Chapter 1: Prolog: Du bist perfekt, mon amour
Chapter Text
Vor fast zwei Jahren sah Platans Leben noch anders aus.
Als Moderator der Sendung Sternschauer am Abend hatte er täglich seinen Zuhörern Geschichten erzählt, um ihre Herzen empfänglicher für die Wunder dieser Welt zu machen. Inzwischen hatte Maguerite seine Stelle eingenommen, jedoch war sie nur einmal die Woche zu hören. Genauer gesagt jeden Sonntag, weil die Einschaltquoten zu stark gesunken waren und sich mehr Sendezeit nicht mehr rentierte. Bedauerlich. Für Platan war es damals mehr als nur ein simpler Job gewesen, darum dachte er immer noch hin und wieder gerne an diesen Lebensabschnitt zurück.
Allerdings gab es keinen Grund für ihn dabei melancholisch zu werden, denn Geschichten erzählte er auch heute noch, nur nicht mehr im Radio. Flordelis, sein treuester Fan, lauschte ihnen nach wie vor mit Freude, weshalb Platan ihm auch nach seiner Rückkehr aus Sinnoh beinahe jeden Abend ein Märchen vortrug.
An einigen wenigen Tagen war er dafür leider zu erschöpft gewesen, denn sein neuer Job hatte besonders zu Beginn viel Aufmerksamkeit von ihm erfordert. Ohne Flordelis' Hilfe wäre Platan einige Male an dem bürokratischen Papierkram verzweifelt, mit dem er sich nun befassen musste, doch dank der Unterstützung konnte er diese unbekannten Gefilde besser meistern, als er gedacht hätte. Zwar war er dabei nach wie vor nicht perfekt, bemühen wollte er sich dennoch, schon um Flordelis nicht zu oft mit zusätzlicher Arbeit zu belasten.
Inzwischen war Platan seit ungefähr acht Monaten der neue Pokémon-Professor von Kalos und bislang war man überaus zufrieden mit ihm. Zumindest berichtete man nur Gutes, hatte er sich von Flordelis sagen lassen, der ziemlich stolz auf ihn war. Mehr sogar als Platan selbst, der es manchmal noch nicht so recht glauben konnte, sich nach all den Zweifeln doch seinen größten Traum erfüllt zu haben.
Aber nicht nur sein Job hatte sich verändert, sondern auch sein Lebensraum. Die alte Wohnung am äußersten Rand von Illumina City hatte er wenige Wochen nach seiner Ankunft in Tempera City gekündigt und war bei Flordelis eingezogen. Nach einem Jahr Fernbeziehung hatten sie sich nicht mal mehr eine Minute voneinander trennen wollen, sofern es nicht zwingend nötig war. Daher kamen beide irgendwann zu der Ansicht, dass es am besten wäre zusammenzuziehen.
Das Anwesen von Flordelis befand sich seit vielen Generationen in Familienbesitz, daher war es für Platan selbstverständlich seine Wohnung aufzugeben und sich bei seinem Liebsten einzuquartieren. Zumal es dort wesentlich mehr Platz gab. Und obendrein einen weitläufigen Garten, den Platan schnell lieben gelernt hatte.
Am meisten liebte er aber selbstverständlich Flordelis.
Er war ... einfach alles für Platan.
Ohne ihn säße er wahrscheinlich noch beim Radio fest, hätte dem Druck seines Vorgesetzten nachgegeben und würde nun Geschichten erzählen, denen jegliche Seele fehlte. Ohne ihn würde er sich auch heute noch verloren fühlen. Ohne ihn würde die Welt nicht in diesen wundervollen Farben schillern.
Gestern, Anfang September, hatten sie den zweiten Jahrestag ihres Kennenlernens feiern können.
Zwei Jahre.
Seit zwei Jahren kannten sie sich nun schon. Ein Leben ohne Flordelis konnte Platan sich nicht mehr vorstellen. Seine Pokémon fühlten mit Sicherheit genauso.
Parfis Bindung zu Flordelis war derart eng geworden, sie wich ihm kaum noch von der Seite und war, vor allem zu Hause, oft in seinen Haaren zu finden. Dort saß sie gerne entspannt, wie in einem großen, gemütlichen Nest, und hatte den besten Überblick von allen. Sogar noch besser als Kramshef, der sich als Herr des Hauses betrachtete. Auch in diesem Moment, als Platan mit Flordelis morgens am Küchentisch frühstückte, zwitscherte sie vergnügt auf dessen Schulter. Sie verstummte zwischendurch nur, wenn Flordelis ihr etwas zu essen reichte, was für ihn zu einer vollkommen natürlichen Bewegung geworden war.
