Bürste eines Kaminkehrers, er plappert ohne Punkt und Komma und steckt seine Nase in alle Angelegenheiten, die ihn nicht das Geringste angehen. Das alles zusammen hat ihm den Spitznamen "Welpe" eingebracht. Angeal hingegen pflegt von einem vielversprechenden Potential zu reden, das er bei ihm sieht, weshalb er ihn als seinen persönlichen Protegé angenommen hat. Für Genesis vollkommen unverständlich. Am meisten ärgert ihn, dass der Bengel tatsächlich attraktiv ist, eine Eigenschaft, die in Richtung des nicht nur schmerzhaft tugendhaften, sondern auch hundertprozentig straighten Angeal vollständig verschwendet ist.
Mit einem Grunzen beschließt Genesis, die beiden Idioten miteinander versauern zu lassen. Dann stellt er frustriert fest, dass es keinen Sinn macht zu schmollen, wenn es niemand mitbekommt, und isst den Rest der Pfefferminztaler auch noch. Was folgt, sind zwei Gläser Wodka und drei Folgen einer schwachsinnigen Seifenoper. Danach zieht er die Stiefel an und begibt sich zu Angeals Apartment, das schräg gegenüber von seinem eigenen liegt. Er denkt nicht daran, sich wegen dem dümmlichen Fair aufs Abstellgleis schieben zu lassen. Die Entscheidung hat übrigens nichts mit dem Alkohol zu tun. Den trinkt er ausschließlich, weil er ihm schmeckt, eine berauschende Wirkung hat Alkohol auf Grund des Makos in seinem Organismus nur in sehr großen Mengen.
Mit der Ersatzschlüsselkarte von Angeal lässt er sich selbst ein. Ohne sich aufzuhalten, läuft er durch das dunkle Apartment ins Schlafzimmer und schaltet die helle Deckenleuchte ein. Wie erwartet sieht er sich mit einem halb nackten, auf dem Bett knienden Angeal konfrontiert, der sein Breitschwert auf die Matratze gesenkt hat und ihn anklagend blinzelnd ansieht. Die Geräusche, die er gemacht hat, haben ihn natürlich alarmiert, aber ebenso natürlich hat er bereits gespürt, dass es sich bei dem Eindringling nur um seinen alten Freund handelt.
Daher kümmert sich Genesis nicht weiter um die Waffe, sondern lässt sich neben dem breitschultrigen und muskulösen SOLDIER First auf den Bettrand fallen.
“Meine Güte, Gen!” Angeal lehnt das Schwert wieder an die Wand und sinkt seufzend zurück auf die Matratze, mit einem Unterarm seine Augen vor der unerwünschten Helligkeit schützend. “Weißt du, wie spät es ist?”
“Nein”, antwortet Genesis lapidar. “Ist auch nicht wichtig für die Geschichte, die ich dir erzählen will. Also, du glaubst nicht, was vorgestern Nacht nach der ShinRa-Party passiert ist.”
"Klar", nuschelt Angeal unter seinem Arm. "Du hast Shinra junior gepimpert. Davon redest du schon seit zwei Wochen."
"Eben nicht!" Genesis ignoriert die etwas kindische Ausdrucksweise seines Freundes und berichtet ihm alles bis hin zu dem heißen Kuss im Apartment des Generals. “Er war zunächst ziemlich schüchtern, wie er in sozialen Dingen so ist, aber schließlich habe ich ihn ausgezogen und ihm einen geblasen. Mit hervorragendem Erfolg. Und nachdem er sich ein bisschen erholt hatte, hat er sich revanchiert! Und dann habe ich bei ihm übernachtet. Mit ihm in seinem Bett. Und er hat mir gesagt, dass er kein One Night Stand sein will. Stell dir das vor!” Sephiroths Geständnis von seiner Unerfahrenheit in sexueller Hinsicht verschweigt er wohlweislich. Er kann ein Geheimnis schließlich für sich behalten.
Während seiner Schilderung hat Angeal den Arm heruntergenommen und mustert ihn nun mit fragendem Blick unter seinen dunklen, zusammengezogenen Brauen. “Kann ich mir nicht vorstellen, kein Stück. Hast du was genommen, Gen?”
“Göttin, nein, natürlich nicht!” Genesis wirft die Hände in die Luft. “Das ist die volle Wahrheit, glaub es oder nicht!” Ja, es gibt Drogen, auf die auch ein Organismus unter Mako reagiert, aber Genesis nimmt so etwas selten, sehr selten. Eigentlich fast nie. Das Zeug ist nicht nur illegal, sondern auch ungesund.
“Ich würde es vorziehen, es nicht glauben zu müssen”, brummt Angeal erschüttert. “Was hast du ihm gegeben?”
“Was?”
“Was hast du Sephiroth gegeben, dass er das mit dir gemacht hat?”
"Gar nichts! Was denkst du denn von mir?"
Angeal zuckt die Achseln und hat die Größe, etwas betreten auszusehen. "Naja, das kommt sehr überraschend, das musst du zugeben. Ich wusste nicht mal, dass er schwul ist. Er muss unglaublich diskret gewesen sein die ganze Zeit. Du kennst die Gerüchteküche bei ShinRa, und wir haben nie etwas davon gehört, dass er Freunde oder Affären hatte."
"Na, hatte er ja auch nicht."
Angeals Augenbrauen wandern nach oben. "Ach so?"
Ups. "Ist ja auch egal. Jedenfalls hat er mich gestern Früh sehr unzeremoniell rausgeworfen." Ablenken! "Er meint, er muss erst sonstwie lange darüber nachdenken, ob er mehr mit mir haben will, dabei hatte er erst noch darauf bestanden, dass er kein One Night Stand sei. Und heute ist er einfach abgehauen auf eine völlig lächerliche Mission. Was soll ich bitte davon halten?"
Angeal seufzt abermals und reibt sich die Augen. "Ehrlich, Gen, ich habe keine Ahnung. Das ist gerade ein bisschen viel auf einmal. Lass uns morgen weiterreden, okay? Ich muss erstmal schlafen. Das solltest du auch tun. Es ist mitten in der Nacht."
"Ja, schon gut." Genesis gibt nach. Er fühlt sich bereits ruhiger, nur weil er sich seinem besten Freund anvertrauen konnte. "Ich komm morgen Abend zum Essen, wenn du kochst. Dann können wir alles besprechen."
Doch Angeal wehrt ab . "Morgen nicht, ich muss zuerst einkaufen. Aber übermorgen will ich sowieso für Zack kochen, komm doch dazu."
Genesis verdreht die Augen. "Nein danke, ich will euer junges Glück nicht stören. Ernsthaft, Angeal, wann zieht der Bengel bei dir ein, hm? Dann hättest du auch wieder einen Welpen als Haustier.”
Sein Freund schüttelt mit bösem Blick den Kopf. "Wieso sollte er einziehen? In den Statuten von SOLDIER wie der gesamten Armee sind Wohngemeinschaften von Auszubildendem und Mentor ausdrücklich nicht vorgesehen. Und er ist ganz sicher kein ‘Haustier’. Du bist geschmacklos, Genesis.”
"Ist ja gut“, winkt Genesis ab und erhebt sich. "Vergiss es, okay? Wir sehen uns." Immerhin war es der hundevernarrte Angeal selbst, der Fair diesen Spitznamen verpasst hat. Wer ist hier also geschmacklos?
Auf dem Weg hinaus löscht er das Licht und hört hinter sich noch ein genuscheltes "Gute Nacht."

 

Chapter 12: Sparring

Chapter Text

Kapitel 12: Sparring

 

Am Vormittag hat Genesis - leider - seine Materia-Klasse. Fünfzehn Seconds, denen er erklären soll, was sich nicht erklären lässt. Wenn man es nicht fühlt, nutzen die besten Erklärungen ziemlich wenig. Auch praktische Übungen allein machen niemanden zu einem Materia-Meister, aber gut, wenn einer nicht völlig unbegabt ist, kann er mit viel Praxis zu einem passablen Anwender werden. Und mit Genesis’ Hilfe.
Von den fünfzehn Jungs sind immerhin dreizehn in der Lage, so mit der Materia umzugehen, dass man mehr oder weniger stete Fortschritte ausmachen kann. Das ist ein Trost, auch wenn ihre Fragen und die Defizite in der Handhabung Genesis den letzten Nerv rauben. Einer ist ein hoffnungsloser Fall, den er einfach nur los sein möchte, und einer kann’s eigentlich schon und bräuchte gar keinen Unterricht mehr. Aber er ist in der Lage, immer wieder einem seiner Kameraden behilflich zu sein, und so hat Genesis ihn stillschweigend zu seinem Assistenten ernannt.
Heute ist jedoch der Wurm drin. Einige stellen sich an, als hätten sie zum ersten Mal Materia in der Hand beziehungsweise in ihrer Armschiene. Feuer- und Eiszauber fliegen wild umher, und man kann von Glück sagen, wenn die Jungs sich nicht gegenseitig treffen. Eigentlich wollte Genesis das Thema der Materiafusion anschneiden, aber nun entscheidet er sich für eine Wiederholung der Theorie.
Er stoppt die Aktivitäten und befiehlt, jeder solle eine Feuer-Materia in die Hand nehmen. Nun stehen sie also alle mit einer kleinen, rot glänzenden Kugel da.
“Jetzt bleiben wir mal ganz ruhig. Es gibt genauso wenig einen Grund, Angst vor der Materia zu haben, wie sie mit einer Massenvernichtungswaffe zu verwechseln.”
Allgemeines Gekicher. Gut, sie entspannen sich allmählich.
“Weiß denn noch jemand, was ich ganz am Anfang unserer gemeinsamen Bemühungen über den Ursprung von Materia erzählt habe?”
Natürlich meldet sich Kunsel. Kunsel ist seit zwei Jahren Second Class, hat entsprechend viel Erfahrung gesammelt und ist wirklich gut in der Materia-Theorie. In der Praxis - nicht. Ein Einsatz in einem Kriegsgebiet oder gegen Terroristen wäre für ihn möglicherweise das Ende, und zwar nicht nur seiner SOLDIER-Laufbahn. Aber für kleinere Missionen gegen Monster, die man mit dem Schwert erledigen kann, ist er äußerst brauchbar. Nicht jeder kann ein Held sein. ‘Haha’, denkt Genesis selbstironisch und nickt dem jungen Mann zu. “Ja, Kunsel?”
“Materia entsteht, wenn bei Mako der flüssige Teil verdunstet und der feste Teil kristallisiert. Man kann die Kristallisation künstlich herbeiführen wie hier im Materia-Labor, oder sie kann als natürlicher Vorgang stattfinden. Das ist aber nur selten der Fall, deshalb benutzen wir überwiegend künstlich hergestellte Materia. Materia enthält … “
“Danke, sehr gut”, unterbricht ihn Genesis. Wenn er einen Schüler einen ganzen Vortrag zu einem Thema halten lässt, schlafen die übrigen inzwischen selig ein. Deshalb stellt man mehrere einzelne Fragen, die von verschiedenen Schülern beantwortet werden sollten. Jedenfalls ist das Angeals Auffassung, und Genesis findet sie zutreffend.
“Kann mir jemand sagen, woraus Materia besteht?”
Einige Hände heben sich, Genesis zeigt auf einen Jungen mit halblangen, braunen Locken. “Luxiere?”
“In der Materia ist das Wissen der Alten enthalten, die sich mit dem Planeten verbinden und seine Kräfte nutzen konnten.”
“Stimmt. Und was bedeutet das?”
“Dass wir in direktem Kontakt mit dem Lebensstrom und seiner Energie sind, wenn wir Materia gebrauchen”, antwortet Luxiere. Er gehört zu den Wenigen, die Genesis’ Blick nicht ausweichen, auch wenn er länger auf ihm ruht. Er ist bemerkenswert hübsch und scheut sich auch nicht, dem berüchtigten Roten Commander ein Schmunzeln zu schenken. Obwohl er ganz sicher noch nicht achtzehn ist, hält Genesis ihn für alles andere als unschuldig. Er hatte vor, dem Flirt, in dem er sich mit ihm befindet, bald Taten folgen zu lassen. Im Gegensatz zu Angeal wäre es ihm auch herzlich egal, dass der Junge sein Untergebener ist, und er ist überzeugt, auch diesen würde der Umstand kaum stören. Aber nun ist ja Sephiroth dazwischengekommen. Irgendwie. Leider.
Nein, die beiden kann man wirklich nicht vergleichen. Für einen Luxiere gibt man einen Sephiroth nicht auf. Wenn Letzterer bloß nicht so widerborstig wäre.
Mit einem kleinen, nichtssagenden Lächeln wendet sich Genesis wieder an die ganze Klasse. “Die Existenz eines sogenannten Lebensstromes als Energiesystem des Planeten ist umstritten. Sagen wir einfach, durch Materia sind wir in Verbindung mit den Kräften des Planeten und können sie lenken, zumindest einen winzigen Teil davon. Es findet daher eine Art Kommunikation zwischen dem Menschen und der Materia statt. Eine stumme, wortlose Kommunikation, auf die wir uns konzentrieren, wenn wir die Materia aktiviert, aber den Zauber noch nicht gewirkt haben. Wir spüren die Energie der Materia sowohl körperlich als auch geistig. Wir lassen uns darauf ein, behalten aber stets die Kontrolle.”
Kunsel meldet sich und Genesis seufzt innerlich. Nimmt die Stunde eigentlich jemals ein Ende?
“Eine Frage, Kunsel?”
“Ja, ich meine, Mako ist überall, denn es liefert ja die Energie für die Technik in unserem Alltag. Außerdem bekommen wir in SOLDIER regelmäßig unsere Makoduschen. Müssten wir da nicht ohnehin ständig mit dem Planeten kommunizieren können, wie es dem Alten Volk nachgesagt wird?”
Wie schön, eine echte Kunsel-Frage. Es ist sicher lobenswert, dass sich der Junge Gedanken macht, aber den Unterricht bringen sie nicht weiter.
“Nun, wir sind keine Cetra. Das Alte Volk gilt als ausgestorben. Auch weiß niemand, ob sie tatsächlich mit dem Planeten reden konnten. Und in der Materia ist das Mako extrem verdichtet, komprimiert. Das Mako hingegen, das im Alltag und im SOLDIER-Programm verwendet wird, ist nicht rein, sondern auf spezielle Weise für den jeweiligen Zweck aufbereitet. Solche Details betreffen die Wissenschaftler und Forscher, uns brauchen sie nicht zu interessieren. Für uns ist nur wichtig, dass wir Materia nie in den bloßen Händen aktivieren dürfen, da sie unser Gewebe zerstören würde. Aber ich denke, das haben hier alle verinnerlicht. Setzt die Feuer-Materia also wieder ein und probiert es noch einmal in Ruhe. Aktivieren, hineinspüren, deaktivieren. Im Kampf muss das natürlich in Sekunden ablaufen, ohne darüber nachzudenken. Deshalb, Männer: Üben, üben, üben.”
Er selbst macht es vor, lässt das rote Leder, das seine Hand bekleidet, aufglühen, bildet die Flamme, die so lebendig wirkt wie das prickelnde Gefühl des Feuers in seinem Innern. Dann lässt er die Flamme ersterben, bevor er sie erneut beschwört. Für ihn ist es leicht, er weiß schon seit Jahren, dass er der geborene Magier ist, und das Feuer scheint ein Teil von ihm zu sein. Wenn er die Materia aktiviert, fühlt er sich ganz, vollständig. Und - es hat keinen Zweck, es zu leugnen - erotisch erregt. Nicht, dass er sich noch nie gefragt hätte, wie es sich mit dem Mako verhält, das einerseits durch elektrische Kabel fließt, andererseits magische Aktionen ermöglicht und überdies als grünliche Substanz in seine Adern injiziert wird. Denn das wird es bei ihm und seinen Kollegen der First Class, im Gegensatz zu den Third und Second Class mit ihren Duschen. Aber Professor Hollander hat seiner Neugier weder als Kind noch als Teenager nachgegeben, und vielleicht weiß er es selbst nicht so ganz genau, was für ein Stoff Mako wirklich ist. So hat Genesis entschieden, es als das Geheimnis hinzunehmen, das es ist. Er mag nun einmal alles, was mysteriös ist.
Eine weitere Viertelstunde später beendet er endlich den Unterricht. Nach den letzten zwei Stunden ist er erschöpfter als nach einer Schlacht gegen eine wutaianische Elite-Einheit. Er hat keine Ahnung, wie Angeal so viel unterrichten kann und es auch noch gerne macht. Tatsache ist, sein Freund ist der einzige der drei Firsts, der einen wirklich guten Lehrer abgibt. Vielleicht liegt es daran, dass er zwischen menschlichen Schülern und Hundewelpen, deren Training er sich noch immer gelegentlich in seiner Freizeit widmet, kaum einen Unterschied macht.
Genesis ist zu ungeduldig und Sephiroth zu gleichgültig, um anderen etwas Schritt für Schritt beizubringen.

In der Kantine trifft sich Genesis mit Angeal. Sie nehmen Salat und Gemüseauflauf mit zu Angeals Apartment, um beim Essen ihr Gespräch von gestern fortzusetzen.
“Also”, sagt Angeal zwischen zwei herzhaften Bissen, “wie ich das gestern Nacht verstanden habe, bist du mit Sephiroth irgendwie intim geworden und willst jetzt … ja, was? Weitermachen, eine Beziehung eingehen oder wie?”
“Ja und ja”, antwortet Genesis. “Wir haben rumgemacht und ich will weitermachen. Definiere Beziehung.” Obwohl er Hunger hat, isst er nur kleine Häppchen, da er aus dem Salat den Mais aussortieren muss, den er nicht mag, und den Auflauf um die Paprikastücke herum essen muss, die er auch nicht mag.
"Sephiroth, du und ich haben eine Beziehung, und zwar eine freundschaftliche", sagt Angeal. "Wenn Sex dazukommt, wird daraus eine intime Beziehung, die alle möglichen Emotionen mit einschließt, wie du sehr wohl weißt. Und das willst du mit Sephiroth haben, ausgerechnet? Hältst du das für eine gute Idee? Ich meine, man vergleicht euch nicht umsonst mit Feuer und Eis.”
Genesis fühlt sich etwas genervt. Aber er will mit Angeal über die Sache reden und muss sich deshalb wohl oder übel seine Meinung anhören. “Diese Vergleiche mögen ja lustig sein, die Frage ist allerdings, wie sehr sie in der Realität hinken.”
“Okay, lass mich deutlicher werden”, seufzt Angeal und angelt sich mit der Gabel zwei Paprikastücke von Genesis’ Teller. “Ihr reizt euch schon gegenseitig bis aufs Blut, wenn keine Intimitäten involviert sind. Außerdem hat Sephiroth offenbar wenig Erfahrungen in der gay community , wenn ich das richtig mitgekriegt habe.”
“Er hat gar keine.”
Angeal stutzt. “Heißt das, du bist sein … Erster?”
“Ja. Aber das ist mir gestern so rausgerutscht. Ich wäre dir dankbar, wenn du’s für dich behalten könntest, er will ausdrücklich nicht, dass über ihn getratscht wird.”
“Keine Sorge, ich pflege nicht zu tratschen, ich bin schließlich nicht Kunsel.” Die dunkelblauen Augen mustern Genesis lange und viel zu forschend. “Gen, ist dir klar, auf was du dich da einlassen willst? Er ist ohnehin kein einfacher Charakter. Wie kompliziert wird es da, ihn in ein Gebiet einzuführen, auf dem er keine Ahnung hat und das die empfindlichsten Stellen eines Menschen körperlich und vor allem seelisch berührt?”
“Gerade ich sollte mich auf diesem Gebiet richtig gut auskennen, meinst du nicht?”, gibt Genesis völlig ruhig zurück, ohne den Blick seines Freundes zu erwidern.
Einen Moment schweigt Angeal, bevor er nachdenklich meint: “Du hast nie erzählt, was damals genau zwischen dir und Daniel vorgefallen ist.”
“Nein, und ich habe auch nicht die Absicht, jetzt damit anzufangen.” Damit ist das Thema abgehakt. Ein Thema, das sich auf eine Zeit in den Teenagerjahren der beiden bezieht, in der sie - noch in Banora - wenig Kontakt zueinander hatten. Zwei Monate nur, die jedoch viel veränderten, jedenfalls für Genesis.
Er schiebt seinen Teller weg, und Angeal, der seine Portion bereits verputzt hat, nimmt ihn sich, um die verschmähten Reste auch noch zu verspeisen. Als er fertig ist, meint er:
"Versteh mich nicht falsch, Gen, aber ich möchte nicht, dass du Sephiroth verletzt - und das meine ich nicht körperlich. Ich denke einfach, dass es bei jemandem wie ihm sehr schnell geschehen kann, und dass es dann gefährlich wird, nicht nur für dich."
Genesis verschränkt die Arme vor der Brust und wirft seinem Freund einen scharfen Blick zu. "Heißt? Dass ich automatisch jeden verletze, dem ich zu nahe komme?"
"Nein, aber du bist emotional und mitunter unkontrolliert und für einen Mann wie Sephiroth unberechenbar, das wirst du zugeben. Die Fusion von Feuer- und Eis-Materia kann verdammt explosiv werden, wenn du mir noch einmal diesen Vergleich gestattest."
Genesis verdreht die Augen. "Schön, ich hab's kapiert. Dann sag mir, wie ich ihn schonend dazu bringe, mir seine Jungfräulichkeit zu opfern. Im Moment mauert er. Aber ich weiß, dass er es will. Ich weiß nur nicht, wieso er es offenbar nicht weiß."
"Hm, es gibt Menschen, die sehr gut ohne Sex leben. Hast du das mal bedacht?"
"Erstens: Sephiroth lebt nicht gut. Zweitens: Du hättest ihn sehen sollen. Und hören. Glaub mir, er will es. Und zwar von mir."
"Schon gut", wehrt Angeal mit erhobenen Händen ab. "Zu viele Details.” Dann wird sein Blick ernst und forschend. Was kommt jetzt? “Kann es nicht vielleicht sein, Gen, dass eine sexuelle Beziehung mit ihm dir genau das geben würde, was du dir so sehr wünschst, aber anders nicht haben kannst? Nämlich Macht über ihn?”
Verdammt, der Kerl ist wirklich gut. Vor allem kennt er Genesis zu gut. Zum Glück ist Genesis nicht so ignorant, dass er sich seine eigenen Motive nicht gelegentlich näher anschauen würde, sodass er auf das Argument schon selbst gestoßen ist. “Vielleicht wäre das so, ja”, gibt er gelassen zu. “Na und? Vielleicht wäre es umgekehrt genauso, denn auch seine Freundschaft ist mir wichtig, wie du weißt. Vielleicht wäre es ganz gesund für seine soziale Kompetenz, ein solches Verhältnis mit gegenseitiger Beeinflussung der Gefühle mal zu erleben. Mit jemandem, dem er vertraut, denn das tut er, auch wenn es dir abwegig erscheinen mag.”
Seine letzten Worte sind harsch im Ton, und Angeal schüttelt den Kopf. “Ich halte dich keineswegs für unehrenhaft, Genesis, das muss ich doch nicht betonen. Meine Bedenken sind nicht gegen deine Vertrauenswürdigkeit gerichtet, sondern auf die rein emotionale Seite.”
“Okay … “, macht Genesis gedehnt und lehnt sich abwartend zurück.
“Also schön.” Und mit einem Seufzen gibt Angeal auf. Genesis verkneift sich ein triumphierendes Grinsen. “Am wichtigsten scheint mir”, fährt der dunkelhaarige First fort, “dass du ihm so viel Zeit lässt wie er braucht. Dass du ihn nicht bedrängst, sonst wird er seine Mauern nie herunterfahren."
"Ich bedränge ihn ja nicht! Ich habe ihn zum Kaffee eingeladen, dann nur zu einer gemeinsamen Mittagspause. Nichts. Er verschwindet ohne ein Wort auf eine lächerliche Mission. Er benimmt sich wie ein achtjähriges Mädchen."
Angeal reibt sein dünnes Kinnbärtchen, wie er es oft tut, wenn er grübelt. "Naja, in sexueller Hinsicht ist er ein achtjähriges Mädchen."
Das bringt Genesis dazu, laut aufzulachen. "Ooh nein, ganz und gar nicht!"
"Psychisch gesehen, Gen", betont Angeal. "Vielleicht solltest du ihm in die Augen sehen, nicht nur zwischen die Beine."
"Keine Sorge", lächelt Genesis, "das tue ich schon." Er denkt an das, was er in einem ganz bestimmten Moment in den faszinierenden Katzenaugen erblickt hat, und sein Lächeln gerät zunehmend dreckig.
Angeal seufzt grummelnd. "Warum versuchst du nicht zur Abwechslung, einfach nett zu ihm zu sein? Vielleicht vergisst er ja vor Überraschung seinen Eispanzer."
"Witzig, Angeal." Aber dann müssen sie doch beide lachen. "Ich geh nachher mit ihm trainieren", beschließt Genesis. "Da kann er mir nicht abhauen, jedenfalls nicht, ohne mir damit den Sieg zu überlassen, ha!"
Das Kopfschütteln seines Freundes wird von einem gemurmelten "Oh boy" untermalt, und Genesis kichert.

Am Nachmittag schickt er Sephiroth eine Anfrage. "Wieder im Tower?"
Zurück kommt ein schlichtes “r”. Es steht, wie er weiß, für "richtig" oder "right" oder als Häkchen. Wäre ja auch wirklich zu verschwenderisch, ein "Ja" zu tippen.
Genesis ermahnt sich, ruhig zu bleiben, und schreibt: "Nachher zusammen Training?"
Umgehend erhält er die Antwort: "Zu viel Arbeit."
Jetzt reicht's. Genesis gibt seinem Lover in spe genau zehn Minuten, in denen er den Sitz seiner Frisur und seiner Kleidung prüft, dann marschiert er los zum Büro des Generals.
Er findet den anderen First am Schreibtisch vor, voll auf seinen PC konzentriert.
“Hallo, Sephiroth”, grüßt er fröhlich.
“Genesis.” Ohne aufzusehen.
Genesis weiß, dass er ihn nervt, aber der Zweck heiligt nun mal die Mittel. Und mit dem Zweck ist durchaus auch Sephiroths Wohlergehen gemeint. Um gar nicht erst in die Routine zu verfallen, in der der andere sich überlegen fühlt, bleibt er nicht vorm Schreibtisch stehen, sondern wandert um das massive Möbel aus schwarz lackiertem Stahl herum und lehnt sich neben Sephiroth gegen die Kante der Tischplatte. Er wird mit einem irritierten Seitenblick belohnt.
“Was … äh … möchtest du?”
Genesis blickt durchdringend auf ihn hinunter. Leider verfügt Sephiroth über eine dermaßen selbstbewusste und autoritäre Fassade, dass man sich ihm nie überlegen fühlt, egal, aus welcher Perspektive man ihn betrachtet. Genesis schiebt den unerfreulichen Gedanken beiseite.
“Ich. Du. Training. Jetzt!” Wer hat behauptet, Genesis Rhapsodos könne sich nicht kurzfassen?
Sephiroth hebt beide silberfarbenen Augenbrauen, was ein Zeichen äußerster Überraschung ist. “Ich habe diesen Vorschlag bereits per Mail abgelehnt.”
Genesis lächelt. Nett, nicht anzüglich. “Aber du solltest wissen, dass ich jemand bin, der ein Nein als Antwort nicht akzeptiert.” Er stemmt sich auf die Tischplatte hoch, ungeachtet der Tatsache, dass sein Hintern auf einigen Akten landet, und schlägt ein Bein über das andere.
In dem unergründlichen Grün blitzt Verwirrung auf, und der Blick zuckt hinab zu Genesis’ Stiefeln, deren Schäfte bis zu seinen Oberschenkeln reichen, während unter seinen Knien zwei dünne Riemen mit jeweils einer Silberschnalle verlaufen. Natürlich haben für diese Anschaffung Sephiroths Stiefel einst Pate gestanden, und Genesis mag diese Gemeinsamkeit auf rein modischer Ebene.
“Legenden werden erzählen vom Opfer am Ende der Welt”, rezitiert er, um die Dramatik der Szene zu unterstreichen. “Der Wind streicht über die Wasserfläche, sanft, doch mit Gewissheit.”
“Hm.” Sephiroth blickt zwischen seinem Kollegen und dem Computermonitor hin und her. Er ist aus seinem Konzept gebracht. Ein Etappensieg. “Ich … “ Dezentes Räuspern. “Ich muss den Bericht zu der Mission fertig schreiben.”
“Ah. Ich schätze, sie war erfolgreich?”
“Allerdings. Ich habe herausgefunden, dass die Igelflöhe von Kalm eine Unterspezies derer von Midgar sind. Offensichtlich sind sie sozusagen ausgewandert und haben eine neue Population aufgebaut. Es gibt signifikante Unterschiede, zum Beispiel scheint das Gift ihrer Stacheln abgenommen zu haben.”
“Ist das so?” Genesis neigt den Kopf ein wenig und lässt sich die vorderen Haarsträhnen halb übers Auge fallen. Sephiroth wendet den Blick ruckartig wieder zum Monitor. Genesis grinst, aber nur innerlich. “Das ist alles umwerfend interessant. Aber ich glaube, auch wenn du eine Pause einlegst, um mit mir zu trainieren, wird dir der Bericht nicht weglaufen, und du wirst hinterher an ihm weiterarbeiten können.”
“Ja … also … “ Der Widerstand bröckelt. Wie schön.
Zum Glück weiß Genesis, wo sich der Ein/Aus-Schalter des Monitors befindet, nämlich genau an der Seite, neben der er sitzt. Ein leichter Druck seines Zeigefingers konfrontiert Sephiroth unvermittelt mit schlichter Schwärze.
“Genesis!” Er klingt tadelnd, aber nicht wirklich ärgerlich. Tatsächlich reagiert er so, wie Genesis es vorhergesehen hat, und will den Monitor wieder einschalten. Gerade bevor sein Finger den Schalter berühren kann, schiebt sich Genesis’ Hand dazwischen. Der kleine Kontakt von Haut an Haut löst ein minimales Zucken und dann ein Kopfschütteln aus, gefolgt von einem Schmunzeln, das sich halb unter silbernen Haarsträhnen versteckt. “Du bist unmöglich.”
“Ach ja? Findest du es nicht ziemlich unfair, um nicht zu sagen unehrenhaft, dass du mich meidest wie Chocobodreck? Das ist kränkend, weißt du.”
“Nein!” Zum ersten Mal sieht Sephiroth ihn offen an. “Das ist nicht meine Absicht.”
Etwas flackert in dem sonst so kühlen Blick. Etwas Nachdrückliches. Ist es ihm etwa wichtig, was Genesis von ihm denkt? Das fühlt sich gut an, und es bringt Genesis zum Lächeln.
Da lenkt Sephiroth ein. “Na gut, gehen wir. Lass mich den PC nur vorher pausieren.”
Gentleman, der er ist, schaltet Genesis den Monitor selbst wieder ein und wartet, bis der General das Gerät in den Ruhemodus versetzt hat. Gleich darauf begeben sie sich in Richtung der Trainingsräume.
"VR?", fragt Sephiroth, während er sich die Handschuhe überstreift.
Genesis, der ebenfalls das Leder über seine Hände zieht, schüttelt den Kopf. "Heute nicht. Ich will einfach ein gutes Sparring. Und du hast nicht viel Zeit, dein Bericht wartet schließlich." Natürlich gäbe es im VR-Raum romantische Kulissen, Sonnenuntergänge zum Beispiel, doch er ahnt, dass sein Begleiter von den damit einhergehenden Intentionen überfordert wäre. Nett sein, nicht wahr? Das heißt, es dem anderen so angenehm wie möglich machen. Ist nicht unbedingt Genesis' Spezialität, aber ein zusätzlich verunsicherter Sephiroth nutzt ihm herzlich wenig. Also ist Nüchternheit angesagt.

Der hohe Raum mit den kahlen Stahlwänden ist an Nüchternheit kaum zu überbieten. Genesis hat leider noch immer keine Ahnung, wie er sich seiner Zielperson hier nähern soll, aber das kleine Geplänkel vorhin und die Tatsache, dass sie zusammen hier sind, ist ja schon ein Fortschritt. Genesis zieht sein Rapier, Sephiroth beschwört mit einem Schlenker seiner linken Hand Masamune. Es ist immer wieder eindrucksvoll, wie das gewaltige und doch elegante Katana sich aus dem Nichts in seine Hand schmiegt. Genesis wird nie aufhören, ihn darum zu beneiden. Es ist sozusagen das i-Tüpfelchen auf Sephiroths Perfektion.
Sie grüßen höflich mit senkrecht erhobenen Klingen und fangen an.
Da sie gegenseitig ihren Kampfstil gut genug kennen, verzichten sie aufs "Vorspiel" und kommen schnell zur Sache. Das Echo von Stahl auf Stahl klingt im Sekundentakt von den Wänden, Funken stieben, zwei Körper springen, gleiten und wirbeln in vollkommener Kontrolle umeinander, kupferrote und silberfarbene Haare fliegen. Genesis' Puls rast, der Kampf hält ihn wie üblich gepackt, fordert volle Konzentration und Muskelbeherrschung.
Natürlich fehlt der Stachel, der ihn auf andere Weise antreibt, wenn er um sein Leben kämpft. Wenn er kämpft, um zu töten. Dann ist da ein Schatten, ein Abgrund, und auch dessen Nähe genießt er. Aber hier, im freundschaftlichen Duell, treibt ihn der Ehrgeiz. Kein anderer Sparringspartner ist so eine Herausforderung für ihn wie Sephiroth. Er ist bereits so gut, dass ihm sonst keiner mehr überlegen ist. Eine tolle Leistung. Die Sephiroth niemals anerkennt.
Allein der Gedanke macht Genesis wütend. Er kennt das schon. Wenn er gegen seinen Rivalen kämpft, wird er emotional. Doch heute ist etwas anders. Er merkt bald, dass seine Gedanken in eine andere Richtung tendieren. Er hat den Körper unter dem schwarzen, abweisenden Ledermantel, den weißen Schulterschalen und dem breiten, metallenen Bauchschutz auf intime Weise kennengelernt, ihn fühlen, schmecken gelernt. Er misst sich nicht nur mit dem Mann, der sein Freund und Kollege ist, sondern mit dem Gefährten, der ihm Geheimnisse über sich verraten hat, mit dem er das Bett geteilt hat. Er hat noch nie gegen jemanden gekämpft, mit dem er intim gewesen ist. Das fühlt sich merkwürdig an.
Und noch etwas ist anders. Sephiroth ist weniger unerbittlich als sonst. Seine Paraden sind nicht so sauber, seine Attacken nicht so präzise. Er wirkt irgendwie ...unsicher? Dafür kann es nur einen Grund geben: Es geht ihm genauso wie Genesis. Es irritiert ihn, dass sich ihr Verhältnis zueinander geändert hat. Sollte der große Sephiroth etwa nicht unfehlbar sein? Sollte es da eine Schwachstelle geben, die man nutzen kann?
Genesis fühlt einen Triumph, der ihn geradezu berauscht. Gierig beginnt er, die kleinen Mängel bei seinem Gegner akribisch zu erforschen, die kleinen Lücken in seiner Deckung. Die Kraft und Schnelligkeit seiner Hiebe verstärkt sich. Sephiroth weicht zurück. Er weicht zurück! Es ist das erste Mal, seit sie sich kennen, dass er das erlebt. Er drängt den General in die Defensive! Unglaublich! Kann er vielleicht sogar ein Unentschieden erzielen?
Ein Unentschieden gegen diesen göttlichen Körper? Diese Muskeln, diese Haut, diese Augen, diese Lippen? Die Lippen ... auf seinen ... Er macht mehr Druck, spürt die Hitze des Kampfes in seinem Kopf, seinem Körper. Und an einer Stelle, wo sie jetzt eigentlich nichts zu suchen hat. Jeder Hieb von Masamune gegen Rapier fährt durch seinen Arm und unaufhaltsam weiter abwärts, bis sein ganzer Unterleib prickelt und er nicht mehr nur vor Anstrengung keucht.
Und prompt ist er es selbst, der unsauber pariert. Stahl schlittert kreischend über Stahl, rote Energie mischt sich grell mit weißer, und als Genesis begreift, dass hier gerade etwas schiefgeht, ist es auch schon vorbei.
Die Kontrahenten halten inne, weichen beide voneinander zurück. Die Schwerter sind halb gesenkt, vergessen für den Moment. Genesis spürt Feuchtigkeit an seinem Hals. Wie bitte kommt Feuchtigkeit an seinen Hals? Viel wichtiger jedoch ist das, was er sieht. Rote Farbe auf Sephiroths Brust. Ein Rinnsal, das über den Lederriemen perlt. Es ist dünn, aber ein unverkennbares Signal: Blut! Sephiroth blutet?! Er hat ... ihn verletzt ... ?
Fassungslos wandert sein Blick eine Etage höher, zum Gesicht des Mannes. Es ist blass, noch blasser als sonst, ein paar feine, silberne Strähnen sind nach vorne geglitten. Die Augen sind groß und leuchtend und voller ungläubigem Schrecken auf Genesis' Hals gerichtet. Unwillkürlich tastet Genesis nach der feuchten Stelle, und dann ist da ein zweites Rot am Rot seines Handschuhs. Auch er blutet!
Seine Kehle wird staubtrocken, und er merkt, dass er zittert. Sephiroth sieht aus, als würde er sich gleich übergeben. Noch nie hat Genesis ihn so aufgelöst gesehen, so hilflos. Nicht einmal in der Nacht nach der Party, als er sich als Jungfrau geoutet hat. Was tun sie sich hier nur an?
Allmählich dringt Schmerz in Genesis' Bewusstsein. Er ist so gering, dass er sofort weiß, dass die Wunde oberflächlich ist, nicht mehr als ein Kratzer. Ebenso verhält es sich bei Sephiroth. Es gibt überhaupt keinen Grund, hysterisch zu werden. Und doch ist etwas Bedeutsames geschehen. Sie sind nicht mehr einfach nur Kollegen, Freunde, Sparringspartner. Sie sind weit mehr. Und Genesis hat Sephiroth zum allerersten Mal aus der Contenance gebracht. Und hat selbst die Kontrolle verloren.
Jetzt allerdings erlangt er sie zurück. Er holt tief Luft, das Zittern lässt nach. Das Prickeln zwischen seinen Beinen bleibt. Und nun versteht er auch die Ratlosigkeit in den grünen Augen seines Gegenübers. Sephiroth fühlt abermals dasselbe wie er!
Mit gesenkter Klinge geht er auf ihn zu. Sephiroth rührt sich nicht. Genesis legt ihm die flache Hand mit gespreizten Fingern auf die Brust und schiebt ihn rückwärts, sanft, aber bestimmt. Sephiroth lässt es zu, er ist paralysiert.
Sobald Sephiroth anhält, weil er mit dem Rücken gegen die Wand stößt, tritt Genesis dicht zu ihm. Behutsam streicht er ihm die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Keine Sekunde weicht er seinem Blick aus.
“Du weißt, warum das passiert ist”, sagt er leise, seine Stimme ist rau. “Ich weiß es, und du weißt es auch. Es verschwindet nicht, nur weil man versucht, es totzuschweigen.” Er ist ihm so nah, wie er es die ganzen letzten Tage wollte, und er nimmt jedes kleinste Detail von ihm wahr. Den beschleunigten, fast flatternden Atem, den rasenden Herzschlag, seinen Duft nach Leder, Shampoo und frischem Schweiß und sogar die leichte, süßliche Note seines Blutes. Sein eigener Puls hämmert in seinen Ohren, und er spürt, wie er hart wird. “Es ist stark”, raunt er. “Es verschwindet niemals.”
Er nähert sich dem Mund, diesen verlockenden, halb geöffneten Lippen. Er will sie schmecken. Jetzt.
Eine stahlharte Hand an seiner Schulter stoppt ihn. “Nicht”, haucht Sephiroth fast bittend. “Nicht hier. Die Kameras, Genesis.”
Er hat recht, das wäre riskant. Vielleicht würde der alte Shinra es dulden, aber das Gerede, wenn sie sich jetzt gehenlassen, das müssen sie nicht haben.
Ein zittriger Atemzug, dann reißt Genesis sich in einem inneren Gewaltakt los. “Komm mit”, ist alles, was er ihm hinterlässt, als er in Richtung Ausgang losgeht.

Chapter 13: Explosiv

Notes:

Lemon!

Chapter Text

Mir ist schwindelig. Mein Kopf fühlt sich an, als sei er mit Watte ausgestopft. Mein ganzer Körper hingegen kribbelt und scheint unter Hochspannung zu stehen. Trotzdem schreite ich neben Genesis den Gang entlang, als sei nichts geschehen. Ich weiß nicht, was dieser Mann mit mir macht und wie er es macht; nur, dass es gefährlich ist, für mich ebenso wie für ihn.
Wir haben uns beim Trainingskampf gegenseitig verletzt. Das hätte nicht passieren dürfen. Ich war nicht voll konzentriert. Statt an sein Rapier, das vor mir herumwirbelte, habe ich an jene Nacht gedacht - seinen nackten Körper, seinen Penis, seinen Mund. Vor allem an seinen Mund. Dieser Mund an meinem eigenen Mund, an meinem Glied, überall auf meinem Körper. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass ich an all das gedacht habe, da ich ständig daran denke. Auch als ich in Kalm Igelflöhe eliminiert habe, habe ich an Genesis und seinen Mund gedacht. Aber es ist eben ein Unterschied, ob man ein paar wütende Igelflöhe oder einen Genesis Rhapsodos mit blankem Schwert vor sich hat.
In den letzten Tagen habe ich beinahe das Gefühl, ich verliere langsam, aber sicher den Verstand. Die Art, wie Genesis insistiert, geht mir zusätzlich auf die Nerven. Ich habe meine Gründe, mich von ihm fernzuhalten. Ich dachte, mit genügend Abstand zwischen uns vergehen diese penetranten Erinnerungsfetzen, die obendrein von einem beständigen Ziehen nicht nur in meiner Lendengegend, sondern auch in meiner Brust begleitet werden. So abgelenkt wie ich jetzt bin, kann ich keine vernünftige Entscheidung darüber treffen, ob und unter welchen Umständen ich eine Wiederholung jener Nacht wünsche.
Eigentlich hatte ich Genesis' Aufdringlichkeit seiner Eitelkeit zugeschrieben. Er ist es vermutlich nicht gewohnt, dass man ihn auf eine Antwort warten lässt. Aber es scheint mehr dahinter zu stecken. Als er sagte, ich kränke ihn, indem ich ihn meide, klang er ehrlich, und vorhin im Kampf hat er zwar zunächst seinen Vorteil über mich genutzt, doch dann sehr schnell ebenfalls die Kontrolle verloren. Sonst würden wir jetzt nicht beide mit blutenden Wunden im Fahrstuhl stehen.
Wir schauen einander nicht an. Die Kameras sind überall. Genesis stört das vielleicht nicht, aber ich werde zufälligen Zeugen in der Sicherheitsabteilung kein Schauspiel bieten. Ich weiß, dass sie intime Bilder von uns digital kopieren und an die Fanclubs oder sogar an die Presse verkaufen würden. Im Moment fällt es mir allerdings schwer, mich wegen solcher Bedenken zusammenzureißen. Ich höre seinen rasenden Herzschlag und nehme sogar sehr leicht den Duft seines Blutes wahr. Sogenannten “Appetit” auf ihn hatte ich ja schon lange zuvor. Aber das hier ist mehr. Es ist Heißhunger!
Seine Nähe wirkt verheerend auf mich. Ihr Einfluss ist unberechenbar. Er muss doch begreifen, dass dieser Zustand uns in Hades' Küche bringen kann und wird, wenn wir ihn auch noch begünstigen! Wir sind Elitesoldaten. Eine kühle Ratio und unbeeinträchtigte Reflexe sind für uns überlebenswichtig.
Oder sollte er recht haben mit dem, was er mir im Trainingsraum zugeraunt hat? Es werde nicht verschwinden, egal, wie sehr man es totschweigen will? Aus den Informationen im Internet ist mir nur bekannt, dass die Intensität sexuellen Begehrens individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Es wurde immer wieder betont, man solle diesem Begehren nachgeben, das sei gesund, und das will ich ja auch. Aber niemand hat erwähnt, dass man dafür den rationalen Teil seines Gehirns opfern muss. Da gewinnt der Ausdruck "jemandem das Hirn aus dem Schädel vögeln", den ich mal irgendwo gelesen habe, eine ganz wörtliche Bedeutung.
Darüber hinaus kann ich nicht ignorieren, was Hojo täte, würde er jemals herausfinden, was neuerdings in mir vorgeht. Dass ich gegen seine Vorgabe verstoße, dass ich Geschlechtsverkehr nur mit einer von ihm genehmigten Person haben darf. Viel zu gut erinnere ich mich an den Tag, an dem ich gegen ihn und eine "Untersuchung" von ihm aufbegehrt habe. Ich war damals neun oder zehn. Er verlangte, dass ich stillhalte, während er mir ätzende Säure in den Bauchnabel kippte, um einmal mehr mein Schmerzempfinden und die Heilfähigkeit meines Organismus zu testen. Ich war nicht gefesselt, weil ich außerdem meine Selbstbeherrschung trainieren sollte. Ich sprang auf und schlug zu. Ich habe ihm den Kiefer gebrochen. Daraufhin wurde ich eine Woche lang in einen der Käfige gesperrt, in denen die Versuchsobjekte gehalten wurden. Die Käfige standen in zwei Reihen. Ich war umgeben von Tieren in den unterschiedlichsten Stadien der Mutation. Sehr schnell begriff ich, wenn ich nicht tadellos gehorche, werde ich zu genau einem solchen Objekt degradiert. Ich habe nicht dieselben Rechte wie andere Menschen, sondern bin das, was Hojo aus mir macht. Heute denke ich, er hatte Glück, dass ich Angst vor meiner eigenen Courage bekommen hatte. Schon damals hätte ich ihn genauso gut töten können. Aber ich möchte so eine Situation auf keinen ...
Oh! Wir haben mein Apartment betreten, und meine Absicht, das Erste-Hilfe-Material aus dem Bad zu holen, wird durchkreuzt, als Genesis mich packt und gegen die Wand neben der Wohnungstür drückt. Sein Mund, der sich auf meinen presst, würgt jeden anderen Gedanken ab. Es ist wundervoll, ihn wieder zu spüren. Wundervoll. Wundervoll! Warum habe ich so lange gezögert? Seine Lippen scheinen geradezu mit meinen verschmelzen zu wollen. Sie sind weich und zugleich fordernd, und seine Zunge penetriert meine Mundhöhle hemmungslos. Ich halte dagegen, oder besser gesagt, ich halte mit, meine Hände unter seinem Mantel, um ihn dichter an mich zu ziehen. Längst sind seine Finger in meinem Haar, und im Gegensatz zu meiner sonstigen Aversion gegen solche Attacken fühle ich heiße Schauer mein Rückgrat hinabrieseln, wenn er es ist.
Er zerrt seine Handschuhe von den Fingern, und ich folge seinem Beispiel. Dann schiebt er ein Knie zwischen meine Beine und drängt seinen Unterleib gegen mich. Ganz sicher ist er genauso hart wie ich. Aber ich stelle fest, dass das Leder zwischen uns nicht nachgiebig genug ist und zu wenig Reibung zulässt. Wir sollten unbedingt ins Schlafzimmer gehen. Ich will seine Haut fühlen, streicheln und küssen.
Doch da ist plötzlich seine Hand zwischen uns. Sie drückt mich, dann sind seine Finger woanders. Er schnauft und stöhnt und fängt an, meine beiden Gürtelschnallen zu öffnen. Was ... ? Wieso ... ? Er ist unglaublich schnell, und gleich darauf windet sich seine Hand in meine Unterhose und streicht fest über meine Erektion.
Nein ... doch nicht so! Was wird das? Jetzt ist auch seine andere Hand nach unten verschwunden, und ich grunze protestierend, weil ich sie vermisse. Er seufzt und beißt in meine Unterlippe. Es tut gerade so viel weh, dass ich mich noch enger gegen ihn drücke. Da umfasst er meinen Hosenbund und schiebt ihn mit einer harschen Geste zusammen mit meiner Unterhose bis zu meinen Schenkeln hinunter.
Nein, das will ich nicht! Das ist mir unangenehm. Ich will nicht so entblößt werden. Es ist ganz anders als letztes Mal, als er mich auf der Couch ausgezogen hat.
Ich versuche, ihn wegzuschieben. Allerdings ist mein Penis völlig anderer Meinung. Aus seinem Gefängnis befreit, reckt er sich begeistert empor und der geschickten Hand entgegen, die wieder bei ihm ist. Und noch etwas ist da. Ein zweiter Schaft, ebenso nackt, der an meinen reibt.
Die Berührung tut gut, keine Frage. Sie schürt das Feuer in meinen Lenden enorm. Trotzdem ist es mir peinlich, was wir hier tun. Wieder taste ich nach seinen Händen, um sie von mir zu schieben, aber ich habe keine Chance.
"Komm schon. Komm schon", seufzt er an meinem Mund. Wir küssen uns immer noch. Er greift meine Hand und legt sie um unsere beiden Penisse und seine Hand um meine. Er beginnt, mit ihr heftig auf und ab zu reiben. Aus seiner Kehle dringen keuchende, stöhnende Laute, die mich noch mehr erregen. Ich kann ihm nicht mehr entkommen. Ich will das nicht! Und doch ist es alles, was ich will! Er macht mich verrückt. Ich wehre mich nicht mehr. Es hat keinen Sinn.
Ich verliere die Kontrolle.
Genesis presst seine Stirn an meine und stöhnt: "Oh, geil. So geil!" Sein heißer Atem weht mir ins Gesicht, und dann komme ich mit einem dunklen Ächzen. Fast gleichzeitig spüre ich, wie auch er erbebt und "Sephiroth!" stöhnt. Es wird nass und klebrig zwischen uns.
Das gute Gefühl ist denkbar kurz und rein körperlich. Genesis lehnt sich lasziv an mich, aber alles hier ekelt mich. Er ekelt mich! Ich stoße ihn harsch an der Schulter von mir. Er stolpert zurück und sieht mich verblüfft an.
"He! Was ist denn?"
Ich zerre meine Hose hoch. Ich fühle mich miserabel. Beschämt. Überfahren. Ausgenutzt. Nichts daran kann er offenbar verstehen. Das ist typisch Genesis. Er macht, was er will, ohne Rücksicht auf irgendjemanden. Es bringt nichts, mit ihm zu reden, denke ich. Genau das ist der Grund, warum ich - eigentlich - keine Beziehung mit ihm will. Ich möchte nicht ständig in solche Situationen geraten und dann mit ihm darüber diskutieren müssen.
Ich murmele "Verschwinde" und gehe ins Bad.
"Was bei Ifrit?! Sephiroth!", ruft er hinter mir her.
Ich stelle das Wasser an, um nichts anderes hören zu müssen, und befeuchte einen Waschlappen, mit dem ich mich schnell, gründlich und so grob säubere, dass es wehtut. Ich bin noch nicht ganz fertig damit, als die Tür, die ich hätte abschließen sollen, aufgeht und die Farbe Rot in mein Sichtfeld tritt. Ich will Genesis nicht beachten, aber er ist schwer zu ignorieren. Ich spüle den Lappen aus und trockne mich mit einem Handtuch ab.
Wider Erwarten lehnt er still im Türrahmen und schweigt. Ich will ihn nicht ansehen. Nicht die weißen Flecken auf dem Schwarz und nicht das Blut an seinem Hals. Ich will, dass er geht.
"Sagst du mir, was los ist?", fragt er stattdessen erstaunlich ruhig. Sonst pflegt er mit Sarkasmus um sich zu werfen, sobald ihm etwas nicht passt.
Mit einer Antwort bin ich überfordert. Wie soll ich ihm erklären, was mir gegen den Strich gegangen ist, wenn er es nicht von selber weiß?
Aber er fährt fort: "Du wolltest es doch, genauso wie ich. Du warst ebenso heiß."
"Ich wollte das nicht!", fahre ich ihn an. Dummerweise ist es nicht so einfach.
"Du hast mitgemacht und bist gekommen. Heftig", hält er mir vor.
Und mir fallen endlich die richtigen Worte ein. "Ich wollte es nicht so. Das war erbärmlich. Unwürdig." Jetzt sehe ich auch zu ihm, sehe eine steile Falte zwischen den sorgsam gezupften Brauen und ein Funkeln im hellen Blau, das ich nicht interpretieren kann. Ist er wütend? Beleidigt? Verwirrt?
"Und warum hast du kein Wort gesagt, dass ich aufhören soll?", kommt seine drängende Frage.
Ich glaube, er ist wütend, beleidigt und verwirrt. Gut so, das bin ich nämlich auch. "Meine Ausdrucksmöglichkeiten waren sehr begrenzt mit deiner Zunge in meinem Hals!", gebe ich nicht eben freundlich zurück. Dann bemerke ich zu allem Überfluss, dass seine Hose zwar hochgezogen, aber noch offen ist, und greife mir einen sauberen Lappen, den ich ihm hinhalte. "Vielleicht möchtest du dich auch reinigen."
Seine Miene hat sich völlig verändert. Die abwertende Bemerkung, mit der ich rechne, bleibt aus. Mit gerunzelter Stirn und gesenkten Lidern meidet er meinen Blick. Er nimmt den Lappen entgegen und murmelt: "Danke."
Während er sich wäscht, hole ich Desinfektionsmittel und sterile Tupfer aus dem Badezimmerschrank. Die kleine Wunde in meinem rechten Brustmuskel blutet bereits nicht mehr und schmerzt nur geringfügig. Ich schiebe den Mantel und den Lederriemen zur Seite, versprühe die Flüssigkeit ungenau und deshalb großzügig. Ich bin aufgewühlt und es wäre einfacher, wenn ich in den Spiegel sehen könnte, aber davor steht Genesis. Ich wische mit dem Tupfer über meine Haut und den Schnitt. Ich versuche, das Blut loszuwerden, aber verschmiere es bloß. In dem Schnitt sammelt sich neues, helles Rot.
"Gib her. Lass mich das machen." Genesis steht vor mir und nimmt mir die Utensilien weg. Also ist er schon fertig. Aber seine eigene Wunde ...
"Schon der Kampf war ein Fiasko", fauche ich ihn an. "Wir haben die Kontrolle verloren, das ist ein absolutes No Go für Soldaten, noch dazu in unserer Position! Was stellst du dir vor, wie das weitergehen soll? Wir können die Katastrophe gleich einplanen."
Genesis reagiert ganz ruhig, während er mich sanft, aber professionell versorgt. "Aber nein, das ist doch nicht wahr. Es ist doch gar nichts Schlimmes passiert. Es war ein Ausrutscher, ja. Und es darf nicht wieder vorkommen, das stimmt. Aber das wird es auch nicht, wenn wir wie die zwei erwachsenen, zuverlässigen SOLDIERs, die wir sind, miteinander zusammen sind. Wir können damit umgehen, Sephiroth. So schwierig ist das nicht."
Umgehen? Ich habe keine Ahnung, wie man mit diesem ganzen Sexzeugs umgeht! Der hat vielleicht Nerven! Ich schüttele den Kopf, doch die Entgegnung bleibt mir im Hals stecken, weil mir seine Sicherheit so guttut. Seine geschickten Finger, seine ruhige Stimme, seine Nähe, die jetzt ganz unaufdringlich ist. Ich mag ihn wirklich, wenn er nur das wilde Biest, das er auch sein kann, in einer dunklen Ecke in seinem Schädel eingesperrt lässt.
Er hat die Wunde versorgt und schickt eine leichte Cure-Welle hinein. Ich nehme die Flasche und einen neuen Tupfer.
"Okay, nimm den Kopf hoch. Ich bin dran."
Er gehorcht. Ich streiche sein Haar nach hinten und mache mich an die Arbeit. So schönes Haar. Sein Ohrring, der durch die rotbraunen Strähnen blitzt. Der Apfelduft, den ich unter dem Geruch des Desinfektionsmittels wahrnehme. Die Wunde, die zwischen Kehlkopf und Halsschlagader verläuft und zum Glück viel zu flach ist, um ernsten Schaden anzurichten, schnürt mir die Kehle zu.
"Ich hätte dich umbringen können", knurre ich entnervt.
"Hast du aber nicht", erwidert er mit einer Gelassenheit, die nicht gespielt ist.
Ich benutze ebenfalls Cure. Die Spur des Schnittes ist so dünn, dass man sie nur von Nahem erkennen kann, und in ein paar Stunden ohnehin verschwunden. Ich zwinge mich, weder auf seinen Mund zu schauen, noch seine Haare noch einmal zu berühren. Ich packe einfach nur die Flasche und die restlichen Tupfer wieder weg.
Als ich mich umdrehe, ist er mir wieder ganz nahe.
“Es war ein Fehler. Der Kampf und das danach”, sagt er. In seiner Stimme und seinen Augen hat er diesen Ernst, der mich in unserer gemeinsamen Nacht so beeindruckt hat. “Beides wird nicht wieder vorkommen. Das verspreche ich dir, Sephiroth.”
Ich muss ihn ansehen, ich kann nicht mehr ausweichen. Jetzt möchte ich ihn wieder küssen. Der Kuss war so schön. Aber es wird nicht dabei bleiben. Die Fehler, wie er es genannt hat, werden wieder passieren, weil ich nicht mit Erotik umgehen kann und weil er so ist, wie er eben ist. Und genau deshalb werden wir uns letztendlich gegenseitig zerstören, ob wir es wollen oder nicht.
Davon kann im Moment natürlich keine Rede sein, doch ich antworte trotzdem nur: "Fehler vermeidet man am besten, indem man sie gar nicht erst macht." Dann gehe ich an ihm vorbei, aus dem Badezimmer und zur Wohnungstür.
“Sephiroth!”
Unwillkürlich halte ich an, was dumm ist. Mit ein paar schnellen Schritten ist er bei mir. Seine Hand auf meinem Arm, fest, aber nicht drängend. Ich gebe der Bewegung nach, die mich zu ihm umdreht.
“Nur wenn du die Möglichkeit von Fehlern zulässt, kannst du im Leben überhaupt Erfahrungen machen." Er wispert beinahe nur, belegt und dunkel. "Mach nicht einen Fehler, um einen anderen zu vermeiden. Das funktioniert nicht. Du verletzt uns beide und gewinnst nichts.” Er wirkt traurig. Ist das echt? Ich denke schon. Seine Hand nähert sich meinem Gesicht, gleitet unter meine Haare, berührt meine Wange. So sanft.
Warum kann er mich nicht einfach gehen lassen?
Er legt seine Lippen auf meine und ich lasse es zu. Wir küssen uns so behutsam wie an jenem Abend, als wir es zum ersten Mal getan haben.
Als ich mich schließlich von ihm löse und unsere Handschuhe aufhebe, die noch auf dem Boden liegen, schaut er mich geradezu beschwörend an. Er will eine Antwort.
Ich gebe ihm keine. Stattdessen gebe ich ihm seine Handschuhe, und sage: “Ich habe noch Arbeit zu erledigen.” Mein Arbeitstag ist schließlich nur unterbrochen, nicht zu Ende.
Er seufzt, als wir mein Apartment verlassen.
Auf dem Weg zum Fahrstuhl sehe ich mich nicht nach ihm um.

Chapter 14: Angeal

Chapter Text

Genesis’ Laune ist nicht die beste, als er auf dem Weg zum Trainingsraum ist. Er könnte sich immer noch ohrfeigen, dass er Sephiroth gestern so verprellt hat. Genau das, was er sich vorgenommen hatte, hat er nicht gemacht - auf Sephiroths Reaktionen zu achten. Aber es ist so verdammt schwer, sich von der deutlich sichtbaren Erregung dieses Mannes nicht hinreißen zu lassen. Geschweige denn von dem Mann selbst!
Nachdem er seinen Kuss erwidert hat und Genesis spürte, wie erregt er war - von ihm! - hat er alle guten Vorsätze in den Wind geschossen und ist geradezu über ihn hergefallen. Er hat den Widerstand gespürt. Natürlich hat er das, unnötig, es zu leugnen. Aber er hat auch gemerkt, dass sich Sephiroth nicht ernsthaft wehren konnte - es nicht wollte-, dass er überfordert war vom Ansturm der eigenen Lust. Und das Bewusstsein, diesen Mann, ShinRas Helden, den Dämon von Wutai zu dominieren - das war nun mal zu viel der Euphorie, als dass sein nüchterner Verstand sich dagegen hätte durchsetzen können.
Dass er durch diese seine Blödheit vielleicht die Basis für eine feste Sexbeziehung verspielt hat, macht ihn ganz kribbelig vor Ärger. Sicher, der süße Abschiedskuss war ein gewisser Trost, und schließlich hat Sephiroth ihn nicht in Ifrits Hölle geschickt. Aber das ganze Debakel hat ihn um Einiges zurückgeworfen. In Zukunft wird der General es sich wohl zwei Mal überlegen, ob er ihn noch in seine Nähe lässt.
Genesis ignoriert den Salut der SOLDIERs von geringerem Rang, an denen er vorbeikommt, und betritt schwungvoll den Trainingsraum. Nur um feststellen zu müssen, dass er nicht der Einzige hier ist. Ausgerechnet Angeals Welpe steht an der Seite und macht Kniebeugen. Was auch sonst! Immerhin nimmt er bei Genesis’ Anblick Haltung an und grüßt. Das hat er drauf. Wäre ja auch noch schöner, wenn nicht, nach - wie viel Jahren beim Militär?
“Fair”, nickt Genesis ihm zu. “Was tust du hier?”
“Ich warte auf Commander Hewley zum gemeinsamen Training, Sir”, kommt es wie aus der Pistole geschossen und mit breitem, unangemessenem Grinsen.
Genesis verspürt ein Kitzeln der Versuchung. Wie wär’s, wenn er dem Bengel vorführen würde, was SOLDIER wirklich ist, anstelle des ständigen Schonwaschgangs von Angeal?
Er misst ihn mit einem bewusst abschätzigen Blick. “Hm, wie lange bist du jetzt bei ShinRa?”
“Anderthalb Jahre, Sir. Sechs Monate Grundausbildung bei der Infanterie und gleich beim ersten Mal den Verträglichkeitstest fürs Mako bestanden. Mein Makolevel ist fast schon der eines Second Class, nach nur neun Monaten bei SOLDIER. Angeal - ich meine, Commander Hewley sagt auch, ich werde zusehends stärker und schneller.”
Genesis hebt eine Braue und beginnt, im Kreis um den Jungen herumzuschlendern. Fair dreht sich mit, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Vor einem Feind ist das löblich, vor einem Vorgesetzten nicht. “Sechs Monate und neun Monate ergeben fünfzehn Monate”, rechnet Genesis vor. “Anderthalb Jahre wären aber achtzehn Monate, meinst du nicht, Fair?”
“Doch, Sir”, kichert der Bengel unbeeindruckt. “In Mathe war ich noch nie die hellste Kerze auf der Geburtstagstorte, sorry.”
“Also ein und ein viertel Jahr”, schließt Genesis kühl. “Und was ist dein Ziel hier bei SOLDIER? Ein First zu werden?”
Unvermittelt nimmt das Fair’sche Grinsen noch größere Ausmaße an. “Ich will ein Held werden! So wie Sephiroth. Ich meine, General Sephiroth. Sir.”
“Ist das so?”
“Jep! Das war schon immer mein Traum, unten in Gongaga, wo ich herkomme”, plappert der Junge drauflos. “Obwohl meine Mom und mein Dad gar nicht begeistert waren, als ich mich bei ShinRa beworben habe. Und meine große Schwester - die ist überhaupt schräg drauf -, die hat zu mir gesagt: … “
Oh Göttin! Das darf doch nicht wahr sein. In seiner Not hebt Genesis gebieterisch die Hand, und tatsächlich verstummt Fair. “Erspar mir deine Familienverhältnisse, ja?” Er kann gerade noch vermeiden zu betteln.
“Ja, Sir”, sagt Fair brav und weiter grinsend.
Genesis hat seine Ausgangsposition wieder erreicht. “Lust, ein paar Takte von mir zu lernen?”, bietet er lässig an.
Wenn er bei dem anderen nun endlich ein Zeichen von Verunsicherung erwartet hat, wird er enttäuscht. Fair strahlt. “Immer gerne, Sir.”
Genesis entscheidet für sich, dass der Junge nichts dafür kann. Das Grinsen muss auf magische Weise in sein Gesicht getackert sein.
Na denn. Genesis zieht sein Rapier und nimmt die Kampfhaltung ein. Fair folgt sofort seinem Beispiel. Genesis legt los.
Da er weniger skrupellos ist als er sich gern gibt, nimmt er auf den niedrigeren Rang seines Gegners Rücksicht und drischt nicht nur auf ihn ein. Wie er rasch feststellt, ist Fair wirklich ziemlich schnell und geschickt. Er pariert sauber und kraftvoll. Genesis nimmt sich ein bisschen zurück, um ein paar Attacken zu provozieren, die er auch bekommt. Gut, hier gibt's Einiges an Verbesserungsbedarf, viel mehr als Draufhauen hat Fair nicht im Repertoire. Vielleicht ist er aber auch einfach zu aufgeregt, um raffiniertere Sachen zu versuchen. Immerhin gehört Genesis zur Elite von SOLDIER und den nettesten Ruf hat er bei den Soldaten auch nicht. Aber Fair zeigt auch jetzt keinerlei Nervosität.
Zeit für eine andere Taktik. Mit einem unerwarteten Überschlag rückwärts bringt sich Genesis in vier bis fünf Meter Entfernung von seinem Gegner. Fair guckt verblüfft und bewundernd. Genesis grinst schief. 'Ja, Kleiner, sowas ist Basiskönnen bei einem First.'
Er konzentriert sich kurz und dann fliegt dem Welpen ein Feuerball entgegen. Fair weicht mühelos aus. Da ist noch eine Menge Luft nach oben. Die Frequenz und Zielgenauigkeit der Feuerbälle wird zügig gesteigert. Fair springt herum wie ein Gummiball. Das ist witzig, aber nicht Sinn der Sache.
"Du hast ein Schwert, Kleiner", ruft Genesis ihm zu. "Benutz es gefälligst!"
Von da an setzt Fair die Klinge ein und trifft sieben von zehn Feuerbällen. Na also, geht doch. Jetzt noch die Erfahrung der unausweichlichen Niederlage.
Genesis wirbelt so schnell auf ihn zu, dass er nur hastig das Schwert hochreißen kann, da hat Rapier es ihm bereits aus der Hand geschlagen. Ein akkurater, aber nicht übermäßig harter linker Haken schickt den Jungen zu Boden. Genesis stellt sich über ihn, einen Fuß auf dem linken Schulterschutz des anderen, die Schwertspitze an seiner Kehle.
Fair breitet die Arme aus und keucht: "Ich ergebe mich." Und grinst natürlich immer noch oder schon wieder.
Bevor Genesis antworten kann, ertönt hinter ihm eine allzu bekannte Stimme. "Darf ich erfahren, was hier vorgeht?"
Mit einem Schlenker von Rapier lässt Genesis von dem Jungen ab und wendet sich elegant zu Angeal um. "Wonach sieht's denn aus? Ich hab deinem Hundebaby das Kläffen beigebracht, damit er mal von den endlosen Kniebeugen wegkommt. Zum Beißen reicht's noch nicht ganz, das kriegen wir nächstes Mal."
Zwischen Angeals schwarzen Brauen steht eine flache Falte, während er die verrußten Dellen in der Wand hinter Fair betrachtet, die die Feuer-Materia hinterlassen hat. Er weiß wohl nicht so recht, wie ernst er die Situation nehmen muss. Als ob Genesis dem Kleinen echten Schaden zufügen würde, also wirklich!
Fair ist natürlich sofort wieder auf den Beinen und sprudelt: "Ich hab super pariert und durfte sogar angreifen. Von den Zaubern hat mich keiner getroffen, und dann hab ich sieben von zehn abgewehrt!"
Angeals Brauen entspannen sich und eine wandert in die Höhe. "Na, das klingt doch gut. Mach noch ein paar Kniebeugen, ich bin gleich bei dir." Genesis bekommt von ihm eine herrische Kopfbewegung in Richtung Ausgang und einen sehr viel dunkleren Tonfall. "Mit dir hab ich zu reden."
Sie begeben sich in den Vorraum, in dem eine Auswahl an Rüstungsgegenständen und Schwertern verschiedener Machart und Größe aufbewahrt wird.
"Genesis, was ist los?" Jetzt klingt Angeal wie ein Vorgesetzter, eine Art, die Genesis sich nicht gefallen lässt.
Ein patziges "Was?" ist daher seine einzige Antwort.
Sie bringt Angeal natürlich nicht aus der Ruhe. "Seit gestern ist deine Stimmung im Keller. Du hast jeden in der Lounge angepflaumt und den halben VR-Raum zerlegt und damit mal wieder für Gesprächsstoff bei den Thirds und Seconds gesorgt." Hier verdreht Genesis die Augen, was Angeal nicht aufhält. "Eins sollte dir klar sein: Ich habe nichts dagegen, dass du Zack mit deinem hervorragenden Kampfstil konfrontierst. Aber du wirst ihn nicht mehr mit abwertenden Bezeichnungen belegen und du wirst nicht mit ihm spielen, um deinen Frust abzureagieren! Ist das klar?"
"Sonnenklar, Monsieur Hewley", spöttelt Genesis.
Sie sprechen mit gedämpften Stimmen, denn man weiß nie, wer hier vielleicht mithört.
Sein Freund verschränkt die muskulösen Arme vor der Brust. "So, dann erzähl mir jetzt, was zwischen dir und Sephiroth vorgefallen ist."
Das kommt wirklich überraschend. Sephiroth ist doch sonst nicht einer, der petzt. Genesis verengt die Augen. "Wie kommst du darauf, dass zwischen uns etwas vorgefallen ist?"
Angeal schnauft in einer Weise, die nahelegt, dass Genesis selbst die Antwort kennen sollte, was diesen noch mehr reizt. “Du bist scharf auf ihn, und er lässt dich zappeln, eine Kombination, die dich kirre macht. Es ist nicht schwer zu schließen, dass dein Verdruss etwas mit ihm zu tun hat.”
Dem kann Genesis nicht widersprechen. Schmollend verschränkt er ebenfalls die Arme, aber im Grunde ist er froh, dass er sich aussprechen und Rat bekommen kann, ohne darum bitten zu müssen.
“Also schön. Wir haben gestern trainiert, und es wurde … naja, heiß. Noch heißer wurde es danach in Sephiroths Apartment. Er war genauso geil wie ich, aber … er konnte es irgendwie … nicht genießen. Es war ihm alles zu … naja, es war im Flur und in den Klamotten. Er hat nicht deutlich nein gesagt, und ich hab nicht sehr genau hingehört. Ich glaube, er hat sich vor sich selbst geschämt. Jetzt ist er sauer auf mich.”
“Und das ja wohl zu recht!”, ruft Angeal aus und wirft die Hände in die Luft. Dann fährt er leise und besorgt fort: ”Hast du ihn zu etwas gezwungen?”
"Nein, ich bin doch kein Idiot! Ich hab uns zusammen einen runtergeholt."
Angeal verzieht das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. “Okay, Ende der Details. Aber trotzdem hast du etwas getan, was er nicht wollte! Obwohl du weißt, wie schwer es ihm fällt, überhaupt jemanden an sich heranzulassen. Von einem Elitesoldaten sollte man doch etwas mehr Disziplin erwarten!”
Als ob Vorwürfe etwas verbessern würden. “Na, du kannst reden”, schnappt Genesis. “Eine Hete wie du hat doch überhaupt keine Ahnung, wie die Wogen der Leidenschaft zwei Männer verschlingen können.” Mit einer ausholenden Geste unterstreicht er die Theatralik seiner Worte.
Nun ist es Angeal, der die Augen verdreht, doch er schweigt wohlweislich. Über sexuelle Präferenzen kann man nicht streiten, sonst wären sie schon lange keine Freunde mehr.
“‘Alles, was dich erwartet, ist ein düsterer Morgen’”, rezitiert Genesis ergriffen. “‘Woher der Wind auch wehen mag.’”
"Auch wenn ich als Hete die Leidenschaft zwischen Männern nicht nachvollziehen kann, finde ich dein Verhalten abschreckend. Und ich fürchte, LOVELESS wird dir bei ihm nicht viel helfen”, brummt Angeal nüchtern.
Das ist Genesis durchaus klar und er seufzt. “Was schlägst du denn vor? Nettsein alleine scheint ja auch nicht zu reichen. Entschuldigen werde ich mich jedenfalls nicht. Er ist ein verdammter Gletscher. Wie soll ich dieses Eis brechen? Und sag nicht wieder, er lebt gut damit.”
Stirnrunzelnd fährt sich Angeal durch die Haare. “Sag ich ja nicht. Aber ‘brechen’ klingt nicht gut, finde ich. Wie wäre es, das Eis stattdessen zu schmelzen? Genug Feuer hast du doch, müsstest es nur behutsam einsetzen. Und ich meine nicht Materia.”
“Ja ja, schon klar. Beantwortet immer noch nicht das Wie.”
Angeal zuckt die Achseln. "Du wirst eben um ihn werben müssen."
"Werben?" Die Tätigkeit kommt in Genesis' Sexleben nicht vor.
"Man umwirbt eine Person, die man begehrt, indem man sich ihr auf besondere Weise widmet", erklärt Angeal hilfreich.
"Ich weiß, was 'werben' bedeutet", gibt Genesis ungeduldig zurück. "Sowohl auf Kunden als auch auf private Personen bezogen. Aber wie stellst du dir das bei Sephiroth vor? Ich kann ihm schlecht Blumen und Konfekt schenken, oder?"
Mit schief gelegtem Kopf denkt Angeal nach. "Nein, es ist natürlich wesentlich, dass man die Vorlieben des anderen beachtet."
"Seine Vorlieben sind schwarzes Leder und lange, sehr scharfe Schwerter."
Angeal unterdrückt ein Schmunzeln. "Aber daraus besteht nicht sein ganzes Privatleben. Was ist zum Beispiel mit Haarpflegeprodukten? Oder Alkohol, er trinkt doch gerne mal einen Wodka oder Gin."
"Wodka und Gin kann er sich selber kaufen, und Shampoo bekommt er exklusiv vom Konzern gestellt."
"Darum geht es nicht, Genesis. Es geht um die Geste. Liebevolle Gesten, keine, die ihn überrumpeln."
"Ja, ich weiß, was du meinst”, murmelt Genesis, in Grübelei versunken. Noch nie hat er sich bemühen müssen, jemanden herumzukriegen. Er gewährt höchstens sein erotisches Interesse.
"Du könntest mit ihm ausgehen", meint Angeal. "Nicht in eine Kneipe oder einen Club, sondern richtig schön."
"Hm. Ein Date?"
"Sicher. Wenn er es so auffasst und zustimmt, hast du fast gewonnen. Sofern du nicht hinterher in einer Seitenstraße über ihn herfällst.”
Genesis enthält sich einer Erwiderung auf die letzte Bemerkung und lässt sich den Vorschlag durch den Kopf gehen. Er hätte nichts dagegen, aber Sephiroth befindet sich nun mal nicht gerne in der Öffentlichkeit, auch wenn es keine ShinRa-Party ist. "Ich muss drüber nachdenken."
"Tu das."
Genesis geht und Angeal begibt sich zu seinem Schüler, um das Training weiter auszubauen.

Zwei Stunden später verlassen Mentor und Schüler den Trainingsraum. Zack ist sogar etwas konzentrierter gewesen als sonst. Das Zwischenspiel mit Genesis scheint ihm gut getan zu haben.
Angeal hingegen macht sich zunehmend Gedanken darüber, was zwischen Genesis und Sephiroth abläuft. Er weiß, wie sensibel Genesis auf intime Beziehungen reagiert, auch wenn er das immer abstreiten würde. Aber in manchen Punkten ist sein seelisches Gleichgewicht nicht unbedingt das stabilste.
Sephiroth, den Angeal ebenfalls als engen Freund betrachtet, ist schwerer einzuschätzen. Allerdings kennt er mittlerweile ein paar Schwachpunkte des Generals, die man bemerkt, wenn man im Umgang mit ihm ein bisschen achtsam ist. Einer davon ist seine Berührungsangst. Er wird steif wie ein Brett, wenn man ihm zu nahe kommt, sowohl körperlich als auch seelisch. Und in beiden Bereichen weiß er sich so effektiv zu wehren, dass derjenige, den er als “Angreifer” ausgemacht hat, ernsthafte Verletzungen davontragen kann. Zugegeben, im normalen, freundschaftlichen Umgang miteinander hat er sich an körperliche Gesten von Genesis und Angeal gewöhnt. Aber was mögen Intimitäten bei ihm auslösen? Und handelt es sich obendrein bei einem solchen “Angreifer” um Genesis, dann droht ein Zerstörungspotential auf beiden Seiten, das Angeal sich nicht vorstellen möchte.
Die Fusion von Feuer- und Eis-Materia ist nicht umsonst eine der schwierigsten und gefährlichsten, egal wie banal sein Freund den Vergleich auch finden mag.
Nach kurzem Zaudern ringt sich Angeal zu einem Entschluss durch und geht in der 49. Etage an seinem Büro vorbei, um das von Sephiroth aufzusuchen.
Misses Teager, die Sekretärin, grüßt ihn freundlich und meldet ihn unverzüglich an. Als er das Büro betritt, findet er Sephiroth wie erwartet am Schreibtisch vor. Wie immer sitzt er vollkommen gerade und reglos bis auf seine Finger auf der Tastatur. Es kommt Angeal so vor, als würde er in den Zustand einer Art Statue verfallen, sobald er in seinem Bürostuhl Platz nimmt, und daraus erst wieder auftauchen, sobald die allerletzte Aufgabe erledigt ist, und wenn es drei Tage dauern würde. Eine gruselige Vorstellung, die Angeal davon abhält, seinen Vorgesetzten im Büro aufzusuchen, wenn es sich irgend vermeiden lässt. Heute ist eine Ausnahme.
“Hallo, Angeal”, sagt Sephiroth in einem Ton, der so unbewegt ist wie seine Haltung. “Was gibt es?”
“Ich wollte eigentlich nur kurz ‘hallo’ sagen. Wir haben uns noch nicht gesehen, seit wir beide wieder in Midgar sind.” Die Ausrede ist dünn, aber eine andere ist Angeal so schnell nicht eingefallen.
Sephiroth sieht ihn an, ohne den Kopf zu drehen. Nur seine Augen richten sich auf ihn, und die Finger auf der Tastatur halten inne. “Das ist wahr. Nimm bitte Platz.”
Angeal lässt sich in einem der beiden freischwingenden Stühle vor dem Schreibtisch nieder, schlägt bequem den rechten Unterschenkel übers linke Knie. Manchmal, wenn er sich bewusst entspannt, färbt das auf Sephiroth ab.
Heute nicht.
“Die nordwestliche Provinz von Wutai hat sich beruhigt”, berichtet er, um ein unverfängliches Thema bemüht. “Ich konnte zwei der Anführer ausschalten.”
“Ich weiß”, antwortet Sephiroth. “Ich habe deinen Bericht gelesen.”
“Natürlich.” War ja auch nur als Einleitung gedacht. “Der Süden wird vermutlich bald Ärger machen. Die Elitetruppe Lunaris hat eine Stellung dort, die wir nicht sauber orten können. Nicht einmal die Turks kommen bis jetzt weiter.”
“Ich weiß. In einer Woche plus/minus zwei Tage wird es dort eine Mission geben, die ich übernehmen werde.”
Angeal nickt nur. Ehrlich gesagt interessiert ihn Wutai im Moment nicht im Geringsten. Aber es ist halt höflich, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. Jetzt wird es allerdings Zeit, zumindest anzuklopfen. “Genesis hat von der Party für Rufus erzählt, die ich zum Glück verpasst habe. Er erwähnte einen Streit, den du mit dem neuen Vize hattest … “
“Nur eine Meinungsverschiedenheit”, korrigiert Sephiroth glatt. “Über LOVELESS.”
Das klingt aus dem Mund des Generals so grotesk, dass Angeal sich ein Lachen verbeißen muss. “Hm, über LOVELESS. Nicht vielleicht eher über Genesis?”
Die grünen Augen ihm gegenüber blitzen auf und verengen sich dann leicht. “Was hat er noch erzählt?”
"Nun ja, dass ihr euch später näher gekommen seid, sozusagen." Angeal spricht leise und sanft, was seinen Zweck verfehlt.
Denn Sephiroth bemerkt ausgesprochen bitter: "So viel zu der Diskretion, die er mir versprochen hat!"
"Daran hält er sich auf jeden Fall", lenkt Angeal rasch ein. "Er wird zu niemandem etwas davon erwähnen außer zu mir, und ich zähle nicht. Ich bin sowas wie seine beste Freundin, mir erzählt er alles, seit er sechs Jahre alt war, weil er weiß, dass es bei mir absolut sicher ist."
Sephiroths Brauen heben sich verständnislos. "Du bist seine Freundin?"
Erklärungsnotfall. "Naja, die meisten Frauen haben eine beste Freundin, mit der sie über alles reden, und ebenso ist es bei vielen schwulen Männern. Eine Frau ist oft toleranter als ein Hetero-Mann und keine mögliche Konkurrenz wie ein anderer schwuler Mann. Ich bin zwar eine Hete, aber für Genesis eben trotzdem die beste Freundin." Er grinst verständnisheischend, während Sephiroths Blick völlig ausdruckslos bleibt. Gut, also auf dem direkten Weg. "Ich glaube ehrlich gesagt, dass Genesis ziemlich viel an dir liegt."
Das bewirkt immerhin, dass der General die Hände von der Tastatur entfernt und sich ein wenig zurücklehnt. "Tatsächlich?"
"Oh ja." Jetzt ist Diplomatie gefordert. "Ich will mich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen, und Genesis weiß auch nicht, dass ich hier bin. Aber ihr seid beide meine Freunde, und ihr seid mir wichtig. Ich möchte, dass es euch beiden gut geht. Deshalb lege ich dir Folgendes ans Herz: Genesis ist ein wunderbarer Mensch, den ich sehr mag. Aber er besitzt ein feuriges Temperament, das er nicht immer unter Kontrolle hat, wie du zweifellos selbst weißt, du kennst ihn ja lange genug. Außerdem provoziert er gerne, auch das ist dir bekannt. Doch unter der harten Schale des Kriegers ist er sehr empfindsam. Er braucht jemanden an seiner Seite, der selbstbewusst genug ist, ihn in die Schranken zu weisen, und sensibel genug, ihn dabei nicht ernsthaft in seinem Stolz zu verletzen. Ich ... ähm, ich weiß nicht, wie du zu dem Ganzen stehst, und es geht mich auch nichts an ... " Angeal lässt das Ende des Satzes offen und hebt ein wenig die Schultern, um es nicht aufdringlich wie eine direkte Frage klingen zu lassen, aber Sephiroth dennoch Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern.
Dieser legt seine Hände versonnen ineinander und betrachtet seinen Besucher still, ehe er antwortet: "Stimmt." Auf Angeals irritierten Blick fügt er hinzu: "Es geht dich nichts an." Wohl um die Worte, die durchaus wie eine Ohrfeige ankommen, abzumildern, schickt er die Andeutung eines Lächelns hinterher. "Es ist gut zu wissen, dass du dir Gedanken um mein Wohlergehen machst. Ich weiß das zu schätzen. Ich werde das, was du über Genesis gesagt hast, in meine Überlegungen einbeziehen."
Na großartig. Niemand kann ein unerwünschtes Gesprächsthema so effektiv abblocken wie der General. Angeal ist bewusst, dass er keine Chance hat, nach anderen Antworten zu graben. Wenn Sephiroth über etwas nicht reden will, dann tut er es nicht. Punkt. In gewisser Weise bewundert ihn Angeal dafür. Der Mann ist gnadenlos unbestechlich.
Angeal steht auf. "Okay, dann ... Oder wollen wir draußen was essen gehen? Ist schon nach zwei und du hattest noch keine Pause, wie ich dich kenne, oder?"
Es ist nur eine spontane Idee, und er rechnet nicht mit einer Zusage. Umso überraschter ist er, als Sephiroth achselzuckend meint: "Da hast du recht. Warum also nicht."
Er versetzt den PC in den Ruhezustand und kommt um den Schreibtisch herum zu Angeal, um mit ihm zur Tür zu gehen. Angeal erlaubt sich eine leichte Berührung mit der Hand auf seinem Oberarm, die Sephiroth zulässt. Also nimmt er ihm die Unterredung nicht übel, akzeptiert die Zusicherung ihrer Freundschaft. Das ist gut.
Als sie ins Vorzimmer treten, stehen sie unvermutet Genesis gegenüber. Er starrt die beiden an.
"Angeal? Wo ... geht ihr hin? Zusammen?!" Er hält ein kastenförmiges Behältnis in der Hand von der Sorte, in der man Lebensmittel transportiert, und sieht wenig erbaut aus.
"Wir wollen nur kurz Pause machen", teilt Angeal ihm vorsichtig mit. "Eine Kleinigkeit essen." Eigentlich sollte Genesis nichts von seiner Intervention bei Sephiroth erfahren. Er wird nur die falschen Schlüsse ziehen, sich hintergangen fühlen.
Sephiroth sagt nichts, blickt seinen Kollegen nur an.
Prompt schnaubt Genesis verächtlich und erbost. Dann knallt er Sephiroth den Kasten gegen den Bauch, den dieser im Reflex ergreift.
"Was ist das?"
"Costa-Salat mit Hähnchenstreifen", zischt Genesis. "Dein Lieblingssalat! Nicht aus der Kantine, sondern aus dem teuersten Restaurant auf der Platte! Da du mit Angeal essen gehst, brauchst du ihn ja nicht mehr. Schmeiß ihn meinetwegen in den Müll!"
Damit dreht er sich um und rauscht hinaus. Sephiroth steht da und schaut von dem Karton zu der Tür, durch die Genesis gerade verschwunden ist.
"Ähm ... danke?"
Angeal holt tief Luft. "Tut mir leid, Sephiroth. Sowas nennt man wohl grottenschlechtes Timing."
Der General sieht ihn mit einem Kopfschütteln an. "Ich hatte keine Ahnung, dass er das vorhat."
"Ich weiß. So ist er eben. Komm, gehen wir zurück ins Büro, und du isst in Ruhe deinen Salat. Er ist sicher sehr gut, Genesis kennt die besten Restaurants."
Mit einem schlichten Nicken wendet sich Sephiroth wieder zur Bürotür um. Die ungewöhnliche Unsicherheit und Ratlosigkeit in seiner Miene gefallen Angeal nicht besonders.

 

 

Chapter 15: Reaktor 8

Chapter Text

Genesis stampft den Gang entlang. Seine Absätze knallen auf dem Stahl des Bodens. Ihm ist heiß. Er ist so wütend, dass er das Gefühl hat, jeden Moment in Flammen stehen zu müssen. Wie kann Angeal es wagen? Wie kann er zu Sephiroth gehen und über ihn - Genesis - tratschen?? Denn das hat er, jede Wette. Hat er ihn gewarnt? Hat er ihm geschildert, wie sein alter Kindheitsfreund seine Sexpartner verschleißt? Erst lässt er ihn links liegen, weil Fair ja offenbar ein viel interessanterer Freund ist als er, dann treibt er einen Keil zwischen ihn und Sephiroth! Und Sephiroth fällt drauf rein, geht mit ihm essen! Etwas, das er bei Genesis seit Tagen ablehnt.
Klar, was Genesis gestern mit ihm abgezogen hat, war nicht toll, aber muss er ihn deswegen gleich ganz abschreiben? Kann er ihm keine zweite Chance geben, nur wegen Angeals Gequatsche?! Das Eis schmelzen statt zu brechen, ja? Großartiger Rat, Hewley, ist bloß schwierig, wenn einem der beste Freund dazwischenfunkt.
Er merkt, dass er die Kontrolle verliert. Falsch - dass er die Lust verliert, die Kontrolle zu behalten. Er wird sich den VR-Raum vornehmen, und es schert ihn einen feuchten Dreck, wenn ihm ShinRa die Kosten vom Gehalt abzieht.
Er drischt auf den Knopf, der den Fahrstuhl holt, als sein Handy schnarrt. Da er noch im Dienst ist, muss er den Anruf annehmen. Ein Blick aufs Display lässt ihn die Augen verdrehen.
“Ja?”, schnappt er Lazard entgegen.
“Genesis, wo bist du gerade?” Der Direktor klingt ruhig und sachlich wie immer. Er scheint erstaunlich unsensibel gegenüber den Launen seiner SOLDIERs zu sein. Im Moment sollte er lieber eine gute Nachricht für seinen Commander haben.
“49., Aufzug”, antwortet Genesis so knapp wie irgend möglich.
"Perfekt!", tönt es von Lazard. Und die Nachricht, die dann folgt, ist verdammt gut. "Wir haben eine Terrorattacke im Reaktor 8! Anzahl der Angreifer unklar, mindestens vier. Sie haben die Überwachungstechnik gehackt, ein Skorpion und ein Sweeper laufen Amok. Zwei Wachleute und ein Techniker sind tot, ein zweiter Techniker verletzt. Bis jetzt. Einsatz sofort, ein Helikopter ist in fünf Minuten bereit!"
"Verstanden!", bestätigt Genesis und betritt die Aufzugskabine, die soeben die Türen für ihn öffnet.
Ein düsteres Lächeln schleicht sich auf seine Züge, als er mit seiner Schlüsselkarte den Expressmodus freischaltet, der den Lift ohne weiteren Halt aufwärts jagt. Diese Mission ist jetzt ganz nach seinem Geschmack. Er wird einigen Leuten gleich Feuer unter dem Hintern machen, im wahrsten Sinn des Wortes. Dass es bereits Tote gegeben hat, ist bedauerlich, aber nicht mehr zu ändern. Es gilt, Midgar vor dem Energiekollaps zu retten und nebenbei den eigenen Frust abzubauen.
Von Lazards Anruf bis zum Helikopter braucht er genau drei Minuten. Die Rotoren laufen bereits, er sich in den Sitz des Copiloten schwingt. Die kleine, wendige "Wespe" hebt ab, sobald sich die Tür geschlossen hat.
"Hallo, Commander", grüßt eine bekannte Stimme unter einem wilden Haarschopf, der wesentlich knalliger rot ist als sein eigener.
"Hallo, Reno", antwortet Genesis schlicht.
Er arbeitet nicht ungern mit diesem Turk zusammen, denn er ist ein hervorragender Pilot und ein guter Kämpfer, nur leider ist sein Mundwerk schwer zum Schweigen zu bringen.
"Hab gehört, wir kriegen's mit 'nem durchgedrehten Skorpion zu tun", plappert er prompt drauflos, während sie eine halbe Schleife um den Tower herum ziehen.
"Und mit einem Sweeper sowie ein paar irren Terroristen", ergänzt Genesis.
"Wird 'n interessanter Einsatz, was? Die Kerle lassen's echt krachen. Aber keine Sorge, ich deck Ihnen den Rücken. Wir Roten müssen zusammenhalten, was?" Und er zwinkert Genesis mit schiefem Grinsen zu.
"Alles klar, Reno", murmelt Genesis und hofft, der junge Turk wird mit dem Reden aufhören, wenn er sich auf den Kampf konzentrieren muss.
Kurz darauf sind sie auch schon im Landeanflug. Sie überfliegen das Tor und die innere Absperrung und gehen auf dem Gelände direkt vor dem Reaktor nieder. Genesis springt ins Freie, sobald die Räder den Boden berühren.  
Der Zugang zum Reaktor, der eigentlich immer geschlossen zu sein hat, steht halb offen. Der erste Innenraum dient der Überwachung. Das Computerpult ist jedoch verlassen, die acht Monitore an der Wand sind schwarz mit Ausnahme von einem, der die Zentrale der Technischen Leitung zeigt. Auf ihm sieht Genesis mehrere Leute in weißen Kitteln hysterisch herumwuseln, doch er schenkt ihnen nur einen Seitenblick. Die Techniker haben bereits einen Teil der Kontrolle verloren und sind somit für ihn ohne Belang.
Der nächste Raum - auch dessen Tür ist geöffnet - bietet ein Bild der Verwüstung. Zerstörte Computer, nutzlos gewordene Abwehranlagen und mehrere leblose Körper bestimmen das Bild. Letztere tragen die Uniformen der ShinRa-Infanterie. Aus dem anschließenden Gang sind Schüsse und Explosionen zu hören.
Eine helle Stimme links von ihm lässt Genesis herumfahren. “Sir? Sir, können Sie mir helfen? Bitte!”
Ein weiblicher Weißkittel hockt dort zwischen zwei umgeworfenen Schreibtischen, vor ihr ein weiterer Techniker, der sich am Boden krümmt. “Ist die Ambulanz bei Ihnen?”, ruft die Frau drängend. “Er ist angeschossen worden und es hört nicht auf zu bluten.”
“Haben Sie die Ambulanz gerufen?”, fragt Genesis stirnrunzelnd. Er hasst das Chaos, das solche Situationen mit sich bringen.
Die Antwort bestätigt seine Befürchtung. “Ja, aber sie sagen, wir sollen auf die Verstärkung von ShinRa warten, sonst ist es zu gefährlich, das Gebäude zu betreten. Die Terroristen sind noch hier.”
Daran besteht kein Zweifel. Genau deshalb ist Genesis jetzt auch hier. “Rufen Sie bei ShinRa an”, weist er sie an. “Und zwar Direktor Deusericus von der Abteilung SOLDIER. Im Auftrag von Commander Rhapsodos. Sagen Sie ihm, ich verwandle ihn in einen Haufen Asche, wenn nicht in fünf Minuten ein ganzer Konvoi Krankenwagen hier ist. Das ist wörtlich gemeint!”
Die Frau stammelt: “Danke, S-Sir” und hantiert bereits mit ihrem Smartphone.
Rennende, aber gedämpfte Schritte vom Eingang signalisieren die Ankunft von Reno. Er hat eine halbautomatische Pistole im Anschlag.
“Ich schalte die Waffensysteme aus, Sie übernehmen die menschlichen Gegner”, bestimmt Genesis.
Von Reno kommt diesmal nur ein “Verstanden, Sir!” Dann hetzen beide in den Gang, der zum Zentrum des Reaktors führt.
Links und rechts drücken sich drei oder vier Uniformierte in die Eingänge zu irgendwelchen Nebenräumen und setzen nutzlose, da schlecht gezielte Salven aus der Deckung ab, während der gehackte Sweeper sein ohrenbetäubendes Feuerwerk veranstaltet. Die Maschine, die aussieht wie ein plumper Roboter ohne Oberkörper mit zwei Feuerrohren anstelle der Arme, schießt im Sekundentempo auf alles, was sich bewegt.
Genesis aktiviert eine Barriere um sich und stürmt auf das außer Rand und Band geratene Ding zu. Ein sanftes Streichen über seine Klinge ruft die Runen von Rapier ins Leben. Dann holt er aus - und schlägt zu.
Unter einem Funkenregen bricht der Sweeper in der Mitte auseinander und beide Hälften gehen mit metallischem Poltern zu Boden. Da die MGs auch nach dem Kurzschluss noch einzelne Schüsse abfeuern können, schickt Genesis je eine Feuerkugel auf die beiden Rohre, die gehorsam und endgültig verstummen.
Dummerweise geht die Knallerei jedoch weiter und Genesis spürt den Luftzug von zwei oder drei Projektilen, die sehr knapp an seinem Kopf vorbeizischen. Direkt vor ihm befinden sich menschliche Gegner.
“Auftritt Reno von den Turks!”, jodelt es hinter ihm, und ein schwarzer Blitz fegt an ihm vorbei.
Genesis beeilt sich, seine Barriere zu erneuern. Ebenso wie die Uniform und das Schwert tragen alle SOLDIERs, solange sie im Dienst sind, einen Armreifen mit vier gefüllten Materiaslots. Die Angehörigen der First Class tun darüber hinaus gut daran, den Reifen auch nachts griffbereit auf dem Nachttisch liegen zu haben, denn für einen überraschenden Alarm sind sie immer in Bereitschaft.
Es dauert keine Minute, bis die beiden Terroristen reglos vor Reno liegen.
Die drei Infanteristen, denen sie gerade Leben und Gesundheit gerettet haben, sind zur Stelle und der Ranghöchste berichtet atemlos: “Die anderen sind im Reaktorzentrum. Ich glaube, sie haben eine Bombe. Aber es ist kein Durchkommen, der Wachskorpion ist umprogrammiert worden … “
“Wir wissen Bescheid”, unterbricht Genesis. “Kommt mit, aber bleibt hinter uns. Dafür sind wir ja hier.”
Die drei salutieren in geradezu rührendem Eifer, während Genesis und Reno schon wieder auf dem Weg sind.
"Ich hoff, wir erwischen einen der Typen lebend, damit wir ihn verhören können”, äußert sich Reno.
“Das überlass ich Ihnen”, erwidert Genesis. “Aufgabenverteilung wie gehabt!”
Mit einem sehr unprofessionellen, aber begeisterten “Yo!” prescht Reno durch die Tür, deren Mechanismus seine ShinRa-Card geöffnet hat. Die höheren Ränge der Sicherheitsabteilung im Konzern haben eine “Access all areas”-Cardfür Notfälle wie diesen.