Jedes Mal hätte Platan bei dieser Beobachtung entzückt aufseufzen können, begnügte sich jedoch mit einem berührten Lächeln, um die Chemie zwischen den beiden nicht zu stören. Einige behaupteten, Flordelis hätte einen Horrorblick, was Platan überhaupt nicht bestätigen konnte. Niemals hatte er bei einem anderen Menschen so viel Sanftmut in den Augen gesehen wie bei Flordelis und Parfi spürte diesen gutmütigen Kern ebenso. Sonst würde sie nicht so sehr an ihm hängen.
Wie in Trance nahm Platan nebenbei einen Schluck von seinem Kaffee, während er Flordelis weiter anstarrte. Jede einzelne seiner Gesten und der liebevolle Ton in seiner Stimme, sobald er mit Parfi sprach, ließen Platan regelrecht dahinschmelzen. Äußerlich mochte Flordelis auf andere kühl oder gar arrogant erscheinen, aufgrund seiner Größe möglicherweise auch grob. Nichts davon traf in Wahrheit auf ihn zu.
Flordelis war ...
Plötzlich schmunzelte dieser amüsiert und seine Aufmerksamkeit wandte sich Platan zu. „Ich fühle mich sehr geschmeichelt, dass du den Blick kaum von mir nehmen kannst. Hast du letzte Nacht etwa nicht genug zu sehen bekommen?“
Sofort hielt Platan beim Trinken inne und blinzelte verlegen. „W-was?“
Als Flordelis entspannt auflachte, begann gleichzeitig Platans Herz vor Rührung zu flattern. „Entschuldige, ich konnte nicht widerstehen. Dein Gesichtsausdruck war zu bezaubernd.“
„Das klingt fast danach, als sollte das eine Art Scherz sein.“
„Über so etwas würde ich keine Scherze wagen. Außerdem hatten wir ausgemacht, Scherze im Allgemeinen zu unterlassen.“
Darauf nickte Platan lächelnd. „Richtig.“
Plötzlich sprach Flordelis mit betont tiefer Stimme weiter: „Und? Hast du letzte Nacht denn genug gesehen? Oder besteht Nachholbedarf?“
Immer, wenn er so sprach, schien seine Stimme Platans gesamten Körper vibrieren zu lassen, auf eine viel zu angenehme Art und Weise.
„A-also ...“, murmelte Platan, wieder verlegen. „Wenn du mich so fragst ... ich meine ... wie sollte ich nicht ... mehr ...“
Dezent überfordert stieß er nach diesem vergeblichen Versuch, einen vollständigen Satz zu bilden, einen schweren Seufzer aus. „Wieso bringst du mich schon so früh am Morgen aus dem Konzept? Wie soll ich anständig arbeiten, wenn du mir mit solchen Fragen meinen sonst reichhaltigen Wortschatz raubst?“
Erneut entschuldigte Flordelis sich und strich dabei über seinen Bart. „Wie gesagt, bei solch einem bezaubernden Gesicht kann ich nicht widerstehen~.“
Nach diesen Worten wirkte Flordelis auf einmal besorgt. „Machst du dir etwa immer noch Gedanken darüber, dass deine Arbeit als Professor nicht gut genug ist?“
Bis eben hatte Parfi noch an einem Stück von einer Illumina-Galette geknabbert, die Flordelis ihr gegeben hatte, nun sah auch sie Platan besorgt mit ihren goldenen Augen an. Mühevoll unterdrückte er seine Unsicherheit und wich mit einem Seitenblick aus.
Dieses Thema war leider immer noch ein wenig schwierig für Platan.
Zwar hatten seine Kollegen den Feen-Typen glücklicherweise schnell angenommen und arbeiteten mit ihm zusammen daran, den Pokédex entsprechend anzupassen, doch es war wesentlich schwieriger auch die Öffentlichkeit dafür zugänglich zu machen. Erst recht weil er noch nicht lange Professor war. Was, wenn die Allgemeinheit ihn niemals akzeptieren könnte? Wenn er eben doch nicht gut genug war?
„Platan ...“
Wenige Sekunden später spürte er, wie Flordelis seine Hand nahm, indem er über den Tisch griff. Langsam stellte Platan seine Tasse ab und nahm den Blickkontakt wieder auf. Die blauen Augen von Flordelis schimmerten beruhigend, nun mehr wie ein glasklarer See, in dem Platan sogleich versank.
„Du bist perfekt, mon amour“, betonte Flordelis eindringlich. „Solange du einfach du selbst bist, wirst du immer perfekt sein.“
Nickend plusterte Parfi ihr Gefieder auf.