Im Zentrum des Reaktors ist die Luft schwül und es stinkt nach Mako. Außerdem verleihen die Makodämpfe dem gesamten riesigen Raum den grünlichen Schimmer, für den Midgar so berühmt und berüchtigt ist. Von der unteren Plattform, die zum Reaktorkern führt, ertönt das Knallen von Schüssen, untermalt vom Dröhnen der Pumpen, die das Mako durch die Rohre drücken.  
Ein schneller Überblick von seinem erhöhten Standort zeigt Genesis drei maskierte Personen, die vier ShinRa-Infanteristen gegenüberstehen, und zwischen den beiden Gruppen das Ungetüm des Skorpions, das aus seinen vier Gewehrläufen pausenlos auf die Wachleute feuert. Zwei große Rohre an den Seiten dienen sogar als Granatwerfer, deren Attacken die Soldaten nur knapp entkommen. Ansonsten erwidern sie das Feuer und versuchen erfolglos, an der beweglichen Maschine vorbeizukommen. Auch auf dieser Plattform liegen zwei reglose Körper in Uniformen.
Während Reno die Treppe hinunter sprintet, setzt Genesis kurzerhand über das Geländer und springt. Mühelos und sicher landet er inmitten der Infanteristen.
"Bleiben Sie zurück!", herrscht er sie an.
Sie gehorchen widerstandslos und vermutlich erleichtert.
Der Wachskorpion nimmt ihn sofort wahr und richtet seinen Fokus auf ihn. Die Maschine ist doppelt so hoch wie Genesis und so groß wie sein halbes Badezimmer, der Schwanz mit dem tödlichen Laser im Stachel ist hoch aufgerichtet. Ein nettes Spielzeug hat sich Scarlet da mal wieder ausgedacht. Nur dumm, wenn es sich gegen die eigenen Leute wendet. Genesis erneuert die Barriere und die Runenmagie des Rapiers.
Der Kampf wird laut und heiß.
Genesis zielt seine Hiebe zunächst auf die Beine des Gegners, doch das Ding ist unerwartet flink und weicht ihm immer wieder aus. Immerhin ist Genesis genauso schnell und wirbelt nach rechts und links aus der Schusslinie der Gewehrsalven. Von Weitem betrachtet, muss das hier wie ein kunstvoller abstrakter Tanz anmuten. Und wahrscheinlich ist Commander Rhapsodos der einzige bei ShinRa, der in dieser Situation solche Gedanken hegen kann.
Sobald Genesis der Rückseite seines Gegners zu nahe kommt, wird dieser noch nervöser, und Genesis kennt auch den Grund dafür. Er hat im Waffenkundeunterricht vor acht Jahren gut aufgepasst und weiß, dass das Steuermodul eines Wachskorpions genau unter seinem Schwanzansatz, gewissermaßen in seinem Rektum sitzt. An das möchte Genesis also herankommen, und prompt springt der Skorpion hoch bis zur Decke der Halle. Dort klammert er sich fest und lässt eine Granatensalve los. Ein Fehler, den das Biest nur einmal machen wird.
Verärgert grummelt Genesis "Miststück!" und weicht dem Beschuss mit zwei Vorwärtssalti aus. Dann springt er ebenfalls nach oben, als sein Gegner gerade wieder zur Plattform zurückkehrt. Zwei Meter über dem Koloss bleibt er in der Luft, ein Kraftakt, den er nur beherrscht, wenn er keine weitere Magie benutzt. Die Maschine sucht ihn hektisch, bevor sie ihn wahrnimmt und das gefährliche Schwanzende auf ihn richtet. Der "Stachel" beginnt weißblau zu glühen, als sich der Laser auflädt.
Zu langsam, viel zu langsam! Genesis lacht laut heraus, als er Rapier über seinen Kopf schwingt und niedersausen lässt. Die obersten drei Glieder des Schwanzes fliegen davon, in Richtung des Makobeckens weit unter ihnen.
Der Skorpion hält inne. Er ist sichtlich verwirrt. Die Pause nutzt Genesis, um wieder hinter ihm zu landen. Das Biest könnte jetzt noch mit dem Schwanzstumpf nach ihm schlagen, aber darauf ist er nicht programmiert. So hat Genesis genug Zeit, sorgfältig zu zielen und dann einen gemasterten Blitz auf das Steuermodul loszulassen. Ein zweiter und ein dritter folgen rasch. Die Leitungen schmoren funkensprühend durch. Der Skorpion taumelt und stolpert. Mit einem weiten Sprung bringt sich Genesis in eine gesunde Entfernung, als das ganze Ding mit metallischem Kreischen und Dröhnen zusammenbricht und als rauchender Schrotthaufen endet.
Na bitte.
Mit einer routinierten Geste wischt sich Genesis die Haare aus dem schweißnassen Gesicht und sieht sich auf dem Schlachtfeld um.
In der Nähe des Reaktorkerns liegen zwei der Terroristen bewegungslos. Der Dritte steht mit dem Rücken am Geländer der Plattform, zur Seite gekrümmt, die linke Hand auf die rechte Bauchseite gepresst. Der rechte Arm hängt schlaff herunter, die Maschinenpistole liegt neben seinen Füßen. Die Gewehre von drei Infanteristen zielen auf den Mann. Reno steht fünf Meter vor ihm und hat die Arme in einer einladenden Geste ausgebreitet.
"Komm schon, Mann", sagt er in einem Ton, der wohl beschwichtigend sein soll. In Genesis' feinem Gehör klingt er eher spöttisch. "Du hast gute Chancen zu überleben. So schwer sind die Verletzungen nicht, und wenn du eine Aussage machst, ist ShinRa der Letzte, der nicht mit sich reden lässt. Jeder baut schließlich mal Mist. Wir sind diejenigen, die dir helfen können."
Langsam gehter ein, zwei Schritte auf den Verletzten zu. Genesis hebt bei dem Anblick eine Augenbraue. Auch ohne den Elektrostab in seiner Hand würde der Turk in keiner Weise vertrauenerweckend herüberkommen.
Der Terrorist gibt ein hustendes Lachen von sich und spuckt Blut aus. "Nieder mit ShinRa!", ruft er dann heiser. "Von uns bekommt ihr keinen lebend. Wir sind AVALANCHE!"
Und mit dem fragwürdigen Schlachtruf auf den Lippen wirft er sich nach hinten über das Geländer und verschwindet in den Tiefen des Makobeckens unter ihnen.
Reno stampft mit dem Fuß auf und knurrt: "Scheiße!"
Genesis muss sich ein Grinsen verbeißen, während sich Reno zu ihm umdreht. "Die Kerle waren verdammt gut. Wir mussten alles aufbieten, um sie von der verfickten Bombe wegzukriegen." Er deutet mit einer Kopfbewegung auf einen unscheinbaren, schwarzen Kasten, der gefährlich nahe am Reaktorkern auf dem Boden steht. "Aber wenigstens können wir das Ding untersuchen." Er geht hin und hebt die Bombe so behutsam auf, als handle es sich um ein Baby.
"Wenigstens steht der Reaktor noch", bemerkt Genesis trocken und wendet sich zum Ausgang.

Als er den Reaktor verlässt, ist er verschwitzt und gut gelaunt. Die Sanitäter und ihre drei Notfallwagen würdigt er mit zufriedenem Blick. Auf dem Rückweg zum Tower lässt er Renos Geplapper gelassen über sich ergehen.
Er hat spontan einen Entschluss gefasst. Wenn Sephiroth keine Entscheidung treffen kann, nimmt er sie ihm eben ab. Er wird ihn in Zukunft in Ruhe lassen, sich nicht mehr um ihn kümmern. Er wird nicht einmal mehr versuchen, ihn im Kampf zu übertreffen, sondern sein eigenes Ding machen. So wie eben im Reaktor. Er ist hochqualifiziert und kompetent und wird von ganz allein ein Held werden, wenn er einfach seinen Job macht. Warum soll er sich den Kopf zerbrechen über jemanden, der ihn nicht will? Er war bereit, für ihn auf seine Flirts und One Night Stands zu verzichten, aber offenbar hat Angeal recht, und für Sephiroth bedeutet eine sexuelle Beziehung unzumutbar großen Stress. Genesis wird ihm diesen Stress ersparen.
Außerdem gibt es genug andere hübsche Männer, die nicht so verkorkst sind wie ein gewisser General. Es gilt, sich aufzumachen zu neuen Taten.

Im Foyer des Towers trifft er am Aufzug auf Luxiére, einen der Seconds aus seiner Materia-Klasse. Er trägt seinen Helm unterm Arm und schenkt Genesis ein Lächeln, als er militärisch grüßt. Sehr vielversprechend. Genesis nickt ihm zu und lächelt zurück.
“Nun, Luxiére, bald Feierabend?”, spricht er ihn an.
“Noch zwei Stunden Wutai-Unterricht”, lautet die Auskunft.
“Sehr nützlich, man muss den Feind besser kennen als die Freunde.”
“Das ist wahr, Sir. Es ist auch interessant, aber manchmal schwierig zu merken.”
“Wem sagen Sie das. Ich hab mein Wutaianisch auch nicht über Nacht gelernt.” Sie lachen beide ein bisschen, und Genesis’ Laune steigt noch weiter. Das läuft doch hervorragend.
Der Aufzug kommt, und sie steigen ein. Da sie allein in der Kabine sind, stützt sich Genesis beiläufig mit einer Hand neben dem Kopf des Jungen an der gläsernen Wand ab. Luxiére errötet recht bezaubernd.
“Und Sie waren auf einer Mission, Sir?”
Woher weiß er denn das auf einmal? Genesis ist nicht verletzt. “Wie kommen Sie darauf?”
“Ähm … Sie haben etwas Schmutz im Gesicht, Sir. Verzeihung.” Die Röte vertieft sich.
“Oh. Tatsächlich?”, schmunzelt Genesis. “Kein Grund, sich zu entschuldigen. Ja, ein Terrorangriff im Reaktor 8 hat eine Menge Chaos verursacht. Die Rebellen hatten einen Sweeper und einen Wachskorpion gehackt und zu ihrem eigenen Schutz umprogrammiert. Sowas erfordert natürlich einen fachmännischen Eingriff. Die beiden Dinger waren echt zu Berserkern mutiert, kann ich Ihnen sagen.” Luxiéres Augen weiten sich bewundernd. “Schon als ich den Reaktor betrat, sah ich überall die Verwüstung. Tote und Verletzte, Schäden von Feuer, Projektilen und Laser. Keinerlei Kontrolle mehr. Und dann ging es erst richtig los.”
Der Aufzug hält. Sie müssen im zehnten Stock sein oder so, lange vor dem 49. jedenfalls, und Genesis interessiert es nicht die Bohne, wer da zusteigt. Er sieht nicht einmal hin. Bis Luxiére, dessen Blick bisher an seinen Lippen hing, die Augen noch weiter aufreißt, Haltung annimmt und zackig grüßt. Also dreht Genesis mit einem stummen Seufzer den Kopf. Es ist Sephiroth, wer sonst.
“’n Abend, General”, sagt er lässig und tritt widerwillig zwei Schritte von dem Jungen zurück.
“’n Abend”, grummelt Sephiroth mit einem halben Blick zu seinem Commander. Dann wendet er sich Luxiére zu, verschränkt die Arme vor der Brust und starrt ihn an.
Was wird das? Er starrt harmlose und unschuldige Leute doch sonst nicht an, im Gegenteil. Fasziniert beobachtet Genesis, wie sich die silbernen Brauen ein wenig zusammenziehen und das Grün der Augen so etwas wie eine düstere Glut entwickelt. Das ist großartig. Er könnte wetten, Sephiroth kann allein mit diesem Blick töten.
Luxiére möchtedie Wette offenbar nicht eingehen, was verständlich, aber auch ärgerlich ist. Er stammelt irgendetwas, drückt den Knopf für die nächste Etage und hastet hinaus, sobald sich die Aufzugtüren öffnen.
Genesis versucht, das Geschehen zu begreifen, während sich Sephiroth entspannt und kalt zu ihm sagt:
“Seit wann verführst du Kinder?”
Genesis verdreht die Augen. “Er ist kein Kind. Außerdem geht dich das … “ Moment mal. Sephiroth hat den Jungen absichtlich vergrault, weil er schon wieder eifersüchtig ist? Genesis’ Herzschlag beschleunigt sich, und eine unvernünftige Freude schwappt durch ihn hindurch.
Sephiroth hingegen runzelt abermals die Stirn und mustert ihn scharf, allerdings ohne Mörderblick. “Hast du gekämpft? Bist du in Ordnung?” Seine Stimme drückt geradezu so etwas wie Besorgnis aus. Na, sieh mal einer an.
“Nur ein bisschen Dreck. Mir fehlt nichts”, versichert Genesis. “Ein Terroranschlag auf Reaktor 8. Reno und ich haben die Wachmannschaft unterstützt und die Lage geklärt." Vor Sephiroth anzugeben, hätte keinen Sinn, die Mühe kann er sich sparen.
Sephiroth holt Luft, hält inne und sagt schließlich: "Sehr gut." Es ist das ungeschickteste Lob, das Genesis je gehört hat. Dafür fühlt sich die helle, weiche Wärme, die plötzlich in die grünen Augen einzieht, verdammt gut an.
Genesis schnauft. Geht das schon wieder los? Der Mann macht ihn fertig.
Sephiroth räuspert sich dezent. Dann meint er wie beiläufig mit abgewandtem Blick: "Der Salat war übrigens hervorragend."
Das ist alles, was Genesis noch braucht. Er schmeißt die guten Vorsätze von vorhin zum Fenster hinaus und drückt resolut den Stopp-Schalter, der den Aufzug zu einem abrupten Halt bringt. Sephiroth sieht angemessen perplex aus. 1:0 für Genesis.
"Was ... soll das?"
"Ich sorge dafür, dass du mir nicht entwischen kannst." Genesis tritt so dicht an den General heran, dass dieser bis an die Wand zurückweicht, und legt dann seine Hand neben seinem Kopf an besagte Wand, wie er es kurz zuvor bei Luxiére getan hat.
"Also - was hat Angeal über mich gesagt?" Als Sephiroth den Mund öffnet, fährt er ihm gleich in die Parade. "Und versuch nicht, mir weiszumachen, ihr hättet nicht über mich gesprochen."
Sephiroth schließt den Mund. Er gewinnt seine Fassung zurück und brummt: "Ich lasse mich nicht von dir als Geisel nehmen." Und löst den Schalter.
Genesis drückt ihn umgehend wieder auf "Stopp". Der Fahrstuhl ruckelt verwirrt. Mal sehen, wer hier die stärkeren Nerven hat.
"Ich höre."
Sephiroth presst die Lippen zusammen. Als er antwortet, ist seine Stimme jedoch ruhig. "Er sagte, dass du ein wunderbarer Mensch bist, der ein feuriges Temperament hat, aber auch sensibel ist, und der jemanden braucht, der mit ihm umgehen kann. Und dass er nicht weiß, was ich von der Sache halte."
Genesis beißt sich auf die Zunge, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn Angeals Beschreibung berührt. Dass Sephiroth die Wahrheit sagt, steht außer Zweifel, er ist nicht fähig, sich so etwas spontan auszudenken.
"Und - was hast du geantwortet?", fragt Genesis in einem Verhörton, der den Turks Konkurrenz machen könnte.
"Dass es ihn nichts angeht."
Genesis' Mundwinkel lassen sich nicht mehr kontrollieren und biegen sich unwiderstehlich nach oben.
"Können wir jetzt weiterfahren?", fragt Sephiroth und langt schon wieder nach dem Schalter.
Genesis fängt sein Handgelenk ein. "Nein. Du wirst mir erst eine Antwort geben. Denn mich geht es etwas an."
Er spürt, wie Sephiroth die Hand zur Faust ballt, aber ansonsten stillhält. Seine Augen sind weit und fragend auf ihn gerichtet. Sie sind sich so nahe ... so nahe ... In diesem Moment weiß Genesis, dass dieser Mann vor ihm genau das ist, was er will. Er hört seinen Herzschlag, schnell und hart, und er weiß außerdem, dass er direkt vor einem 2:0 steht. Genauso wie gestern. Das Gefühl der Macht ist berauschend. Aber die Erinnerung an das Danach ist schal.
"Ich habe dir gesagt, es wird nicht wieder geschehen", sagt Genesis mit belegter Stimme. "Nie wieder." Damit lässt er ihn los und tritt von ihm zurück.
'Falsche Richtung!', schreit sein Körper. Und Sephiroths Augen schreien dasselbe, nur dass sich eine Sekunde später die Maske der Ausdruckslosigkeit wieder über seine Miene schiebt.
"Deine Antwort", verlangt Genesis. "Ich bin nicht bereit, noch länger diesen grotesken Tanz mit dir aufzuführen. Ja oder Nein. Jetzt."
Sephiroth lässt schnaufend den Atem entweichen, den er offenbar angehalten hatte, und verwandelt sich in einen Hybrid von Mensch und General. "Du kannst mich nicht so unter Druck setzen, Genesis", sagt er eher vernünftig als befehlend. "Ich brauche Zeit. Ich bin nicht mehr der Jüngste."
Genesis hebt eine Augenbraue. "Du bist vierundzwanzig."
"Eben. Und in diesen vierundzwanzig Jahren habe ich gelernt, dass wichtige Entscheidungen, die man voreilig trifft, zu äußerst verhängnisvollen Konsequenzen führen können."
Wo hat er nur diese hirnrissigen Argumente her? Genesis übt sich in Geduld. "Wir sind hier nicht auf dem Schlachtfeld, wenn ich dich darauf hinweisen darf."
"Richtig. Andernfalls hätte ich zu jedem theoretisch auftretenden Problem die in der Praxis passende Lösung parat. Deshalb nennt man mich den Dämon von Wutai und nicht den König der amourösen Affären."
Es ist zum Auswachsen, und Genesis möchte sich die Haare raufen. "Das Leben kann man nicht in Plan A, B, C und D pressen", erwidert er beschwörend. "Das Leben muss man erfahren. Es leben."
"Eine Erfahrung, die weder in meiner Ausbildung enthalten war noch in meiner Arbeitsplatzbeschreibung", entgegnet Sephiroth kühl und betätigt den verflixten Schalter, sodass der Aufzug wieder losfährt. "Ich werde es dir mitteilen, wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, keine Angst."
Genesis verdreht die Augen. "Das ist doch ... "
Der Aufzug hält und öffnet seine Türen, durch die Sephiroth unverzüglich hinausmarschiert.
Genesis reagiert so spontan, wie er es auch im Kampf oft tut. "Morgen Abend um 20 Uhr!”, ruft er ihm nach. "Ich hole dich ab. Und zieh das Jackett an, das ist ein Date!"
Der letzte Zusatz ist etwas riskant, aber da Sephiroth weder vor Schreck aufschreit noch ihn anderweitig abweist, sondern sich gar nicht äußert, seufzt Genesis: "Das werte ich als ein 'Ja'."
Dann drückt er den Knopf für die 53. Etage.

Verwirrt stellt er fest, dass ihm zum ersten Mal kein passendes LOVELESS-Zitat einfällt.

 

Chapter 16: Risiken und Nebenwirkungen

Chapter Text



Nächster Abend, 19.45 Uhr. Die letzte halbe Stunde hat Genesis vorm Spiegel zugebracht. Haare gefönt, Augenbrauen gezupft, Augenbrauen ein kleines bisschen dunkler gefärbt, farblosen Lippenstift aufgetragen, wieder abgewischt, wieder aufgetragen, wieder abgewischt. Naja, zumindest sind seine Lippen nun rosé überhaucht. Sephiroth liebt es offensichtlich zu küssen, ihn zu küssen, und Genesis kann nicht behaupten, dass ihn das stören würde.
Er zieht das rote Jackett über, öffnet an seinem schwarzen Seidenhemd einen Knopf mehr, schließt ihn wieder und verlässt beschwingt sein Apartment. Sephiroths Wohnung ist schräg gegenüber, er hat es nicht weit.
Auf sein Klopfen erhält er keine Reaktion. Die drei Freunde haben sich angewöhnt anzuklopfen, wenn sie sich gegenseitig besuchen, das ist irgendwie persönlicher als Klingeln. Aber nun klingelt er doch, und auch darauf gibt es keine Reaktion.
Was soll der Mist? Lässt Sephiroth ihn auflaufen? Das sieht ihm nicht ähnlich, dafür fehlt ihm die Raffinesse. Oder hat Genesis sein Schweigen auf seine Verabredung fälschlich als Zustimmung interpretiert?
Das wäre eine größere Enttäuschung als er sich eingestehen mag. Er hat sich wirklich auf diesen Abend gefreut, hat über die kleine Flamme in seinem Bauch gelächelt, die beim Gedanken an Sex mit Sephiroth abermals aufgeflackert ist. Der Mann hat eben etwas, das ihm andere nicht bieten können, auch wenn er es nicht definieren kann. Normalerweise steht er bei Männern auf bestimmte äußere Attribute und die Bereitschaft, ihn gebührend zu bewundern. Das macht ihn an, ganz einfach. Bei Sephiroth ist die Anziehung viel subtiler, sie reicht von seiner Schönheit über die Art, wie er den Kopf schieflegt, wenn er nachdenkt, bis zu der Gletscherkälte, die Genesis so reizt, im positiven wie im negativen Sinne. Und ja, er ist bereit, um ihn zu werben und das Gletschereis zum Schmelzen zu bringen, egal, wie frustrierend es erst einmal wird. Je härter der Kampf, desto süßer der Sieg! Selten hat der alte Spruch so zugetroffen wie auf Sephiroth.
Aber jetzt steht er vor dessen Tür und fühlt sich wie ein Idiot. Da er nicht der Typ ist, sich still zurückzuziehen, fischt er sein Mobiltelefon aus der Tasche und wählt die Privatnummer des Generals an.
“Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar.” Dieselbe Antwort nach dreimaligem Freizeichen gibt es unter der Dienstnummer.
Ungewöhnlich, der Anführer von SOLDIER ist eigentlich immer erreichbar, und das soll er laut Statuten auch sein. Er ist immerhin ein zentraler Teil des Sicherheitsapparates. Dasselbe gilt für Genesis, auch wenn er, wie heute, einen freien Tag hat. Auch im Café auf dem Brunnenplatz und beim Bummel durch die Einkaufsmeile von Sektor 8 hatte er sein Mobiltelefon selbstverständlich auf Empfang.
Aber etwas anderes irritiert Genesis noch mehr: sein überfeinertes Gehör hat hinter der Tür sehr leise, aber erkennbar den Klingelton von Sephiroths PHS wahrgenommen. Er würde niemals sein PHS zu Hause lassen, wenn er weggeht. Irgendetwas stimmt hier nicht.
Als auch erneutes Klingeln und Klopfen nichts bringt, fasst Genesis einen Entschluss.

Vor der Tür von Angeals Apartment, die sich zwanzig Meter von Sephiroths entfernt befindet, erwartet Genesis ein unangenehmes Déjà-vu. Es öffnet niemand. Missvergnügt bemüht er also erneut sein Mobiltelefon. Wenigstens bekommt er diesmal eine Antwort.
"Gen, was gibt's?"
"Wo steckst du?"
"Im Trainingsraum. Wieso?"
"Bin gleich da."
Angeal trainiert abends um acht? Alleine? Das ist neu.
Genesis vermeidet es mit Mühe zu rennen, aber er hat es nun einmal eilig und entscheidet sich für die Treppe, da es sich nicht lohnt, für vier Stockwerke auf den Fahrstuhl zu warten.
Wie er kurz darauf feststellen muss, beinhaltet der Trainingsraum nicht nur seinen banoranischen Busenfreund, sondern auch dessen spitzhaarigen Schüler. So etwas hätte er sich eigentlich denken können. Er unterschätzt immer noch die enorme Anziehungskraft, die der Trainingswelpe auf Angeal ausübt.
Während er auf das ungleiche Paar zugeht, kann er sich eine Bemerkung nicht verkneifen. "Na, singst du dem Kleinen nachher am Bettchen auch noch ein Schlafliedchen?"
Angeals säuerliche Miene bringt ihn zum Grinsen und lenkt ihn fast von dem Geschoss ab, das plötzlich zischend und trudelnd auf ihn zufliegt. Nur ein tiefer Kniefall bewahrt ihn vor einer schmerzhaften Kollision. Verdammt! Genesis springt wieder auf und sieht einen hüpfenden und kichernden Fair.
"Feuer-Materia! Hab Sie fast getroffen, Sir!"
"Ja, du bist ein wahres Naturtalent", seufzt Genesis genervt.
Von Angeal bekommt er ein Schmunzeln mit einem winzigen, ungewohnten Hauch Schadenfreude darin. "Materia-Nachhilfe", erklärt er. "Wie du siehst, machen wir Fortschritte."
"Entzückend." Genesis lächelt gequält und wird gleich wieder ernst. "Hör zu, Sephiroth macht seine Tür nicht auf und geht nicht ans Handy, aber ich bin sicher, er ist daheim, denn ich höre sein Handy im Apartment klingeln. Irgendwas stimmt da nicht. Du hast doch eine Kopie seiner Schlüsselkarte, lass mich mal zu ihm rein, okay?"
Stirnrunzelnd nickt Angeal. "Klar, gehen wir. Schluss für heute, Zack."
Der Kleine läuft hinter ihnen her. Er ist wirklich ein verflixter Welpe, nur der wedelnde Schwanz fehlt noch. "Kann ich mitkommen?", fragt er eifrig. "Ich hab den General noch nie aus der Nähe gesehen."
Genesis fährt herum und faucht: "Und das wirst du auch jetzt nicht! Noch nie was von Privatsphäre gehört?"
"Du wirst ihn schon noch kennenlernen", wirft Angeal beschwichtigend dazwischen.
Fair schmollt. "Och Mann, immer wenn's spannend wird."
"Ich hole ihn demnächst zum Probetraining mit dir", verspricht Angeal lächelnd. "Meinst du, das wird spannend genug?"
Sie biegen zum Treppenhaus ab, und Genesis hört Fair nur noch jodeln: "Echt? Das wird der mega Wahnsinn!"
"Seit wann hasst du Sephiroth so sehr?", erkundigt sich Genesis, während sie hinaufstürmen, drei Stufen auf einmal nehmend. Auf Angeals irritierten Blick fügt er hinzu: "Ich weiß nicht, wie du das jeden Tag mit dem Energiebündel aushältst."
"Ich hatte einen guten Trainer", meint Angeal ungewohnt trocken. "Dich, achtzehn Jahre lang."
Genesis schnaubt. "Frechheit."
Während Angeal die Karte aus seinem Apartment holt, wartet er draußen. Als sie weiter zur Wohnung des Generals gehen, bemerkt er den forschenden Seitenblick seines Freundes auf seine Kleidung. Es ist deutlich, dass er sie zum Ausgehen angelegt hat und dass Angeal neugierig ist, aber er fragt nicht, und Genesis sagt nichts. Soll Angeal sich sein Teil denken.
Sie klingeln noch einmal bei Sephiroth und als wieder keine Reaktion erfolgt, öffnet Angeal mit der Karte die Tür. Schon vor einigen Jahren haben er und Sephiroth die Kopien ihrer Schlüsselkarten getauscht, für Notfälle. Ein großer Vertrauensbeweis des Generals.
Im Apartment ist es dunkel, aber aus dem Wohnzimmer dringt bleicher Lichtschein und es sind leise Stimmen zu hören. Eine davon ist die Stimme von Präsident Shinra. Genesis' Augenbrauen rutschen nach oben, bis sie ins Wohnzimmer treten und der Reporter im Fernseher sagt: "Herr Präsident, wir danken Ihnen für das Interview."
Sephiroth, der seitlich auf der Couch liegt, starrt ihnen ungläubig entgegen.
Genesis und Angeal starren ungläubig zurück. Dann macht Genesis das Licht an und sagt vorwurfsvoll:
“Verrätst du mir, was du hier machst und warum du weder an die Tür noch ans Handy gehst?”
Sephiroth zieht die Decke, die über ihn gebreitet ist, bis zum Hals hoch. Der Ausdruck seiner Augen verwandelt sich in sein berühmtes Gletschereis. “Ich war zur Behandlung bei Hojo. Lasst mich alleine.”
Nun, das erklärt einiges, aber nicht alles, zum Beispiel …
“Hättest du mir das nicht gestern sagen können? Und wieso liegst du hier und nicht im Bett, wenn es dir schlecht geht?”
Ohne auf die Fragen einzugehen, antwortet Sephiroth: “Ich möchte, dass ihr geht.” Er ist so blass, dass seine Gesichtshaut fast durchscheinend wirkt.
Sie wissen, dass es ihm meistens schlecht geht nach einem Termin bei Hojo und dass es gut ist, ihn die folgenden 24 Stunden in Ruhe zu lassen. So haben sie es die vergangenen acht Jahre auch gehalten. Es irritiert Genesis, ihn jetzt in einem Zustand offensichtlicher Schwäche zu sehen.
Sephiroth irritiert es zweifellos ebenfalls.
Angeal hingegen hat kein Problem mit den Problemen anderer Leute und tritt entgegen der Bitte - oder eher des Befehls - des Liegenden zu ihm. “Sephiroth, du hättest uns Bescheid sagen sollen, wenn es so schlimm ist. Wir können dir doch helfen.”
Sephiroths Hand, die die Decke an seine Brust drückt, spannt sich zunehmend an. “Ich brauche keine Hilfe. Ich möchte nur alleine sein.”
“Unsinn.” Angeal hockt sich vor die Couch, sodass er mit ihm auf Augenhöhe ist. “Niemand sollte mit so etwas allein sein. Wir kümmern uns um dich, das ist doch selbstverständlich. Was hat Hojo diesmal gemacht, hm?”
Er langt nach vorne, um Sephiroth eine seiner Pranken auf die Schulter zu legen, und Genesis könnte schwören, in den grünen Augen Panik aufsteigen zu sehen. Was natürlich nicht möglich ist, da General Sephiroth niemals Panik bekommt. Im Moment drückt er sich nach hinten gegen die Lehne der Couch, die verhindert, dass er Angeal entkommen kann, und zischt: “Das kann euch egal sein. Lasst mich alleine!”
“Sephiroth, bitte. Wir sind deine Freunde. Rede mit uns … “
Nun, jetzt reicht es Genesis. Er weiß nur allzu gut, wie sich Sephiroth fühlt, nämlich bedrängt, beschämt, wütend und deshalb schuldig. Angeal weiß einfach nicht, wann er einen gesunden Abstand wahren muss.
Genesis geht hin, schiebt den Couchtisch zur Seite, um mehr Spielraum zu haben, und packt seinen alten Freund am Arm. “Verdammt, lass ihn in Ruhe, Angeal. Hoch mit dir!” Er zieht aufwärts und Angeal muss dem Zug nachgeben, um nicht auf dem Hintern zu landen.
“Was denn?”, empört er sich. “Du siehst doch, wie schlecht es ihm geht.”
“Genau”, gibt Genesis zurück. “Und genau deshalb werden wir seinen Wunsch respektieren und gehen.”
“Er braucht endlich jemanden, der sich um ihn kümmert”, beharrt Angeal.
“Aber nicht, wenn er nicht will!” Genesis hält ihn immer noch am Arm fest. “Es ist ihm unangenehm, merkst du das nicht? Du bist übergriffig.”
“Ich bin nicht übergriffig … “
“Doch, und wie! Und jetzt raus hier!”
Er schiebt Angeal von der Couch weg in Richtung der Tür. Ein Blick zurück zeigt ihm, dass Sephiroth die Augen geschlossen hat. Genesis macht das Licht aus, bevor er mit Angeal das Apartment verlässt.

“Ich halte es immer noch nicht für richtig, dass wir ihn alleine lassen”, beschwert sich Angeal draußen und bleibt stehen.
“Ich weiß. Ich auch nicht”, gibt Genesis zu. Es ist seltsam. Er hat das Bedürfnis, bei Sephiroth zu bleiben, und gleichzeitig graut ihm bei dem Gedanken, weil er keine Ahnung hat, wie er ihm beistehen sollte, selbst wenn dieser es wollte. Was er nicht tut. “Aber nicht jeder will bemuttert werden, schon gar nicht von seinen Kollegen.”
Angeal schüttelt den Kopf. “Wer weiß, was Hojo mit ihm angestellt hat, und wie es ihm sonst nach den sogenannten Untersuchungen geht. Wir waren ja nie bei ihm. Er kann nicht mit allem allein fertig werden, und außer uns schert sich niemand um ihn. Wir sind seine Familie."
"Erstens sind wir das nicht", gibt Genesis zu bedenken. "Und zweitens sagte ich bereits: Er will nicht bemuttert oder bevormundet werden, und das kann man ja wohl verstehen. Oder willst du vielleicht nach einem schwierigen Einsatz oder einer hohen Mako-Injektion deine Mami am Bett sitzen haben?" Und er fügt hinzu: "Nichts gegen Gillian", weil Angeals Mutter die beste Mutter ist, die er sich vorstellen kann. Aber es gibt nun mal Grenzen.
Angeal verzieht prompt den Mund und ringt sich zu einem "Okay, da hast du auch wieder recht" durch.
Einen Moment schweigen sie verunsichert. Dann meint Angeal: “Mach ihm wenigstens einen Tee. Sowas tun Freunde für Freunde, weißt du. Das kann er nicht als Übergriff werten."
Genesis nickt nach kurzem Zaudern sein Einverständnis. "Na gut."
Angeal drückt ihm die Karte in die Hand. “Hier. Vielleicht möchte er ja doch, dass du nochmal später nach ihm siehst.”
“Also schön.”
Genesis geht zurück ins Apartment. Diesmal lässt er das Licht aus und verharrt in der Tür zum Wohnzimmer. Der Schein des Fernsehers lässt Sephiroths Teint geradezu gespenstisch erscheinen. Die grünen Augen schauen mit einer Mischung aus Widerwillen und Resignation zu ihm.
"Ich bin gleich wieder weg", sagt Genesis leise. "Ich mach dir nur schnell einen Tee. Ist das okay?"
Sephiroth murmelt: "Von mir aus."
In der Küche schaltet Genesis das Licht über der Arbeitsplatte an und sucht sich zusammen, was er braucht. Während der Wasserkocher seine Arbeit tut, grübelt er, wie er etwas über das Problem herausfinden kann, das sein Freund hat. Dass er offensichtlich nicht aufstehen kann oder will, beunruhigt ihn außerordentlich. Aber er wird sich an seine eigenen Vorgaben halten und Sephiroth nicht noch mehr auf die Nerven gehen.
Mit dem vollen Teebecher kehrt er ins Wohnzimmer zurück und stellt ihn auf dem Couchtisch ab.
Von Sephiroth kommt ein neutrales "Danke", aber sein Blick ist immer noch wachsam, fast als erwarte er, sich verteidigen zu müssen.
Genesis beschließt, es ihm möglichst leicht zu machen. "Essen?"
Kopfschütteln.
"Schmerzmittel?"
"Bringt nichts."
Er spürt, dass Sephiroth sich ein wenig entspannt. Bevor er noch etwas fragen kann, wird er überraschend gebeten: "Kannst du mir eine Kühlkompresse besorgen?"
"Eis-Materia?"
"Nein, kein Eis, auch nicht als Materia. Nur eine ganz normale, kalte Kompresse. Wir arbeiten so viel mit Materia, dass wir sowas gar nicht mehr haben."
"Die Infanterie müsste welche haben", meint Genesis nach kurzem Nachdenken. "Klar besorge ich dir eine."
Und er macht sich auf den Weg, froh, noch etwas Sinnvolles tun zu können.

Unterwegs zu den Baracken, ruft er bei dem Offizier der diensthabenden Wachmannschaft an und holt sich die spöttelnde Zusage ab:
"Sicher haben wir Kühlkompressen da. Sie können einen ganzen Packen haben, Commander. Wir sind unseren geschätzten Kollegen von SOLDIER doch immer gern behilflich."
Idiot. Genesis hält nicht besonders viel von der Mehrheit der Infanteristen, was auf Gegenseitigkeit beruht. In seinen Augen sind sie schlecht erzogene und noch schlechter ausgebildete Rüpel. Sie halten ihn und SOLDIER im Ganzen für einen Haufen überzüchtete, arrogante Besserwisser. Sei's drum.
Der Leutnant empfängt ihn mit schiefem Grinsen und geht mit ihm zur medizinischen Versorgungsstation der Infanterie-Kaserne. Tatsächlich drückt er ihm einen ganzen Karton mit Kühlkompressen in die Hand und legt eine vorgekühlte obendrauf.
"Wenn's mal wieder was gibt, wo weder Muskeln noch Materia helfen, wenden Sie sich nur vertrauensvoll an uns", merkt der Kerl sarkastisch an.
Normalerweise würde Genesis darauf einen Konter geben, der zu einem verbalen und möglicherweise sogar zu einem kurzen, wortwörtlichen Schlagabtausch führen würde, den Genesis natürlich gewinnen und der somit seine Laune ungemein heben würde. Heute allerdings hat er absolut keine Lust auf Streit, er hat einfach Besseres und Wichtigeres zu tun.
So erwidert er schlicht: "Danke. Werd ich machen."
Der Kerl guckt dümmlich aus der Wäsche, als Genesis so unprätentiös mit seinem Karton abzieht, und auch das entlockt ihm ein kleines, heimliches Lächeln.
Zurück in Sephiroths Apartment packt er den Karton auf den Couchtisch und übergibt dem Patienten das kalte Gelkissen zusammen mit einem Küchentuch, das die Kälte auf der Haut regulieren kann. Neugierig ist er schon, wo Sephiroth es an seinem Körper auflegen wird, das kann er nicht leugnen. Doch der General hält das Ding nur in der Hand.
"Danke", sagt er wieder nur. Dann eben nicht.
Genesis bemerkt, dass der Teebecher leer ist, nimmt ihn schweigend an sich und geht in die Küche, um noch einmal Tee zu machen. Außerdem packt er einige der Kompressen in den Kühlschrankk. Als er mit dem neu gefüllten Becher zurückkommt, ist die Kompresse, die er dem Patienten schon gegeben hatte, natürlich verschwunden. Er will sich wieder abwenden, da sagt Sephiroth:
"Ich habe das nicht mit Absicht gemacht. Den Termin bei Hojo verschwiegen, meine ich. Er hat mich heute Mittag überraschend ins Labor befohlen, und ich habe dann nicht mehr an unser ... unser Treffen gedacht." Sein Blick ist stumpf, und seine Stimme klingt müde.
Genesis kann ihm nicht einmal verübeln, dass er "Treffen" sagt statt "Verabredung" oder "Date". Er nickt ihm lediglich zu. "Schon in Ordnung. Mach dir keine Gedanken."
Und abermals fühlt er sich einerseits erleichtert, andererseits bedrückt, als er Sephiroth sich selbst und seinen Schmerzen überlässt.

In seinem Apartment zieht er sich zunächst einmal wieder um. Er hat zwar überlegt, allein wegzugehen oder Angeal zu fragen, ob er in einen Club mitkommen würde, sich jedoch dagegen entschieden. Ihm ist die Lust auf spätabendliche Vergnügungen vergangen. Das sollte ihm eigentlich zu denken geben - wenn er Sephiroth nicht haben kann, will er keinen? So weit kommt's noch! Aber im Moment beschäftigt sein Kollege seine Gedanken einfach zu sehr, und er verspürt kein Bedürfnis nach einer Ablenkung. Ja, das sollte ihm auch zu denken geben.
Er zuckt nur die Achseln und setzt sich in Jeans und T-Shirt mit einer Apfellimonade auf die Couch vor den Fernseher. Von dem laufenden Programm bekommt er nicht viel mit. Stattdessen sieht er Sephiroth mit seiner Decke vor sich, die Erschöpfung, die er ausgestrahlt hat und die so ungewöhnlich für ihn ist. Und er lässt den Wunsch zu, diesem Mann beizustehen, egal auf welche Weise. Ein eher merkwürdiger Wunsch für Genesis Rhapsodos. Er schiebt ihn in seinem Kopf hin und her, betrachtet ihn von allen Seiten, gesteht sich auch noch das Gefühl von Hilflosigkeit ein. Ein Gefühl, das er hasst und das er normalerweise lieber verdrängt. Aber heute bringt Sephiroth ihn ohne aktives Zutun dazu, dieser Hilflosigkeit ins trübe Antlitz zu starren.
Nach einer Weile, in der das Programm sich in die Dauerwerbung verabschiedet hat, murmelt Genesis "Scheiße", schaltet das Gerät aus und legt sich mit LOVELESS ins Bett. Er liest die berühmte Interpretation des 3. Akts, die so anspruchsvoll ist, dass allein über sie bereits unzählige weitere Interpretationen geschrieben worden sind, und nimmt sich vor, endlich seine eigenen Überlegungen zu dem Epos zu Papier zu bringen. Demnächst. Irgendwann. Wenn er damit erst einmal angefangen hat, wird er nicht ruhen, ehe er ein Jahrhundertwerk fertiggestellt hat, und dafür benötigt er mehr Muße als er in seinem Beruf zur Verfügung hat. Wie tragisch für das kulturelle Leben auf dem Planeten.
Wie immer beruhigt ihn die Beschäftigung mit LOVELESS, doch eine Stunde nach Mitternacht ist ihm klar, dass er nicht schlafen kann, und er steht wieder auf. Er hat Hunger. Kein Wunder, er hat das Abendessen mitsamt dem Date ausfallen lassen. Er geht in die Küche, hält dann aber inne und wandert einer Eingebung folgend zurück ins Schlafzimmer, wo sein Mobiltelefon liegt.
Er schreibt: "Bin noch wach. Und du?"
Eigentlich rechnet er nicht mit einer Antwort. Umso überraschter ist er, als er innerhalb einer Minute eine erhält: "Auch"
Mit einem halben Lächeln tippt er: "Kann ich zu dir rüberkommen? Ich mach uns Pasta al Pomodoro."
Diesmal dauert die Antwort zwei Minuten, bevor ein "Ok" erscheint.
Aus dem halben Lächeln wird ein ganzes, und er sucht seine Küche auf, um die drei benötigten Produkte zu holen, bevor er zu Sephiroth hinübergeht. Zugegeben, die Bezeichnung ist ziemlich hochtrabend für schlichte Nudeln mit Tomatensoße aus dem Glas und Hartkäse aus der Tüte, aber was soll's.

Der General liegt noch immer im Dunkeln auf der Couch auf der Seite wie vor fünf Stunden, der Fernseher ist jetzt allerdings aus. Genesis schaltet eine Wandleuchte ein, die er auf die niedrigste Stufe dimmt, um Sephiroth jeden weiteren Stress zu ersparen. Er weiß, wie elend man sich nach einer normalen Mako-Injektion fühlen kann, und was Hojo mit seinem Freund angestellt hat, geht ganz sicher weit darüber hinaus.
Dann breitet er sich in Sephiroths Küche aus. Die Einbauküchen der Apartments hier sind alle gleich eingerichtet und ausgestattet, deshalb hat er keine Mühe, die Utensilien zu finden, die er braucht. Die Küche seines Kollegen sieht genauso unbenutzt aus wie seine eigene. Der einzige der drei Firsts, der wirklich kochen kann und es auch ziemlich regelmäßig tut, ist Angeal. Immerhin schließt Genesis’ Können Nudeln mit verschiedenen Fertigsoßen und Pfannkuchen mit geschmorten Äpfeln ein, etwas, worin er seinem ewigen Rivalen definitiv überlegen ist. Sephiroths Kochkünste beschränken sich auf das Aufbrühen von Kaffee und Tee.
Während er in einem großen Topf Wasser auf dem Herd erhitzt, nimmt er eine frische Kühlkompresse aus dem Kühlschrank und bringt sie Sephiroth. Der nimmt sie mit einem Nicken entgegen. Er ist noch immer bleich, um seine Augen liegen bläuliche Schatten.
“Tee?”, bietet Genesis an.
“Wasser reicht”, meint Sephiroth, und Genesis holt ihm das Gewünschte.
Er setzt sich in den Sessel, der auf der anderen Seite vom Couchtisch steht, und sieht zu, wie Sephiroth sich auf einen Ellenbogen aufstützt und trinkt. Genesis fühlt sich elend allein bei dem Anblick. Ist er so schwach, dass er nicht einmal sitzen kann? Oder hat er zu starke Schmerzen? Die Fragen brennen auf Genesis’ Zunge, aber er wird sich hüten, sie zu stellen. Er weiß, dass er keine Antworten, sondern nur abweisendes Schweigen erhalten würde. Denn genauso würde er selbst reagieren. Mitleid und Neugier erträgt er ebenso wenig wie Sephiroth. Umso mehr wundert es ihn, dass er überhaupt im Apartment geduldet wird. Im Gegensatz zu ihm, der sich immerhin meistens Angeal anvertraut, macht sein Kollege jedes Problem prinzipiell mit sich selbst aus und meidet jede andere Person, wenn es ihm schlecht geht.
Nachdem er etwas getrunken hat, liegt Sephiroth wieder so da wie zuvor, und sie schweigen sich an. Das ist ungewöhnlich, aber nicht so unangenehm, wie man meinen könnte. Eigentlich ist es irgendwie sogar ganz nett. Genesis fühlt sich zwar in der Nähe kranker oder leidender Personen immer unwohl, das war schon in Banora so, aber jetzt ist er froh, hier zu sein. Natürlich wäre es noch netter, wenn er Sephiroth küssen und anfassen könnte, doch das kommt nicht in Frage. Er begreift nicht einmal, wieso Sephiroth zulässt, dass er ihn so sieht, so schwach. Je länger Genesis darüber nachdenkt, desto klarer wird ihm, was für ein Vertrauensbeweis das ist. Er fühlt sich ein bisschen geschmeichelt.
Das Wasser auf dem Herd kocht bald, und er geht in die Küche und schüttet die Nudeln hinein. Er denkt daran, dass Sephiroth es vermutlich fertigbringen würde, sogar die Nudeln anbrennen zu lassen, und gestattet sich ein amüsiertes Grinsen. Er beschäftigt sich während der Garzeit, sucht Sieb, Teller und Besteck zusammen, öffnet die Tüte mit dem geriebenen Käse. Er findet den Wodka und genehmigt sich ein paar Schlucke. Als er Sephiroth ein neu gefülltes Glas Wasser bringt und ihm den Alkohol anbietet, wird dieser abgelehnt. Er ist nach einer frischen Mako-Injektion oder -Behandlung auch nicht unbedingt zu empfehlen, der Magen reagiert dann oft empfindlich. Doch Sephiroth verträgt nun einmal mehr als jeder andere, zumindest dachte Genesis das bisher.
Sobald die Nudeln gar sind, erhitzt er die Soße und vermischt beides vorsichtig, bevor er die beiden Portionen mit Käse bestreut.
Den Teller für Sephiroth stellt er ans Ende des Tisches vor dessen Gesicht, mit seinem eigenen macht er es sich wieder im Sessel gemütlich.
"Danke", sagt Sephiroth, ohne ihn anzusehen, aber Genesis glaubt den Hauch eines Lächelns um seinen Mund herum auszumachen. Dann stützt er sich wieder auf den Ellenbogen, stellt den Teller vor sich auf die Couch und fängt an langsam zu essen.
Genesis verbietet es sich, ihn weiterhin zu beobachten, obwohl es ihn schockiert, dass der andere sich noch nicht einmal jetzt aufrecht hinsetzt. Die Decke ist in der halb aufgerichteten Haltung von Sephiroths Schulter gerutscht und enthüllt das schwarze Langarmshirt, das er trägt. Der Stoff ist dünn und liegt eng an und bringt seine Muskeln an Schultern und Brust viel besser zur Geltung als alles, was Genesis bisher an ihm gesehen hat.
"Und - schmeckt es?", erkundigt er sich, da Sephiroth von alleine nichts sagt, was jedoch normal für ihn ist.
"Mhm, sehr gut", lautet das Urteil.
Genesis schmunzelt kurz und zufrieden. Natürlich hält die Mahlzeit keinem Vergleich mit dem Essen stand, das sie in dem von ihm ausgewählten Restaurant bekommen hätten, aber für einen Notfall reicht es allemal. Soldaten können nun mal sehr genügsam sein.
"Ich hab neulich mit Fair trainiert", erzählt er, um doch ein wenig zu plaudern. "Er scheint gute Fortschritte zu machen."
Sephiroth steigt darauf ein. "Ja, das hat Angeal erwähnt. Er möchte, dass wir ihn in einer Simulation begutachten, bevor er ihn für die Beförderung zur Second Class empfiehlt."
Genesis verdreht die Augen. "Jetzt schon zum Second? Ich weiß ja nicht. Der Bengel hat noch gar keine Erfahrung in der Praxis."
"Die wird er ja dann bekommen. Angeal will ihn auf jeden Fall auf seine nächste Mission mitnehmen, wenn es nicht gerade ein Spezialeinsatz ist."
"Wir haben nur Spezialeinsätze", gibt Genesis zu bedenken. "Das ist der Sinn von First Class."
"Ich glaube, er weiß, was er tut", meint Sephiroth nur.
"Er ist total vernarrt in den Jungen", brummt Genesis. "Auf jeden Fall sollte er vorher noch die vernünftige Anwendung von Materia lernen." Dann wechselt er das Thema. "In fünf Tagen werde ich übrigens wieder auf Mission nach Wutai gehen. Im Süden wird in nächster Zeit eine Eskalation befürchtet, da Lunaris Verstärkung zu bekommen scheint und wir immer noch nicht genau wissen, wo ihr Unterschlupf ist. Eine ziemlich kitzelige Sache."
"Ach ja?", macht Sephiroth stirnrunzelnd, anstatt ihn zu beglückwünschen. "Diese Mission ist wichtig, die wollte ich lieber selber leiten."
Genesis bleibt der Bissen, den er im Mund hat, beinahe im Hals stecken. Ist dieser Mann wirklich unfähig, die Kompetenz eines anderen anzuerkennen? Oder will er es einfach nicht?
Mit lautem Klirren stellt Genesis seinen Teller auf den Glastisch, und es interessiert ihn nicht, dass Sephiroth bei dem Geräusch zusammenzuckt. "Das ist ja sowas von typisch von dir! Was denkst du, was ich bin, ein Anfänger? Das ist eine echte Chance, meine Kompetenz als Offizier zu beweisen. Kannst du mir die nicht gönnen, nein? Ist das wirklich zu viel verlangt?"
Er springt auf vor Empörung. Er muss sich bewegen, muss die Konfrontation unterbrechen, sonst wird er Dinge sagen, die er später bereut. Das Schlimme ist, dass Sephiroth nicht begreift, wie verletzend er ist, wie viel Missachtung er mit einer solchen Bemerkung ausdrückt.
Genesis läuft durch den Raum zu der hohen Fensterfront, von wo er Sephiroth nicht sehen kann, weil die Lehne der Couch im Weg ist. Aber er schaut sowieso nicht zu ihm, sondern geht vor den Fenstern auf und ab, den Blick auf das nächtliche Midgar weit unter ihm geheftet. Hinter sich hört er ein weiteres Klirren, sehr viel leiser, aus dem er schließt, dass auch Sephiroth seinen Teller abgestellt hat.
Und nun? Er will nicht streiten, nicht heute Nacht, aber er wird es tun, wenn Sephiroth ihn dazu zwingt. Angespannt wartet er auf die beißende, ironische Entgegnung, die nun folgen muss. Sephiroth bleibt ihm nie eine verächtliche Antwort schuldig, wenn er selbst einen Streit angefangen und Genesis erfolgreich auf die Palme gebracht hat. Sobald Genesis richtig wütend ist, wird er beschuldigt, sich kindisch aufzuführen, egal, wie recht er mit dem hat, was er sagt. Genau das ist der Punkt, weshalb er Sephiroths Arroganz so sehr hasst und ihn von sich aus immer wieder provoziert, um ihm eine emotionale Reaktion abzuringen. Fast immer vergebens.
Doch heute kommt die erwartete Entgegnung nicht. Es kommt - nichts. Nach zwei oder drei Minuten, in denen Genesis' Zorn einer bleiernen Müdigkeit weicht, dreht er sich um und geht zurück zum Tisch. Sephiroth hat sich wieder niedergelegt und die Augen geschlossen. Er öffnet sie auch nicht, als Genesis die Teller abräumt und in die Küche bringt. Er wirft das übriggebliebene Essen in den Müll; immerhin haben sie mindestens zwei Drittel ihrer Portionen gegessen, bevor ihnen der Appetit vergangen ist.
Er spült ab, was er ausgesprochen ungern tut, aber einen Sephiroth, der nicht aufstehen kann, kann er nicht mit dreckigen Tellern zurücklassen. Als alles sauber ist, schaut er noch einmal ins Zimmer. An der Gestalt auf der Couch hat sich nichts verändert.
Frustriert schüttelt Genesis den Kopf. Alles hier ist falsch. Sie sollten nicht wie Fremde drei Meter voneinander entfernt im Wohnzimmer sein, der eine krank, der andere gekränkt. Sie hätten sich amüsieren sollen, flirten, genießen, und jetzt sollten sie zusammen im Bett liegen, satt und befriedigt, und sich auf heiße Träume und einen heißen Morgen freuen. Vielleicht wäre es so, wenn sie nicht SOLDIERs, sondern x-beliebige Männer wären. Aber vielleicht auch nicht.
Genesis löscht das Licht.
In der Tür dreht er sich um und wispert: "Alles was dich erwartet, ist ein düsterer Morgen, woher der Wind auch wehen mag. Mein Freund, deine Sehnsucht ist der Quell des Lebens, das Geschenk der Göttin. Mag auch der Morgen ohne Hoffnung sein, nichts wird meine Rückkehr verhindern."
Von der Couch kommt die geraunte Antwort, auf die er am wenigsten gefasst ist: “LOVELESS, dritter Akt."
Aus Genesis' Mund drängt sich ein leises Lachen. "Bis morgen", flüstert er.
"Bis morgen."

Auf dem Weg zu seinem Apartment lächelt er noch immer.

 

Chapter 17: Der Welpe turnt vor

Chapter Text

 

Genesis' Hirn schenkt ihm noch ein paar verschlafene Sekunden, als er die Augen aufschlägt und von dem relativ hellen Licht-Dunst-Gemisch begrüßt wird, das man in Midgar unter Sonnenschein versteht. Der Moment verliert allerdings viel von seiner Unschuld, sobald ihm die Details des letzten Abends wieder einfallen. Besser gesagt der Nacht. Sephiroth hat ihm einen sehr seltenen Einblick in seine private Seite gewährt, und er Idiot hat es letztendlich versaut, nur weil er sich über eine Bemerkung geärgert hat. Er spürt sein Gewissen, das ein kleines, unterernährtes Ding ist, den kahlen Kopf heben und beschließt, schleunigst aufzustehen, bevor es sich mit seinen unvermutet spitzen Zähnen in ihm festbeißen und ihn zum Grübeln bringen kann.
Aber es ist bereits zu spät. Unter der Dusche wägt er das Für und Wider eines erneuten Besuchs bei dem Patienten ab. Er würde sich einerseits für sein gestriges Verhalten vielleicht entschuldigen und noch einmal den Betreuer spielen müssen. Andererseits würde er aus erster Hand erfahren, wie es Sephiroth heute geht. Letzteres ist ihm wichtig, alles andere lästig. Es ist einfach schwierig, bei einem kranken Sephiroth jegliches Mitleid zu verbannen und trotzdem Rücksicht zu nehmen. Es ist entsetzlich anstrengend.
Er entscheidet sich dennoch, nach dem Frühstück bei Sephiroth vorbeizugehen. Warum, ist ihm nicht so ganz klar, aber die Logik sagt, jemand müsse ihm schließlich etwas zu essen machen, sofern er immer noch nicht aufstehen kann. Außerdem ist da die Tatsache, dass Sephiroth ihn und nicht Angeal in seine Nähe gelassen hat. Das fühlt sich verdammt gut an.
Als er am Küchentisch seine Getreideflocken kaut und seine neuen Emails durchforstet, stolpert er über je eine Mail von Angeal und von Sephiroth. Natürlich öffnet er sie als erste vor den firmeninternen Mitteilungen.
Sephiroth: 'dank f letz n8. 1530 vr fair. pünktl'
Genesis schnauft halb gereizt und halb amüsiert. Der "Dank für letzte Nacht" ist klar - und wird geschätzt -, aber was das “pünktl" um 15.30 Uhr mit vr und dem Welpen ist, bleibt rätselhaft. Ohne sich mit fruchtlosen Mutmaßungen aufzuhalten, klickt er auf Angeals Mail.
Angeal: 'Morgen, Gen. Kannst du heute um 1530 bei Zack im VR zuschauen? Wär schön. Seph hat zugesagt, ist wieder fit (?).'
Na also, damit wären gleich zwei Rätsel gelöst. Sephiroth ist zumindest wieder auf zwei Beinen unterwegs, und das “pünktl" steht wohl schlicht für "pünktlich". Kann sich der Mann nicht die Zeit nehmen, vernünftige Mails zu schreiben?
Offenbar nicht. So bekommt er von Genesis ein "r" als Antwort und Angeal ein 'Alles klar, bin pünktl'. Genesis grinst über den flachen Witz und klickt sich dann durch den Rest der zwei Dutzend anderen Mails. Wichtig ist im Grunde nur ein Meeting, das der Präsident höchstselbst für den späten Vormittag angesetzt hat und das die Mission im Süden Wutais betrifft.
Da er noch über eine Stunde bis dahin Zeit hat, trinkt er in Ruhe seinen Kaffee aus und schlendert dann zum Materia-Labor, um ein bisschen zu fachsimpeln. Der Papierkram in seinem Büro bekommt von ihm eine Pause verordnet.
Die Wissenschaftler von der Materia-Forschung freuen sich wie immer, ihm neue Substanz und Fusionen zu zeigen. Meistens nehmen sie sein Angebot, einzelne Produkte in der Praxis auszuprobieren, gerne an, und er muss nicht die Verantwortung übernehmen, wenn er mal wieder den Trainingsraum zerlegt. Er liebt einfach die Magie. Sie gibt ihm ein Gefühl, als hätte er Champagner im Blut. Und seien wir ehrlich, die Macht, Dinge in die Luft zu jagen, kitzelt sein Ego.
Nachdem er eine brandneue Sprung-Materia und eine fusionierte Eisblitz-Materia erhalten hat, macht er sich auf den Weg zum Konferenzraum des Präsidenten.
Als der Fahrstuhl kommt, spuckt er ihm ausgerechnet Angeals hyperaktiven Welpen entgegen. Er grüßt militärisch einwandfrei, abgesehen von seinem klaffenden Grinsen und den Worten:
"Hey, Genesis ... ich meine Commander Rhapsodos! Angeal sagt, Sie kommen nachher zu meiner Kampfvorführung. Das ist echt mega! Sephiroth ... ich meine General Sephiroth kommt auch. Es geht ihm wohl wieder gut, da bin ich total froh. Konnten Sie ihm helfen, ja?"
Das Gequatsche lässt Genesis ganz schwindelig werden, und so antwortet er automatisch, bevor er sich bremsen kann: "Ja, er brauchte vor allem Ruhe. Und ich habe ihm noch einen Tee und etwas Warmes zu essen gemacht." Warum bei Bahamut erzählt er dem Bengel denn das?!
Aber nun ist es schon geschehen und Fairs Grinsen wird womöglich noch breiter. "Aww, Sie haben für ihn gekocht?! Das ist ja soo sweet! Sie drei sind richtig gute Freunde, was? Ich glaube, das tut ihm total gut, ich denke, manchmal ist er echt einsam, also, wäre er ohne Sie, wissen Sie?"
"Äh ... ja, das kann schon sein", murmelt Genesis und flüchtet in den Lift. "Bis nachher dann."
"Jo, bis nachher im VR!", ruft ihm Fair hinterher, als sich die Türen endlich schließen.
Genesis verdreht die Augen und schüttelt den Kopf über sich selbst und die SOLDIER-Welt im Allgemeinen.

Im Konferenzraum sind bis auf den Präsidenten schon alle wichtigen Leute anwesend. In diesem Fall sind das Heidegger, Lazard, Veld, Rufus natürlich und Sephiroth.
Genesis nickt den Männern grüßend zu. "General, Direktor Deusericus, Direktor Veld, Vize-Präsident, General."
Er erhält gemurmelte Erwiderungen und setzt sich neben Sephiroth, wo auf dem Tisch eine Mappe mit Informationsmaterial für ihn bereitliegt. Bei seinem kurzen Rundblick hat er festgestellt, dass Rufus' Miene völlig neutral ist. Kein Ärger, keine Schadenfreude, zumindest nicht sichtbar. Es ist das erste Mal nach der Party, dass er ihn trifft, und sein Gleichmut beruhigt ihn nicht wirklich. Er fragt sich, ob Rufus etwas mit Sephiroths überraschendem Termin im Labor zu tun hat, und außerdem, ob er etwas von dem argwöhnt, was zwischen ihnen geschehen ist. Sie sollten auf jeden Fall darauf achten, sich nichts anmerken zu lassen. Für Sephiroth ist das ohnehin klar.
Dessen Miene ist reglos wie immer, auch wenn er noch sehr blass ist. Seine Haltung im Sitzen ist noch steifer als sonst, und sobald Genesis neben ihm sitzt, spürt er die Anspannung, die von ihm ausgeht. Genesis muss sich auf die Zunge beißen, um ihn nicht zu fragen, wie es ihm geht. Aber Sephiroth würde ihm vermutlich keine erschöpfende Auskunft geben, und überhaupt ist eine so persönliche Frage in dieser Umgebung natürlich nicht möglich.
Er blättert also flüchtig den Ordner durch, was müßig ist, weil er die wenigen neuen Informationen, die er enthält, schon vorab von Lazard auf den PC bekommen hat. Dann erscheint der Präsident, und alle erheben sich kurz zum Gruß, bevor sie ihre Plätze wieder einnehmen, sobald auch er sich in seinem imposanten Chefsessel niedergelassen hat.
"Meine Herren, ich darf voraussetzen, dass Sie wissen, worum es geht. Der Südwesten Wutais rüstet auf. Nachdem unsere Truppen unter Leitung von Commander Hewley die Attacken der Rebellen im Nordwesten unterbunden haben, scheint nun unser Stützpunkt in der Provinz Teshku das nächste Ziel feindlicher Aggressionen zu werden, und wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, wenn wir eine Katastrophe vermeiden wollen. Deshalb sind Sie beide einmal mehr unsere Trumpfkarten, General Sephiroth und Commander Rhapsodos. Ich will hier die allgemeine Lage in Wutai kurz zusammenfassen und erläutern."
Genesis seufzt im Geiste, denn Shinra fasst sich niemals kurz. Er hört sich einfach gerne reden, egal, ob seine Zuhörer die tausend Mal durchgekauten Themen noch ein tausend und erstes Mal hören möchten oder nicht. Hauptsache, sie können ihm nicht entkommen.

Genesis würde eine Analyse von Sephiroth erheblich vorziehen, denn der versteht es wie jeder gute Stratege, geradlinig zu denken und zu sprechen und bei der Sache zu bleiben. Leider sieht es heute allerdings so aus, als werde Genesis nicht in einen solchen Genuss kommen. Hellhörig hat ihn die Einleitung des Alten gemacht, in der er sowohl ihn als auch Sephiroth als "Trumpfkarten" erwähnt hat. Was für ein Ausdruck! Sollen sie sich jetzt geschmeichelt fühlen? Auf jeden Fall scheint der Plan zu sein, sie beide gemeinsam auf die Mission zu schicken, und das legt nahe, dass man natürlich doch wieder Sephiroth die Leitung übertragen wird. Sofort macht sich dumpfe Wut in Genesis breit. Es scheint geradezu Absicht zu sein, ihm einfach keine Chance zu geben, seine Fähigkeiten zu beweisen. Nur wessen Absicht und weshalb?
Er beißt die Zähne aufeinander, um sich seinen Zorn nicht anmerken zu lassen, und hört mit halbem Ohr Shinras Ausführungen zu, was ihn vermutlich an den Rand eines Komas bringen wird. Es gibt darin so gar nichts Neues.
ShinRa will unbedingt auch in Wutai Makoreaktoren errichten - wegen der dortigen reichen Makovorkommen - Wutai weigert sich standhaft, die Erlaubnis zu erteilen - verweigert sich dem Fortschritt, dem Segen zahlloser Arbeitsplätze und kostengünstiger Energiegewinnung - nur um seinen gesundheitsschädlichen Urwald vor ShinRas Kettensägen zu bewahren - und empört sich, dass der Konzern Maßnahmen ergreift, wenn die illegal eingereisten Bau- und Technikertrupps von den wutaianischen Kriegern ins Meer gejagt werden - da ist der Krieg unvermeidlich, das kann niemand leugnen - manche Leute müssen eben zu ihrem Glück gezwungen werden - die Wutaiani sind schließlich selbst schuld, dass sie sich wehren - seit zehn Jahren!
Genesis unterdrückt ein Gähnen und denkt, der Alte sollte sich lieber nicht einfallen lassen, eines Tages gegen die Apfelplantagen in Banora auszurücken, um dort Mako zu fördern. Banora ist zwar ein spießiges Kaff, aber wer die berühmten Apfelbäume antastet, bekommt es mit Genesis Rhapsodos und Angeal Hewley zu tun, SOLDIER-Ehre hin oder her.
Gerade rechtzeitig taucht Genesis aus seinen düsteren Gedanken auf, um festzustellen, dass der Präsident wieder beim Thema der aktuellen Mission angekommen ist und Heidegger, dem Direktor der Sicherheitsabteilung und Chef der Infanterie, das Schlusswort erteilt. Der General, der vom Alter her Sephiroths Großvater sein könnte, sieht wenig begeistert aus. Auch er redet nämlich gern, hat aber nun keine weiteren Ausführungen beizutragen, außer dass tatsächlich doch Genesis die Leitung der Mission haben wird! Sephiroth wird nur kurzfristig gegen die wutaianische Eliteeinheit Lunaris eingesetzt sein, und das ebenfalls unter Genesis’ Befehl!
Das klingt ohne Frage überraschend großartig. Genesis fühlt allein bei dem Gedanken einen Schwall Adrenalin durch seine Adern pulsen, und er kann ein Lächeln nicht unterdrücken. Ein Blick zu Lazards heiterer Miene lässt ihn vermuten, dass die Idee von diesem stammt. Das erwähnt Heidegger natürlich nicht.
Rufus muss sich unbedingt einmischen und stellt unqualifizierte Zwischenfragen, die nichts weiter bewirken, als dass Heidegger noch ein bisschen länger reden kann. Die Art, wie er dabei immer wieder seinen dicken, schwarzen Kinnbart streicht, wirkt geradezu wie eine Liebkosung und weckt in Genesis vagen Ekel.
Aber das ist nicht wichtig. Die Welt ist wieder in Ordnung, und wenig später ist auch das Meeting endlich beendet. Am liebsten würde er Sephiroth hier und jetzt ein High Five geben, aber natürlich kommt so etwas nicht in Frage. Er ist ja nicht Zack Fair und er hat auch nicht die Absicht, selbigem nachzueifern.
Auch Präsident Shinra sieht sehr zufrieden aus, als er die Versammlung entlässt.

Draußen auf dem Gang vorm Konferenzraum sprechen die beiden SOLDIERs noch kurz mit Lazard, mit dem gemeinsam die Planung in die Details gehen wird. Genesis würde auch ihn am liebsten umarmen, und im Moment hat er so das Gefühl, dass der sich so etwas eher gefallen lassen würde als General Gletscher. Letzterer ist nämlich noch immer angespannt und bewegt sich so steif, als hätte er Seeigel in der Hose. Apropos Hose: Ein scharfer Blick hat Genesis gezeigt, dass Sephiroth nicht seine übliche Lederhose trägt, sondern eine Art Jogginghose! Ein Kleidungsstück, von dem er nicht einmal wusste, dass Sephiroth es besitzt. Der Stoff oberhalb der Stiefel wirkt jedenfalls weich und ist auffallend weit geschnitten, zumindest wenn man genau hinsieht. Genesis durchzuckt der ungeheurliche Verdacht, dass Rufus Ernst gemacht und seine Drohung von der Party umgesetzt haben könnte. Was hat Hojo getan, dass sich Sephiroth freiwillig ein so inakzeptables Kleidungsstück antut? Genesis fragt sich, ob er die Antwort darauf je erfahren wird.
Zunächst einmal fahren sie alle drei hinab in die 49. Etage und trennen sich dort, um ihre jeweiligen Büros aufzusuchen.
Genesis ist froh, dass er Sephiroth nicht auf die vergangene Nacht angesprochen hat. Es wäre nur peinlich geworden und hat sich durch die neuen Informationen über die Mission ja auch erledigt. Aber natürlich sagt eine geplante gemeinsame Mission nichts über den Stand der privaten Beziehung aus.
Während er ein paar Akten auf seinem Schreibtisch hin- und herschiebt, ohne ihren Inhalt wahrzunehmen, überlegt Genesis, welches der nächste Schritt in seinem "Projekt: die Verführung des Sephiroth" sein soll. Er grinst über die Formulierung, die er sich da ausgedacht hat.
Soll er ihm etwas schenken? Das erscheint ihm zu aufdringlich, irgendwie unpassend. Oder vielleicht doch eine Flasche teuren Gin und eine DVD dazu, die sie sich zusammen ansehen können? Aber was für einen Film? Sephiroth interessiert sich eigentlich nicht für Spielfilme, da wäre eine Dokumentation besser geeignet, aber über welches Thema?
Er grübelt noch, als Angeal hereinkommt und seinen Platz ihm gegenüber einnimmt.
"Na, wie war das Meeting? Wann geht's los?"
Genesis erzählt ihm die dürftigen Details über die Mission und dass er sie letztendlich sogar mit Sephiroth bestreiten wird.
Angeal pfeift anerkennend. "Klingt aufregend. Das wird ein wesentlicher Schlag gegen Lunaris sein."
"Das ist der Plan", lächelt Genesis.
Angeal macht sich über seine Akten her. Den Eifer, mit dem er seine Aufgaben erledigt, fand Genesis schon in der Schule amüsant. Angeal ist zwar ein Jahr jünger als er, aber sie haben oft gemeinsam Hausaufgaben gemacht, oder besser gesagt, Angeal hat eben die Aufgaben gemacht, und Genesis hat derweil Abenteuergeschichten gelesen oder - in späteren Jahren - Gedichte geschrieben und gewartet, dass Angeal fertig wird, um mit ihm Banora und Umgebung unsicher zu machen. Genesis' enorme Auffassungsgabe hat ihn die meiste Zeit seines Lebens davor bewahrt, ernsthaft geistig arbeiten zu müssen.
"Wie geht's Sephiroth?", fragt das Objekt seiner Erinnerungen plötzlich.
"Ganz okay, aber er bewegt sich noch etwas verkrampft”, setzt Genesis ihn in Kenntnis.
"Du hast mir gar nicht erzählt, dass du für ihn gekocht hast?"
"Stimmt. Und woher weißt du's dann?"
"Zack sagte was davon."
Klar, wer auch sonst! Genesis erwägt, ihm mitzuteilen, dass es ihn nichts angeht, aber das wäre dann doch etwas zu brutal. Also zuckt er nur mit den Schultern, um anzudeuten, dass er nicht darüber reden will.
Angeal ignoriert den stummen Hinweis. "Schön, dass er das angenommen hat. Er wirkte erst so abweisend. Was hast du ihm denn gemacht?"
"Nur ein einfaches Nudelgericht. Ich bin nachts nochmal zu ihm gegangen, wir konnten beide nicht schlafen und hatten Hunger gekriegt."
Angeals schweigender Blick ist eine schreiende Frage, und Genesis setzt hinzu: "Ich bin ihm nicht zu nahe getreten. Wir haben nur was gegessen, sonst nichts. Ich pflege meine Fehler im Allgemeinen nur einmal zu machen."
"Du sahst aus, als wolltest du auf eine Party. Wart ihr verabredet?", fragt Angeal nun doch und versucht erfolglos, beiläufig zu klingen.
"Ja, waren wir", gibt Genesis etwas widerwillig zu. "Und Hojo kann es nicht gewusst haben, aber er hat's trotzdem geschafft, unser Date zu schrotten. Er hat den Termin für Sephiroth kurzfristig angesetzt."
Damit ist Angeals Neugier offenbar befriedigt, denn er widmet sich wieder seinen Akten. Genesis macht ihm keinen Vorwurf, schließlich erzählt er ihm von sich aus alles, was ihn beschäftigt, egal wie intim es ist, und er mag es ja auch, wenn sein Freund sich für all das interessiert. Meistens.
"Nur blöd, dass ich wieder nicht weiß, ob Sephiroth vielleicht sogar ganz froh ist, dem Date mit mir noch entgangen zu sein", murmelt er vor sich hin, denn das ist die Frage, die er sich stellt. Soll er ihn überhaupt noch einmal einladen, wenn jetzt nichts von ihm kommt? Schließlich hat er seine Antwort noch immer nicht bekommen.
Da schaut Angeal auf und meint: "Wieso, ihr hattet doch euer Date." Und als Genesis verständnislos guckt, erläutert er: "Na, im Grunde gibt es keine Vorgabe, wie ein Date abzulaufen hat. Ich finde es jedenfalls ziemlich romantisch, wie du nachts zu ihm gehst und für ihn kochst, wenn er krank ist."
Verblüfft sieht Genesis ihn an. Sieht in blaue Augen, die ihn voller Wärme und Zuneigung anlächeln, und schließlich muss auch er lächeln. Eigentlich hat Angeal ja recht, und er weiß nicht einmal, wie halbwegs dramatisch dieses "Date" geendet hat. Und plötzlich weiß Genesis genau, was er Sephiroth schenken will.
"Wo gehst du hin?", fragt Angeal erstaunt, als er aufspringt und zur Tür läuft.
"Bin gleich wieder da."

Als er in Sephiroths Büro kommt, steht dieser hinter seinem Schreibtisch mit einem Aktendeckel in den Händen und liest. Bei Genesis' Eintreten schaut er auf.
"Was ist?"
Wieder einmal geht Genesis schnurstracks zu ihm um den Schreibtisch herum. “Setz dich hin und zieh den Mantel aus.”
“Wieso?”
“Weil ich dir die Schultern massieren will. Das ist genau das, was du jetzt brauchst.”
“Nicht im Dienst”, antwortet Sephiroth lakonisch.
Doch Genesis lässt sich nicht mehr so leicht abschrecken. “Das dauert nur zehn Minuten, so viel Zeit hast auch du. Außerdem arbeitest du zweifellos besser, wenn du nicht mehr so total verspannt bist.”
Sephiroth schüttelt den Kopf und neigt ihn nach unten zu dem Papier, das er hält, sodass die vorderen Haarsträhnen vor sein Gesicht fallen. “Nein, heute nicht.”
Sein verhaltener Tonfall lässt Genesis vermuten, dass er ihn nicht wieder nur abwimmeln will, sondern einen echten Grund hat, und so fragt er leise: “Warum nicht?”
“Heute passt es nicht.”
“Dann morgen?”
“Ja, morgen”, murmelt Sephiroth, den Blick immer noch krampfhaft auf das beschriebene Blatt gerichtet.
Eine Welle von Wärme schwappt durch Genesis, die ihn überrascht und dazu verleitet, Sephiroth das alberne Blatt aus der Hand zu nehmen und es auf den Tisch zu legen. Sephiroth starrt ihn alarmiert an, aber Genesis legt nur sehr langsam und locker die Arme um ihn, sodass Sephiroth jederzeit ausweichen kann, wenn er will. Tut er nicht. Ein Hauch von Rosen- und Kräuterduft hüllt Genesis ein, dann streicht er behutsam das Haar zur Seite und gibt ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Und auch jetzt hält Sephiroth still.
Sein Blick ist undeutbar, aber in seine Wangen ist ein wenig Farbe gekommen, als Genesis sich von ihm löst und mit weichem Lächeln sagt: "Wir sehen uns nachher im VR."
Auf dem Weg hinaus schaut er nicht zurück. Er kann sich denken, dass der andere Mann genauso verlegen ist wie er selbst, er muss es nicht sehen.Um 1530 Uhr treffen sich die drei Firsts und Fair vor dem Raum fürs Training in einer virtuellen Realität oder auch kurz Simulationstraining.
Fair nimmt augenblicklich vor Sephiroth Haltung an und dröhnt: "General Sephiroth, Sir! Es ist mir eine Ehre! Wirklich, eine ungeheure Ehre! Sir!" Er vibriert geradezu vor Begeisterung und Eifer.
Sephiroth macht eine beschwichtigende Handbewegung. "Schon gut, Fair. Steh um Himmels willen bequem."
Fair grinst - was sonst - und wirkt so aufgeregt, als würde er gleich die Zunge herausstrecken und hecheln. Angeal sagt irgendwas Nettes zu ihm, dann stürmt der Junge in den VR-Raum, und die Erwachsenen gehen in den angrenzenden Überwachungsraum mit dem Schaltpult und dem Beobachtungsposten, von dem aus sie die Vorgänge durch eine Glasscheibe mitansehen können. Angeal programmiert die Simulation. Genesis und Sephiroth stehen beieinander und schauen durch die Scheibe auf Fair, der Kniebeugen macht.
"Ich frage mich immer, ob er wirklich so blöd ist oder nur zu faul, um ein bisschen intelligenter zu erscheinen", murmelt Genesis.
"Ich halte ihn keineswegs für dumm", antwortet Sephiroth ruhig. "Wir sollten ihn nicht unterschätzen, nur weil er anders ist als wir."
Genesis blickt ihn an, während Sephiroth weiter auf Fair sieht. "Auch wieder wahr. Ich sollte auch Kniebeugen machen, vielleicht werde ich dann ganz schnell und automatisch ein Held."
"Vielleicht solltest du das tun", entgegnet Sephiroth ungerührt, und Genesis lacht amüsiert, als er kapiert, dass der andere auf seine Ironie eingegangen ist.
Die Simulation baut sich auf und erschafft in Windeseile eine Steppe mit trockenem Gras und Felsbrocken. Ein denkbar langweiliges Ambiente, aber für die Zuschauer gut einsehbar, und darum geht es ja hier. Fair zückt sein Schwert und geht in Kampfstellung.
"Bereit?", fragt Angeal ins Mikrofon.
"Bereit!", ruft Fair und fügt übermütig hinzu: "It's showtime! Oh yeah!"
Zwischen den Felsen beginnen einzelne Monster hervorzuspringen. Im Gegensatz zum üblichen Ablauf hat Angeal nicht die leichten Gegner an den Anfang gestellt, um die Schwierigkeit allmählich zu steigern, sondern eine bunte Mischung kreiert, bei der sich die verschiedensten Gegner abwechseln, so dass Fair sich auf jeden einzelnen konzentrieren und einstellen muss. Nur die Geschwindigkeit, mit der die Gegner aufeinander folgen, steigt kontinuierlich an.
Genesis gefällt diese Programmierung. Sie ist unvorhersehbar und somit unterhaltsam. Darüber hinaus muss er zugeben, dass Fair sich gut schlägt. Seine Hyperaktivität macht sich in Flexibilität und Schnelligkeit bezahlt. Wahrscheinlich bräuchte er jeden Tag für zwei oder drei Stunden so ein Programm, an dem er sich abarbeiten kann, dann wäre er möglicherweise etwas erträglicher. Oder auch nicht, seine penetrante gute Laune würde es kaum regulieren. Jedenfalls ist er mit dem Schwert ziemlich stark und zielgenau und setzt auch hin und wieder Materia ein. Allerdings scheint er da nicht sehr wählerisch zu sein, er schmeißt einfach mit dem um sich, was ihm gerade einfällt und ist nicht immer erfolgreich. Für gewöhnlich ist die Simulation so eingestellt, dass die Angreifer dem Übenden keine tödlichen Verletzungen zufügen können. Aber die ausgefeilte Technik ShinRas erlaubt doch ein realistisches Erleben mit echtem Gefährdungspotenzial, sonst wäre der Trainingseffekt für SOLDIERs viel zu gering.
Fair schafft es, alle Gegner zu besiegen, ohne einen Kratzer abzubekommen.
Nach einer halben Stunde ist das Programm beendet. Während sich die Pixel auflösen, spricht Angeal ins Mikro: "Gut gemacht, Zack. Ich sprech noch kurz mit Genesis und Sephiroth, danach kommen wir zu dir rein."
"Alles klar!" Fair winkt und hüpft.
Genesis rollt die Augen.
"Na, was meint ihr?", wendet sich Angeal erwartungsvoll an seine Freunde.
"Er kann kämpfen, und er ist darin auf einem guten Weg", urteilt Sephiroth unverzüglich.
Angeal strahlt, und Genesis fühlt sich verpflichtet, ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. “Das ist er, aber zu einer Karriere in SOLDIER gehört doch viel mehr. Vor allem braucht er Praxis im Feld, Missionen, die ihn fordern. Er muss anfangen mitzudenken, nicht nur draufhauen.”
“Natürlich, das weiß ich ja”, versichert Angeal schnell. “Genau das strebe ich mit der Ausbildung an. Deshalb will ich, dass er anspruchsvollere Missionen bekommt, wo wir Hand in Hand arbeiten. Aber die sind den Seconds vorbehalten.”
“Und er braucht Solomissionen”, fügt Sephiroth an. “Solche, bei denen er eigenverantwortlich handelt und nicht im Windschatten seines Mentors mitläuft. Auch nicht unter dessen Regenschirm.”
Angeal runzelt die Stirn, was genau das ist, was Genesis erwartet hat. “Ich muss schon noch ein Auge auf ihn haben.”
“Das wird nicht funktionieren”, sagt Sephiroth kategorisch und gnadenlos. “Dann wird er nicht aufhören, sich auf dich zu verlassen.”
“Ich lass ihn doch nicht ins offene Messer rennen.” Angeals Protest klingt schon fast weinerlich, und Genesis hebt die Hände.
“Meine Güte, Angeal, du bist echt eine Glucke. Eine, die ein Hundebaby ausgebrütet hat.”
Er erwartet Entrüstung, doch sein Freund fängt an zu grinsen und dann leise zu lachen.
“Das ist überhaupt nicht lustig”, ereifert sich Genesis, der sich nicht ernst genommen fühlt.
Aber da fällt ihm ein beängstigend breit grinsender Sephiroth in den Rücken. “Doch, Genesis, das ist eine außerordentlich witzige Vorstellung.”
“Ach, mit euch kann man ja nicht vernünftig reden”, schimpft Genesis, die Hände in die Hüften gestemmt. "Außerdem braucht er unbedingt Materia-Training, sonst kann er First Class vergessen, ehrlich."
"Da stimme ich dir vollkommen zu", gesteht Angeal ein. "Ich werde einen guten Lehrer finden, der ihm darin die nötige Nachhilfe gibt."
Genesis zuckt die Schultern. "Klingt sinnvoll. Also dann schlag ihn halt zum Second vor, meinen Segen hast du.” Damit lässt er die beiden stehen und marschiert zurück in Richtung Büro. Hinter sich hört er noch ein vergnügtes “Na also, geht doch.”
Kopfschüttelnd lässt er sich in seinen Bürostuhl fallen.
Es ist nicht so, dass er Fair die Beförderung nicht gönnt. Er weiß bloß noch zu gut, was er und Angeal schon alles geleistet hatten, bevor sie die Stufe zum SOLDIER Second Class erklimmen durften. Die nächste Beförderung, nämlich die zum First schaffte Genesis nur ein halbes Jahr später. Damals war er noch immer sechzehn und somit nach Sephiroth der Jüngste, der je zum First Class befördert wurde. Gut, das würde Fair ohnehin nicht schaffen, er wird in ein paar Monaten schon siebzehn, aber darum geht es ja nicht. Genesis bezweifelt wirklich, dass der Junge die nötige psychische Reife für einen so rasanten Aufstieg im Programm hat. Für einen SOLDIER, egal in welchem Rang, geht es fast auf jeder Mission um Leben und Tod, sonst hätte man dieses Programm gar nicht ins Leben zu rufen brauchen.

Er seufzt und stellt fest, dass er nicht mehr die geringste Lust zum Arbeiten hat. Es ist mittlerweile auch schon fast 1700 Uhr, und er könnte langsam Feierabend machen. Geregelte Arbeitszeiten gibt es bei SOLDIER sowieso nicht. Nach den monatelangen Fronteinsätzen, die sie alle geleistet haben, steht ihnen Urlaub von ebenfalls mehreren Monaten zu, den sie nie genommen haben und nie nehmen werden. Genesis ist froh, dass er sich wenigstens mit der Büroarbeit nicht fertigmacht wie Angeal und vor allem Sephiroth.
Voller Vorfreude konsultiert er seinen Kalender für morgen, um die beste Zeit für die angekündigte Massage herauszusuchen. Vielleicht hatte Angeal ja doch recht und es führt viel leichter zum Ziel, das Eis, das Sephiroth um sich herumgebaut hat, zu schmelzen als es zu brechen. Bei jedem anderen würde Genesis die kleinen Schritte, mit denen er sich bewegt, albern und unsinnig finden, weil es halt kein Sex ist. Aber irgendetwas sagt, dass sich in Sephiroths Fall die Mühe lohnt. Seine eigene Laune ist jedenfalls erheblich gestiegen nach den Fortschrittchen, die sie bereits machen.

 

Chapter 18: Junon

Notes:

Warnung: Canon-typische Gewalt

Chapter Text

Ich wache um 0416 Uhr auf und weiß, dass die Nacht für mich zu Ende ist. Meine Gedanken sind da, wo sie auch direkt vorm Einschlafen waren - bei Genesis. Unmöglich, jetzt, nach knapp sechs Stunden, noch einmal wegzudämmern. Ich bin hellwach.
Mit einem lautlosen Seufzer stehe ich auf und gehe ins Bad. Dies ist nicht die erste Nacht, die ich dem Einfluss meines Kollegen opfere. Was Genesis mit mir seit der ShinRa-Party macht, absichtlich und unwissentlich, ist mehr als ich mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt hätte. Ich wusste schon, warum ich so lange gezögert habe, auf sein Drängen einzugehen. In dem seltsamen Spiel, das wir spielen und das für mich alles andere ist als das, ist er mir haushoch überlegen. Die Regeln sind mir unbekannt, ich kann sie in keinem Archiv und auf keinem Server des Planeten nachlesen. Ich habe mich nicht so hilflos gefühlt, seit ich ein kleines Kind war und Hojo eine mutierte Kimara-Wanze auf mich gehetzt hat, damit ich das Töten lerne.
Ich genieße lange das heiße Wasser der Dusche und den frischen Duft des Duschgels, das ich benutze. Ich streiche über meine Schultern, meine Brust, den Bauch und den Hintern. Glatte, schlüpfrige Haut, harte, ausgeprägte Muskeln. Es ist das, was er fühlt, wenn er mich berührt. Ich habe nie viel über meinen Körper nachgedacht, nur über das, wozu er fähig ist, was ich mit ihm tun kann und wie ich es steigern kann. Mein Körper ist eine perfekte Waffe, mit der ich zufrieden war, wenn mein Arbeitgeber zufrieden war. Sexuelles Empfinden beschränkte sich auf das nicht allzu kleine Anhängsel zwischen meinen Schenkeln.
Jetzt wünschte ich, seine Hände würden mich anstelle meiner eigenen berühren. Seine Finger, seine Lippen, sein Haar ... Er hat keine Ahnung, wie wichtig er für mich geworden ist. Und ich? Bin ich wirklich so wichtig für ihn, wie seine Aufmerksamkeit mir gegenüber vermuten lässt? Oder bin ich nur ein neues Spielzeug, aufregend, weil er noch nicht genau weiß, wie es funktioniert?
Götter, bin ich so frustriert, wie meine Gedanken gerade klingen? Nein, ich habe nur ein paar Folgen zu viel von dieser Seifenoper angeschaut, um herauszubekommen, wie man sich in einer Sexaffäre verhält. Die Frau, die ich soeben gedanklich zitiert habe, ist etwa doppelt so alt wie ich und hat sich einen zwanzig Jahre jüngeren Kerl angelacht, der auf den ersten Blick in mir das Bedürfnis geweckt hat, ihn übers Knie zu legen. Er ist nichts weiter als ein eingebildetes Balg, ungefähr so wie Rufus Shinra. Keinerlei Ähnlichkeit mit Genesis, außer seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz in Sachen Sex. Die Technik kann man ein Stück weit in der Theorie lernen, die Gefühle nicht.
Ich drehe die Dusche aus und rubble mich gemächlich trocken.
Gestern Abend hat er mir noch einen Termin für die versprochene Massage vorgeschlagen. 1430 Uhr, gleich nachdem er seine Materia-Klasse beendet hat. Mir passt der Zeitpunkt, da habe ich weder eine Mission noch ein Meeting, nur staubtrockenen Papierkram. Eigentlich wollte er, dass wir uns abends sehen. Klar, er möchte meine "Lektionen" fortsetzen, und das will ich auch. Aber heute wäre es noch zu früh. Daher also am Nachmittag. Der Konzernvorstand tritt heute und morgen sowieso nicht zusammen, da der Präsident in Junon weilt. Er will dort vor dem Machtsymbol, der gewaltigen Makokanone, genannt die Sister Ray, eine Rede aufzeichnen, die planetenweit ausgestrahlt werden soll.  
Auch Angeal ist nicht im Tower, er hat eine Mission im Grasland, zu der er Zackary Fair mitgenommen hat. Er ist wirklich vernarrt in den Third, aber das sei ihm gegönnt. Fair ist ein netter und talentierter Junge, abgesehen davon, dass er mich persönlich wahnsinnig machen würde, aber er ist ja auch nicht mein Schüler. Warum Genesis ihn so heftig ablehnt, ist mir ein Rätsel.
Ich denke an seine Umarmung und den Kuss von gestern. Es war ein unschuldiger, süßer Kuss, gar nicht typisch für ihn. Und ich wüsste nicht, wann ich das letzte Mal das Attribut ‘süß’ verwendet habe, außer für die entsprechende Geschmacks- oder Duftnote. Ich verstehe nicht, was in mir vorgeht, geschweige denn, was in seinem Kopf abläuft. Aber das weiß ich sowieso nie.
Ich denke daran, wie es sich anfühlen wird, wenn seine eleganten und starken Hände meine Schultern durchkneten. Im Büro während der Arbeitszeit besteht keine Gefahr, dass es erotisch wird, abgesehen davon, dass alles, was er mit mir tut, erotisch ist. Gestern ging es nicht, weil ich noch kaum sitzen konnte. Heute ist der Schmerz in meinen Hoden so weit verblasst, dass ich wieder eine Shorts und die Lederhose anziehen kann. Das Spannungsgefühl ist noch da, aber es ist auszuhalten. Nicht mehr so schlimm, als müsste die dünne Haut über dem angeschwollenen Gewebe bei jeder Berührung aufplatzen.
Ich kleide mich an bis auf den Mantel und föhne meine Haare.
Dass Genesis mit Angeal in mein Apartment eingedrungen ist, als ich von Hojos Spritze gefällt auf der Couch vegetierte, erscheint mir immer noch unglaublich. Noch viel unglaublicher war seine Zuwendung, seine ruhige Art, mir beizustehen. Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Ebenso überrascht war ich und bin ich auch jetzt noch von der Selbstverständlichkeit, mit der ich mich in seiner Gegenwart wohlgefühlt habe. Was in dem Zustand meiner Schwäche alles andere als selbstverständlich gewesen sein sollte.
Warum tut er das bloß alles für mich? Wieso ist er in letzter Zeit so  nett  zu mir? So viel Mühe, nur um mich Dilettanten ins Bett zu kriegen? Nicht dass ich mich beschweren will. Ich mag es. Ich mag es viel zu sehr.
Dabei war mir nach dem Vorfall im Trainingsraum und danach in meinem Apartment absolut nicht zum Lachen zumute. Aber wieder einmal hat er sich anders verhalten als ich erwartet habe. Er war betroffen, und er hat es mir gezeigt. Er hat sich praktisch bei mir entschuldigt und ist mir auch später nicht aus dem Weg gegangen, alles Dinge, die sein Stolz ihm einigermaßen übel genommen haben dürfte. Wenn er also in dieser Sache so ehrlich ist, denke ich, sollte ich es auch sein.