Bewegt atmete Platan durch. „Es ist erstaunlich, wie es euch gelingt, mich jedes Mal zu beruhigen, sobald ich unsicher werde.“
Aufmerksam sah Flordelis ihn an. „Gibt es irgendetwas, das diese Unsicherheit wieder in dir geweckt hat?“
„Nun ...“
In diesem Jahr hatte Platan nur wenige Pokémon an Kinder weitergeben können, da er sich in der Eingewöhnungsphase befand und vieles zuerst geklärt werden musste. Die drei Kinder, denen er dieses Geschenk machen konnte, hatten alle in der Arena von Yantara City eine bittere Niederlage einstecken müssen und er fühlte sich deswegen schuldig. Das Bild, wie mutlos sie in seinem Büro gestanden und sich für ihre Unfähigkeit entschuldigt hatten, lastete schwer auf seinem Herzen. Er glaubte, mit mehr Unterstützung seinerseits wäre es nicht so weit gekommen.
Glücklicherweise hatte er sie überzeugen können, ihre Pokémon-Reise dennoch fortzusetzen. Heute hatten sie einen erneuten Besuch bei ihm angekündigt, nachdem sie die letzten Wochen weitere Erfahrungen sammeln konnten. Und das machte ihn nervös.
Was wenn ...
„Ah, der Besuch der Kinder“, schlussfolgerte Flordelis für sich.
Platan blinzelte überrascht. „Woher weißt du ...?“
„Du hast mir davon erzählt“, erinnerte er ihn. „Und du bist für mich leicht zu lesen.“
Wenigstens neigte Parfi darauf den Kopf, also war sie darin nicht so gut wie Flordelis.
„Oh?“ In einer fließenden Bewegung lehnte Platan sich vor. „Lies mich nicht zu ausführlich, sonst verdirbst du dir am Ende noch die eine oder andere Überraschung.“
„Oh?“, gab Flordelis neugierig zurück und lehnte sich ebenfalls vor. „Planst du wirklich etwas oder hast du Geheimnisse vor mir?“
„Als ob ich Geheimnisse vor dir haben könnte.“
Obwohl es da in der Tat etwas gab, von dem Platan ihm noch nichts erzählen konnte. Hoffentlich bemerkte Flordelis nichts davon, bis es so weit war.
Etwas zu lange starrte dieser ihn intensiv an, ehe er sich zurücklehnte. „Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass du dir keine Sorgen machen musst. Freue dich einfach darauf, was die Kinder zu berichten haben.“
Tatsächlich ging diese Ruhe, die Flordelis ausstrahlte, auf Platan über und half ihm dabei, zu entspannen.
Auch er lehnte sich zurück und entgegnete dankbar: „Wenn du das sagst, werde ich daran glauben.“
„Schön~.“
Behutsam drückte Flordelis seine Hand, bevor er sie losließ und nach seiner eigenen Tasse griff, um weiterzutrinken. Das ahmte Platan direkt nach und nahm auch genussvoll einen weiteren Schluck.
„Ah~, ein wahrer Seelenschmeichler“, schwärmte Platan danach.
Ein zufriedenes Lächeln von Flordelis verriet ihm, wie erfreut er darüber war, dass Platan diese Bezeichnung für Kaffee nun selbst verwendete, seit er es von ihm gehört hatte. Anschließend fuhren sie mit dem Frühstück fort, wobei Platan mehr redete, als zu essen, was dazu führte, dass Flordelis ihn ab und zu umsichtig darum bitten musste – auch Parfi zwitscherte dann fordernd.
Dieses harmonische Zusammenleben, voller Liebe, erfüllte Platan jeden einzelnen Tag mit Glück.
Es war fast perfekt.
Nur eine wichtige Kleinigkeit fehlte noch ... und das hatte mit der Überraschung zu tun, von der Flordelis nicht zu früh etwas erfahren durfte.
Chapter 2: Kapitel 1: Das ... ist sehr wichtige Forschungsarbeit!
Notes:
In diesem Kapitel taucht ein eigener Charakter von meiner lieben Verlobten auf: Julie. ♥
Die anderen beiden bekannten Gesichter sind hier noch jünger als in den Spielen.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Kurz vor der Ankunft der Kinder im Labor war Platans Nervosität wieder gewachsen. Mähikel, Hubelupf und Wie-Shu halfen ihm aber einfühlsam dabei sich zu beruhigen und machten die Wartezeit somit wesentlich erträglicher. Die Pokémon waren während der Arbeit stets an seiner Seite, ohne ihre Gesellschaft wäre es ihm im Büro sonst viel zu leer und einsam.