Mir fällt auf, dass ich mit abgeschaltetem Föhn herumstehe und vor mich hinstarre. Götter, ist das noch normal? Geht es anderen Leuten auch so, nur weil sie mit einem alten Freund zusammen ihren ersten richtigen Orgasmus hatten?
Kopfschüttelnd ziehe ich mich fertig an und verlasse das Apartment. Frühstücken werde ich in der SOLDIER-Lounge. So früh ist man dort ziemlich alleine, aber man bekommt schon Kaffee und ab 0600 Uhr Brötchen und Müsli.
Natürlich könnte ich Angeal um Rat fragen. Er hat mir seine Hilfe ja neulich praktisch angeboten, auch wenn das Genesis schon wieder gleich auf die Palme gebracht hat. Aber ich will ihm keine intimen Details über mich und Genesis erzählen, das geht mir gegen den Strich. Außerdem ist er nicht schwul. Er hatte zwei Beziehungen, von denen ich weiß und die jeweils etwa ein Jahr gedauert haben, eine davon mit einer attraktiven, blonden Turk. Aber naja, er weiß eben nicht, wie es zwischen zwei Männern ist. Und er neigt dazu, etwas aufdringlich zu sein, auch wenn er es gut meint. Ich dachte wirklich, er reißt mir vorgestern auf der Couch die Decke von meinem nackten, geschundenen Unterleib, nur um mich zu “versorgen”. Die Vorstellung ist das Material, aus dem Alpträume sind.
In der Lounge setze ich mich mit meinem Kaffee und einem belegten Brötchen an einen Tisch an der Fensterfront. Ich habe die freie Auswahl. Während ich frühstücke, lasse ich die heraufziehende Dämmerung auf mich wirken. Früher hatte ich überhaupt kein Interesse an derartigen Naturphänomenen, erst Genesis und Angeal haben mich gelehrt, ruhig zu werden und genauer hinzuschauen, vor allem in den wilden Landschaften Wutais, die noch nicht von der Mako-Förderung zerstört sind. Aber auch in Midgar kann ich solche Momente jetzt genießen. Ich finde die Stadt sehr ambivalent. Ich mag die Architektur und das lebendige Feeling, andererseits gehen mir der Makodunst und die vielen Menschen oft auf die Nerven. Diese Ambivalenz hat Midgar mit Genesis gemein, denke ich, und muss innerlich grinsen.
Ich glaube, ich will eine Beziehung mit Genesis, wie immer die auch aussehen mag. Ich will meine sexuelle Lust leben, und das nicht mit irgendwem. Das Risiko, betrogen oder verraten zu werden, ist bei einem anderen auch nicht geringer. Ich will dieses Bündel aus Feuer und Magie, das ebenso wild wie zärtlich sein kann, und wenn ich Genesis auf dem Schlachtfeld vertraue, kann ich es auch im Bett tun. Klingt das logisch? Keine Ahnung.
Ich nehme mir vor, ihn für morgen Abend in sein Lieblingsrestaurant einzuladen, als Entschädigung für unser ausgefallenes Date. Bis dahin wird auch Sex wieder ohne Schmerzen möglich sein.

Um 0700 Uhr begebe ich mich in mein Büro und fange an zu arbeiten. Ja, nach mir kann man die Uhr stellen. Eine Eigenschaft, die Genesis überhaupt nicht gefällt, wie ich weiß. Aber Routine ist etwas, das mich beruhigt, das mir Normalität in einem verrückten Umfeld wie ShinRa vorgaukelt. Andererseits muss ich in meinem Beruf flexibel genug sein, dass ich mich auch auf seine Spontaneität einzustellen vermag, wenn ich das möchte.
Wenn es irgendwann schiefgeht, wenn ich ihn in meiner Ungeschicklichkeit kränke und er mich von sich stößt, werden wir leiden, auch das ist mir bewusst. Die Katastrophe wird perfekt sein. Unsere Freundschaft wird zerstört sein, und Angeal wird ein furchtbar schlechtes Gewissen haben, weil er uns nicht beschützt hat. Ganz zu schweigen von Hojo, dem es nicht schwerfallen dürfte, mich zu durchschauen, wenn ich depressiv bin, und dem es ein Vergnügen sein wird, mich mit allen möglichen und unmöglichen Makozubereitungen vollzupumpen, um die Wirkung auf meine Psyche zu testen.
Es ist wohl doch besser, an unser bevorstehendes Mini-Date zu denken als an die Unwägbarkeiten, die uns noch drohen.
Der Vormittag vergeht ereignislos. Ich wundere mich etwas, wie ungeduldig ich immer wieder auf die Uhr sehe. Das kenne ich von mir nicht. Wieder einmal melden sich meine Bedenken, dass Genesis einen negativen Einfluss auf meine Konzentration ausübt.
Und dann bekomme ich eine Email, eine SMS und einen Anruf gleichzeitig. Die Mail und die SMS tragen im Betreff das Notfallzeichen, aber ich gehe natürlich zuerst an mein PHS.
"Sephiroth, Noteinsatz in Junon!", bellt Lazards Stimme. "Schon wieder AVALANCHE! Sie sind mit einer unbekannten Anzahl Soldaten in die Stadt eingedrungen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie das Hotel finden, in dem der Präsident logiert! Helikopterstart, sobald du am Landeplatz bist!"
"Verstanden!", belle ich zurück und bin schon auf dem Weg.
Es sieht so aus, als sollte ich kein Date mit Genesis zustande bekommen. Verdammt!
Am Aufzug benutze ich meine ID, um ihn ohne weiteren Halt zu mir zu rufen. Trotzdem dauert es mir viel zu lange, und ich tue, was ich sowieso noch tun muss: Ich tippe die Kurzwahltaste für Genesis an.
Nach dem ersten Klingeln ist er dran. "Hey Seph, wo bleibst du?"
"Äh ... " Da hat er es doch wirklich geschafft, mich sprachlos zu machen!
Er lacht. "Mich wirst du nicht so schnell los. Ich war bei Lazard, als der Notruf von Veld durchkam und uns beide anforderte! Hab gerade den Landeplatz betreten."
"Nicht schlecht. Ich bin noch im Aufzug."
"Haha! Erster!" Damit legt er auf.
Ich muss schmunzeln. Ein gemeinsamer Einsatz außerhalb des Krieges, das ist selten. Und dazu so ein brisanter. Die Turks beziehungsweise Heidegger müssen wirklich die Hosen voll haben. Junon ist eine Militärbasis. Ich bin gespannt, was die Terroristen aufgefahren haben, dass sie dort nicht alleine mit ihnen fertigwerden. Scheint eine größere Organisation zu sein.
Zwei Minuten später bin ich ebenfalls oben und schwinge mich in den Helikopter, der mit laufenden Rotoren auf mich wartet. Noch bevor ich mich neben Genesis im zweiten Passagiersitz niedergelassen habe, betätigt der Turk im Pilotensitz den Knopf, der die Tür schließt, und wir heben ab. Ich bringe etwas mühsam meine Haare in Ordnung, die der Wind von den Rotorblättern mir dreimal um den Kopf geweht hat.
"Es spräche doch einiges für einen Zopf", bemerkt Genesis frech.
"Niemals”, antworte ich kategorisch.
Er grinst.
Der Helikopter wird auf höchste Geschwindigkeit beschleunigt, und Midgar bleibt rasch unter uns zurück. Übers Headset werden wir vom Turk-Hauptquartier ständig auf dem Laufenden gehalten. Die Terroristen haben mehrere Brennpunkte in Junon geschaffen, an denen sie die Infanterie beschäftigt halten. Sehr geschickt, genauso würde ich es auch machen, um möglichst unbehelligt am eigentlichen Ziel zuzuschlagen. Aber was ist ihr eigentliches Ziel? Der Präsident?
Wir fliegen an der Küste entlang. Es geht mir immer noch nicht schnell genug. Ich merke, wie ich vor Anspannung die Zähne aufeinander beiße. Die einzige körperliche Reaktion, die ich mir gestatte. Ein Blick zu Genesis, der aus dem Fenster starrt und mir sein Profil zuwendet, zeigt mir eine scharfe Kieferkante und einen Muskelstrang wie ein straffes Seil. Er also auch. Es ist ein gutes Gefühl, ihn hier neben mir zu haben.
Wir bekommen heftige Kämpfe an dem Lift gemeldet, der die Verbindung zwischen der Oberstadt und dem Unterwasserreaktor darstellt. Dann bricht AVALANCHE durch! Sie sind auf dem Weg zum Reaktor!
“Ich fliege euch direkt bis zum Lift”, teilt uns unser Pilot mit.
“Alles klar”, bestätigen Genesis und ich wie aus einem Mund.
Wir sind bereits über der Bucht von Junon. Aus den Fenstern auf der linken Seite kann ich die Steilküste sehen, und allmählich rückt das gewaltige Rohr der berühmten Mako-Kanone, der Sister Ray, ins Blickfeld. Der Helikopter legt sich in eine Schleife, die über den Hafen zum hinteren Rand der Oberstadt führt und letztlich am Lift enden wird.
Da kommt eine neue Meldung herein. “Das Hotel, in dem der Präsident logiert, wurde von AVALANCHE-Kämpfern gestürmt! Alle Wachposten niedergemacht! Nur noch zwei Turks vor Ort. Sofortige Richtungsänderung zum Hotel vornehmen! Oberstes Stockwerk, die linke Suite!"
Die scharfe Wende bringt den Hubschrauber kurz fast ins Trudeln. Der Präsident geht vor dem Reaktor, keine Frage.
“Ich lande auf dem Dach”, informiert uns der Pilot.
“Nein!”, ruft Genesis überraschend. “Das wäre ein Umweg! Halt direkt aufs Fenster zu! Ich habe Sprung-Materia dabei!”
Sieh an, da hat er mal wieder was Neues aus dem Materia-Labor mitgehen lassen.
“General Sephiroth?”, fragt der Pilot zu mir. Noch bin ich schließlich hier der Befehlshaber.
“Tun Sie, was er sagt!”, weise ich ihn an und sehe, wie Genesis die Augen verdreht. Seine linke Hand fängt schon an, lila zu pulsieren.
Ich stelle mich an die Tür, während der Helikopter vor einem der großen Fenster in Position geht.
“Viel Erfolg!”, wünscht unser Pilot, und die Tür gleitet auf.
Ich spüre Masamunes Griff in meiner Faust, aktiviere mit einer Geste der anderen Hand ihre Magie.
“It’s showtime!”, dröhnt Genesis dicht hinter mir.
“Oh yeah!”, antworte ich und höre ihn laut auflachen. Dann stoße ich mich ab. Im selben Moment trifft mich ein Stoß, den man getrost mit einem kräftigen Tritt in den Hintern vergleichen kann.
Ein gut gezielter Streich mit Masamunes Spitze verwandelt die Fensterscheibe in einen Scherbenregen. Mit den angezogenen Füßen voran segle ich durch die Öffnung, nehme wie in einem Blitzlicht die Situation im Raum wahr, während der Schub mich bis zur anderen Wand befördert, wo ich auf einem Kerl in einer fremden, braunen Uniform lande. Das ist günstig, er ist der, der von den sechs anwesenden Terroristen am weitesten ins Zimmer vorgedrungen ist. Ich beende sein Leben mit einem Stoß von hinten durchs Herz. Wirble herum. Sehe den Präsidenten, der hinter einem Schreibtisch in Deckung gegangen ist - gut. Sein blonder, schnurrbärtiger Kopf lugt über die Platte - nicht gut.
“Runter!”, brülle ich ihn an, weiß nicht, ob er spurt. Denn ich bin schon an zwei anderen Feinden dran, die mich mit der Munition ihrer Maschinenpistolen eindecken. Durch meine Barriere dringt nichts hindurch. Sie sind viel zu selbstsicher und unflexibel, und ich habe keine Mühe, sie auszuschalten.
Ich sehe Genesis aus dem Augenwinkel wie einen roten Irrwisch, der auf der anderen Seite in der Nähe der offenen Zimmertür kämpft. Schräg vor mir ist Reno zugange und neben ihm Cissnei. Die Bewegungen der jungen Rothaarigen sind eckig, sie scheint verletzt zu sein, und ich erledige den Kämpfer, der auf sie schießt. Ein anderer drückt sich auf der Fensterseite an mir vorbei auf dem Weg zum Schreibtisch und somit zu meinem Chef. Das hat er sich so gedacht!
Wie ich zu meinem Erstaunen feststelle, trägt er keine braune, sondern eine schwarze Uniform und hält ein Schwert. Aber er ist definitiv kein SOLDIER. Wir kreuzen die Klingen. Er ist stärker als ich angenommen habe, dennoch findet Masamune ziemlich schnell ihr Ziel in seinem Magen.
Das hektische Knallen der Schüsse hinter mir wird durchbrochen von einem kurzen Aufschrei und dem Zischen einer Feuer-Materia. Genesis?!
Ich fahre herum. Er lehnt mit dem Rücken im Türrahmen, die linke Hand auf die Hüfte gepresst. Auch sein derzeitiger Gegner kämpft mit einem Schwert und dringt wild auf ihn ein. Das Rapier zuckt in leuchtendem Rot. Vom Gang draußen kommt ein weiterer brauner Soldat auf ihn zu, der mit seiner Pistole fuchtelt, auf ihn anlegt. Etwas passiert in mir, und ich stürze quer durch den Raum. Werfe mich gegen den Schwertkämpfer und mit ihm zusammen auf den Schützen. Wir gehen alle zu Boden, aber ich bin der Erste, der wieder auf den Beinen ist, und töte beide zugleich mit einem ausladenden Streich.
Genesis schreit: “Bist du verrückt geworden?! Was machst du denn?!”
“Du bist verletzt!”, schreie ich zurück, und es klingt wie ein Vorwurf.
Sein Gesicht ist verzerrt vor Wut oder vor Schmerz oder beidem. “Deswegen bin ich nicht gelähmt, verdammt! Der Präsident!”
Ich sehe zum Schreibtisch und entdecke den Schwarzen, dem ich den Bauch durchbohrt hatte. Er ist schon halb hinter dem Tisch, wo Shinra aufgestanden ist und aus kurzer Entfernung auf ihn schießt. Der Soldat wehrt mit dem Schwert die Kugeln ab wie ein SOLDIER. Wieso lebt der Kerl überhaupt noch und ist obendrein so fit? Ich haste wieder zurück, katapultiere mich auf die Tischplatte und trenne sauber den Kopf des Soldaten vom Rumpf. Mal sehen, ob er jetzt endlich genug hat.
Besorgt sehe ich zur Tür, wo der andere Schwarzgekleidete sich ebenfalls wieder aufrappelt. "Genesis, pass auf!", rufe ich.
Doch mein Freund hat die Gefahr längst registriert und wirkt einen gemasterten Feuerzauber, dessen Hitze den Feind erst in eine lebende Fackel und kurz darauf in einen zusammengeschmolzenen Haufen verwandelt.
Dann ist im Raum Ruhe eingekehrt, abgesehen von den lautstarken Flüchen von Reno.
Ich wende mich zum Präsidenten um. “Ist alles in Ordnung, Sir?”
Er nickt mir zu. “Ja, ich bin unverletzt. Ich muss unbedingt …” Sein Mobiltelefon klingelt und er meldet sich sofort.
Gleichzeitig höre ich über das Headset, das ich natürlich noch immer trage: “Die Kanone! Sie haben die Kanone besetzt und richten sie auf Midgar aus!”
Jetzt fluche ich unisono mit Reno, während der Präsident nur sagt: “Sephiroth macht das!” Er beendet die Verbindung und sieht mich an. “Sephiroth, die Sister Ray!”
“Jawohl, Sir!”
Er wirkt, als stünde er seelenruhig in seinem Büro im Tower ohne jegliche Bedrohung. Nerven hat er, das muss man ihm lassen.
Ich wende mich an Genesis, Reno und Cissnei. “Ihr bleibt hier beim Präsidenten und fordert Verstärkung an, soweit vorhanden, und Sanitäter. Genesis, ich übergebe dir das Kommando hier.”
“Sir!” Damit wird er offiziell seinen Job als mein Stellvertreter ausüben.
Da kommt ausgerechnet vom Präsidenten Widerspruch. “Wir können nicht hierbleiben. Ich muss ins Studio und die Rede aufzeichnen, gerade jetzt … “
“Verzeihung, Sir”, unterbreche ich ihn rüde. “Aber das wird warten können und müssen. Sie haben mich mit dem Schutz Ihrer Person beauftragt, und diesen Auftrag nehme ich ernst, wie Sie es wohl auch erwarten. Deshalb werden Sie dieses Haus nicht verlassen, bis die Stadt sicher ist.”
Shinra sieht mich an und hebt die Brauen. “So so. Nun, dann bist du vermutlich für die nächste Stunde der Boss hier.”
“So ist es, Sir”, antworte ich trocken, und er ist klug genug, es dabei zu belassen.
Ich mag es nun mal, wenn meine Befehle befolgt werden. Wobei ich nicht ignorieren kann, dass ich vor etwa drei Minuten selbst den Befehl, den  ich  erhalten habe, missachtet habe, als ich Genesis den Vorrang vor unserem Chef gegeben habe. Aber der Chef hat nichts darüber gesagt, und ich werde später über diesen Faux pas nachdenken müssen.
Ich eile zum Fenster und trete in die Öffnung, vor der in einem Abstand von fünf oder sechs Metern bereits der Helikopter mit offener Tür und dröhnenden Rotoren wartet. Ein Blick zu Genesis, der mir zunickt. Sobald ich mich abstoße, trifft mich die Magie und befördert mich direkt in das Fluggerät, diesmal mit dem Kopf voran. Ich lege eine sichere, aber wenig elegante Bauchlandung hin. Ein bisschen Übung mit der Sprung-Materia wäre doch noch vonnöten.

Wir erreichen den Aufzug innerhalb von fünf Minuten. Aus einer Höhe von vier Metern springe ich ab. Die leblosen Körper von AVALANCHE-Soldaten und ShinRa-Infanteristen, die über den Platz verstreut liegen, zeugen von den harten Kämpfen, die hier stattgefunden haben.
Meine Schlüsselkarte gewährt mir den Zutritt zum Aufzug und die Bereiche unterhalb der Stadt.
In dem Tunnel, der sowohl zum Unterwasser-Reaktor als auch zur Sister Ray führt, treffe ich auf das ShinRa-eigene Sicherheitssystem. Es besteht aus allerlei Finessen, für die überwiegend Scarlet verantwortlich zeichnet. Leider ist Generalalarm gegeben worden, was bedeutet, dass jeder angegriffen wird, der den Tunnel betritt, egal ob Freund oder Feind. Ich habe zwar keine Schwierigkeiten mit den Robotern und mechanischen Fallen, aber sie halten mich in meiner Mission auf, in der jede Sekunde zählt.
Als ich endlich den Vorraum zur Steuerzentrale der Kanone erreiche, sehe ich mich einer ganzen Abteilung der braun gekleideten Soldaten gegenüber. Ich bin auf ihre Anwesenheit hier gefasst, sie auf die meine nicht. Das Überraschungsmoment gepaart mit meiner natürlichen Geschwindigkeit und überlegenen Kraft lässt ihnen keine Chance. Bevor sie die Maschinenpistolen anlegen und abdrücken können, bin ich schon über ihnen. Meine Barriere würden die Projektile sowieso nicht durchdringen. Ich arbeite konzentriert, aber nicht übermäßig sorgfältig. Außer mir muss hier keiner überleben.
Nach etwa drei Minuten tut das auch keiner mehr. Boden und Wände und sogar die Decke des Tunnels sind gezeichnet von tiefen Scharten und Einschusslöchern, alles eingefärbt in klebrigem Rot. Ich kann nicht behaupten, dass das Töten an sich mir Freude macht, aber es erfüllt mich mit Befriedigung, meine Arbeit gut und effektiv zu erledigen. Außerdem kämpfe ich gern. Am liebsten mit Genesis.
Nein, der gehört jetzt nicht hierher.
Plötzlich ertönt von weiter vorne das Piepen, das den Countdown zum Abfeuern der Kanone einleitet, begleitet von rotem Blinken. Es wird höchste Zeit. Zum Glück versperren mir keine weiteren Wachen oder Kampfroboter den Weg und ich erreiche nach einem kurzen Sprint die Steuerzentrale. Ich habe noch fünf Minuten, bevor die Sister Ray auf Midgar feuert, wie mir eine weibliche Computerstimme mitteilt, und die weiß ich zu nutzen. Masamune räumt zuverlässig die beiden Terroristen beiseite, die sich im Raum aufhalten.
Den Steuerungsmechanismus der Kanone kenne ich in- und auswendig, auch wenn ich ihn noch nie bedient habe. Das gehört zur SOLDIER-Grundausbildung. Das Schöne daran ist, dass zum Abschalten meine Identifikation sowie eine einfache Tastenkombination ausreichen. Das Blinken und das Piepen verstummen, der Monitor meldet: "Vorgang abgebrochen." Ich veranlasse das Herunterfahren der Makoladung, überprüfe alle Messwerte. Sie sehen gut aus.

Da ertönen von draußen Schüsse und ich verlasse rasch die Zentrale und laufe in die Richtung, aus der der Lärm kommt.
Als ich die Plattform am Fuß des Sockels der Kanone erreiche, sehe ich, dass sich eine junge Turk mit langem, blondem Pferdeschwanz ein hitziges Duell mit einem von AVALANCHEs Schwertkämpfern liefert. Der Soldat, der keine Uniform und auch keine Maske wie die anderen trägt, entgeht den hektisch abgefeuerten Projektilen mühelos, dringt mit seiner Klinge unwiderstehlich auf die junge Frau ein.
“Du hast die Falsche!”, ruft die Turk soeben keuchend. “Ich habe deine Kameraden nicht getötet.”
“Egal”, faucht ihr Gegner und ich registriere, dass es sich auch bei ihm um eine Frau handelt. “Nieder mit ShinRa!”
Die Turk geht zu Boden, und die AVALANCHE-Kämpferin holt zum entscheidenden Streich aus.
Ich springe dazwischen. Die Terroristin weicht zurück. Sie ist schmal und blass, das kurze, braune Haar fällt ihr wirr ins Gesicht.
“Der silberne SOLDIER”, stellt sie fest. “Sephiroth.”
“Und du bist?”, schnarre ich.
“Elfé”, erwidert sie selbstbewusst. “Anführerin von AVALANCHE.”
Interessant. Unsere Höflichkeiten werden von ihrem Angriff unterbrochen. Unsere Klingen treffen klirrend aufeinander, ich jage eine Ladung Magie durch Masamune. Doch Elfé widersteht ihr! Wir trennen uns, taxieren einander.
"ShinRa zerstört den Planeten!", behauptet sie anklagend. "Es saugt ihm die Seele aus, denn Mako ist die Seele des Planeten; die Essenz des Lebensstroms! Ohne das Mako kann nichts gedeihen, unsere Welt verödet! Das siehst du überall, wo es Reaktoren gibt - in Midgar, hier in Junon, in Nibelheim. Deshalb muss ShinRa zerstört werden, bevor es den Planeten zerstört!“
„Und die Auslöschung einer Millionenmetropole ist für dich eine angemessene Methode?!“, halte ich ihr entgegen.
„Wir bei AVALANCHE haben das Ziel, den Planeten zu retten!”, ruft sie fast so theatralisch wie Genesis. “Das ist der Grund für unseren Kampf! Wofür kämpfst du?”
Was für eine dreiste Person! Was glaubt die, wer sie ist? ‘Schnepfe’, würde Genesis sagen. “Ich verdiene 13.000 Gil”, werfe ich ihr hin. “Im Monat! Außerdem habe ich einen Eid geleistet, so wie jeder Soldat!“
“Hmph!”, macht die Schnepfe. Mehr Logik hat sie nicht zu bieten, bevor sie wieder auf mich losgeht. Nach einem kurzen, aber heftigen Schlagabtausch muss ich einsehen, dass sie mir beinahe gewachsen ist. Wirklich verblüffend.
Dann wendet sie sich mit den Worten: "Hier endet unsere Begegnung" unvermittelt ab und ist mit zwei Sprüngen an der Brüstung. Will sie sich etwa hinunterstürzen? Das kann ich nicht erlauben, weder ihren Tod noch ihre Flucht. Dazu wäre sie eine viel zu wertvolle Gefangene.
Als sie sich tatsächlich auf die Brüstung schwingen will, wirke ich deshalb schnell einen Schlafzauber auf sie. Doch er prallt ab!
Im nächsten Moment überwindet sie die Brüstung und verschwindet in der Tiefe.
Die blonde Turk, die wieder auf den Beinen ist, läuft mit einem kleinen Aufschrei hin und schaut hinunter ins Meer tief unter uns. Gleich darauf ertönt das Dröhnen von Rotoren, und ein Helikopter taucht auf und dreht ab, weg von Junon.
“Sie müssen sie an Bord genommen haben”, murmelt die junge Turk verwundert.
“Natürlich”, antworte ich nur. Von einer Gruppierung, die es fast schafft, Präsident Shinra zu töten und obendrein die Sister Ray auf Midgar abzufeuern, habe ich im Grunde nichts anderes erwartet. “He du!”
“Ich heiße Shotgun”, teilt sie mir mit.
Geschenkt. “Sag deinen Leuten, diese Frau, Elfé, ist etwas Besonderes. Ich habe eine erstaunliche Kraft in ihr gespürt.”
“Werd ich machen”, verspricht sie und betrachtet mich mit einer Mischung aus Neugier und Scheu. Das Übliche eben.
Ich habe keine Zeit, mich mit ihr zu befassen.
Midgar aber ist wieder sicher, und das ist die Hauptsache.

 

 

 

Chapter 19: Naturtalent

Notes:

Lemon!

Chapter Text




Ich rufe unseren Hubschrauberpiloten an und weise ihn an, mich abzuholen. Dann kontaktiere ich den Oberbefehlshaber der Junon ShinRa Streitmacht und danach meinen Second in Command. Ich gebe die Befreiung der Sister Ray bekannt und erfahre, dass die Reste von AVALANCHE, die noch am Leben sind, Junon verlassen haben und dass Genesis mit einem Projektil im Hüftknochen in die Krankenabteilung der Armee überstellt worden ist, während sich der Präsident in Renos Obhut befindet. Ein Anruf bei dem Turk bestätigt dies. Ich lasse mich mit Shinra verbinden, erstatte kurz Bericht und gebe dann Entwarnung, damit er ins Studio hinüber gehen kann, um seine Rede aufzuzeichnen.
So weit, so gut.
Der Helikopter holt mich ab und bringt mich zum Hauptquartier der Junon Army. Nach einer Stunde Beratung mit den führenden Köpfen haben wir eine Aufstellung der entstandenen Schäden inklusive der Personenschäden und die Vereinbarung, den Präsidenten noch heute unter Renos Schutz zurück nach Midgar zu fliegen. Die Analyse der Versäumnisse, die es AVALANCHE ermöglicht haben, in ShinRas Militärstadt so weit zu kommen, wie sie es getan haben, überlasse ich den Kollegen. Ich teile nur mit, dass ich mich noch bis morgen hier im Hotel aufhalten werde, zur Sicherheit und überhaupt. Dass ich eigentlich nur Genesis treffen will, müssen sie ja nicht wissen.
Sobald ich wieder auf der Hauptstraße stehe, rufe ich im Krankenhaus an und frage, wo sie meinen rothaarigen Freund untergebracht haben. Er ist jedoch schon wieder entlassen worden, nachdem man die Kugel entfernt und einen Heilzauber angewendet hat, und hält sich ebenfalls im Hotel in einer der Suiten auf. Das nenne ich doch mal eine willkommene Übereinstimmung.
Auf dem Weg zum Hotel frage ich mich ernsthaft, was vorhin in mich gefahren ist, als ich den Präsidenten aus den Augen gelassen habe, um Genesis zu Hilfe zu eilen. Sicher, ich war überzeugt, meinen Gegner getötet zu haben, aber der Präsident hat oberste Priorität. Immer. Der Alte hat auch jetzt nichts von der Sache erwähnt, und wenn ich Glück habe, ignoriert er sie. Genauso gut kann er mir aber auch ein Disziplinarverfahren aufhalsen, und wenn Hojo Wind davon bekommt, werde ich ein paar lange und sehr unangenehme Tage im Labor bei den verschiedensten Psycho-Tests zubringen. Abgesehen davon habe ich wirklich einen Fehler gemacht, und ich will wissen, wieso.
Habe ich zu dem Zeitpunkt überhaupt an Genesis gedacht? Hatte ich Angst um ihn? Wohl kaum, er ist nach mir der stärkste und fähigste Soldat, den ich kenne. Was hat mich also überhaupt veranlasst, mich zu ihm umzuwenden? - Sein Schrei. Es war sein kurzer Aufschrei, der meinen Fokus verändert hat. Eine rein emotionale Reaktion.
Das ist nicht gut. In einem Beruf, in dem Schreie jeglicher Art an der Tagesordnung sind, kann eine irrationale Reaktion lebensgefährlich sein, für mich, für meine Kollegen und für jene, die sich auf unseren Schutz verlassen. Ich schüttele den Kopf über mich und seufze lautlos. Das, was da auch immer zwischen uns ist, wird uns noch irgendwann in Ifrits Küche bringen.
Aber will ich es deshalb aufgeben? Endgültig? Nach all dem Hin und Her der letzten Tage und meinem festen Entschluss, es mit Genesis zu versuchen?
Es ist nicht meine Art, einmal getroffene Entscheidungen leichtfertig umzuwerfen. Damit käme ich in Einsätzen gegen hartgesottene Rebellen oder gegen Wutais todesmutige Kämpfer nicht weit. Da muss man wissen, was man tut, und nicht lange fackeln. Immer mehr kommt mir eine Sexbeziehung mit Genesis wie ein Kriegseinsatz vor oder zumindest wie ein Gang über ein Minenfeld.
Aber ich und auch er sind es gewohnt, unter den unsichersten Bedingungen zu arbeiten. Genau das ist unser Job. Uns ist das Bewusstsein in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir uns keinen Schnitzer erlauben dürfen, weil es sehr gut der letzte sein kann. Man gibt eine Mission nicht auf, nur weil sie unvorhergesehene Gefahren birgt. Vielmehr entwickelt man ein Gespür für diese Gefahren und wie man sie umgehen kann und hat zudem nicht nur einen Plan A, sondern ergänzend auch noch Plan B, C und D im Gepäck.
Ich habe keine Ahnung, wie solche Pläne im Falle einer Beziehung aussehen könnten. Aber mir wird schon was einfallen!

Ich beende meine Grübelei, als ich bei der Suite ankomme, in der Genesis auf Kosten unseres Arbeitgebers eingecheckt hat. Als SOLDIERs First Class sind wir nicht an eine Unterbringung im militärischen Bereich gebunden. ShinRa weiß schon, wie man das wichtige Personal bei Laune hält.
Die Mitarbeiterin am Empfang hat mir auf meine Bitte anstandslos eine zweite Keycard ausgehändigt, die ich nun benutze, um die Tür zu öffnen. Auch dieses Hotel gehört natürlich dem Konzern. Manchmal könnte man sich bei ShinRa wirklich wie in einer großen Familie fühlen. Und obwohl ich keine andere Familie kenne, frage ich mich wieder einmal, ob ich diese Assoziation wirklich zulassen sollte.
Ich durchquere die kurze Diele der großzügig geschnittenen Unterkunft und bleibe im Zugang zum Wohnraum stehen. Mein Freund und Kollege hat es sich auf der schicken, schwarzen Ledercouch mit einem Buch bequem gemacht. LOVELESS, möchte ich wetten. Seine Rüstung und sein Mantel fehlen. Nur mit dem ärmellosen Rollkragenshirt bekleidet, lehnt er an der Rückenlehne, wo die Couch einen rechten Winkel beschreibt. Die Beine sind auf der Sitzfläche ausgestreckt, das linke bis zur Hüfte mit einer Decke bedeckt, das rechte nackt und leicht angewinkelt über das andere drapiert. Es ist warm genug hier und vermutlich hat die Lederhose auf die noch nicht ganz verheilte Wunde gedrückt.
Ein so legerer Anblick ist mir nur sehr selten vergönnt. Selbst in unseren Midgarer Büros tragen wir normalerweise unsere Uniformen, und wenn wir im Einsatz im selben Zelt schlafen, behalten wir zumindest immer die Hose und meistens auch die Stiefel an. Man steht nicht gerne in Unterwäsche unversehens einem Drachen oder wutaianischen Grenadier gegenüber.
Ich könnte nun so tun, als sei mir das bemerkenswerte Ausmaß seiner nackten Haut einerlei, und das würde der üblichen Art des Generals entsprechen. Andererseits gibt mir Genesis, der meine Anwesenheit natürlich längst registriert hat, die Gelegenheit zum ausgiebigen Starren, indem er sich keinen Millimeter rührt, nicht einmal den Blick hebt. Also lasse ich den General General sein und erlaube meinem Blick, seine ganze sichtbare Gestalt ausführlich zu erkunden. Glatte, cremig helle Haut, langgestreckte Muskeln, wie exquisit bearbeiteter Marmor.
Götter, wie kitschig! Und doch so naheliegend. Das rostrote, fedrig geschnittene Haar fällt weich um das hübsche Gesicht und auf seine Schultern. Ich freue mich, diese Schultern anschauen zu können, was so selten der Fall ist. Ich möchte ihn anfassen.
Da dreht er den Kopf und schaut zu mir. Ein Lächeln, in dem der Flirt echt, die Überraschung gespielt ist. "Hey."
"Hey", antworte ich schlicht und gehe ins Zimmer hinein. Ich würde gerne zurückflirten, weiß aber nicht recht, wie. Wenn ich ihn einfach imitiere, fürchte ich auszusehen wie ein Trottel. Zu mir passt so etwas einfach nicht. Daher beschränke ich mich auf ein Schmunzeln, von dem ich glaube, dass es ihm gefällt. “Was macht die Hüfte?”, frage ich, weil es mich wirklich interessiert.
Es ist leider ein Fehler. Genesis’ Augen verengen sich und sein Mund wird hart. “Wie soll sie schon sein? Es ist nur eine Schusswunde, die behandelt wurde. Was bei Bahamut hast du dir dabei gedacht, zu mir zu rennen und mir zu helfen? Bin ich eine Jungfrau in Nöten, die gerettet werden muss, oder was?! Shinra ist deswegen fast gekillt worden!”
Ich halte an und zucke nur mit den Schultern. Was soll ich dazu schon sagen? Dass ich Angst um ihn hatte? Das würde es nur schlimmer machen. Außerdem weiß ich ja selber, wie dumm es war.
Schweigend fange ich an, meine Rüstung abzulegen. Ich sollte meine Klappe halten und schlafen gehen. Ich will nicht mit ihm streiten. Aber ich will jetzt auch nicht ins Bett gehen.
Genesis ist mit dem Thema noch nicht fertig. “Hat Shinra dich schon abgemahnt?”
“Nein.”
Er macht einen missbilligenden, zischenden Laut und schweigt dann ebenfalls, eindeutig aggressiv, und widmet sich wieder seinem Buch. Niemand kann so aggressiv schweigen wie Genesis.
Und jetzt? Ich werde mich jedenfalls nicht entschuldigen. Darauf kann er lange warten.
Ich bin die Schulter- und Bauchrüstung los und ziehe den Mantel wieder über. Wir haben keinerlei Sachen zum Wechseln mit, es musste ja so schnell gehen.
Vielleicht eine Möglichkeit für ein Friedensangebot?
“Ich geh ein paar Sachen besorgen, Unterwäsche und so. Ich bring dir was mit, okay?”
“Hm.”
“Hast du schon was gegessen?”
“Nö.”
“Dann bringe ich auch was zu essen für uns beide mit.”
“Hm.”
Wenn er so weitermacht, erwürge ich ihn. Hätte ich bloß nicht nach der dämlichen Hüfte gefragt!
“Also, was willst du haben?”
“Weiß nicht.” Natürlich haftet sein Blick stur auf der bedruckten Seite.
Ich umrunde die Couch und stelle mich mit steinerner Miene direkt vor ihn. “Würde es dich beruhigen, wenn ich beende, was der AVALANCHE-Idiot angefangen hat? Ich meine, das ist kein Umstand für mich, kostet mich zwei Sekunden.” Masamune ist schon in meiner Hand, und ich reibe ihm die Spitze wortwörtlich unter seine eingeschnappte Nase.
Das veranlasst ihn immerhin, von seinem albernen Buch aufzusehen und sogar ein amüsiertes Lächeln auf seine Lippen zu zaubern.
“Ich würde ein Gemüsegratin mit Fenchel und Spargel nehmen”, säuselt er. “Dazu einen trockenen Riesling und hinterher eine Mousse au chocolat. Und für mich keine Shorts, sondern Slips, in Schwarz natürlich.”
“Natürlich”, kontere ich und lasse Masamune wieder verschwinden. “Sehr wohl, der Herr.”
Gaia, ist der Mann anstrengend!

Auf dem Weg nach unten freue ich mich zwar über meinen kleinen Sieg. Aber dann kommt mir der Verdacht, dass er mich absichtlich provoziert hat. Es war sein Sieg und nicht meiner! Meine Reaktion war genau das, worauf er es angelegt hat. Sonst hätte er nicht so zufrieden gegrinst! Das darf doch alles nicht wahr sein.
Im Restaurant gebe ich die Bestellung auf und kaufe ein paar Häuser weiter die Kleidungsstücke, bevor ich in die Suite zurückkehre. Das Essen wird wenig später an die Tür geliefert.
Ich trage inzwischen das offene, schwarze Baumwollhemd anstelle des Mantels, das ich erstanden habe, und sitze über Eck von Genesis auf der Couch. Genesis hat den schwarzen Slip, in den die Kugel ein Loch gestanzt hat, gegen einen neuen getauscht. Er sitzt schräg, das rechte Bein auf die Sitzfläche gezogen, um die linke Hüfte zu entlasten, und macht sich über seinen Auflauf her.
Ich gebe zu, es schmeckt sehr gut. Der Einfachheit halber habe ich dasselbe Gericht genommen wie er. Oft haben wir den gleichen Geschmack, allerdings nicht was Wein oder Süßigkeiten betrifft. Ich halte mich an ein Mineralwasser und werde auch gerne auf das Schokoladenmus verzichten. Mein Nachtisch wird aus einem Wodka aus der Minibar bestehen. Oder auch aus etwas, das sich zurzeit noch unter dünnem, schwarzen Stoff versteckt, wer weiß.
Eine Weile essen wir schweigend. Unsere Körper sind nicht auf feste Zeiten der Nahrungsaufnahme angewiesen, aber ich weiß, dass Genesis Hunger mehr zusetzt als mir. Er kann ihn allerdings genauso gut verbergen wie ich. Jetzt macht er aber kein Hehl aus dem Genuss, den das Essen und der Wein ihm bereiten. Ich sehe ihm gern dabei zu. Es ist anziehend, ihn essen zu sehen, sowohl erotisch als auch ästhetisch.
Schließlich meint er: “Schon blöd, dass wir keinen der Terroristen lebend gefangen nehmen konnten”, und leitet damit den typischen SOLDIER Small Talk ein. “Veld wird kotzen und Heidegger auch.”
“Tja, die lassen sich nicht mal eben so gefangen nehmen”, antworte ich. “Das sind Profis. Da müssen die Turks noch einen Zahn zulegen. Wir sind nicht das Investigativ-Team. Im Übrigen hat Hojo ja schon zwei von den Schwertkämpfern auf dem Seziertisch. Ich bin gespannt, was er bei ihnen findet. Die Frau, die offenbar die Anführerin ist, gehört auch zu denen.”
“Sie konnte dir also widerstehen? Beeindruckend.”
“Der Kampf dauerte nicht lange, bevor sie sich abgesetzt hat. Sie hat mich gefragt, wofür ich kämpfe. AVALANCHE hätten einen Grund zum Kämpfen.”
“Ach ja? Welchen?”
"Das Wohlergehen des Planeten, dem ShinRa sein Mako entzieht."
"Klar, was auch sonst. Was hast du geantwortet?”
“Ich hab ihr mein Monatseinkommen genannt.”
Genesis prustet. “Wunderbar. Ich wette, das hat ihr zu denken gegeben.”
Nun, das bezweifle ich. Aber ich lächle in der Erinnerung. “Ihr sind zumindest die Argumente ausgegangen.”
“Ich soll dich übrigens von Angeal grüßen”, teilt Genesis mit. “Er wollte natürlich wissen, was hier los ist und ob wir in Ordnung sind.”
“Danke.” So etwas macht Angeal. Es ist weder logisch noch produktiv. Aber ich mag es.
“Musste mir einmal mehr versichern, dass sein Hundi auf dem besten Weg ist, ein großer Krieger zu werden. Er hat jetzt so oft mit ‘Eis’ um sich geschmissen, dass er Stufe 2 erreicht hat, Göttin behüte. Ich seh ihn immer vor mir, wie er an Bäumen schnüffelt und dann das Bein hebt.” Er lacht über seinen eigenen dümmlichen Witz. Mir entgeht die Verachtung in seinem Ton nicht.
Ich lache nicht mit, sondern frage ruhig: “Was stört dich eigentlich so sehr an Fair?”
Er wird schlagartig ernst und zuckt mit den Schultern. “Nichts.”
“Aber irgendetwas stört dich, sonst würdest du dich nicht ständig an ihm abarbeiten”, halte ich dagegen.
Ein bisschen entrüstet sieht er mich an. “Ich arbeite mich nicht an ihm ab!”
“Doch, tust du. Du machst ständig Bemerkungen über ihn, die ebenso dumm wie boshaft sind. Warum?”
Er senkt den Blick wieder auf seinen inzwischen leeren Teller und kratzt mit der Gabel ein paar Käsereste vom Rand. Noch ein Achselzucken.
Das Thema ist mir wichtig genug, dass ich ihn in meinem Blick festhalte, auch wenn er so tut, als würde er es gar nicht merken. Er stellt den Teller weg, trinkt sein Glas aus. Schnauft genervt. Auch ich kann ausdrucksvoll schweigen.
Und endlich antwortet er. “Angeal macht ein riesiges Fass auf seinetwegen. Er spielt die absolute Glucke. Fast seine gesamte Freizeit verbringt er mit ihm. Er kocht sogar für ihn.”
Das klingt für mich alles ziemlich eindeutig. “Also bist du eifersüchtig auf Fair.”
“Quatsch!” Er verzieht angewidert das Gesicht.
“Aber Angeal hat wegen ihm weniger Zeit für dich.”
Genesis verdreht die Augen. “Können wir über was anderes reden?”
“Hast du mit ihm darüber gesprochen?”
“Nein, natürlich nicht.”
“Wieso nicht? Wäre das nicht sinnvoller als über den Jungen herzuziehen?”
Er holt tief Luft und lehnt sich lässig zurück, das rechte Bein noch immer auf die Sitzfläche gezogen, wie in der Nacht in meinem Apartment nach der Party. Als er mich wieder ansieht, ist ein Funkeln im Blau seiner Augen, das keine weitere Diskussion über Zackary Fair zulässt.
“Ich finde, es ist Zeit für den Nachtisch.” Er nimmt sich das Schälchen mit der Mousse au Chocolat und fängt an, die süße Creme zu löffeln. Und er tut es auf eine Weise, die mir den Schweiß ausbrechen lässt. Seine Lippen, die über den Löffel gleiten, sind ständig in Bewegung. Dünne, dunkle Cremespuren bleiben an ihnen haften, werden von der rosa Zungenspitze rasch weggeleckt.
Ich weiß, wie sie sich anfühlen, diese weichen Lippen, diese agile Zungenspitze. Und ich will sie fühlen. Jetzt. Unbedingt. Wäre ich in einer Seifenoper, würde ich zu ihm gehen, ihm das Glasschälchen aus der Hand nehmen und meinen Mund auf seinen drücken, bis ihm Hören und Sehen vergeht. Aber ich bin in keiner Seifenoper. Ich bin SOLDIER First Class Sephiroth, und ich traue mich nicht! Vielleicht würde er mich abweisen, weil ihm gar nicht danach ist und ich seine Signale falsch deute. Oder weil er sich über mich geärgert hat. Oder weil ich zu ungeschickt bin. Mist!
Und Hojo würde mich gründlich verspotten.
Nein! Ich denke jetzt nicht an Hojo!
“Du bist zu weit weg”, sagt Genesis und klingt unerwartet dunkel und weich. “Komm her. Du musst diese Mousse probieren, die ist sagenhaft.” Er deutet mit dem Kopf neben sich und hält den Löffel mit der braunen Masse hoch.
Das eine ist verlockend, das andere nicht, daher stehe ich zwar auf, schüttele aber den Kopf und gehe zur Minibar, um mir einen Wodka zu holen. Ich gieße die klare Flüssigkeit in mein leeres Wasserglas und setze mich damit neben Genesis.
Er hält mir immer noch oder schon wieder einen vollen Löffel entgegen. “Mach schon, sie ist nicht zu süß, ehrlich.”
Ich weiche nach hinten aus. “Du weißt, dass ich kein Zuckerzeug mag, schon gar nicht mit Schokolade.”
“Dir ist nicht zu helfen”, seufzt er.
Ich kippe den Alkohol in zwei großen Schlucken hinunter, die heiß und scharf sind wie der Mann neben mir.
Genesis stellt die Dessertschale weg und sieht mich an. Seine Augen und seine Arme sind weit geöffnet, sogar für mich als Einladung erkennbar.
Ich beuge mich zu ihm, und sobald unsere Lippen sich treffen, sinkt er gegen mich. Legt einen Arm um meinen Nacken, schiebt die andere Hand unter mein Hemd. Augenblicklich beginnt mein ganzer Körper zu prickeln. Ich fordere Einlass mit meiner Zunge, und er wird mir gewährt. Genesis schmeckt nach Wein und Schokolade, in Verbindung mit meinem eigenen Wodkageschmack eine verführerische Mischung. Wir lassen uns Zeit, lecken und nippen, ich kraule seinen Nacken unter den seidigen Strähnen und spüre seine Finger, die sich ebenfalls in mein Haar weben.
Auch ich will endlich seine nackte Haut spüren und lasse meine Hände wandern - unter das Shirt, auf seine Schenkel. Er seufzt, lächelt gegen meine Lippen. Schiebt mich ein wenig von sich.
“Du hattest recht”, sage ich, einer seltenen Eingebung folgend. “Die Mousse schmeckt gut, aber nur von deinen Lippen.”
Das entlockt ihm ein leises Lachen. Dann nimmt er leider die Hände weg, die bisher meine Brust gestreichelt haben. Fragend hebe ich die Augenbrauen.
“Magst du etwas machen?”, fragt er sanft.
Ich bin nicht sicher. “Was meinst du?”
“Naja, ich wollte dich heute ja eigentlich ein bisschen massieren, aber die Wunde wäre dabei etwas lästig. Dafür sind wir hier völlig ungestört. Du kannst also tun, was du möchtest. Etwas ausprobieren. Mich anfassen zum Beispiel, egal wo. Bedien dich.” Und er legt die Arme auf die Rückenlehne.
Ich verstehe sehr gut, was für ein Angebot er mir hier macht. Obwohl ich so unerfahren bin, sagt er mir nicht, was ich tun soll und wie ich es tun soll, sondern vertraut sich mir an.
Ich zögere. “Ich … weiß nicht genau, wie es richtig ist … “
Doch er schüttelt den Kopf. “Es gibt nicht richtig und falsch. Nur fair und unfair. Außerdem hab ich dir schon gesagt, dass ich nichts langweiliger finde als Routine. Also … worauf wartest du?”
Nun denn.
Zunächst schiebe ich sein Shirt hoch. Prompt hebt er die Arme an. Aber ich will es ihm nicht ausziehen. Es sieht gut aus, so verrutscht. Verrucht, ha. Ich reibe seine Brustwarzen. Das wollte ich die ganze Zeit schon tun. Sie werden schnell dick und hart und ich küsse die linke, nehme sie zwischen die Lippen und ziehe an ihr. Lecke sie.
Ein Keuchen von Genesis. Prüfend schaue ich auf. Aber es gibt keinen Grund zur Sorge - da ist nur Lust, kein Schmerz.
Ich küsse über seinen Bauch hinab - ich liebe dieses Sixpack. Seine Haut ist warm, im Gegensatz zu meiner, die meist kühl ist. Ich lecke den Pfad rötlicher Härchen abwärts, bis ein Gummibund mich aufhält. Der Stoff darunter spannt sich über einer stattlichen Beule. Ich befreie den Inhalt, indem ich den Slip vorsichtig hinunterziehe. Ich will keinen Totalschaden anrichten wie das letzte Mal. Außerdem achte ich darauf, die Wunde nicht zu berühren, über der ein breites, weißes Pflaster klebt.
Genesis ist hart, und es ist auch diesmal ein seltsames Gefühl, dass ich die Ursache bin. Ich meine, ich bin in meinem Beruf die Ursache von vielem, aber vor allem von Zerstörung und Leid, nie von Genuss. Ich spüre einen Druck in meiner Kehle. Keine Ahnung, wieso. Mein Herz schlägt schneller, und mein eigener Penis reagiert bereits. Ich muss hier etwas aufpassen. Ich habe keine Probleme mehr im Sitzen oder beim Laufen, aber sexuelle Erregung, geschweige denn ein Orgasmus würden in meinen Hoden noch erheblich schmerzen, und das gilt es zu vermeiden. Ich will das, was ich mit Genesis habe, keinesfalls mit Spuren von Hojo beflecken.
Solange Genesis mich jedoch nicht berührt, besteht keine Gefahr.
Um besseren Zugang zu erhalten, erhebe ich mich von meinem Sitz und knie mich vor ihn. Eigentlich will ich nicht vor ihm knien, aber solche Prinzipien erscheinen gerade sehr albern. Ich streichle über seine Schenkel, die sich spreizen und mir Platz machen. Eine Hand lege ich um sein Knie und fahre dann mit meiner Zunge seine Leistenbeuge entlang. Bei mir ist diese Stelle sehr empfindlich, und bei ihm scheint es auch so zu sein, jedenfalls seufzt er und gräbt seine Finger wieder in meine Haare. Ich mag das Gefühl und den Geschmack seiner Haut.
Nun widme ich mich seinem Penis. Habe ich es das letztes Mal doch mehr als Pflichtübung empfunden, so lasse ich mir diesmal Zeit. Ich nehme ihn langsam in den Mund, lecke dabei, sauge.
Genesis' Hüften zucken, bis er mich plötzlich harsch an den Haaren packt. "Halt! Hör auf!"
Erschrocken fahre ich zurück. Ich habe nicht gemerkt, dass ich ihn verletzt oder ihm wehgetan habe. Doch er sieht auch nicht aus, als ob ihm etwas weh tun würde.
Das Blau seiner Augen pulsiert leuchtend. "Zeit für eine Lektion", verkündet er. Ich stütze mich mit einem Ellenbogen auf sein Knie und lausche interessiert. "Wenn du es nicht nur gut, sondern richtig geil machen willst, steuerst du nicht nur geradlinig den Orgasmus deines Partners an. Dann spielst du. Das heißt ... "
"Gas geben und abbremsen in einem Wechsel voll süßer Qual", unterbreche ich ergänzend.
"Bestens informiert wie immer, was?", grinst Genesis breit.
"Ein paar Sachen, die ich einleuchtend fand, hab ich mir gemerkt", antworte ich schmunzelnd.
"Auch mal selber ausprobiert, also mit der Hand?"
"Kann schon sein."
Jetzt grinsen wir beide, und ich spüre ein warnendes Ziehen zwischen den Beinen. Ich sollte nicht zu viel nachdenken, sondern einfach machen. Das hier ist so neu für mich, dass ich mich genug konzentrieren muss, dass meine Lust sich in Grenzen hält.
"Schauen wir mal, wie viel von der Theorie du umsetzen kannst", raunt Genesis. "Und wie viel Standvermögen ich dabei brauche."
Das kann er haben.

So beuge ich mich erneut zwischen seine Schenkel und nehme meine Tätigkeit wieder auf. Nur dass ich jetzt abwechselnd sauge und lutsche, sanft lecke, immer wieder den Schaft kräftig ausstreiche und zwischendurch die Hoden und den Ansatz der Schenkel küsse.
Genesis hat wieder die Arme auf die Rückenlehne gelegt, die Hände hart zu Fäusten geballt. Die Eichel seines steifen Penis' ist mittlerweile gerötet und sondert klare Tröpfchen ab. Ich mag den bitteren Geschmack. Er verbindet sich für mich mit Genesis' persönlichem Duft, mit der Apfelnote.
Sehr bald fängt Genesis an zu stöhnen und sich zu winden. Er legt das rechte Bein über meine Schulter, reibt mit der Wade über meinen Rücken. Ich nehme ihn tiefer in den Mund, wobei ich aufpasse, dass meine Lippen seinen Penis vor meinen Zähnen schützen. Wieder stöhnt er meinen Namen, unterbrochen von Flüchen. Das ist verrückt und ebenso aufregend wie erregend. So nah. So intim. Ich bin inzwischen selbst halb hart und wünschte, er würde mich anfassen. Aber meine Hoden schmerzen deutlich, ich werde die Wonne, die ich empfinde, nicht der unvermeidlichen Qual opfern.
Genesis wird lauter. Ich bearbeite ihn mit meiner Zunge und massiere jetzt auch vorsichtig seine Hoden. Automatisch frage ich mich, ob ich es gut mache, etwas, das ich in Filmen immer albern fand, wenn die Frage laut gestellt wurde. Aber sie drängt sich auf. Die Heftigkeit, mit der mein Kollege flucht, ächzt und mir seine Ferse in den Rücken bohrt, spricht für eine positive Antwort.
Der Höhepunkt kommt relativ plötzlich. Genesis ruft: "Jetzt!", und da spritzt mir auch schon sein Sperma an den Gaumen. Ich schlucke unwillkürlich. Es schmeckt seltsam, nicht so bitter wie erwartet. Ich ziehe meinen Kopf zurück und reibe Genesis' Glied schnell und fest, während das Ejakulat in mehreren Schüben bis zu seinem Hals hinaufschießt, sein Körper erschauert und zuckt.
Ich beobachte ihn, während sein Penis langsam in meiner Hand erschlafft. Seine Augen sind geschlossen, seine Lippen halb geöffnet, sein Keuchen ebbt ab, und er wirkt jung und schrecklich verletzlich, als seine Miene sich entspannt. Aber das Schönste ist das laszive Lächeln auf den vollen Lippen. Es schickt eine Welle ungewohnter Euphorie durch meinen Leib. Es ist gut, wirklich gut, so einen Orgasmus zu bewirken. Sogar besser als Monster und Wutaiani abzuschlachten. Ich kann mich gut an meine ersten Erfolge als SOLDIER erinnern, aber das hier toppt sie bei Weitem.
Genesis' Lächeln wächst in die Breite, und er schlägt die Augen wieder auf. "Komm her!" Es ist ein Befehl, und es stört mich nicht mal.
Ich wische mir mit dem Hemdsärmel Speichel und Sperma vom Kinn und richte mich auf, um mich wieder neben ihn zu setzen.
"Du bist ein verdammtes Naturtalent", wispert er, und dann lehnt er sich zu mir und küsst mich.
Ich nehme ihn in die Arme, ziehe ihn an mich. Er fühlt sich nachgiebig und geschmeidig an, fast so, als sei er ein wenig benommen. Er bricht den Kuss, um das mit Sperma befleckte Shirt auszuziehen. Dann setzt er sich halb auf meinen Schoß und seine Hände wühlen sich in meine Haare. Das habe ich vermisst. Ich seufze in den folgenden Kuss, fahre über seine Schultern und den Rücken.
“Jetzt haben wir doch noch ein Date”, murmele ich und lächle.
Genesis lacht. “Und wie!”
Seine Hand gleitet nach unten zu meiner Lederhose. Er schiebt seine Finger zwischen meine Beine, will herzhaft zugreifen, doch ich stoppe ihn. Schiebe seine Hand von mir. “Nein, nicht.”
“Wieso?”
“Heute nicht.” Meine Stimme ist plötzlich leise und belegt.
Genesis weicht zurück. “Das hast du vorgestern schon gesagt. Also, was ist los?”
“Nichts.”
“Komm mir nicht so. Erst konntest du überhaupt nicht aufstehen, dann hast du im Meeting so steif gesessen, als hättest du einen Stock verschluckt, und hast am Schreibtisch gestanden. Jetzt darf ich dir immer noch nicht die Eier kraulen. Es hat mit Hojo zu tun, oder?”
“Es ist nicht wichtig, Genesis”, entgegne ich und bin überrascht von der Härte in meinem Ton.
“Oh doch, das finde ich schon.” Er erhebt sich ruckartig von mir. Splitternackt steht er vor mir. Aus seinen Augen strahlt mich das Blau an und seine Frisur ist restlos ruiniert. Wenn es das ist, was man "gevögelt aussehen" nennt ... Er ist wunderschön!
“Geh nicht weg", befiehlt er. "Ich bin gleich wieder da.”
Er läuft zum Bad, und gleich darauf höre ich Wasser plätschern. Duschen ist ihm heute sicher noch verboten wegen des Pflasters.
Ich will nicht über Hojo reden! Nicht hier und jetzt. Nie mehr. Warum gehen wir nicht einfach schlafen und haben morgen so viel Sex, dass ich nicht mal mehr den Namen des verhassten Professors weiß?
Aber Genesis ist schnell, und bevor ich einen Entschluss fassen kann, kommt er zurück in den Wohnraum und nimmt sich von den neuen Sachen ein Shirt und einen Slip und streift beides über.
Also benutze ich nun das Bad. Putze mir die Zähne, wasche mir die Hände. In meinem Kopf fühlt es sich seltsam taub an, und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Vielleicht will ich auch nicht.
Gleich darauf sitzen wir auf unseren alten Plätzen nebeneinander, und mein Freund, Kollege und Teilzeit-Lover ist mir mit bohrendem Blick zugewandt.
"Ich höre."

 

 

 

 

Chapter 20: Vergangenheiten

Chapter Text

Sephiroth schaut unbewegt auf einen Punkt irgendwo auf dem Couchtisch. "Das geht dich nichts an, Genesis." Emotionslos wie üblich, nur nicht ganz so kalt.
Oh nein, mein Freund, über die Stufe sind wir hinaus. “Es geht mich wohl was an." Genesis versucht, ruhig zu bleiben, was ihm voraussichtlich nicht gelingen wird. "Wo warst du eigentlich in der letzten halben Stunde? Du gehörst nicht mehr Hojo und ShinRa. Du hast etwas gefunden, was dich vollständig macht, und deshalb gehörst du ab jetzt dir selbst - und mir. Denn bei mir bekommst du das, was weder Hojo noch ShinRa dir geben können, und du selbst - und nur du - hast es dir ausgesucht. Also lass den Scheiß und gib mir einen Grund, Hojo den Kopf abzureißen. Na los."
Es ist nicht zu übersehen, dass Sephiroth beeindruckt ist. Er blinzelt und zieht die Brauen zusammen. Er beißt sich sogar kurz auf die Unterlippe, die etwas gerötet und noch ein wenig voller als sonst ist, von ihren Küssen. Nur in Genesis' Richtung schaut er nicht.
"Ich mein's ernst", fügt Genesis leiser, aber nicht weniger entschlossen hinzu. Es ist gar nicht so leicht, von dem Bild und vor allem dem Gefühl abzusehen, das ihm unverrückbar im Kopf hängt: General Gletscher First Class vor ihm auf den Knien! Die Mischung aus Machtbewusstsein und Erotik war so berauschend, dass ihm schwindelig war und er froh war zu sitzen. Der Orgasmus so stark wie selten zuvor. Doch nun ist dieses Gespräch wichtiger. Sie sind sich so nahe gekommen, dass sich das Privatleben des Gefährten nicht mehr ausblenden lässt.
Und tatsächlich beginnt Sephiroth zu reden. Mit starrem Blick und so sachlich, als lese er einen Missionsbericht ab. "Vorgestern Nachmittag hat Hojo mir eine Ladung aufbereitetes Mako direkt in die Hoden gespritzt." Genesis schluckt. "Es war nicht das erste Mal. Die Nebenwirkung ist eine starke Reizung, die mit Schwellung und Schmerzen einhergeht und zwei Tage anhält." Genesis wird leicht übel. "Ziel der 'Behandlung' ist eine Stärkung meines Spermas - mehr muntere, paarungswillige Samenzellen."
Er macht eine Pause und Genesis fragt ungläubig: "Du sollst ... Nachkommen zeugen?"
Sephiroth nickt knapp. "Es gibt eine junge Frau, die in den Slums lebt - Aerith. Angeblich ist sie der letzte Abkömmling des Alten Volkes, der Cetra, zumindest zur Hälfte. Meine Aufgabe soll es sein, sie zu schwängern und für einen Nachwuchs zu sorgen, an dem Hojo das Genom der Cetra erforschen und bearbeiten kann. Vor Jahren war Aerith schon einmal eine Zeitlang bei ihm im Labor, zusammen mit ihrer Mutter, die eine reine Cetra gewesen sein soll. Irgendwie sind sie entkommen, aber nicht weit genug. Die Mutter ist tot, sonst müsste ich sie vermutlich auch schwängern."
Er verstummt.  
Genesis glaubt, seinen Ohren nicht zu trauen. Welcher Wahnsinn läuft hier ab? Seine Kehle ist so eng, dass er die Worte gewaltsam herauswürgen muss: "Du warst die ganze Zeit mit diesem ... Mädchen zusammen? Und hast mir nichts davon gesagt? Du sagtest, du hättest keine Erfahrungen ...keine, erinnerst du dich?" Er würde gerne losschreien und irgendetwas in Brand setzen. Etwas Großes. Es ist sehr anstrengend, sich zu beherrschen. Vielleicht wird er auch gleich einfach damit aufhören, mit dem Beherrschen.
Doch nun sieht Sephiroth ihn entsetzt an und schüttelt den Kopf. "Ich bin nicht mit ihr zusammen! Und das war ich auch nie! Als sie im Tower war, habe ich sie ein oder zwei Mal gesehen, da war ich elf und sie war fünf oder so! Ich habe dich nicht belogen!"
Okay, die Lage hat sich gerade wesentlich geändert. Genesis hat jetzt das Bedürfnis zu kotzen und möchte nur noch Hojo abfackeln. Mit dem bösesten Grinsen, das er zustande bringt, sagt er: "Na, dann enttäuschen wir den lieben Professor nicht, hm? Ich bringe dir bei, wie's geht, und du kannst an mir üben. So groß ist der Unterschied zwischen den beiden Löchern auch wieder nicht."
Anstatt ihn anzufahren oder ihm eine reinzuhauen, sieht Sephiroth blass und verständnislos aus und erwidert resigniert: "Es ist unglaublich, wie geschmacklos du sein kannst, Genesis."
Es schmerzt mehr als eine Ohrfeige. Viel mehr. Weil er recht hat. Leider. Genesis kann dem Blick der müden grünen Augen nicht mehr standhalten und schaut vor sich nieder, als er antwortet: "Tja, wenn einem von Kindheit an klar gemacht wird, dass die eigenen Gefühle nichts wert sind, nimmt man möglicherweise Zuflucht zum Zynismus. Den wird man nicht so leicht wieder los." Er reibt sich mit beiden Händen übers Gesicht.
Sephiroth schweigt.
Was ist passiert? Wie konnte Hojo ihren Moment der Lust und Wärme so zerstören, ohne überhaupt anwesend zu sein? Genesis hat nicht bedacht, wie eng Sephiroth an den skrupellosen Wissenschaftler gebunden ist. Hojo ist immer anwesend. Natürlich weiß Sephiroth das, und nun weiß Genesis es auch. Wie sollen sie mit dem unerwünschten Mitbewohner umgehen? Wie man sieht, lässt er sich kaum ignorieren. Oder doch?
Genesis hätte schließlich nicht zu fragen brauchen. Er war es, der auf einer Antwort bestanden hat. Ignoranz hat doch etwas für sich. Und überhaupt - es ist nur Sex, nicht wahr? Sie sollten nicht mehr draus machen, als es ist. Und vor allem nicht darüber nachdenken. Wenn man einmal mit dem Denken anfängt, hört man vielleicht nicht mehr so schnell auf.
Genesis streicht sich das Haar zur Seite, die Augen geschlossen. “Träume vom Morgenlicht hat die zerbrochene Seele, ihres Stolzes verlustig, ihrer Flügel entrissen; das Ende ist nah.” Sich sammeln, wieder Boden unter die Füße bekommen. Er atmet einmal tief durch, sieht Sephiroth wieder an. "Tut mir leid, okay? Wir haben eine völlig falsche Abzweigung genommen. Ich hätte nicht fragen sollen."
"Ich hätte nicht antworten sollen", erwidert Sephiroth leise.
"Lass uns einfach so tun, als hätte ich nicht gefragt und du nicht geantwortet."
"Okay."
"Gibt's noch Wodka?"
"Es gibt Gin, Orangensaft und einen ziemlich billigen Whisky."
"Na dann."

Etwa zwanzig Minuten später häufen sich auf dem Couchtisch kleine, leere Fläschchen und Verpackungen von kleinen Crackern und kleinen Kuchen, die alle zusammen einst den Inhalt der nun geplünderten Minibar darstellten. Die beiden Männer auf der Couch haben sich tapfer, aber wenig erfolgreich bemüht, in entspanntem Ton belanglosen Small Talk zu machen. Vor allem Genesis hat geredet, über unverfängliche Themen des Konzerns, vom Essen in der Kantine bis zu den Angestellten im Materia-Labor, mit denen er hin und wieder fachsimpelt. ShinRa ist schließlich groß genug, um reichlich Auswahl an harmlosen Details zu bieten.
Sephiroths Beiträge haben sich auf gelegentliches Nicken oder kurze Nachfragen beschränkt, und er hat es noch konsequenter als Genesis vermieden, seinen Gesprächspartner anzusehen.
Schließlich ist der rosa Behemoth zwischen ihnen, der auf den Namen Hojo hört, nicht mehr zu ignorieren, und Genesis hat zwei Möglichkeiten: entweder er beendet die unsinnige Farce, zu der ihr Beisammensein geworden ist, und sie gehen zu Bett. Oder er spricht die Frage aus, die ruhelos in seinem Schädel kreist, und riskiert eine ernsthafte Verstimmung. Da es ihm prinzipiell widerstrebt, einer Herausforderung auszuweichen und er außerdem ein echtes Interesse an einer Antwort hat, entscheidet er sich für Letzteres.
Nach einem ausgedehnten Schweigen, in dessen Verlauf er das letzte Fläschchen Whisky geleert hat, sagt er so taktvoll wie möglich: “Nimm’s mir nicht übel, Sephiroth, aber ich hab zu dem Theater, das wir hier aufführen, keine Lust mehr.”
Er sieht seinen Kollegen offen an, bemerkt dessen ausdruckslosen Blick, der auf dem Teppich irgendwo vor der Kommode unter dem Fernseher ruht. Und dann packt er den Behemoth bei den Hörnern und verzichtet auf eine Rücksicht, die sie nicht weiterbringen würde. “Wie kommt es eigentlich, dass du Hojo erlaubst, alles mit dir zu machen, was er will?”
Er hält erstmal inne, obwohl er keine Antwort erwartet. Die Pause soll Sephiroth Zeit geben, sich auf den plötzlichen, unangenehmen Themenwechsel einzustellen. Prompt versteift sich Sephiroth und verschränkt die Arme wie zur Abwehr. Und “Abwehr” ist in der Tat ein gutes Stichwort.
Genesis fährt fort: “Ich meine, der Mann hat ohnehin im gesamten Konzern keinen guten Ruf. Seine Experimente mit Tieren und Monstern sind grenzwertig, wir hatten genug Fälle, in denen wir hochgefährliche Viecher jagen und niedermachen mussten und später erfahren haben, dass sie aus seinen Laboren entkommen waren. Dabei mag er ja noch im Auftrag von Shinra arbeiten, aber du bist kein Tier. Du bist ein Mensch. Und nicht irgendeiner. Du bist eine äußerst intelligente, auf höchste Anforderungen spezialisierte Person, die für diese Firma unersetzbar ist. Also wieso wehrst du dich nicht?”
Hier wendet Sephiroth sich ihm mit hochgezogenen Augenbrauen zu und fragt interessiert: “Du gibst zu, dass ich unersetzbar bin?”
“Lenk nicht ab”, gibt Genesis scheinbar ungerührt zurück, obwohl er innerlich kurz grinsen muss. “Weiß Shinra überhaupt, was Hojo mit dir anstellt? Hast du ihn das mal gefragt? Hast du ihm jemals gesagt, dass du damit nicht einverstanden bist?”
“Nein, habe ich nicht.” Die Antwort kommt übergangslos und in einem endgültigen Ton, der in Genesis den Zorn schürt, der schon die ganze Zeit über schwelt. “Hojo dient dem Konzern, genauso wie ich es tue. Ich schulde diesem Konzern Gehorsam, denn ich verdanke ihm mein Leben. ShinRa hat mich aufgezogen, nachdem meine Mutter gestorben war. Ich weiß nur, dass ihr Name Jenova war. Von meinem Vater ist mir nicht einmal der bekannt. Meine Ehre als Mann und als Soldat liegt im Dienst für den Konzern. Das ist das, was SOLDIER bedeutet. Dafür geben wir alles, was in unserer Kraft steht. Das haben wir geschworen, falls du dich nicht mehr erinnerst.”
Die auswendig gelernte und ohne jede kritische Distanz aufgesagte Doktrin erschreckt Genesis ebenso wie sie ihn aufregt. “Ich erinnere mich sehr gut an den Schwur, den ich abgelegt habe, vielen Dank”, schnappt er. “Mir war allerdings bis jetzt nicht klar, dass er qualvolle genetische Experimente und die Hingabe meines gesamten Privatlebens mit einschließt. An einen solchen Passus kann ich mich tatsächlich nicht erinnern. Wirklich, Sephiroth, bist du allen Ernstes davon überzeugt, dass wir ShinRas Sklaven sind? Und es auch noch als Ehre betrachten sollen? Wer bei Ifrits Arsch hat dir das eingetrichtert? Hojo selber? Oder der alte Shinra? Wie uneigennützig von den beiden! Zumal sie sich selbst zu keinerlei moralischem Verhalten verpflichten, sondern nur dazu, ihre eigene Macht auszubauen. Bist du wirklich so blind? Nur weil sie dich aufgezogen haben, bist du nicht ihr Eigentum!”
Das löst immerhin eine deutliche Reaktion aus. Heftig dreht Sephiroth den Kopf weg, sodass die vorderen Strähnen seines Haars vor sein Gesicht fallen. “Die Leute, die mich als Kind betreut haben, waren sich in diesem Punkt durchaus einig. Können wir die fruchtlose Diskussion jetzt beenden und schlafen gehen?”
“Nein!” Denn genau jetzt sind sie an einem wesentlichen Punkt. “Wer waren überhaupt die Leute, die dich betreut haben? Es geht seit ewigen Zeiten das Gerücht um, du seist in Hojos Labor aufgewachsen, bis man dich in den Krieg nach Wutai geschickt hat. Aber ich habe das nie geglaubt. Ein Kind, das diesem Irren auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, wird höchstens zu einem hirnlosen Monster, aber nicht zu einer reflektierten, eigenständigen Persönlichkeit, wie du es bist.” Er ist ruhiger nun, die Wut wird von echtem Interesse überlagert. “Du hast nie viel über deine Kindheit gesprochen”, sagt er beinahe sanft. “Nur dass du den Tower nicht alleine verlassen durftest und fast immer mit Lernen beziehungsweise Trainieren beschäftigt warst."
Er ist schon auf eine schroffe Zurückweisung gefasst, denn natürlich hat Sephiroth das Recht, ihm eine Auskunft zu verweigern. Doch Sephiroth schweigt zunächst. Er sieht noch immer zur Seite, aber seine Haltung entspannt sich ein wenig. Schließlich antwortet er mit der ihm eigenen kühlen Sachlichkeit: "Meine Betreuer waren Angestellte des Konzerns. Über die, die in den frühen Jahren bei mir waren, habe ich keine Informationen, auch kaum Erinnerungen. Die späteren waren Mitarbeiter der wissenschaftlichen Abteilung. Leute von Hojo also."
Er verstummt, und Genesis wartet ab. Er will ihn nicht weiter drängen, weil das bei ihm kaum sinnvoll wäre. Sephiroth hat die Hände in seinem Schoß ineinander gelegt und reibt mit dem linken Daumen übers rechte Handgelenk. Eine Geste der Unsicherheit, die sehr ungewöhnlich für ihn ist. Endlich spricht er doch noch weiter. "Ich habe in einer kleinen Wohnung gelebt, die den Laboratorien angeschlossen war. Meine jeweiligen Betreuer wohnten auch dort. Es waren meistens ein Mann und eine Frau. Auch einmal zwei Frauen. Ich hatte verschiedene Lehrer und Ausbilder. Und natürlich Hojo. Er war immer da."
“Klingt vertraut für mich”, murmelt Genesis spontan. Als Sephiroth ihn fragend anschaut, fährt er fort: “Ich bin auch Einzelkind, wie du weißt. Die Nanny war öfter bei mir als meine Mutter. Für den Sohn des Bürgermeisters war das normal. Und da die Grundschule in Mideel angeblich nicht gut genug für mich war, hatte ich dann zunächst einen Privatlehrer. Nur war mein Zuhause ein Landhaus, das größte in Banora. Und Hollander - der war zum Glück nicht immer da, kam aber regelmäßig zu uns. Durch ihn habe ich ja damals Angeal kennengelernt, der der einzige andere Klient von ihm in der Ortschaft war.”
Mit leicht schräg gelegtem Kopf hört Sephiroth zu. “Davon hat Angeal schon öfter etwas erwähnt. Du sprichst sehr selten über deine Zeit in Banora.”
Das stimmt, und es gibt Gründe dafür. Genesis räuspert sich ein wenig verwirrt. Es geht jetzt ja auch eigentlich nicht um ihn. Also zurück zum Thema.
"Du sagst, deine 'jeweiligen Betreuer'", erkundigt er sich. "Dann waren es nicht immer dieselben?"
"Sie wechselten häufig", erzählt Sephiroth. "Jedes Jahr, manchmal schon nach einem halben Jahr kamen andere. Hojo hat mir mal erklärt, sie alle sollten bestimmte Dinge an mir lernen, an meinem Organismus. Der sei etwas Besonderes, stärker als jeder andere, zumindest in der Humanbiologie. Er hat ihn dazu gemacht. 'Erschaffen', wie er sich ausdrückt. Deshalb war Hojo immer da."
Dann haben sie ihn schon als Kind als Lehrgegenstand benutzt? Betreuung ist etwas anderes, oder? Und wer war für ihn da? Oder sollte der Professor noch eine andere, fürsorgliche Seite an sich gehabt haben, die sich mit der Zeit verloren hat?
"Meinst du damit, dass Hojo für dich da war?", tastet Genesis sich behutsam vor. "Dass er eine Art Vaterfigur war?"
"Nein!" Sephiroths Augen blitzen so hell auf, dass Genesis zusammenzuckt, obwohl er den Effekt kennt, auch wenn er selten ist. "Hojo war nie etwas in der Art! Für ihn war ich nie mehr als ein Versuchsobjekt, keine Person. Er will nur, dass ich die passenden Ergebnisse bringe, die besten Ergebnisse, zum Ruhme seiner Genialität! Das habe ich im Laufe der Jahre begriffen.” Sein Mund verzieht sich voller Abscheu. Auch das ist eine Mimik, die man höchst selten bei ihm sieht. "Dabei ist er ein miserabler Wissenschaftler. Er ist nur an spektakulären Experimenten interessiert, nicht an der Wissenschaft selbst. Professor Gast war ganz anders." Er holt tief Luft und senkt den Blick.
"Professor Gast?", fragt Genesis. Er hat den Namen noch nie gehört.
"Er war einst der Direktor der Wissenschaftsabteilung und ein wirklich genialer Geist", antwortet Sephiroth wieder gelassener. "Ich erinnere mich an ihn, als ich ein kleines Kind war. Er war ein guter Mann. Aber auch er ist gegangen. Und ist letztendlich gestorben. Nur Hojo ... war immer da."
Er verstummt.
Auch Genesis weiß nichts mehr zu sagen, zu fragen oder zu kommentieren. Ungewöhnlich für ihn, ja. Jedes weitere Wort und sogar jede Geste scheint die Gefahr zu bergen, dem anderen zu nahe zu treten. Überhaupt hat er ein seltsames Gefühl. Als habe er einen Ausflug gemacht auf der Suche nach Abenteuer und nur Trauer und Einsamkeit gefunden. Er hätte eben nicht fragen sollen. Aber seine Neugier und sein Mundwerk lassen sich nicht so leicht zügeln, sonst wäre er nicht Genesis Rhapsodos, nicht wahr?
Da fragt Sephiroth leise: “Und was ist mit dir?”
Überrascht sieht Genesis zu ihm. “Hm?”
“Du sagtest, man habe dir als Kind beigebracht, dass deine Gefühle wertlos seien.”
“Ach das, ja.” Das hat er sich also gemerkt. Wieso fragt er nach? Interessiert ihn das etwa? Genesis hat nicht damit gerechnet, dass Sephiroth sich auch über ihn Gedanken macht. Oder wollte er ihn nicht so einschätzen? Egal, es ist nicht angenehm, aber fair, im Gegenzug auch etwas von ihm selbst zu offenbaren. “Mein Vater ist der Bürgermeister von Banora und zugleich Eigentümer der größten Apfelplantage. Das hatte ich früher schon mal erwähnt, glaube ich.”
“Ja, das ist mir bekannt.”
“Nun, das Wichtigste, was seinen Alltag ausmacht, ist neben der Machtausübung in der Ortschaft das Repräsentieren. Leute beeindrucken, damit sie ihn wiederwählen, neue Geschäftspartner finden, damit der Reichtum gemehrt wird. Meine Mutter sieht den Sinn ihres Lebens darin, ihn zu unterstützen. Ein Kind passte da nur hinein, wenn es keinen zeitlichen oder emotionalen Aufwand bedeutete. Optimal wäre ein Kind gewesen, das sich nahtlos in ihre Lebensführung einpasste. War bei mir nur leider nicht der Fall. Ich war anspruchsvoll. Ich verlangte Aufmerksamkeit und Interesse an meiner Person, die sich dem Familienidyll schon früh verweigerte und stattdessen individuelle Meinungen und Interessen bekundete. Das kam nicht gut an. Mein Vater versuchte alles, mich auf Linie zu trimmen, auch mal mit körperlichen Strafen. Genutzt hat es nichts. Ich wusste schon immer, wer ich bin und wer ich nicht sein will. Seine Meinung, dass ich nicht gut genug für das Erbe der Rhapsodos sei, hat mich nicht daran gehindert, ich selbst zu sein. Nun, die Plantagen habe ich immer geliebt. Mit dreizehn habe ich sogar ein Rezept erfunden, das dem Apfelsaft, der dort hergestellt wird, eine noch reichere Note verlieh und ihn berühmt machte. Die Begeisterung meiner Eltern war allerdings kurz, denn wenig später erfuhren sie, dass sie von mir niemals Enkelkinder zu erwarten hätten.” Er schenkt Sephiroth einen verschwörerischen Blick, und sein Freund schmunzelt. Ernst fügt Genesis hinzu: "Erst Angeal und seine Mutter Gillian, die arm, aber liebevoll war, gaben mir das Gefühl, eine Familie zu haben. 'Und ist auch der Morgen ohne Hoffnung, nichts wird meine Rückkehr verhindern.'"
Und obwohl er nie zurückgekehrt ist, seit er Banora verlassen hat, wird er es irgendwann tun, das hat er sich geschworen. Er lächelt etwas wehmütig bei den letzten Worten.
Der grüne Blick, der auf ihn gerichtet ist, wirkt offen und ungewohnt weich. “Und LOVELESS. Auch das ist zu einer Art Heimat für dich geworden. Du hast es noch in Banora kennengelernt, oder?"
Genesis nickt mit einem kleinen Seufzen. "Das ist wahr." Und es gibt einen Platz dort unten, der vollkommen mit dem Epos verbunden ist und den er früher oder später ebenfalls wiedersehen wird.
"Es ist spät geworden", bemerkt er dann. "Wir sollten jetzt doch schlafen gehen."
"Ja", sagt Sephiroth nur und steht auf. Dann zögert er. "Ich ...ich würde ... gerne mit dir zusammen … aber nicht … “
Göttin, das kann man ja nicht mit anhören! Genesis weiß genau, worum es geht, und nimmt ihm die Mühe ab, den Satz zu formulieren, der ihm offensichtlich unangenehm ist. “Zusammen schlafen, aber nicht miteinander, hab ich schon verstanden, Seph. Ist klar.”
Er bekommt ein kleines, müdes Lächeln geschenkt und erwidert es. Nach allem, was heute hinter ihm liegt, hat er kein Problem damit, sich auf schlichte Zweisamkeit zu beschränken.

Wieder liegen sie im Dunkeln, ohne sich zu berühren, wie in ihrer ersten Nacht. Doch wie viel ist mittlerweile zwischen ihnen passiert! In Genesis’ Kopf kreisen all die Dinge, die heute gesagt worden sind, die sie einander mitgeteilt haben. Trotz all der Unterschiede im Lebenslauf ist da doch ein Gefühl der Gemeinsamkeit in ihrer jeweiligen Vergangenheit. Der Druck, bestimmten Ansprüchen zu genügen, die Ignoranz gegenüber den kindlichen Bedürfnissen, das Gefühl, nicht wirklich geliebt worden zu sein.
Liebe - ein Mysterium, über das nachzudenken, Genesis sein Leben lang sorgfältig vermeidet. Es ist ja auch nicht wichtig. Er fühlt sich wohl bei dem Mann neben ihm, und das sollte genug sein.
Er dreht sich auf die Seite, zu Sephiroth hin. Der General liegt still mit geschlossenen Augen, aber wieder einmal weiß Genesis, dass er noch nicht schläft. Mit einem Lächeln rückt er näher an ihn heran. Legt einen Arm über die breite, muskulöse Brust, die Handfläche mit gespreizten Fingern auf der glatten Haut. Ohne die Augen zu öffnen, wendet Sephiroth ihm ein wenig das Gesicht zu. Dann legt er seine Hand auf Genesis Unterarm.
Genesis’ Lächeln vertieft sich. Er lehnt den Kopf in die Halsbeuge seines Gefährten, lauscht auf die ruhigen Herzschläge, seine eigenen und die des anderen. Und irgendwann, als die beiden unterschiedlichen Rhythmen sich einander angleichen und wie einer sind, ist er eingeschlafen.


*~*~*

Sobald der Wecker schrillt, sind sie wieder im Einsatz. Die Rückkehr ins Hauptquartier gehört natürlich mit zur Mission, bildet den gelungenen Abschluss. Entsprechend nüchtern fällt Sephiroths Art aus, die Morgenroutine zu erledigen. Keine Küsse, keine verschwörerischen Blicke. Sie sind Kollegen und sonst nichts. Richtig so, denn wenn man berufliche und private Ebene vermischt, wird es schwierig. Das hat man gestern gesehen.
Das Frühstück ist mehr eine Sache des Verstandes als des Appetits. Es muss nahrhaft sein, nicht lecker. Sie sind wieder voll und ganz beim Militär, checken aus dem Luxushotel aus, seit sie aufgestanden sind.
Den Helikopter erreichen sie auf die Minute pünktlich und sind wenig später in der Luft in Richtung Midgar. Sephiroth schaut aus dem Fenster. Er wirkt konzentriert. Genesis vermutet, er formuliert bereits im Kopf den Bericht an Lazard. Etwas, das Genesis heute auch noch tun muss, aber entschieden auf den Nachmittag verschiebt.
Lieber denkt er über den gestrigen Tag und den vergangenen Abend nach. Zum Beispiel darüber, warum Sephiroth ihm im Kampf geholfen hat, statt auf den Präsidenten aufzupassen. Gestern war Genesis wütend deshalb, weil er dachte, sein Kollege hält ihn für unfähig, sich zu verteidigen. Heute sucht er eher nach dem wahren Grund für das abwegige Verhalten. Es stellte eine grobe Verletzung der Pflichten des Generals dar. Natürlich fällt ihm kein Grund ein. Höchstens derselbe, weshalb Sephiroth beim Training im Zweikampf so unkonzentriert war. Er war abgelenkt, und zwar durch ihn. Das ist überhaupt nicht gut. Genesis hat die Macht, die er gegenüber seinem Rivalen gespürt hat, zwar genossen, aber natürlich will er nicht, dass Sephiroth seinetwegen Fehler begeht, die ihn in brenzligen Situationen das Leben kosten können.
Aber ist es ein Wunder, dass sein Kollege die Contenance verliert, wenn man sich den Verlauf des gemeinsamen Abends ansieht? Über ihre Unterhaltung will er jetzt nicht mehr nachdenken. Sie erscheint ihm jetzt, bei Tageslicht, viel zu persönlich und zu beunruhigend. Von wegen, nur ein bisschen Sex zur Entspannung!  
Genesis beginnt ernsthaft zu überlegen, ob er dieses Ding, das er sich und Sephiroth da eingebrockt hat, jemals unter Kontrolle hatte. Wenn das nämlich nicht der Fall ist, haben nicht nur sie beide ein Problem, sondern ShinRa ebenfalls. Der Konzern kann sich Ausrutscher seines Generals und dessen Stellvertreter aus irgendwelchen privaten Gründen nicht leisten. Er sollte lieber zusehen, sehr schnell zum reinen Sexlevel zurückzukehren, oder das Ganze sein lassen.
Die Erkenntnis schmerzt. Der Anblick, der sich ihm aus dem Fenster auf seiner Seite bietet, auch. Sie haben die Midgar-Ebene erreicht. Weites Land, das aus Staub und Felsen besteht, aus Grau und Braun. Es dehnt sich auf allen Seiten um die Stadt herum aus und ist bewohnt von verschiedenen Monster-Spezies. Einen stärkeren Gegensatz zu den saftig grünen, sonnendurchfluteten Plantagen von Banora kann es nicht geben. Vielleicht, denkt Genesis, hatte die AVALANCHE-Kämpferin, die Sephiroth erwähnt hat, doch nicht ganz Unrecht, als sie behauptete, ShinRa töte den Planeten, wenn es ihm das Mako entzieht.

*~*~*

Midgar ist trüb wie immer, aber sie landen sicher auf der Plattform am obersten Stockwerk des Towers, auch wie immer. Nachdem sie ausgestiegen sind, zögert Sephiroth und sieht Genesis an. Sein Blick verrät absolut nichts außer dienstlicher Neutralität. Genesis wartet gespannt, aber es kommt nichts. Schließlich nickt Sephiroth ihm zu, dreht sich um und marschiert schnurstracks ins Innere ihres Dienstgebäudes. Immer ein anregender Anblick von hinten - wehender Mantel, wehendes Haar -, in diesem Fall allerdings auch enorm frustrierend.
“Dann nicht”, murmelt Genesis zu sich selbst und begibt sich weniger zackig in dieselbe Richtung.
Wollte Sephiroth ihm noch etwas wegen gestern sagen? Und wusste nicht, wie? Oder wollte er sich mit ihm verabreden?
Tja, wer weiß.
Genesis’ Laune tendiert zum Nullpunkt, als er sein und Angeals Büro betritt.
Es ist kaum zu fassen, aber der dämliche Welpe sitzt in seinem Schreibtischstuhl, gegenüber von Angeal! Genesis ist wirklich sehr kurz davor, von seiner Feuermateria Gebrauch zu machen, da springt Fair auf und nimmt Haltung an. Mehr Glück als Verstand, der Bengel.
“Hey, Gen”, kommt es freundlich von Angeal. “Was man so hört, habt ihr Junon ordentlich aufgemischt, was?”
“Kann man so sagen”, meint Genesis vage und steuert seinen Schreibtisch an. Fair macht ihm Platz. Genesis mustert ihn mit einer Mischung aus forschend und drohend. “Hast du hier irgendetwas angefasst, Fair?”
“Sir, nein, Sir”, antwortet der Junge wie aus der Pistole geschossen und natürlich munter wie eh und je.
“Das will ich auch nicht hoffen”, gibt Genesis unterkühlt zurück. “Und jetzt verzieh dich!”
“Ist gut. Bis später, Angeal.”
Der Junge trollt sich, und Genesis lässt sich auf seinen Stuhl sinken. Er ist jetzt schon reif für den Feierabend. Sein Freund trägt momentan nicht zu seiner Entspannung bei.
Angeals Miene hat sich verdüstert. “Genesis, ich habe dir schon einmal gesagt, du sollst Zack nicht so verächtlich behandeln. Er ist kein Vieh, sondern ein Mensch und obendrein ein guter Junge. Ich weiß nicht, was du gegen ihn hast. Er hat dir nie etwas getan.”
Genesis hat keinen Nerv, über den Welpen zu reden, wirklich nicht. Er macht eine wedelnde Handbewegung, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. “Ich weiß, Angeal, ich weiß. Dafür ist später noch Zeit. Ich muss dir etwas Wichtiges erzählen. Etwas Unglaubliches.”
Er hält inne und sieht zu, wie Angeal auf seine Ankündigung reagiert. Seine Züge glätten sich, er hebt andeutungsweise die Brauen, seine Augen groß mit offenem Blick. Er ist sofort bereit, von seinem eigenen Ärger abzusehen, um für den Freund, der ihn erst geärgert hat, da zu sein.
Nein. Genesis kann es ihm nicht erzählen, unmöglich. Sephiroth hat ihm das Ganze selbst nur widerwillig offenbart. Es wäre ein Vertrauensbruch, wenn er es weitererzählt, auch nur ein Wort von allem, selbst wenn es nur Angeal ist, der es hört. Der aufrechte, ehrenhafte Angeal, der seinen Welpen beschützen will. Was würde er tun, wenn Fair an Sephiroths Stelle wäre?
“Genesis?”
Jedenfalls würde er es nicht als Erstes herumtratschen, das steht mal fest. Aber er würde alles tun, um Fair vor Hojo zu schützen! Er würde ihn nicht allein lassen mit der Ausrede “Es ist ja nur Sex, was wir haben.” Abgesehen davon, dass er ohnehin nie Sex mit Fair hätte.
“Genesis. Was ist los? Was willst du mir erzählen?”
“Nichts.”
“Das ist doch Unsinn. Du kannst mir alles sagen, das weißt du.” Jetzt steht deutliche Besorgnis in den dunkelblauen Augen.
“Es geht nicht”, lehnt Genesis ab. “Ich kann nicht darüber reden.”
“Betrifft es Sephiroth?”
Woher weiß der Kerl das schon wieder? Genesis hält sich nicht für besonders leicht durchschaubar. Wahrscheinlich kennt Angeal ihn einfach zu gut.
“Ich kann nicht. Tut mir leid.” Er wird sich hüten, die Vermutung zu bestätigen.
“Genesis.” Nun sieht man an Angeals vorgebeugter Haltung und seinem intensiven Blick, dass er sich nicht ohne Weiteres abweisen lassen wird. “Du nanntest es wichtig und unglaublich. Du wolltest darüber sprechen, also denke ich, du solltest es auch tun. Was hindert dich denn plötzlich?”
Genesis starrt ihn an, ohne zuzuhören. Ja, er sollte reden, nicht wahr? Aber nicht mit Angeal!
Der gerade weiterredet. “Es ist wegen Sephiroth, oder? Hat er vielleicht … etwas getan? Etwas, das er nicht sollte? Schweigen bringt dich nicht weiter, Gen. Das habe ich dir schon damals bei Daniel gesagt. Also - hat Sephiroth dir etwas angetan und befürchtest du Repressalien, wenn du darüber sprichst?”
Äh … was? Genesis blinzelt. Und fasst einen Entschluss. “Angeal, mein Lieber, du hast recht. Und gleichzeitig bist du völlig auf dem Holzweg. Ich danke dir, mein Freund, du hast mir sehr geholfen.”
Er steht auf und läuft zur Tür.
“Gen!”, ruft Angeal fassungslos hinter ihm her. “Wo willst du denn hin?”
“Ich muss gehen”, erwidert Genesis nur, und schon ist er hinaus.