Ähnlich wie Parfis Bindung zu Flordelis enger geworden war, hing Wie-Shu dafür nun an Platan. Ihr gemeinsames Jahr in Sinnoh hatte sie eng zusammengeschweißt. Also hatten Flordelis und er beschlossen, die beiden Pokémon einfach zu tauschen, sobald sie zur ihrer Arbeit gingen. So erhellte Parfi mit ihrer feenhaften Niedlichkeit die ernste Atmosphäre des Geschäftsmannes und Wie-Shu verhalf mit seiner eleganten Ausstrahlung sowie den konzentrierten Bewegungen dem Professor zu mehr Ruhe.
Schließlich war es dann soweit und sein Besuch traf ein.
Schnell stellte sich heraus, dass Flordelis recht behalten sollte.
Die Kinder erfüllten den Raum innerhalb von Sekunden mit so viel Leben, die gesamte Atmosphäre war von einer positiven Energie erfüllt, was auch den letzten Funken Nervosität in Platan auslöschte. Mit aufrichtigem Interesse lauschte er den Geschichten der drei jungen Trainer und ihre Pokémon freuten sich darüber ihn wiederzusehen. Als er sie den Kindern anvertraut hatte, waren sie noch klein, nun hatten sich zwei von ihnen entwickelt.
Gewachsen waren sie dennoch alle, jeder auf seine ganz eigene Weise.
Sina, ein selbstbewusstes und anfangs vorlautes Mädchen, war nun spürbar besonnener geworden. Ihr hatte Platan ein Froxy anvertraut, welches sie nicht mehr trainierte, weil es ihr so gefiel, wie es jetzt war, und auch ihr Pokémon keine andere Form annehmen wollte. Für diese reife und respektvolle Entscheidung konnte er sie nur loben, denn es zeigte, viel Verständnis sie für die Wünsche anderer Lebewesen besaß.
Dexio, ein abenteuerlustiger und zudem waghalsiger Junge, machte nun einen eleganteren sowie ruhigeren Eindruck auf Platan. Seinen Erzählungen nach fand er die Ausstrahlung der Trainer im Kampfpalast äußerst eindrucksvoll. Igamaro war seine Wahl und er hatte es mit viel Ausdauer zu einem Brigaron großgezogen, das seine Stärke aber eher dazu nutzen wollte andere zu schützen, und Kämpfe an sich nicht allzu sehr mochte. Auch Dexio hatte den Wunsch seines Pokémon akzeptiert, wofür er genauso Lob erhielt wie Sina.
Julie, ein schüchternes und zärtlich wirkendes Mädchen, war viel offener geworden. Außerdem schien sie ihre Talente erkannt zu haben, was Platan für sie freute. Aus ihrem Fynx war ein Rutena geworden. Zu Beginn hatten die beiden Startschwierigkeiten gehabt, wovon nichts mehr zu bemerken war. Zwischen ihnen war ein Band entstanden, durch das sie sich fast schweigend verstanden, was Platan faszinierend fand.
Auf jeden Fall hatten sie alle, trotz ihrer Niederlagen in Yantara City, noch jede Menge erlebt und fanden überhaupt kein Ende, was ihn keineswegs störte. Im Gegenteil, es machte ihn glücklich, wie viel sie ihm anvertrauten. Auch die Einträge in jedem Pokédex konnte sich sehen lassen.
„Dann hat mein Fleknoil sich auf einmal entwickelt!“, berichtete Dexio aufgeregt. Mit einer betont eleganten Bewegung strich er über sein kurzes, blondes Haar, das nahezu perfekt saß. „Dabei haben wir nicht mal gekämpft oder so, sondern einfach nur wie immer Zeit miteinander verbracht. Wir haben nicht geknuddelt oder so.“
„Ah, verstehe~.“ Nickend legte Platan, der vor seinem Schreibtisch stand und sich mit der Hüfte an diesen anlehnte, eine Hand an sein Kinn. „Fleknoil entwickelt sich nur weiter, wenn eine enge Freundschaft zu seinem Trainer besteht. Es muss dich also sehr gern haben.“
Mit Entwicklungen kannte Platan sich bestens aus, denn Professor Eibe war ein Experte auf diesem Gebiet. Von ihm hatte er viel darüber gelernt. Darum hatte Platans Vorgängerin ihm auch die bisherigen Forschungsergebnisse – die leider sehr mager ausfielen – über die geheimnisvolle Mega-Entwicklung anvertraut, die ihn bereits vollkommen in den Bann gezogen hatte. Sobald er die Zeit dafür fand und alles andere erledigt war, wollte er mit der Erforschung dieser faszinierenden Steine beginnen, die den Pokémon eine neue Form verleihen konnten. Fast wie in einem Märchen.