 

Chapter 21: Intervention

Chapter Text

Die Tür zu Hojos Labortrakt öffnet sich ebenso elektronisch und lautlos wie alle anderen Türen im ShinRa-Tower. Aber keine Tür führt zu so vielen und so grauenhaften Geheimnissen wie diese, nicht einmal die Tür zu Scarlets Abteilung für Waffenentwicklung. Zumindest nimmt Genesis das an, als er Hojos Reich betritt. Dass er jetzt nur an Scarlet denkt, um sich von dem abzulenken, was vor ihm liegt, ignoriert er gekonnt.
Genesis war noch nie hier. Hollanders Labor ist zwar auf derselben Etage, aber es ist viel bescheidener, da es keine Anlagen zur Unterbringung von Versuchssubjekten beinhaltet. Hollander versorgt außer Genesis und Angeal überwiegend Third Class SOLDIERs und hat ein wesentlich kleineres Budget als Hojo zur Verfügung. Natürlich beschwert er sich oft darüber. Aber die beiden Freunde sind heilfroh, dass sie neben den Mako-Infusionen nur normalen Blut- und Belastungstests unterzogen werden, die ihnen nie übermäßig zusetzen, im Gegensatz zu Sephiroth.  
Genesis wird immer noch heiß vor Wut, wenn er daran denkt, was Hojo seinem Freund angetan haben muss - über Jahre hinweg. Das meiste davon ist wahrscheinlich nur dem Irren und Sephiroth selbst bekannt, somit wird es höchste Zeit, dass jemand sich einmischt.
Genesis bewegt sich durch den weißgetünchten, kahlen Gang so angespannt, als erwarte er jeden Moment einen Hinterhalt. An der Decke laufen Rohre verschiedener Größe entlang, und es riecht widerlich nach einer Mischung aus Desinfektionsmitteln und Mako.
Natürlich ist die Tür nicht von alleine aufgegangen, und ebenso natürlich ist er nicht allein in dem riesigen Areal, zu dem der Gang hinführt. Das Sekretariat befindet sich auf der linken Seite, hinter der nächsten Tür.
Die Frau mit Kittel und Brille hinterm Schreibtisch wirkt so steril wie der Gang und ihr Büro. “Sie wünschen?”
“Commander Genesis Rhapsodos. Ich möchte Professor Hojo sprechen. Persönlich.” Trotz der Abwehr, die er in sich verspürt, gelingt es ihm, makellose Arroganz abzustrahlen.
Die Schreibtischdame gibt sich unbeeindruckt. “Haben Sie einen Termin?”
“Nein.”
“Nun, es wäre zu empfehlen, einen Termin zu vereinbaren, der Professor ist sehr beschäftigt.”
“Das ist mir klar. Das bin ich auch. Ich würde ihn auch nicht belästigen, wenn es nicht dringend wäre.” Seine Haltung und sein Blick machen deutlich, dass er sich nicht wird abwimmeln lassen.
Zwei viel zu dünn gezupfte Augenbrauen heben sich, und Genesis könnte schwören, dass sich der Dutt im Nacken der Dame von selber noch ein bisschen fester zieht. “Nun, dann möchte ich Sie bitten, im Sprechzimmer zu warten. Gang A nach links bis Gang C, nach rechts, die dritte Tür links, Nummer 6314. Sie werden sich ein wenig gedulden müssen, der Professor ist … “
“… sehr beschäftigt, ja, ich weiß.”
Das Lächeln der Empfangsfee steht dem von Genesis an Kälte nicht nach. Schön, wenn man spontane Gemeinsamkeiten entdeckt.
Im Geiste ihre Anweisungen wiederholend, begibt sich Genesis tiefer in die Höhle des Grauens, genannt Forschungsabteilung. Er hatte den schwarzen Buchstaben oben an der Wand des Ganges gar nicht bemerkt, findet aber das gesuchte C ohne Mühe. Auch Raum 6314 ist leicht zu finden. Die Schwierigkeit besteht vermutlich nicht so sehr darin, hier hereinzukommen, als jemals wieder hinaus zu gelangen, zumindest lebend. Sehr kurz fragt sich Genesis, ob es eigentlich klug ist, was er hier tut. Aber der Gedanke an den leidenden Sephiroth vor drei Tagen auf der Couch lässt keine Alternative zu.
Gang C ist breiter als Gang A und an seinem fernen Ende gibt es ein Gitter. Der Makogestank ist hier stärker ebenso wie das Summen der Energie in den Wänden und in den Leitungen an der Decke. Genesis befiehlt dem flauen Gefühl in seinem Magen zu verschwinden und tritt durch die Tür von 6314, die sich still und einladend für ihn öffnet.  
Ein großes Büro. Ein Schreibtisch mit zwei Computern, ein Metallregal mit Büchern, eine offene Tür zu einem anschließenden Gang, zwei geschlossene Türen zu anderen Räumen und viel Sterilität. Was Genesis vollkommen überrascht, ist die Person, die vor dem Regal steht und sich gerade zu ihm umdreht.
Rufus Shinra, wie immer in makelloses Weiß gekleidet, hebt eine perfekte, nicht zu dünne Braue. “Genesis.”
Jetzt gilt es, gelassen zu bleiben. “Hallo Rufus. Wie geht’s?” Wenn er sich sehr gerade hält, überragt er den Sohn des Präsidenten um einen halben Kopf, auch dank der Fünf-Zentimeter-Absätze, die ihn mit Sephiroth auf eine Höhe bringen.
“Danke”, antwortet der Vize-Präsident nicht sehr freundlich. “Darf ich fragen, was du hier willst? Ist nicht Hollander für dich und Hewley zuständig?”
“Richtig. Das Anliegen, das ich habe, betrifft nicht mich.”
“So? Wen dann?”
Die Frage gedenkt Genesis zunächst mal zurückzugeben. Denn nun will er wissen, ob Rufus etwa seine Drohung gegen Sephiroth wahr gemacht und Hojo in seinem Auftrag gehandelt hat. Seit der Party haben sie nicht mehr miteinander gesprochen, und Genesis traut dem verwöhnten Schönling jede Missetat zu.
“Und du? Bist du öfter beim Professor zu Gast?”
"Ich bin der Vize-Präsident der Firma, für die Professor Hojo arbeitet. Es sollte dich nicht verwundern, dass ich gelegentlich Dinge mit ihm zu erörtern habe."
"Dinge? Solche 'Dinge' wie Sephiroth etwa?" Genesis beobachtet den anderen genau und registriert das kurze, boshafte Aufblitzen in den eisblauen Augen.
"Hm, ich weiß immer noch nicht, warum du so sauer warst über das, was ich zu ihm gesagt habe. Er war unverschämt, und ich habe ihn in seine Schranken gewiesen. Mich wundert vielmehr, dass du dich für einen solchen Schwächling interessierst, dem nach einem kleinen Wortwechsel schlecht wird. Wutai muss wirklich eine erbärmliche Nation sein, dass sie vor dem gekuscht haben." Rufus' Lippen krümmen sich verächtlich. Sie sind hübsch und Genesis könnte sich nach wie vor vorstellen, sie zu küssen, aber jetzt würde er es nicht mehr tun. Schon seltsam, früher konnte er sich über die Sprüche amüsieren, die diesen Mund hin und wieder verließen. Seit sie Sephiroth betreffen, findet er sie nur noch widerlich.
"Du würdest in Wutai keine halbe Stunde überleben", bemerkt er und fügt mit einem gemeinen, kleinen Grinsen hinzu: "Du würdest auch hier keine halbe Stunde überleben, wenn der Präsident nicht zufällig dein Daddy wäre."
Rufus wird ein bisschen rosa um die Nase und streicht sich hektisch die sorgsam gestylten Haare zurück. Na endlich, die gewünschte Reaktion.
"Pass auf, wie du mit mir redest", zischt er, und er ist viel zu empört, um Überlegenheit auszustrahlen.
"Oh", spottet Genesis, "bin ich etwa auf den vize-präsidialen Zeh getreten? Die Wahrheit schmerzt, nicht wahr? Also mach dich nicht über jemanden lustig, der dich so haushoch überragt wie der Tower die Slums!" Er hat leider keine Zeit, sich an dem gloriosen Vergleich zu erfreuen, der ihm da eingefallen ist, denn er muss weitermachen, bevor Klein Shinra sich sammeln kann.  
Der schießt prompt den nächsten Pfeil ab. "Hast du ihn gefickt?" Die Kälte in den Augen schafft es nicht ganz, das Schmollen zu verdecken.
"Nur kein Neid", neckt Genesis genüsslich, ist aber doch so nett, hinterherzuschieben: “Du kannst es dir wahrscheinlich nicht vorstellen, aber man kann noch andere Sachen zusammen machen als Ficken." Dann wird seine Miene übergangslos hart. Drohend beugt er sich zu Rufus vor und starrt ihn mit seinem Mako-Blau nieder. Das kann er genauso gut wie Sephiroth, ohne zu blinzeln. "Und jetzt Tacheles: Hat Hojo ihm die Spritzen auf deine Anweisung hin gegeben?"
Rufus streckt trotzig das Kinn vor, bemüht keine Angst zu zeigen. Soweit Genesis weiß, gibt es in den Laboratorien keine Kameras, dafür aber eine Menge hungrige Monster, denen man die Schuld zuschieben kann, falls dem jungen Mann etwas zustößt. Gewiss ist besagtem jungen Mann dieser Umstand ebenfalls bewusst.
"Nein", schnarrt Rufus, "dazu bin ich bisher noch gar nicht gekommen. Ich weiß nicht mal, was du meinst. Welche Spritzen?"
"Solche, die ihm hochdosiertes Mako direkt in seine Fortpflanzungsorgane injizieren und seinen Samen dazu bringen sollen, mit einem bestimmten Mädchen Nachkommen zu zeugen, mit denen Hojo experimentieren kann."
Rufus versucht zu grinsen, aber das Grinsen rutscht irgendwie an seinem Kinn herab. Wohl doch nicht so hart gesotten, der Knabe.
"An deiner Stelle würde ich ihm nachdrücklich davon abraten, in dieser Richtung weiter zu forschen", legt Genesis nach.
"Und warum sollte ich das tun?", fragt Rufus und verschränkt die Arme vor der Brust. "Willst du mir drohen?" Er klingt nicht ganz so selbstsicher, wie er es vermutlich gerne hätte.
Genesis verzieht keine Miene. "Ich will dich erpressen, ganz einfach. Wenn du irgendetwas gegen Sephiroth unternimmst, erzähle ich deinem Vater, dass du dich jede Woche mit einem anderen Kerl einlässt, angefangen mit den Kadetten der Infanterie bis zum First Class SOLDIER, nämlich mir."
"Viel Spaß dabei", schnaubt Rufus. "Mein Alter weiß, was ich mit wem treibe. Es ist ihm scheißegal, solange ich damit nicht auf Seite Eins der Midgar Gala erscheine."
Dämlich ist er also auch noch und liefert Genesis diese wundervolle Steilvorlage.
Genesis imitiert seine Haltung und lächelt süß. “Die Gefahr ist ja nicht sehr groß, da die Gala ShinRa selbst gehört und entsprechend zensiert wird. Aber ich bin persönlich mit Lohra Densh und Rhett Thomas bekannt, den Chefredakteuren von Fitz News, dem freien Online-Magazin. Was glaubst du, wer übermorgen deren Aufmacher sein wird, Honey?"
Rufus' Augen verengen sich, und er wird tatsächlich blass. Was für ein schöner Sieg! Ein ziemlich leichter, aber ein schöner Sieg. Den verdirbt auch die letzte verzweifelte Attacke nicht: "Ich bin bekannt mit einer ganzen Abteilung Turks."
"Auf die bin ich gespannt", lacht Genesis nur. Innerlich zuckt er ein bisschen. Wenn er Lohra und Rhett hier gerade den Turks zum Fraß vorgeworfen hat, wäre das äußerst übel. Er sollte unbedingt Informationen darüber einholen, wie weit die Macht des Vize-Präsidenten bereits reicht. Bisher sind die Turks höchstens als seine Leibwächter aufgetreten, aber was inoffiziell bei ihnen abläuft, entzieht sich seiner Kenntnis.

Die interessante Unterhaltung wird gestört durch ein rollendes Geräusch, das sich rasch von dem abzweigenden Gang her nähert. Automatisch sehen beide Kontrahenten der Quelle des Lärms entgegen.
Wenn sie Hojo erwartet haben, sehen sie sich enttäuscht. Es ist ein Mann in einem Arbeitsanzug, der auftaucht und einen Metallkarren vor sich herschiebt, auf dem eine hohe und längliche Holzkiste ruht. Der Arbeiter hält neben dem Schreibtisch an.
"Äh ... hallo", grüßt er, offenbar etwas verwirrt von der Anwesenheit so herausgeputzter Gäste. Es ist nicht ersichtlich, ob er sie erkennt, zumindest lässt er es einigermaßen an Ehrfurcht mangeln. "Ähm, warten Sie auf den Professor?"
"Nein, wir stehen nur zum Spaß hier herum", grummelt Rufus, und Genesis muss sich ein Grinsen verbeißen. Da ist der Sarkasmus ja wieder, den er so mag.
"Hm." Der Mann lehnt sich auf die Kiste und guckt uninteressiert in die Gegend. Er hat kurze, rotblonde Haare und ein rundliches, bemerkenswert leeres Gesicht.
Aus der Kiste ertönt unvermittelt ein hohes Winseln, untermalt von scharrenden Lauten. Genesis und Rufus ziehen simultan die Augenbrauen hoch.
Der Arbeiter schlägt mit der flachen Hand auf den Deckel. "Halt die Klappe, Mensch!"
Das Winseln schlägt in ein jaulendes Kläffen um und das Scharren wird zum heftigen Kratzen. Zwischendurch gibt es einen dumpfen Schlag, der die Kiste zum Vibrieren bringt.
"He, he!", meckert der Arbeiter, was keine Wirkung zeitigt. Im Gegenteil. Die Protestlaute werden nachdrücklicher.
“Was für ein Vieh haben Sie denn in dem Kasten?”, erkundigt sich Genesis.
Es klingt, als würde gleich ein Monster die Kiste sprengen. Andererseits passt das Winseln nicht dazu. Es ist irgendwie herzerweichend, wenn denn jemand bei ShinRa ein solches Organ besäße.
“Guard Hound-Welpe”, informiert der Arbeiter achselzuckend. “Soll ausgemustert werden, aber ich brauch noch die Unterschrift vom Professor. Sicher is sicher.”
Der Radau in der Kiste ist inzwischen so laut, dass sie die Stimmen erheben müssen, um ihn zu übertönen. Die Faust des Arbeiters, die immer wieder mit dem Deckel kollidiert, trägt nicht zur allgemeinen Beruhigung bei.
“Warum soll er denn ausgemustert werden?”, fragt Rufus. “Der scheint äußerst fit zu sein.”
“Fehlgeschlagene Züchtung”, ist die nüchterne Antwort. “Sie is anhänglich.”
“Sie?”
“Ist ’n Mädchen. Will ne Beziehung zum Betreuer aufbauen, das is für n Biest im Wachdienst aber hinderlich. Das soll nich kuscheln, sondern auf Befehle hören und angreifen, wenn’s nötig is.”
Rufus mustert die Kiste stirnrunzelnd, und Genesis wünschte, Hojo würde endlich aufkreuzen. Er ist keineswegs sicher, wie das seltsame, bevorstehende Meeting ausgehen wird.
Da sagt Rufus in befehlendem Ton zu dem Arbeiter: “Machen Sie das Ding mal auf!”
Dem Mann ist die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. “Hä?”
“Machen Sie die Kiste auf”, wiederholt Rufus. “Ich will das Tier sehen! Und falls Sie’s nicht wissen - ich bin Vize-Präsident Rufus Shinra und somit der Vorgesetzte Ihres edlen Professors. Also machen Sie schon!”
Er hat Autorität, wenn er aufhört zu zicken, das muss Genesis ihm lassen.
Der Arbeiter zögert nur kurz und zieht schließlich die beiden Stahlbolzen zur Seite, die den Deckel der Kiste am Platz halten.
Sofort wird der Deckel von innen hochgestemmt und ein außerordentlich hässlicher, schwarzer Kopf schiebt sich durch die Lücke. Rote Augen, spitze Ohren, ledrige Haut und tödliche Fänge. Im Widerspruch zu der allgemeinen Monstrosität stehen die Stupsnase und die rundlichen Formen des noch nicht ausgewachsenen Schädels. Und der Blick, der auf Rufus Shinra fällt. Er ist erstaunlich ausdrucksstark, schreit etwas wie: “Hier! Ich bin hier! Hab nur auf dich gewartet! Komm zu mir! Biiiiitteeee!”
Zwei Pfoten erscheinen rechts und links neben dem Kopf und arbeiten den Oberkörper mitsamt einem noch viel zu kurzen Tentakel zwischen den Schulterblättern aus dem Behältnis, während die Beine offensichtlich strampeln, um die hohe Holzwand zu überwinden. Währenddessen verstummt das Gekläffe keine Sekunde und Rufus wird nicht aus den Augen gelassen. Der erste Gedanke, der Genesis in den Kopf kommt, lautet: ‘Das könnte Fair sein! Genauso würde der sich in dieser Lage benehmen!’ Die Vorstellung hat etwas enorm Erheiterndes.
Rufus hingegen reagiert unerwartet. Mit ausgesteckten Armen geht er auf das Tier zu und zieht es aus dem engen Gefängnis! Das Biest ist noch klein genug, dass er es halten kann. Es bricht in begeistertes Fiepen aus und fängt an seinen Hals zu lecken. Dabei zuckt der stummelige Tentakel unkontrolliert in alle Richtungen.
Rufus hält das Vieh an sich gedrückt und lacht. Es ist ein offenes und amüsiertes Lachen, das Genesis ihm niemals zugetraut hätte. So menschlich.
In das absonderliche Idyll dringt eine näselnde Stimme, die plötzlich hinter ihnen ertönt. “Was ist denn bitte hier los, wenn ich fragen darf? Habt ihr keinen anderen Platz für eure Party gefunden als mein Sprechzimmer?”
Alle drehen sich zu Hojo um, und Rufus lässt den Monsterwelpen auf den Boden hinunter, wo ihm das Vieh kläffend um die Beine wuselt.  
Hojos Mundwinkel sacken nach unten. “Wer hat denn das Subjekt aus der Kiste gelassen? Und wieso fasst du es an, Rufus? Das ist kein Kuscheltier, sondern eine Waffe!”
Seine keifende Stimme veranlasst den Welpen, unter Rufus’ Mantel in Deckung zu gehen, von wo aus er hervorlugt und Hojo zähnefletschend anknurrt.
“Sie scheint jedenfalls durchaus in der Lage zu sein, sich eine eigene Meinung zu bilden”, grinst Genesis.
Der Laborarbeiter zieht sich möglichst unauffällig hinter den Karren mit der Kiste zurück. Er sieht aus, als wäre er jetzt liebend gerne woanders. Genesis kann es ihm nicht verdenken.
“Das Subjekt ist gefährlich”, schnarrt Hojo, indem er sich hinter seinen Schreibtisch begibt. “Unberechenbar. Es wird ausgemustert!”
Rufus zeigt sich unbeeindruckt. “Sie ist kein Subjekt, sondern ein Tier, und sie scheint wesentlich intelligenter zu sein als manche der Anwesenden hier. Ich werde sie behalten.”
Durch die Gläser seiner geschmacklosen Brille starrt Hojo den Vize-Präsidenten verächtlich an. “Das ist unmöglich.”
“Wohl kaum. Sie ist ein Guard Hound. Ich lasse sie zum Personenschutz ausbilden als Ergänzung zu meinen Bodyguards.”
Exaltiert wirft Hojo die Hände in die Luft. “Lächerlich! Es handelt sich hier um eine fehlgeschlagene Züchtung. Die Gene, die Kommunikation und Bindung ermöglichen, sind unvorhergesehen durchgeschlagen und aktiv. Zugleich ist die Aggressivität der Spezies viel zu hoch für ein Haustier. Die Reaktionen sind absolut unzuverlässig. So ein Subjekt würde niemand trainieren. Vergiss diesen Unsinn!”
An der Stelle kann Genesis nicht umhin, sich einzumischen. “Ich kenne da jemanden, der das Tier sehr wohl trainieren würde. Gerade ein solches Tier.”
Hojos abschätzigen Blick erwidert er gelassen, während Rufus sofort fragt: “Wer?”
“Commander Angeal Hewley, ein Freund von mir. Er liebt Hunde und hat früher ständig die Welpen in unserer Heimatstadt trainiert. Er ist gut. Der Hund, mit dem er nicht klar kommt, muss erst noch geboren werden.”
“Das hier ist kein Hund”, zischt Hojo. “Das ist ein Monster. Aber Hollanders Freaks sind wahrscheinlich zu dumm, den Unterschied zu kapieren.”
Genesis fragt sich gerade, warum er dem Mistkerl nicht einfach den Hals umdreht, entgegnet aber ruhig: “Oh, den Unterschied zwischen Freaks und Monstern kennen wir schon. Nur manchmal kommt beides in einem Individuum zusammen, und das ist dann für die Umgebung wirklich unangenehm, nicht wahr, Professor?”
Die kalten, grauen Augen verengen sich, als sie ihn ins Visier nehmen.
Als wüsste das Tier zwischen Rufus’ Beinen, dass seine Existenz auf dem Spiel steht, kläfft und knurrt es weiter, bis Rufus sich bückt, ihm die flache Hand auf den Kopf legt und zugleich beruhigend und befehlend “shhh” macht. Daraufhin setzt wieder das Fiepen ein, das zumindest weniger lautstark ist. Offenbar hat der junge Shinra bereits eine gewisse Erfahrung mit Hunden beziehungsweise Hundemonstern.
Hojo verdreht die Augen. “Macht, was ihr wollt, aber verschont mich mit euren Absurditäten. Ich habe an Forschungen zu arbeiten, die den Planeten verändern werden.”
“Wie schön, der Planet wird es Ihnen danken”, wirft Genesis ein. “Dann können Sie in Zukunft davon absehen, General Sephiroth mit sinnlosen Behandlungen zu quälen. Aus diesem Grund sind der Vize-Präsident und ich nämlich hier.”
“Sephiroth?” Der Name weckt natürlich augenblicklich Hojos höchste Aufmerksamkeit. Er stützt seine bleichen Hände mit den Spinnenfingern auf die Tischplatte, als er sich vorbeugt. "Was habt ihr beide denn mit Sephiroth zu schaffen, hm?"
"Wir sind seine Freunde", erwidert Genesis schnell, bevor Rufus irgendwelchen Unsinn verzapfen kann, "und wir haben lange genug zugesehen, wie Sie ihn qualvollen Tests und Behandlungen unterziehen, nur um der Forschung willen, ohne jeglichen Nutzen für den Konzern, geschweige denn den Planeten." Er lehnt sich hier ziemlich weit aus dem Fenster, zugegeben, aber gegen einen Typ wie Hojo muss man auftrumpfen, sonst kann man es gleich bleiben lassen. Außerdem hat Sephiroth selbst die Methoden des Professors oft genug als unwissenschaftlich und unnötig grausam kritisiert, wenn auch ohne ins Detail zu gehen.
Hojo schenkt ihm ein gifttriefendes Lächeln. "Na, das sagt ja der Richtige. Hast du dir diese Einschätzung in deinem eigenen hohlen Köpfchen ausgedacht oder stammt sie von meinem lieben Kollegen Hollander?"
"Weder noch", hält Genesis dagegen. "Wir alle sehen die Ergebnisse Ihrer Arbeit immer wieder, wenn Ihre Monster ausbrechen und wir sie in der Kanalisation und in den Slums und sogar im Tower jagen und erledigen müssen. Als ob Gaia nicht schon genug Plagegeister beherbergt."
"Als ob du irgendetwas von meiner Arbeit beurteilen könntest!", blafft Hojo und schlägt mit beiden Handflächen auf den Tisch, was den Welpen erneut zum Kläffen bringt. "Nichts, aber auch gar nichts verstehst du von dem, was du da redest, Rhapsodos. Und es wäre auch nutzlos, es dir zu erklären. Aber eines sollst du wissen: Ohne mich wäre dieser Konzern schon seit Jahren am Ende. Und Sephiroth ist die Krone all dessen, was ich geschaffen habe. Er ist das wertvollste meiner Subjekte, ein manifestierter Strahl meines genialen Geistes."
Überraschend mischt sich Rufus ein. "Das heißt noch nicht, dass du alles mit ihm anstellen kannst, was dir beliebt. Du verbrauchst Unsummen aus ShinRas Finanzierung, und was wir als Ergebnisse bekommen, sind überwiegend krude Theorien."
"Geniale Theorien, die ich entwickelt habe", schnappt Hojo. "Die ich mit Hilfe meines größten Subjekts in die Praxis überführen werde. Er ist euch allen so weit überlegen, dass ihr seine wahre Größe mit eurem schwachen Geist gar nicht begreifen könnt, ebenso wenig wie ihr mein bescheidenes Genie begreift."
Genesis platzt der Kragen. “Hören Sie auf, ihn als Subjekt zu bezeichnen! Er ist ein Mensch!”
“Was noch zu beweisen wäre.”
“Was soll denn das heißen?”
Hojos Lächeln dreht ihm den Magen um. "Das heißt, dass er mit Menschen weniger gemein hat als du mit einem Guard Hound."
Genesis spart sich die Mühe, den verklausulierten Satz zu analysieren. Es ist klar, dass er nur eine üble Beleidigung darstellen kann.
Rufus hingegen ergreift wieder das Wort. "Weiß der Präsident, welche Manipulationen du an General Sephiroth vornimmst?"
"Natürlich weiß er es!", ruft Hojo enerviert, seine Stimme fast so schrill wie das unentwegte Kläffen.
"Das bezweifle ich", gibt Rufus ruhig zurück. "Der Intimbereich ist die sensibelste Region jedes Lebewesens, ob Mensch oder nicht. Ihn zu verletzen, ist eine traumatische Erfahrung und birgt ein hohes Risiko, einem Krieger seine Stärke zu rauben. Keine noch so schöne Theorie rechtfertigt das, und der Präsident würde es niemals erlauben. Du wirst deine Finger von Sephiroth lassen, verstanden? Zumindest so lange, bis wir Wutai in der Tasche haben!"
Mit neuem Respekt mustert Genesis den jungen Mann neben sich. Der Bengel weiß, was er tut. Auf diese bedrohliche Folge von Hojos Aktionen wäre er selbst nicht so schnell gekommen, obwohl sie naheliegend ist. Die Art, wie der Professor jetzt stumm die Zähne bleckt und rot anläuft, spricht für einen vollen Erfolg.
"Ich denke, wir verstehen uns, Professor”, meint Rufus lässig. “Im Übrigen interessieren mich die Erkenntnisse, die du aus der Analyse der beiden AVALANCHE-Kadaver von gestern gewonnen hast.”
Hojo schnauft und quetscht durch zusammengebissene Zähne hervor: "Es gibt Hinweise auf eine Makobehandlung, die der von First Class SOLDIERs entspricht. Darüber hinaus liegen noch keine gesicherten Ergebnisse vor. Selbst bei mir dauern Zellanalysen länger als eine Nacht, jedenfalls wenn sie aussagekräftig sein sollen.”
“Wie bedauerlich, ich hätte eigentlich mehr von dir erwartet. Die Sache ist schließlich eilig. Aber nun ja. Schönen Tag noch, Professor", bemerkt Rufus eisig und geht einfach zur Tür. "Komm, Kleine", ruft er der Hündin zu, die zu ihm rennt und glücklich um ihn herumspringt.
Genesis beeilt sich, den beiden zu folgen, während er noch mitbekommt, dass der Arbeiter sich mitsamt seinem Gefährt sehr schnell in den Gang zurückzieht, durch den er vorhin eingetreten ist. Umso besser. Mit einem wütenden Professor Hojo ist sicherlich nicht zu spaßen.

Sie verlassen rasch die Abteilung. Draußen bleibt Rufus stehen und öffnet seinen Mantel, um seinen Gürtel zu lösen. Dann hockt er sich vor die Hündin und schnallt ihr den Gürtel als Halsband um. Er passt zwei Mal um ihren Hals. Sie fiept und wackelt ein bisschen mit dem Hinterteil, was in Ermangelung eines Schwanzes wohl als Äquivalent zum Schwanzwedeln zu verstehen ist.
Rufus schaut zu Genesis auf und sagt befehlend: "Ich brauche einen deiner Gürtel."
Genesis' Brauen wandern aufwärts. "Wozu?"
"Als Leine natürlich", erwidert Rufus deutlich genervt und streckt die Hand aus.
Genesis findet so schnell kein Gegenargument, also öffnet er einen der beiden schmalen Riemen, die er trägt und übergibt ihn dem Vize-Präsidenten. Der befestigt ihn an dem provisorischen Halsband und sieht sehr zufrieden aus, als er mit seinem neuen Haustier zu den Aufzügen wandert. 'Danke' sagt er nicht, wieso auch. Wahrscheinlich ist er der Meinung, Genesis' Gürtel würden wie alles andere ShinRa gehören, und ShinRa gehört ihm.
Sei's drum. Genesis folgt ihm zu den Aufzügen.
"Glaubst du, Hojo hält sich dran?", fragt Genesis. "Oder wird er Ärger machen?" Er kann Hojo nicht einschätzen.
"Klar wird er versuchen, Ärger zu machen", antwortet Rufus achselzuckend. "Aber mein Argument kann er nicht entkräften, und mein Vater lässt sich nicht alles bieten. Dazu ist Sephiroth zu wichtig für ihn."
Damit muss Genesis sich wohl zufriedengeben. Er hat schon mehr erreicht, als er für möglich gehalten hätte, auch wenn ihm die Einschränkung, die Wutai betrifft, nicht gefällt. Dass er sich fragt, wieso Rufus gegen Sephiroth intrigieren wollte, wenn dieser für den Präsidenten so wichtig ist, behält er lieber für sich. Andererseits fällt ihm ein, dass Sephiroth erwähnt hat, es wären nicht die ersten Spritzen dieser Art gewesen, die Hojo ihm verabreicht hat. Also kann Rufus ihm nicht den Auftrag dafür gegeben haben, als Rache für den Party-Vorfall. Egal, was zählt, ist der Erfolg.
Rufus tätschelt die Hündin, die an ihm hochspringt. Auf den Hinterbeinen aufgerichtet reicht sie ihm genau bis zur Taille. "Hmm. Darkstar. Sie sieht aus wie Darkstar, findest du nicht?"
"Ja", meint Genesis, obwohl er von Hundenamen absolut keine Ahnung hat. "Ja, schon, irgendwie."
Als der Aufzug kommt und sie sich zu den sieben oder acht Leuten gesellen, die bereits drinnen sind, fängt das Tier wieder an zu knurren und zu kläffen. Fünf Sekunden später haben sie den Aufzug für sich.
Rufus lacht und lobt Darkstar ausgiebig.
In der 69. Etage, wo sein Büro ist, verabschiedet er sich von Genesis. "Sag Hewley, er soll sich bei mir melden", weist Rufus ihn noch an.
"Mach ich, Herr Vize-Präsident", antwortet Genesis ungewohnt höflich. Immerhin hat er den Mann nicht nur soeben erpresst, sondern durch ihn auch Sephiroths Folterer in die Schranken weisen lassen.
Das war ganz schön viel Arbeit für einen Vormittag, findet Genesis. Er muss sich erstmal erholen. Vorher allerdings will er unbedingt das Objekt seiner Fürsorge sehen und dann Angeal die frohe Botschaft verkünden, dass er Darkstar in Zukunft trainieren wird.

 

Chapter 22: Hojo

Chapter Text

Nach unserer Ankunft im Tower sitze ich bereits seit zwei Stunden wieder am Schreibtisch. Ich ärgere mich immer noch, weil ich mich vorhin nicht mehr mit Genesis für heute Abend verabredet habe.  
Die Nacht war gut. Seine Nähe, seine Wärme in der Intimität meines Bettes werden mir langsam vertraut. Doch heute Morgen erschien es mir absonderlich, diese Intimität mit ihm oder irgendjemandem sonst zu teilen. Ich fühlte mich verunsichert und bin deshalb in schweigsame Nüchternheit verfallen, habe ihn auf dem ganzen Rückflug kaum angesehen. Auch er hat nichts weiter gesagt, und so frage ich mich, ob er vielleicht ebenso verunsichert ist wie ich? Erscheint ihm die Nähe, die wir letzte Nacht geteilt haben, plötzlich auch so seltsam?
Es ist dieses Gespräch über Hojo, das wir gestern hatten. Es hat mich fertig gemacht, mehr als ich jemals zugeben möchte. Wie aus heiterem Himmel war der Professor sozusagen direkt zwischen uns, mit all dem Schmerz, mit seinem Lob und seiner Verachtung, mit dem ganzen Horror aus meiner Kindheit, der bis in mein gegenwärtiges Leben hineinreicht.
Wenn Genesis sich einmal in ein Thema verbissen hat, lässt er nicht mehr los. Und ich ... wieso habe ich ihm nachgegeben? Warum habe ich über Dinge gesprochen, die ausschließlich mich etwas angehen? Es hat sich irgendwie angefühlt, als würde etwas in mir aufgehen - schmerzende Wunden, ja, aber es war auch etwas Gutes dabei, ein gewisses Gefühl von Erleichterung. Weil ich plötzlich nicht mehr allein war mit der überlebensgroßen Gestalt, die Hojo so lange für mich war? Die er für einen kleinen Teil meiner Psyche in meinem Innersten noch immer ist?
Vielleicht ist es gut, sich jemandem anzuvertrauen, ja. Aber ebenso ist es beängstigend. Denn jetzt kennt Genesis Dinge von mir, die sich meiner Kontrolle entziehen, die mich schwach machen. Genau das will ich jedoch nicht. Im besten Fall wird er das Thema als abgeschlossen betrachten und in Zukunft ignorieren. Im schlimmsten wird er mich bemitleiden. Und Mitleid gibt dich der Lächerlichkeit preis.
Ich ertrage es nicht, lächerlich zu erscheinen. Es ist zutiefst demütigend. Hojo hat viele Jahre dafür gesorgt, dass ich einen nachhaltigen Eindruck von diesem Gefühl erhalten habe. Es gibt wenig, wodurch man sich noch schwächer fühlt als durch Lächerlichkeit.
Dennoch möchte ich mehr von dem haben, was Genesis und ich geteilt haben, bevor es durch das Thema Hojo ruiniert wurde.
Ich überlege noch, wie ich meine neuen Zweifel überwinden und mich doch mit Genesis verabreden kann, da klingelt mein Mobiltelefon. Das Display zeigt mir Hojo an. Was will der denn schon wieder? Ich erwäge ernsthaft, ihn zu ignorieren, aber das würde mir vermutlich nichts nützen. Wenn er verlangt, mich zu sehen, lässt er mich im Notfall von den Turks vorführen.
Ich brauche mich gar nicht mit Namen zu melden. Sobald ich den Anruf annehme, schneidet seine Stimme wie ein Skalpell in mein Gehör.
“In mein Labor! Jetzt!”
Meine Reaktion ist ein Automatismus. Mein Magen zieht sich zusammen, mein Puls beschleunigt sich, ich beiße die Zähne aufeinander. Durch meinen Kopf schießt die Frage: Was habe ich falsch gemacht?
Eine Frage, die für jemanden in meiner Position obsolet erscheint, die jedoch noch immer eine Berechtigung hat. Denn obwohl ich längst ein erwachsener Mann bin und einen Krieg geführt habe, aus dem ich und somit ShinRa in spätestens einem halben Jahr als Sieger hervorgehen dürften, trotz all dem hat Hojo noch immer die Macht, mich für körperlich und psychisch labil zu erklären und mich obskuren Behandlungen zu unterziehen, ja sogar vom aktiven Dienst abzuziehen. Niemand wird dagegen einschreiten, schon gar nicht der Präsident. Sollte ich Hojo den Gehorsam verweigern, würde das als Befehlsverweigerung gelten und mich würden schwere Repressalien erwarten, ob Genesis das nun passt oder nicht.
Wie immer schiebe ich also all die kindlichen Reaktionen beiseite und gestatte mir lediglich den Ärger über eine Zeitverschwendung.
Ich fahre den PC herunter und ordne die Akten auf meinem Schreibtisch. So wie er geklungen hat, werde ich möglicherweise für den Rest des Tages nicht mehr hierher zurückkehren können.
Bevor ich mein Büro jedoch verlassen kann, fliegt die Tür auf und Genesis kommt herein. Was für eine nette Überraschung! Nur dass ich sie im Moment absolut nicht gebrauchen kann.
In seinen Augen glimmt ein nur halb erloschenes Feuer, auf seinen Lippen ist ein selbstzufriedenes Lächeln. Beides lässt in mir sofort den Verdacht keimen, dass er etwas angestellt hat.
Mit langen Schritten erreicht er den Schreibtisch. “Mein Freund, deine Sehnsucht ist der Quell des Lebens, die Gabe der Göttin.” Er beugt sich zu mir herab, um mich zu küssen.
Ich erwidere den Kuss nur kurz und erhebe mich. “Sorry, ich habe gerade keine Zeit.”
“Oh.” Er seufzt dramatisch. “Fliegst du hinfort, mein Freund? In eine Welt, die uns verabscheut?” Mit normaler Stimme fragt er dann: “Sehen wir uns heute Abend?”
Ich habe keine Ahnung, wieso diese fünf Worte bei ihm klingen wie die schmutzigste und verlockendste Einladung.
“Ich weiß nicht, ich muss zu Hojo”, teile ich ihm mit. “Jetzt gleich.”
Schlagartig wird er ernst. “Zu Hojo? Wieso denn?”
“Hat er nicht gesagt. Aber er klang wütend. Heute wird es also eher nichts. Ich melde mich morgen bei dir.”
Als ich an ihm vorbeigehen will, packt er mich am Arm. Erstaunt drehe ich mich zu ihm um, im Reflex die Faust ballend. “Er hat kein Recht”, faucht Genesis voller Wut und fügt entschieden hinzu: “Ich komme mit dir.”
“Nein!” Nie, niemals wird dieser Mann mich in all meiner Schwäche und Demütigung sehen, die ich im Labor erlebe! Außerdem will ich nicht, dass Hojo jemals eine Verbindung zwischen ihm und mir erkennt. Ich entreiße ihm heftig meinen Arm. “Hojo geht dich nichts an! Stell dich nie zwischen ihn und mich, hörst du?”
Jetzt schaut er mich nur noch stumm an. Innerhalb von Sekunden hat sich seine Miene in eine Maske der Fassungslosigkeit verwandelt. Da ich nicht bereit bin, ihm etwas zu erklären, lasse ich ihn stehen und gehe.

Vom Vorraum der Laboratorien begebe ich mich gleich in den Untersuchungsraum, in dem ich üblicherweise mit dem Professor zusammentreffe. Er ist bereits dort und begrüßt mich mit einem flüchtigen Blick aus seinen kalten, grauen Augen.
"Zieh dich aus." Er sagt es tonlos und nebenbei, als sei es eine Selbstverständlichkeit, während er mit irgendwelchen Unterlagen beschäftigt ist.
Ich zögere. Seit ich Sex mit Genesis habe, ist mein Widerwille, mich vor einem anderen als ihm zu entblößen, noch größer geworden, wie ich feststelle. Du gehörst ab jetzt dir selbst - und mir. Diese Worte von Genesis haben sich tief in meinen Geist eingegraben. Nicht nur in meinen Geist, auch und vor allem ins Gefühl. Und das Gefühl fragt nicht, ob sie realistisch sind oder nicht.
Hojo bemerkt mein Zaudern und fragt schneidend: "Worauf wartest du?"
Also dann. Ich lege meine Kleidung hinter einem Wandschirm auf einem Stuhl ab, so wie immer, behalte jedoch die Shorts an. Dann gehe ich zur Untersuchungsliege und setze mich auf den Rand des kalten Metalls. Hojo stellt sich vor mich hin und mustert mich von oben bis unten. Sein Ausdruck ist zutiefst verächtlich, seine typische Art, seinen Ärger zu zeigen.
"Die Unterhose auch."
Ich gehorche, wenn auch äußerst widerwillig.
"Leg dich hin."
Langsam reicht es mir. Die Ängste meiner Kindheit mögen in mir noch vorhanden sein, aber ich bin schon lange kein Kind mehr. "Was willst du tun?", frage ich. "Ich fliege in zwei Tagen nach Wutai auf eine wichtige Mission. Ich muss voll einsatzfähig sein."
Da lächelt Hojo plötzlich, und mir fährt bei dem Anblick ein eisiger Schauer über den Rücken. "Einsatzfähig, ja?" Er säuselt geradezu, triefend vor Hohn. "Ja, das bist du, da wette ich. Egal wo und vor allem mit wem."
"Was soll das heißen?", verlange ich zu wissen. "Sag, was los ist. Was willst du von mir?"
Er lacht leise und ekelhaft. "Leg dich hin!", befiehlt er dann wieder scharf, und diesmal gehorche ich.
Er hat die dünnen Gummihandschuhe schon übergestreift, doch seine Hände sind zum Glück leer. Ich weiß nicht, was ich tue, wenn er nach irgendwelchen Instrumenten greift. Er tritt zu mir und starrt mich an. Dann legt er unvermittelt eine Hand auf meinen Penis. Ich spüre, wie mein ganzer Körper sich anspannt, gleichsam versteinert.
"Du hast also beschlossen, meine Pläne zu vereiteln, ja? Deine Kraft zu vergeuden. Dein Geschlecht zu verleugnen!"
Was erzählt er denn da? Weiß er etwa ... ?  
Seine Hand drückt harsch auf meine Männlichkeit, und mein Puls schießt in die Höhe. Meine Nacktheit macht mich hilflos. Ich merke, wie ich anfange zu zittern, und balle die Hände an meinen Seiten zu Fäusten. Wieso kann er mich nicht in Ruhe lassen?!
Hojo grinst mich an. Er sieht meine Demütigung, meine Schwäche genau und weidet sich an ihr.
"Vielleicht hätte ich dir das ganze Zeug rechtzeitig abschneiden sollen", zischt er gehässig. "Testosteron kann man auch anders verabreichen, ohne emotionale Fehlfunktionen. Und das hier ist ja ohnehin zu nichts nütze." Er versetzt meinem Penis einen verächtlichen Schlag mit dem Handrücken, der körperlich nicht schmerzt. Emotional umso mehr. Dann lässt er mich los, bleibt aber neben mir stehen.
"Sie waren bei mir", sagt er übergangslos.
"Wer?"
"Deine Liebhaber. Die, deren Hure du geworden bist."
Ich spüre, wie mir übel wird, doch ich zwinge mich zu einem ruhigen Ton. Wieso spricht er überhaupt im Plural? "Ich weiß nicht, was du meinst. Ich bin niemandes Hure."
Wieder das hohe Kichern. "Wie schlecht du lügst! Das blutleere Präsidentensöhnchen und Hollanders Freak Rhapsodos, diese Karikatur eines Soldaten - sie haben mir verboten, mich in Zukunft an dir zu vergreifen. An meinem eigenen Subjekt, man stelle sich vor! Sonst würden sie dem Präsidenten melden, dass deine Kampfkraft durch mich Schaden nimmt. Na, willst du immer noch leugnen, dass du für die beiden Schwuchteln die Beine breit machst? Warum sonst sollten sie deinetwegen den größten Wissenschaftler Gaias attackieren, hm? Jeder hier weiß, dass beide schamlos andere Männer begatten, so wie man auch weiß - oder zumindest ich -, dass du deine Zeit mit dem rothaarigen Versager verbringst und nie eine Freundin hattest. Behauptest du immer noch, meine Schlüsse seien falsch?"
Ich habe keine Ahnung, was hier gespielt wird. Doch zu der Übelkeit gesellt sich etwas anderes: Zorn. Tief, dumpf, pulsierend. "Genesis und ich sind Freunde", sage ich kalt. "Genauso wie ich und Angeal. Mein Intimleben geht dich nicht das Geringste an."
"Meinst du, Sephiroth? Aber vielleicht sollte ich nach den Gründen für diese Fehlentwicklung forschen, hm?" Genau das, was ich die ganze Zeit befürchtet habe! Genüsslich fährt Hojo fort: "Schwuchteln haben auf dem Schlachtfeld nichts zu suchen. Sie sind nicht als Helden geeignet, nicht einmal als kleine, dumme Soldaten. Deshalb muss ich natürlich auch Hollanders Freaks untersuchen, und zwar gründlich und umfassend. Er selbst ist ja völlig unfähig, wie man wieder einmal sieht. Es wird ein sehr langes Forschungsprojekt werden, und keiner von euch wird meine Labore je wieder verlassen. Das ist dir doch klar, mein Junge?"
Und plötzlich reicht es mir! Die Wut explodiert wie ein Feuerball zwischen meinen Augen. Ich springe von der Liege auf und stehe unvermutet dicht vor Hojo, der tatsächlich ein wenig zurückfährt. Dass ich nackt bin, ist mir gerade absolut egal.
"Ich warne dich, Hojo. Ich sage es nur einmal, also hör gut zu." Ich starre auf ihn hinab und spreche sehr leise und sehr deutlich. "Möglicherweise haben Rufus und Genesis ja so etwas wie ein Gewissen. Was den jungen Shinra angeht, ist es mir gleich, was er will. Aber ich rate dir gut: Äußere dich nie wieder über Commander Rhapsodos und Commander Hewley! Denk nicht einmal an sie! Jeder von ihnen ist tausend Mal mehr wert als du, und ich lasse nicht zu, dass du auch nur einen Finger gegen sie erhebst."
Er rührt sich nicht. Ich mich auch nicht. Seine Augen hinter den Brillengläsern scheinen zu lauern. Ich werde diesem stechenden Blick nicht ausweichen. Nie mehr.
Nach ein paar langen Sekunden beginnt er wieder höhnisch zu lächeln. "Oh, ist das nicht rührend! Willst du mir drohen, Sephiroth?"
Was ich will, ist fluchen. Ein einziges Mal so ordinär und leichthin fluchen wie Genesis, das würde ich jetzt gerne. Aber er ist die Überwindung, die mich das kosten würde, nicht wert.
"Lass mich einfach in Ruhe!", knurre ich heiser. "Vierundzwanzig Jahre, Hojo! Vierundzwanzig Jahre sind genug!"
"Du weißt gar nichts!", schnappt er. "Was meinst du zu gewinnen von dieser jämmerlichen Gestalt? Warum nur gibst du einer so nutzlosen Regung nach? Findest du nicht, du bist ein bisschen zu alt für eine läppische, pubertäre Phase?"
Nun, er wird mich sicher nicht dazu bringen, mit ihm ausgerechnet darüber zu diskutieren. Schweigend drehe ich mich um und gehe, um mich wieder anzuziehen. Hojo zetert unterdessen weiter.  
Genesis sei es nicht wert, ich sei besser als das, er habe einen Helden aus mir gemacht, nicht eine Schwuchtel, und so weiter. Ich höre nicht länger hin.
Sobald ich alle Kleidungsstücke am Körper habe, stürme ich hinaus. Um nicht vorm Eingang warten zu müssen und keine anderen Leute zu treffen, nehme ich die Treppe.
Während ich abwärts haste, frage ich mich, was hier neuerdings hinter meinem Rücken abläuft. Genesis war bei Hojo? Wieso? Zusammen mit Rufus! Der ist nun sicher nicht mein Freund! Mir schwirrt der Kopf. Das ist alles zu viel. Meine Gefühle für Genesis - die kann ich schon nicht mehr einschätzen. Warum mischt er sich auch noch in mein Privatleben ein? Ich wollte nie, dass er Hojo überhaupt begegnet. Was haben sie über mich gesprochen? Was hat er ihm erzählt? Genesis kann mich nicht so hintergehen! Und wieso mit Rufus? Wieso hat er sich überhaupt mit dem jungen Shinra getroffen?
Sie haben verlangt, dass Hojo mich in Ruhe lässt?! Das ist unsinnig. Das wird nie geschehen. Und was, wenn Hojo sich rächt? Wenn er seine Drohung wahr macht? Was er mit mir macht, ist nicht wichtig, ich bin daran gewöhnt. Aber er darf Genesis und Angeal nichts antun!
Ich erreiche die 49. Etage und stürze durch die Tür neben dem Aufzug. Zu meiner Verblüffung steht genau dort Genesis! Er kommt sofort auf mich zu.
"Sephiroth! Das ging schnell. Was hat er denn ... "
Weiter kommt er nicht, denn ich packe ihn am Kragen seines feinen Ledermantels und will ihn gegen die Wand schleudern. Aber ich treffe auf eine entschlossene Kraft, die dagegenhält. Genesis Finger krallen sich in meinen eigenen Mantel und wir stolpern durch den Gang.
"Wieso warst du bei Hojo? Noch dazu mit Rufus! Du verdammter Idiot!" Die wirbelnden Emotionen brechen sich Bahn und ich schnaube zornig. Meine wertvolle Selbstbeherrschung ist gerade aus irgendeinem Fenster geflogen.
"Lass mich los!", knirscht Genesis, während er sich gegen mich stemmt. "Soll ich zusehen, wie der wahnsinnige Quacksalber dich fertig macht?"
"Es geht dich nichts an! Ich hab's dir gesagt, verdammt!"
"Und ich hab dir gesagt, es geht mich wohl was an!"
Seine Kraft ist erstaunlich. Im unbewaffneten Nahkampf treffen wir nie aufeinander, deshalb verblüfft es mich, wie hart ich mit ihm ringen muss, um ihn letztendlich doch gegen die Wand zu nageln. Er keucht und windet sich. Irgendein Teil von mir, den ich im Laufe meines Lebens vom Rest abgespalten haben muss, findet diese Art der Auseinandersetzung mit meinem Kollegen durchaus anregend und schickt störende Nervenimpulse in meinen Unterleib. Ich verfluche das dämliche Ding.
"Du hältst dich von Hojo fern! Und von Rufus!" Ich stoße ihn hart nach hinten. Er ächzt, allerdings mehr entrüstet als schmerzvoll, und ich fahre ungebremst fort: "Du hältst dich aus meinem Leben raus! Verstehst du das?!"
Wir sind uns viel zu nahe. Das wird mir klar, als er heiser hervorpresst:
"Lass mich los, Sephiroth! Oder ich ramme dir meine Stirn ins Gesicht, dass deine Nase am Hinterkopf rauskommt!"
Die Formulierung ist so lebendig, dass sie mich wieder ein wenig zu mir bringt und mich tatsächlich veranlasst, von ihm zurückzuweichen.
"Du bist der sturste Mistkerl auf dem ganzen verschissenen Planeten!", keucht er. Zwischen den roten Strähnen, die ihm ins Gesicht fallen, leuchten mir blaue Flammen entgegen.
"Halt dich aus meinem Leben raus!", fauche ich nur noch einmal. Dann wende ich mich ab und marschiere den Flur hinunter, ohne mich noch einmal umzudrehen.
Mit dem gebrüllten “Du hirnamputierter Holzkopf!” hinter mir und dem darauffolgenden Zischen und Bollern, das ich als Feuerzauber interpretiere, der auf eine Stahlwand trifft, habe ich nichts zu schaffen. Ich laufe einfach weiter, fühle mich wie betäubt und seltsam entfremdet. Irgendwo hier ist doch mal mein Büro gewesen ... Ah ja, ich bin zwei Türen zu weit.
Das besorgte "General, Sir?" von meiner Sekretärin ignorierend, fege ich durchs Vorzimmer und verbarrikadiere mich im Büro. Ich starre aus dem Fenster und versuche, meinen rasenden Puls zu regulieren, indem ich ruhig und langsam atme.
Es funktioniert nicht. Es ist das reine Chaos, das in mir tobt. Ich wünschte, ich könnte auch mit Materia um mich werfen, um mich abzureagieren. Aber bei mir wirkt das nicht. Ich werde das Chaos aushalten müssen.

*~*~*

Angeal sitzt in seinem Apartment auf der Couch und genehmigt sich eine Tasse starken, heißen Tee. Es ist seine verspätete Mittagspause, in einer halben Stunde wird er die Seconds im Schwertkampf unterrichten und später ihr Ausdauertraining beaufsichtigen.
Der Tee ist ein Import aus Wutai, und immer, wenn er ihn trinkt, fragt er sich, warum sowohl Wutai als auch ShinRa einen zerstörerischen, menschenverachtenden Krieg beginnen mussten, anstatt eine solide Geschäftsbeziehung aufzubauen. Als er zu SOLDIER gegangen ist - als er Genesis gefolgt ist -, hat er sich nicht vorgestellt, in einen Krieg zu ziehen. Er wollte einfach für das Gute kämpfen. Vielleicht war das ein bisschen zu blauäugig gedacht.
Manchmal fragt er sich auch, ob es eigentlich ehrenvoll ist, junge Männer im Töten zu unterrichten. Viel zu viele hat er selbst im Laufe der Jahre sterben sehen. Aber dann sagt er sich, dass er dazu beiträgt, den unsinnigen Krieg zu beenden und dass SOLDIER schließlich auch Rebellen und Monster unschädlich macht, um Leben zu retten. Seien wir ehrlich - niemand hat gesagt, das Leben sei einfach oder fair, egal ob man Soldat oder Chocobo-Züchter ist.
Wie zum Beweis für seinen letzten Gedanken geht die Tür auf und Genesis kommt herein. Angeal kennt seinen Freund lange genug, um allein an der Art seines Ganges seine Stimmung ablesen zu können. Die harschen Schritte künden von Wut, die hängenden Schultern und das Fallenlassen auf die Couch eher von Verdruss. Hinzu kommen Schweigen, abgewandter Blick und verschränkte Arme. Die Haltung signalisiert deutlich: "Sprich mich nicht an" und meint, wie Angeal wohl weiß, das Gegenteil.
Also fragt er geradeheraus: "Was ist los, Genesis?"
Natürlich bekommt er als Antwort nur ein gereiztes Schnaufen.
Eine Tasse Tee könnte helfen. Kaffee macht kommunikativ, Tee bringt dich wieder auf den Boden. Reden wird Genesis von alleine, wenn er so weit ist. Angeal holt einen Becher, füllt ihn und hält ihn dem Freund unter die Nase. Obwohl Genesis vermutlich nur darauf gewartet hat, tut er so, als tue er dem anderen einen Gefallen, als er den Becher nimmt und ein paar behutsame, da heiße Schlucke trinkt.
Angeal setzt sich wieder und fragt abermals sanft: "Gen, was ist passiert?" Immerhin wollte dieser ihm vorhin noch etwas Wichtiges erzählen, bevor er es sich anders überlegt hat. Angeal befürchtet ständig, dass das Verhältnis zwischen Genesis und Sephiroth eskaliert, zumal die beiden sich nähergekommen sind, als er es für ihre Persönlichkeitsstruktur für gut hält.
Genesis zuckt mit einer Schulter. "Es könnte sein, dass eine Wand auf der SOLDIER-Etage ein kleines Loch bekommen hat."
Alarmiert hebt Angeal die Brauen. "Stammt dieses Loch von einer Feuermateria?", fragt er ruhig.
"Möglich."
"Wird eine Reparatur ausreichen, deren Kosten dir vom Lohn abgezogen werden, oder ist die ganze Wand hinüber?"
"Eine Reparatur wird reichen."
Angeal atmet lautlos auf. Also weiter mit dem freundschaftlichen Verhör. "Hatte besagte Feuermateria etwas mit Sephiroth zu tun?"
Augenrollen. "Mit wem sonst!"
Und dann erzählt Genesis. Es ist eine haarsträubende Geschichte, die Angeal nur zum Teil versteht, weil ihm die Details fehlen, auf die er andererseits gerne verzichtet. Professor Hojo kommt darin vor und der neue Vize-Präsident Rufus sowie ein rätselhafter Guard Hound-Welpe und schließlich ein handfester Streit mit Sephiroth auf der SOLDIER-Etage.
"Ich verstehe ihn nicht!", ereifert sich Genesis und seine Augen funkeln Angeal an. "Ich riskiere Kopf und Kragen für ihn, und er geht auf mich los wie eine Furie. Was stimmt bloß nicht mit ihm?"
Angeal fragt sich im Moment eher, was mit seinem alten Freund nicht stimmt, und hakt nach. "Verstehe ich dich richtig, dass du Rufus Shinra erpresst hast?"
Genesis runzelt missbilligend die Stirn. "Ich habe nur erwähnt, dass ich die Leute kenne, die Fitz News.com betreiben und ziemlich viele Abonnenten haben. Wenn der Knabe sich nicht daneben benehmen würde, bräuchte ihm das auch keine Angst zu machen. Er hat schließlich angefangen, indem er Seph auf der Party bedroht hat."
Das empfindet Angeal als sehr schwachen Trost. Außerdem ist das ja nicht alles. "Und dann hast du Professor Hojo, dem Leiter der wichtigsten Abteilung in diesem Hause, nahegelegt, seine Arbeit mit ShinRas Helden und Posterboy einzustellen?"
"Das war ja der Sinn der Sache!", schnappt Genesis. "Oder ist es dir vielleicht egal, dass dieser Freak an unserem Freund herumpfuscht und ihn foltert unter dem Vorwand, ihn zu behandeln?"
"Das ist mir nicht egal", gibt Angeal zu. "Aber vielleicht sollte man nachdenken, bevor man sich mit den mächtigsten Leuten des Konzerns anlegt. Seit wann bei Ifrits Arsch hast du einen Todeswunsch, Genesis?"
"Komm mir nicht so!", schimpft Genesis.
"Doch, so komme ich dir! Sephiroth selber scheint auch nicht restlos begeistert zu sein von deiner ... Heldentat."
Genesis grunzt und fährt sich durch sein zerzaustes Haar. "Das ist so unfair! Seph hat ja nicht einmal mit mir geredet. Er hat mich nur gepackt und gebrüllt, ich soll mich aus seinem Leben raushalten. Ich musste drohen, ihm die Nase zu brechen, damit er von mir ablässt. Das ist doch nicht normal."
Jetzt sieht er wirklich unglücklich aus. Er sitzt schräg auf der Couch, ein Bein halb angezogen, und zupft nervös an seinem Ohrring. Er tut Angeal leid, aber natürlich darf er ihn das keinesfalls spüren lassen. Es wäre ein Frontalangriff auf Genesis' empfindlichen Stolz.
"Natürlich ist es gut, dass du dich für ihn einsetzt. Aber das Leben ist nun mal nicht fair."
“Sein Eispanzer ist dicker denn je", grummelt Genesis. "Dabei war der gestern in der Hotelsuite in Junon praktisch weg. Und das Eis war geschmolzen, nicht gebrochen, wenn du verstehst. Jedenfalls bevor wir auf Hojo zu sprechen gekommen sind."
Diese ominöse Auskunft trägt nicht zu Angeals Beruhigung bei. Jetzt möchte er vor allem wissen, um was genau es eigentlich die ganze Zeit geht. "Was war es denn überhaupt, was Hojo ihm vor drei Tagen zugefügt hat? Hat er es dir erzählt?"
Und mit einem Mal wird Genesis fast wortkarg. Das ist wahrlich beängstigend. "Das ist das Thema von vorhin. Darüber will ich eben nicht sprechen. Das wäre ihm nicht recht. Er wollte es mir im Grunde auch nicht sagen und bereut vermutlich inzwischen, dass er es doch getan hat."
"Und du hast mich übergriffig genannt, als wir in seinem Apartment waren und ich ihm helfen wollte", kann Angeal sich nicht verkneifen, ihm vorzuhalten.
"Das war doch was völlig anderes!"
Der Meinung ist Angeal zwar nicht, aber das ist nun egal. Die ganze Sache wird irgendwie immer größer und er hat keine Ahnung, wie er sie anpacken kann, um zu helfen. Mit Sephiroth kann er reden, um ihn vielleicht zu besänftigen, mit Hojo und Rufus nicht. Sie agieren auf einer ganz anderen Ebene der Firmenhierarchie. Der einzige auf dieser Ebene, den er näher kennt, ist Lazard. Immerhin ...
"Genesis, weißt du denn, was geschehen ist, als Sephiroth heute oben bei Hojo war? Was Hojo gemacht oder gesagt hat?"
Der andere schüttelt den Kopf. "Eben nicht. Seph will sich ja ohnehin nicht über ihn äußern. Ich weiß nicht, was das zwischen ihnen ist. Der Quacksalber hat ihn offenbar völlig in der Hand."
"Er besitzt die vollständige Rückendeckung durch den Präsidenten", nickt Angeal besorgt. "Das ist ja das Problem."
"Nicht nur das", meint Genesis. "Ich habe Sephiroth gestern dazu gebracht, ein bisschen über seine Kindheit zu sprechen. Er sagte mehrmals, der einzige Mensch, der immer bei ihm war, war Hojo. Und das war nicht positiv gemeint. Er hat in einem Apartment hier im Tower gelebt und ist von Mitarbeitern der Wissenschaftsabteilung betreut worden. Es waren jeweils zwei, die mit ihm dort gewohnt haben, und sie sind jährlich oder sogar auch halbjährlich ausgewechselt worden. Nur Hojo selbst ist in seiner Nähe geblieben. Eine ziemlich gruselige Vorstellung, oder?"
Angeal fühlt sich selbst elend bei dieser Schilderung. "Das ist eine üble Methode, um einen Hund zu einem Killer zu machen. Er kann auf die Weise keine Bindung aufbauen, außer zu dem einen Menschen, und er wird alles für ihn tun, egal wie sehr dieser Mensch ihn misshandelt. Das geht so weit, dass er auf jeden anderen losgeht. Eine Katze würde unter solchen Umständen abhauen. Ein Hund leider nicht, er bleibt immer bei seinem Herrn."
Genesis funkelt ihn erbost an. "Hör auf, jeden in deiner Umgebung mit einem Hund zu vergleichen. Seph ist kein Hund."
"Nein." Angeal lenkt ein. "Aber du sagtest, Rufus hat sich nun auch für ihn eingesetzt nach deiner ... Intervention?"
"Ja, hat er. Sogar mit dem Argument, Hojos Manipulationen könnten sich negativ auf Sephiroths Kampfkraft auswirken. Ziemlich schlau. Ich habe ihm übrigens versprochen, dass du seinen Welpen trainierst."
"Bitte was?!"
Ein unschuldiges Lächeln und ein unwiderstehlicher Augenaufschlag. Es ist unglaublich, wie rasant dieser Mann seine Emotionen wechseln kann. "Oh, sie ist ziemlich süß. Verspielt und zugänglich, aber auch ein echtes Monster. Sie wird dir gefallen. Eine Herausforderung für einen engagierten Hundetrainer."
Angeals Augenbrauen rutschen in Richtung Haaransatz. "Du meinst, ich brauche etwas Abwechslung, weil ich zu wenig zu tun habe, oder wie?"
"Du machst das schon", gibt sich Genesis zuversichtlich. Doch dann seufzt er und seine Miene wird wieder ernst und bedrückt.
Es ist bereits zu spät, das erkennt Angeal. Sein Freund hat sich auf Sephiroth eingeschossen, und irgendwelche Einwände und Vernunftgründe werden ihn nicht mehr erreichen. Seine Libido ist wie eine Kompassnadel, die keinem Argument zugänglich ist, das sie von ihrem Nordpol abbringen will. Und wenn dann noch sein Herz involviert ist, wird es wirklich schwierig.
“Na schön”, gibt Angeal nach. "Trainiere ich eben den Guard Hound des Vize-Präsidenten. Vielleicht kann ich Rufus bei der Gelegenheit etwas von seinem Groll nehmen, den er zweifellos gegen dich hegen wird." Nicht, dass es sein größter Wunsch wäre, überhaupt etwas mit dem Mann zu tun zu haben. "Außerdem denke ich, wir sollten Lazard mit einbeziehen. Er nimmt seine Verantwortung für SOLDIER ernst und sollte eigentlich wissen, was Hojo mit Sephiroth anstellt."
"Damit ist Seph niemals einverstanden!", protestiert Genesis.
Doch Angeal schmunzelt. "Er muss es ja nicht erfahren."
Genesis schnauft, nickt aber schließlich.
"Dann lass uns gehen, meine Pause ist zu Ende."
Gemeinsam verlassen sie das Apartment.

Sie sind noch nicht ganz beim Fahrstuhl angekommen, als dieser sein Eintreffen mit dem üblichen, lieblichen 'Ping' ankündigt und gleich darauf ein Mann in einem wohlbekannten schwarzen Anzug heraustritt. Das ist genau das, was Angeal gehofft hat, noch abwenden zu können. Aber offensichtlich drehen sich die Räder des Konzerns zu schnell für ihn.
Natürlich kommt Tseng direkt auf die beiden SOLDIERs zu. In höflichem Abstand bleiben alle drei voreinander stehen. Die wutaianischen Züge lassen keinerlei Ausdruck erkennen. Das hat er so gut drauf wie Sephiroth.
Angeal hält eine Menge von Anstandsregeln und grüßt. "Hallo, Tseng."
Der hochrangige Turk antwortet mit zweimaligem, minimalem Nicken. "Commander. Commander."
Genesis sagt nichts, sondern atmet nur tief ein und ziemlich laut wieder aus.
Bevor Angeal eine verbindliche Floskel beisteuern kann, wendet sich Tseng an seinen Freund. "Commander Rhapsodos, ich würde gerne kurz mit Ihnen sprechen. Haben Sie einen Moment?"
"Sicher", sagt Genesis beherrscht, und Angeal spürt, wie er sich neben ihm anspannt.
Natürlich ist Angeal entschlossen, seinem Freund unter allen Umständen beizustehen, am liebsten mit dem Einfluss der Vernunft, zur Not jedoch auch mit einer Lüge, wenn es sein muss. Nicht zum ersten Mal stellt er fest, dass seine Ehre nur so weit geht, wie sein Herz es erlaubt.
Doch da spricht Tseng ihn an. "Würden Sie uns bitte alleine lassen, Commander Hewley."
Es ist ein klarer Befehl, und Angeals Augen verengen sich leicht. In der Hierarchie ist Tsengs Rang dem von Genesis gleich. Angeal hofft, dass Genesis ihn auffordern wird, den Befehl zu missachten, doch dieser tut ihm nicht den Gefallen.
"Er muss sowieso jetzt zum Unterricht und ein paar Seconds quälen", meint sein Freund und Kollege. Ein Blick der hellblauen Augen fügt hinzu: 'Keine Widerrede! Ich komm klar.'
Angeal bleibt also nichts weiter übrig, als sich zu fügen, und er wendet sich nach einem kurzen Gruß zum Aufzug.
Ein Grund mehr, sofort Lazards Büro anzusteuern. Die Seconds können zehn Minuten warten.

 

Chapter 23: Schadensbegrenzung

Chapter Text

"Was gibt es, Angeal?", erkundigt sich Lazard, sobald der First vor ihm steht und sein Makoblau in den von den Brillengläsern gefilterten Blick senkt.
"Nun", erwidert Angeal, "Zack würde sagen, hier ist mal wieder die Kacke am Dampfen, wenn du den Ausdruck entschuldigst."
Der blonde Direktor hebt aufmerksam die Brauen, bleibt aber ansonsten ruhig. So leicht bringt ihn nichts aus der Fassung. Er verdient seinen anspruchsvollen Posten. Angeal mag ihn.
"Wenn du die aktuelle Attacke von Genesis auf die Wand weiter vorne im Flur meinst, so ist die Reparatur bereits in Auftrag gegeben und die Kosten werden von seinem nächsten Lohn abgezogen", setzt Lazard ihn in Kenntnis.
"Wird es eine Abmahnung geben?", fragt Angeal vorsichtig.
Lazard schmunzelt. "Wenn ich ihn jedes Mal abmahnen wollte, wenn er in einer Gefühlsaufwallung einen Zauber abfeuert, wäre seine Personalakte endlos lang."
Wenigstens das ist somit geklärt. "Danke, Lazard."
"Kein Problem."
"Aber das ist leider nur ein Nebenschauplatz der Sache, um die es eigentlich geht."
"Und die wäre?"
"Wie du weißt, ist Sephiroth immer wieder bei Hojo im Labor, auch über die Termine der Mako-Injektionen hinaus. Sind dir irgendwelche Details dieser 'Behandlungen' bekannt?"
Zwischen Lazards Brauen bildet sich eine kleine senkrechte Falte. "Nein, ich weiß nichts Näheres. Nur dass Sephiroth jeweils am Tag nach solchen Terminen nicht eingesetzt werden soll. Aber alles, was in Hojos Laboren abläuft, unterliegt der Geheimhaltung und ist wohl nur dem Präsidenten selbst bekannt."
So etwas hatte sich Angeal schon gedacht. Er schildert nun in knappen Worten seine recht dürftigen Kenntnisse über die aktuelle Situation. Lazard hört still zu, die Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt, die Hände ineinander gelegt. Eine Haltung, die bei ihm höchste Konzentration ausdrückt. Sobald der Bericht beendet ist, schiebt er die Brille auf seinem Nasenrücken hoch.
"Und was ist das nun für eine Behandlung, die Sephiroth so mitgenommen hat und über die sich Genesis dermaßen aufregt, dass er mittlerweile den halben Vorstand gegen sich aufgebracht haben dürfte?"
"Das will er nicht sagen", gesteht Angeal etwas kleinlaut.
Lazard sieht so besorgt aus, wie Angeal sich fühlt. "Hm. Für mich klingt das, als wenn er sich zwischen einen Bandersnatch und einen Behemoth gesetzt hätte und beide abwechselnd mit Steinen bewirft."
"Der Vergleich dürfte ziemlich gut zutreffen", seufzt Angeal.
Lazard mustert ihn forschend. “Da war doch neulich so eine Unstimmigkeit zwischen dem General und dem Vize-Präsidenten, auf dieser Party. Du warst ja nicht dabei. Genesis schon. Rufus war danach unausstehlich. Noch unausstehlicher”, fügt er murmelnd hinzu, bevor er fragt: "Weißt du, worum es da ging?"
"Ähm ... "
"Hängen die beiden Vorfälle möglicherweise miteinander zusammen?"
"Naja ... "
"Mir fällt nämlich auf, dass an beiden sowohl Rufus als auch Genesis und Sephiroth beteiligt waren beziehungsweise sind."
"Tja, also ... " Nervös kratzt sich Angeal in seinem Kinnbärtchen. Lazard würde er ungern belügen. Dazu respektiert er ihn zu sehr.
Derweil nimmt der Direktor seine Brille ab, um sie mit einem Tüchlein zu putzen, und atmet tief durch, als er sie wieder aufsetzt. "Angeal." Er schaut seinen Untergebenen wieder aufmerksam an. "Ich bin mir bewusst, dass du deinen beiden Freunden helfen willst und gleichzeitig ihre Privatsphäre wahren möchtest. Gleichzeitig weiß ich jedoch auch, dass Genesis auf jener unseligen Party drauf und dran war, sich Rufus für die Nacht anzubieten. Ich habe schließlich Augen im Kopf. Dann gab es die Unstimmigkeit mit Sephiroth, und was danach passiert ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Jetzt stehen dieselben drei Personen offenbar kurz vor einem Skandal, und wenn ich etwas unternehmen soll - und will -, um eben den zu vermeiden, muss ich wissen, in welchem Verhältnis die drei jetzt zueinander stehen. Ist das verständlich für dich?"
"Sicher." Angeal wünschte, er wäre woanders, irgendwo, wo es keine wahnsinnigen Wissenschaftler und keine hinterhältigen Präsidentensöhne gibt. In Banora zum Beispiel. Da sich dieser Wunsch nicht verwirklichen lässt, antwortet er so vorsichtig und so ehrenhaft wie möglich. "So weit ich das verstehe, hat sich Rufus auf der Party über Sephiroth geärgert und ihm ziemlich übel gedroht. Aber der heutige Vorfall scheint damit nicht direkt zu tun zu haben. Genesis wollte Hojo von weiteren brutalen Experimenten mit Sephiroth abbringen und hat deshalb Rufus gedrängt, ihn darin zu unterstützen. Ansonsten kann ich sagen, dass zwischen Genesis und Rufus nichts läuft und auch nach der Party nichts gelaufen ist."
"Gut." Lazard legt wieder die Hände zusammen. "Und zwischen Genesis und Sephiroth?"
"Nun, ich denke, das solltest du die beiden am besten selbst fragen." Ein Hoch auf die Diplomatie!
Lazard scheint das nicht so zu sehen. "Das werde ich vielleicht tun, und möglicherweise nicht nur ich. Falls der Präsident anfängt, sich für das Intimleben seines Helden zu interessieren, kann es sehr unangenehm für Sephiroth werden. Genesis fliegt immerhin übermorgen für mehrere Tage nach Wutai und ist dann erstmal aus der Schusslinie. Rufus ist jedoch unberechenbar, und auch wenn er Genesis' Erpressung nachgegeben hat, kann es sein, dass er schon morgen wieder gegen Sephiroth intrigiert. Ich werde natürlich sehen, was ich bei ihm und auch bei Hojo erreichen kann. Ich kenne mich einigermaßen gut aus in diesem Haifischbecken, auch bekannt als ShinRa Electric Power Company."
"Ich danke dir, Lazard", erwidert Angeal mit aufrichtiger Erleichterung.
Der Direktor nickt ihm zu. "Danke, dass du dich mir anvertraut hast."
Angeal ist froh, die Unterredung als Erfolg verbuchen zu können.

Nach dem Training mit den Seconds und den Thirds begibt er sich erst einmal zum Vizepräsidenten, denn der hat ihn per Mail zu seinem Apartment bestellt. Einen Termin mit Zack, mit dem er eigentlich ihre gemeinsame, abgeschlossene Mission durchsprechen wollte, hat er abgesagt. Sein Abend ist nun gänzlich anders verplant.
Auf dem Weg ruft er Genesis an, um sich nach der Unterredung mit Tseng zu erkundigen. Doch sein Freund vertröstet ihn auf später. Offenbar hat es keine Feindseligkeiten gegeben.
Also weiter zum nächsten Termin.

Einerseits würde Angeal einen näheren Kontakt zu dem jungen Mann, dessen Welpen er trainieren soll, gerne vermeiden. Andererseits ist er doch ein wenig neugierig auf ihn. Es heißt, Rufus sei überheblich und reizbar und nicht viel mehr als ein verwöhntes Balg. Dass er sich außerdem immer wieder verbale Schlachten mit seinem Vater liefert, widerspricht dem allerdings, findet Angeal. Er selbst würde solche Auseinandersetzungen nicht provozieren, er hält den Präsidenten für herrisch und skrupellos und findet es mutig vom Sohn, ihm Paroli zu bieten.
In Rufus’ Apartment wird er von einem schwarzen Wirbelwind empfangen. Das Tier ist vielleicht drei oder vier Monate alt und verspricht, einmal ein prächtiger Wachhund zu werden. Allerdings kann man einen Guard Hound für gewöhnlich nicht als Haustier halten, denn er ist ein Monster. Als er nun erlebt, wie dieser Welpe abwechselnd knurrt und freudig kläfft und offensichtlich nicht weiß, ob er ihn angreifen oder begrüßen soll, versteht er, was Genesis nur in dürren Worten geschildert hat. Ohne individuelles, engagiertes Training würde die Hündin an ihrer eigenen Zwiespältigkeit verzweifeln und vermutlich bald ihre Wärter anfallen.
Rufus ist jedoch schnell zur Stelle, packt sie an dem breiten Halsband, das sie trägt, und befiehlt ihr “Sitz!” Das klappt erstaunlich gut, auch wenn sie kaum zwei Sekunden sitzen bleibt, aber allein seine Nähe beruhigt sie. Wahrscheinlich kein Wunder, nachdem sie in Hojos Labor aufgewachsen ist. Mit ihrem Rudel-Gen, das bei ihr offenbar entgegen dem Willen der Züchter aktiv ist, sehnt sie sich vermutlich nach einer echten Bezugsperson. Und der junge Shinra scheint eine gewisse Erfahrung mit Hunden zu haben.
Sobald sie in Rufus' Arbeitszimmer zusammen am Tisch sitzen, löst sich Darkstar von der Seite ihres Herrn, um zu Angeal zu kommen und ihn ausgiebig zu beschnuppern. Sie ist neugierig - eine weitere Hundeeigenschaft, die dem Einsatz eines Monsters als Waffe entgegensteht. Es ist ein seltsames Gefühl, ein Monster so nah an sich heranzulassen. Die roten Augen, der klobige, schwarze Kopf, die Fänge, deren scharfe Spitzen auch bei geschlossenem Maul noch sichtbar sind, der Tentakel zwischen ihren Schultern - das typische Aussehen der monströsen Spezies wird konterkariert durch ihr zugängliches Wesen und die ungewöhnliche Intelligenz, die aus ihrem Blick spricht. Ganz zu schweigen von der tapsigen Unschuld, die nur ein Welpe an den Tag legt.
Angeal muss sich zurückhalten, um sie nicht zu kraulen, denn zunächst ist seine erste Intervention und zugleich die erste Lektion fällig. Ohne ihr Beachtung zu schenken, weist er Rufus darauf hin, dass ein solches Tier sich nur auf ausdrückliche Erlaubnis seines Herrn einem Fremden nähern dürfe, weil es viel zu unberechenbar sei. Sogleich ruft Rufus sie zu sich zurück und lässt sie erst wieder zu seinem Gesprächspartner gehen, nachdem sie eine Minute ruhig bei ihm selbst sitzen geblieben ist. Was auch immer man von Rufus halten mag, Angeal hat den Eindruck, wenn ihm etwas wichtig ist, kann er sehr einsichtig sein.
Diese Vermutungen bestätigen sich in dem folgenden Gespräch, zu dem sich überraschenderweise kurz darauf ein gewisser Turk mit schwarzem Pferdeschwanz und Mandelaugen ebenfalls hinzugesellt. Da Tseng wohl des Öfteren als Bodyguard für Rufus fungiert, wird er deshalb auch mit der Hündin umgehen müssen. Angeal findet ihn abermals unangenehm kühl und unpersönlich. Wenigstens gibt er sich ihm oder Darkstar gegenüber jedoch nicht feindselig. Allerdings fällt Angeal auf, dass Rufus dem Mann, der mindestens fünf Jahre älter sein muss als er, hin und wieder einen Seitenblick zuwirft, den er nicht deuten kann. Aber er möchte auch gar nicht wissen, was hinter den Kulissen von ShinRa so alles abläuft. Alles, was er in den nächsten Wochen ableisten wird, ist das Training von Darkstar.
Was für ein Name! Und was für ein Auftrag!
Angeal hat schon öfter gewöhnliche Hunde als Wachhunde trainiert, für private Grundstückseigentümer oder Chocobofarmer. Mit der Monsterspezies Guard Hound hatte er jedoch nie etwas zu tun. Dass die für Hunde spezifischen Gene hier durchschlagen, ist sehr ungewöhnlich, und vor allem werden Monster, bei denen das passiert, eben noch als Welpen ausgesondert, wie es auch für Darkstar vorgesehen war. Er wird sich intensiv über Guard Hounds informieren und äußerst penibel mit ihr arbeiten müssen, ebenso mit Rufus und Tseng. Denn jedes Hundetraining schließt die menschlichen Bezugspersonen - das Rudel, und sei es noch so klein - mit ein. Hier wird er die Anteile von Hund und Monster analysieren und dann miteinander in Einklang bringen müssen.
Zum Glück reagiert Rufus auf seine diesbezüglichen Erklärungen durchweg positiv. Angeal ist froh, als die Besprechung beendet und der Vizepräsident offensichtlich zufrieden ist. Er wird Darkstar dreimal in der Woche in seinen Terminplan quetschen und Zack alleine auf die eine oder andere Mission schicken. Soweit lässt sich das Ganze organisieren.

Nach einer kleinen Verschnaufpause bei einem erfrischenden Bier und einem Imbiss macht er sich auf zu seinem zweiten Meeting an diesem Abend. Sein Gesprächspartner weiß nur noch nichts davon.
An der Apartmenttür von Sephiroth klopft er höflich, anstatt die Schlüsselkarte zu benutzen. Man muss ja nicht immer mit der Tür ins Haus fallen.
Die Tür öffnet sich automatisch, vermutlich nach Betätigung der Fernbedienung, denn Sephiroth findet er im Wohnzimmer an den deckenhohen Fenstern stehend. Er sieht ihm mit verschränkten Armen entgegen. Es wirkt alles andere als einladend. Aber immerhin hat er ihn hereingelassen. Seine Miene ist völlig ausdruckslos, aber das ist ja nichts Besonderes.

 

Angeal fühlt sich dennoch ziemlich unsicher. "Hallo Sephiroth", beginnt er förmlich. "Störe ich?"
Dass sein Kollege nicht sofort verneint, kann man als klares Zeichen dafür nehmen, dass er lieber alleine wäre. Doch schließlich kommt die sachliche Antwort: "Nein. Was gibt es denn?"
"Ich habe gehört, was im Labor zwischen Genesis und Hojo vorgefallen ist", erwidert Angeal vorsichtig. "Ich nehme an, du bist auf Genesis momentan nicht sehr gut zu sprechen?"
"Hat er sich beschwert?", fragt Sephiroth kalt dagegen.
Angeal weiß, seine einzige Chance, an den Mann heranzukommen, ist jetzt ruhig zu bleiben und sich nicht beeindrucken zu lassen. Immerhin, darin hat er Übung. "Nein." Genesis' Gemütsverfassung ist nicht das Thema.
Schneller als gedacht verengen sich die grünen Augen und Sephiroth fragt scharf: "Was hat er gesagt? Welche 'Behandlungen' Hojo mir verpasst hat? Weiß es schon der ganze Tower und zerreißt sich die Mäuler?"
Die Enttäuschung in den Worten ist leicht auszumachen, etwas, was Angeal noch gar nicht erwartet hat. Sephiroth scheint sich nicht lange hinter seiner üblichen Eismauer verschanzen zu wollen. Das ist gut.
"Darüber hat er kein Wort verloren", teilt Angeal ihm mit und lässt sich unaufgefordert im Sessel gegenüber der Couch nieder. "Er erwähnte nur, dass du aufgebracht warst, als du von Hojo zurückkamst. Und dass er selbst zuvor oben beim Professor gewesen ist, wo er Rufus getroffen hat. Da er annahm, dass der bei Hojo gegen dich intrigieren wollte, hat er ihn unter Druck gesetzt, damit er das Gegenteil tut und Genesis' Protest gegen die 'Behandlungen', wie immer die beschaffen sein mögen, unterstützt. Das hat dann wohl auch geklappt."
Darauf runzelt Sephiroth die Stirn und geht endlich vom Fenster weg zur Couch, um sich ebenfalls zu setzen. Er trägt eine schwarze Jeans und ein offenes, schwarzes Baumwollhemd, seine übliche Freizeitkleidung. Als er Platz nimmt, vermisst Angeal seine übliche Handbewegung, mit der er sonst seine Haare zur Seite schiebt. Er setzt sich auf sie, offenbar ohne es zu merken. Er muss wirklich ziemlich durcheinander sein.
"Was sollte das?", raunzt er prompt schroff. "Was hat er sich dabei gedacht? Ist er lebensmüde oder sowas?"
Das hat sich Angeal auch schon gefragt. Dennoch vertritt er jetzt erst einmal Genesis' Perspektive. "Er macht sich Gedanken um dich", antwortet er ernst, "und das kann ich nachvollziehen.Wir sind schließlich deine Freunde und hätten schon viel früher etwas unternehmen sollen."
"Aber muss es ausgerechnet der Mann tun, mit dem ich ... ?" Er bringt es nicht einmal fertig, es auszusprechen. Angeal sieht seine Hilflosigkeit, die so völlig untypisch ist für ihn, und abermals spürt er Mitleid. Doch auch jetzt wird er sich hüten, es zu zeigen. Sephiroth würde darauf noch abweisender reagieren als Genesis.
"Er will dir helfen", sagt er sanft. "Das ist nichts Schlechtes. Du glaubst, es sei Schwäche, sich helfen zu lassen, und dazu werden wir bei SOLDIER alle erzogen. Aber das ist nicht der Fall. Wir sind nicht nur Helden, sondern auch immer noch Menschen. Das kann nicht einmal Hojo leugnen."
Er kann nicht sagen, ob seine Worte bei seinem Gegenüber so ankommen, wie sie gemeint sind, denn über Sephiroths Züge fällt wieder die Maske bleicher Ausdruckslosigkeit.
"Er weiß, dass Genesis und ich ... " Sephiroth stockt wieder am selben Punkt.
Angeals Augen weiten sich fassungslos. "Das hat er ihm erzählt?!" Das muss ein Missverständnis sein, das würde Genesis nie tun!
Sephiroth gibt ein bitteres Schnauben von sich. "Nein, aber Hojo ist kein Idiot. Er hat die richtigen Schlüsse gezogen, denen ich leider nicht widersprechen konnte. Und er hat mir klar gemacht, was er davon und von Genesis im Besonderen hält."
"Hat er dich deshalb zu sich bestellt?"
"Allerdings. Was habt ihr denn gedacht? Dass er sich von einem Commander Rhapsodos beeindrucken lässt?" Sephiroth lehnt sich vor und in den grünen Augen flammt die Wut auf. "Er wird sich beim Präsidenten beschweren, und das kann alle möglichen Folgen haben, und damit meine ich nicht nur eine Abmahnung für uns. Rufus hat nichts zu befürchten, er äußert ständig irgendwelchen Unsinn. Wenn Hojo sich rächen will - und das wird er -, kann er sich unzählige Foltermethoden für Genesis und auch für dich ausdenken, die angeblich seiner Forschung dienen. Viel mehr als Rufus, wenn der seine Drohung wahr gemacht hätte! Verstehst du das?"
Angeal schluckt. Damit, dass die Beziehung seiner beiden Freunde ans Licht gekommen ist, hat er nicht gerechnet. Er versteht Sephiroths Zorn jetzt besser. Trotzdem ... "Hojo hat Einfluss auf den Präsidenten, das ist wahr, aber er ist noch immer ein Angestellter der Firma. Genesis und ich werden von Hollander betreut, und der wird sich nicht einfach von Hojo ausstechen lassen. Die beiden sind sich absolut nicht grün. Darauf müssen wir bauen. Ich habe Genesis schon selbst vorgehalten, dass er nicht nachgedacht hat. Er ist impulsiv, und wenn er glaubt, im Recht zu sein, tut er Dinge, deren Konsequenzen er nicht überblickt. Aber er ist in diesem Fall im Recht."
"Das weiß ich!", schnauzt Sephiroth. "Aber er kann sich nicht auf solche Weise in mein Leben einmischen! Ich bin nicht einer seiner anonymen One Night Stands. Ich bin der General von SOLDIER und ShinRas patentierte Waffe. Auf mir ruhen unzählige Augen. Ich bin Eigentum des Konzerns, ob das dem Herrn Commander passt oder nicht. Hojo hat schon immer alles getan, damit ich das nicht vergesse. Er wird nicht dulden, dass jemand es in Frage stellt."
Er springt wieder auf, und wendet sich erneut der Fensterfront zu. "Was Genesis und ich gemacht haben, war ein Fehler. Ein Fehler, den ich verschuldet habe."
Aus dem feinen Vibrieren in der dunklen Stimme hört Angeal den Schmerz heraus, und plötzlich fürchtet er, dass Hojo seinen Groll an Sephiroth auslassen könnte. Dann hätte sich Genesis' gute Absicht ins Gegenteil verkehrt. Sein Magen kribbelt unangenehm bei dem Gedanken. Er erhebt sich, um sich zu dem Freund zu gesellen. "Hat Hojo dir gedroht? Hat er irgendetwas …gemacht?”
Sephiroth starrt reglos hinaus in die Dämmerung, eine Faust gegen einen der Stahlrahmen gestützt, die die gewaltigen Glasscheiben halten. Wenn die Antwort ja lautet, wird er nicht darüber sprechen, das ist klar.
Doch er schüttelt flüchtig den Kopf. “Ich musste mich ausziehen und vor ihm hinlegen, aber weiter war nichts. Er wollte mich nur demütigen, seine Macht demonstrieren. Dann hat er sich niederträchtig über Genesis und dich geäußert und gedroht, euch irgendwelchen qualvollen Untersuchungen zu unterziehen.” Er verstummt und das Ziehen in Angeals Magen verstärkt sich. Nicht so sehr aus Angst vor Hojo, sondern aus Sorge um Sephiroths Gefühle in jenen Momenten. Tonlos fährt dieser fort: “Ich bin aufgesprungen und habe ihm untersagt, seine Finger an euch zu legen oder euch auch nur zu beleidigen. Danach bin ich gegangen.”
Hier heben sich Angeals Brauen interessiert. “Du hast dich gegen ihn, den allmächtigen Professor, aufgelehnt?” Er weiß es nicht genau, aber er nimmt beinahe an, dass es das erste Mal gewesen ist. In diesem Fall sollte man gratulieren.
Sephiroth schnaubt nur leise und bitter. “Gehorsam ist die höchste Tugend eines SOLDIER”, brummt er kaum verständlich wie zu sich selbst.
Nun, Ehre kann man auch falsch verstehen, und das sollte Angeal jetzt dringend klarmachen. “Ja, das ist sehr nützlich für den Konzern. Und - glaubst du es?” Er steht so nah bei Sephiroth wie er es wagt, ohne aufdringlich zu wirken, und spricht leise, aber sachlich. Er kann sein Gesicht hinter dem nach vorn fallenden Haar nicht erkennen.
Der General schüttelt wieder den Kopf. “Ist nicht wichtig, was ich glaube. Er meinte, ich solle irgendwelchen pubertären Anwandlungen nicht nachgeben.”
“Es ist keine pubertäre Anwandlung und auch keine Schwäche, Sex zu haben, egal mit wem”, hakt Angeal nun etwas energischer ein. “Vorausgesetzt, alle Beteiligten genießen ihn. Und ich denke nicht, dass es ein Fehler ist. Das mit dir und Genesis, meine ich. Ich habe ehrlich gesagt noch nie erlebt, dass Genesis so etwas für jemanden tut, und ich glaube, es tut ihm ausgesprochen gut. Für ihn bist du ganz sicher keiner seiner One Night Stands, sonst hätte er sich nicht mit Hojo angelegt. Ebenso halte ich es für sehr positiv, dass du beginnst, gegen Hojo aufzubegehren”, fährt er mit Nachdruck fort. “Dieser Mann hat dir beigebracht, dass du nur Wert hast, wenn du seine Erwartungen zu 100 Prozent erfüllst. Ansonsten bist du ein ‘Fehlschlag’ wie alles, was ihm nicht in den Kram passt. Aber das funktioniert nur, wenn du ihm niemals Grenzen setzt und deine eigenen Bedürfnisse völlig ignorierst. So verhält sich nur ein Sklave. Ich bin mir bewusst, dass du dem Konzern eine Art Eigentumsrecht über dich zugestehst. Das ist das Ziel, das Hojo erreicht hat. Aber das ist unmenschlich. Ein Mensch ist nicht das Eigentum anderer Menschen, Sephiroth.”
Aus der Kehle seines Kollegen dringt ein kleines, humorloses Lachen. Ein sehr unerfreulicher Laut. “Das ist keine philosophische Frage wie Moral und Ehre, Angeal. Es ist eine Frage der Macht.”
Das mag sein, doch davon lässt sich Angeal nicht verunsichern. “Dennoch werden wir nie unsere eigene Macht erfahren, egal ob groß oder klein, wenn wir nicht riskieren, gegen die Mächtigeren aufzustehen.”
"Ich habe Genesis in Gefahr gebracht", stößt Sephiroth plötzlich hervor und dreht sich zu ihm um, und in seiner Miene steht nur noch dumpfer Zorn.
Angeal weicht nicht zurück. "Er ist in Lebensgefahr, seit er SOLDIER beigetreten ist. Genauso wie wir und jeder andere im Programm und in der Armee. Uns allen ist das jeden Tag bewusst." Er senkt die Stimme, um seinen nächsten Worten mehr Gewicht zu verleihen. "Du bist ihm wichtig, Sephiroth. Und den Beweis, dass Freundschaft uns nicht schwächt, sondern im Gegenteil stärker macht, hast du heute erhalten, oder? Shinra ist auf uns angewiesen, und das weiß er sehr gut. Wir müssen nur unsere Karten richtig ausspielen.”
Mit der Zuneigung und Zuversicht, die er empfindet, begegnet er dem aufgebrachten Grün in den Augen seines Gegenübers. Er ist erleichtert, als sich Sephiroths Züge nach einigen Sekunden ein wenig entspannen und er langsam und lange ausatmet.
"Ziemlich viel Optimismus für jemanden, der ein miserabler Pokerspieler ist", grummelt er schließlich, und Angeal schmunzelt über den kleinen Scherz.
Sephiroth geht zurück zur Couch.
"Genesis würde sich vermutlich freuen, wenn du wieder normal mit ihm reden würdest, ohne dass er drohen muss, dir die Nase zu brechen", merkt Angeal an, indem er ihm folgt. "Auch wäre es der Architektur dieses Gebäudes zuträglich."
"Er hat sie ja nicht gebrochen", meint Sephiroth nun sehr viel gefasster, und das ist nicht nur seine Maske. "Und Genesis sollte endlich lernen, sich besser zu beherrschen."
"Ich werde es ihm ausrichten", lächelt Angeal und will schon gehen, als sein Kollege ihn zurückruft und er sich noch einmal umdreht.
Sephiroths nächste Worte treffen ihn völlig unvorbereitet: "Es verletzt ihn, dass du in den letzten Monaten viel mehr Zeit mit Zackary Fair verbracht hast als mit ihm. Das ist der wahre Grund, weshalb er Fair nicht leiden kann. Er ist eifersüchtig. Ich dachte, es interessiert dich vielleicht. Er selbst ist natürlich zu stolz, um offen darüber zu sprechen. Ich habe es zufällig herausbekommen."
Es kostet Angeal einige Mühe, seine Kinnlade, die heruntergeklappt ist, in die Ausgangsstellung zurückzubefördern. Nicht nur die Mitteilung ist eine Überraschung, sondern auch dass sich Sephiroth neuerdings mit zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt. "Äh - ja, natürlich interessiert mich das. Sehr. Danke."
Nachdenklich verlässt er das Apartment.