Erstaunt sah Dexio ihn mit großen Augen an. „Echt? Solche Entwicklungen gibt es auch?“
„Haben wir dir doch gesagt“, meinte Sina seufzend – und warf dabei den Kopf energisch nach hinten, wobei sich ihre dunklen, violetten Haare wie ein geschmeidiger Vorhang fließend der Bewegung anpassten.
Ebenfalls seufzend schob Julie ihre Brille zurecht. „Mehrmals.“
„Ich dachte, ihr denkt euch das nur aus.“
Beide Mädchen warfen ihm daraufhin einen Blick zu, den Platan nicht so recht deuten konnte, aber es hatte nicht den Anschein, als läge etwas Negatives darin. Zumal Dexio darauf gelassen mit den Schultern zuckte.
„Dafür wusste Sina nicht, dass man Pokémon auch mit Steinen entwickeln kann“, verteidigte er sich.
Beschämt wippte Sina auf ihren Füßen hin und her, die Arme auf dem Rücken verschränkt. „Ich dachte wirklich, Julie kann zaubern.“
„Dabei hab ich doch einen Leuchtstein für Floette benutzt“, erklärte Julie zögerlich, „der ... geleuchtet hat. Wieso dachtest du, die Magie kommt von mir?“
„Sicher weil du so zauberhaft bist~“, warf Platan beschwingt ein.
Überrumpelt lenkte Julie den Blick zu ihm. „B-bitte?“
„Das stimmt!“, bestätigte Sina beeindruckt. „Nicht schlecht, Professor!“
„Z-zauberhaft?“, stammelte Julie verlegen. „ Ich ?“
Ein wenig sah es danach aus, als hätte sie in dieser Sekunde zu gerne etwas über ihren Kopf gezogen, so hilflos wie sie die Hände auf ihr kastanienrotes Haar legte und es dadurch noch mehr durcheinander brachte.
Tröstend tätschelte Sina ihre Schulter. „Nicht so bescheiden~. Denk an unser Training für mehr Selbstbewusstsein!“
„Aber ... doch nicht vor dem Professor“, murmelte Julie überfordert.
Irritiert lehnte Dexio sich etwas zur Seite. „Hä? Wieso nicht? Wolltest du ihn nicht was fragen?“
„Dexio!“, zischte Julie nun verärgert – und warf ihm einen überraschend glühenden Blick zu, bei dem das Grün ihrer Augen erst richtig zur Geltung kam.
Sofort war Platans Neugier geweckt. „Du darfst mich alles fragen, was du willst. Ich bin ganz Ohrdoch~.“
„Nein, nein, nein“, wehrte Julie ab. „Das hat Dexio falsch verstanden.“
Der verlor ein wenig sein Gleichgewicht und stolperte etwas zur Seite, worauf er geschwind wieder eine elegante Haltung einnahm, ehe er leise räusperte. „Hab ich?“
„Eigentlich wollten wir Sie etwas fragen“, fuhr Julie unbeirrt fort und sah, um Zustimmung heischend, zu Sina.
„Das stimmt!“, platzte es sogleich aus ihr heraus und sie fing an in ihrer Schultertasche zu kramen.
Kurz darauf präsentierte Sina ihm einen Pokéball, den sie Platan hinhielt, gefolgt von einer Erklärung: „Wir haben bei unserer Reise ein verletztes Evoli gefunden und es eingefangen, um es im Pokémon-Center zu heilen. Von der Schwester dort wissen wir, dass es ein Weibchen ist. Als wir sie dann wieder dort rauslassen wollten, wo wir sie gefunden haben, ist sie uns die ganze Zeit gefolgt. Aber sobald wir versuchen uns ihr zu nähern greift sie an. Zurücklassen wollten wir sie nicht, anfreunden konnten wir uns mit ihr aber auch nicht, also dachten wir, Sie wissen vielleicht, was man tun kann.“
Was für eine ungewöhnliche Geschichte. Für gewöhnlich waren Pokémon, die bei Menschen Schutz suchten, umgänglicher. Dennoch wunderte Platan sich nicht über das Verhalten, sondern hatte bereits eine Ahnung, was das Problem sein könnte. Manche Pokémon konnten widersprüchliche Verhaltensweisen entwickeln, je nachdem wie unsicher sie waren.
Nachdenklich betrachtete Platan den Ball, bevor er ihn an sich nahm. „Wenn sie bei euch Schutz gesucht hat, obwohl sie euch nicht vertraut, muss sie zu schwach sein, um alleine in der Wildnis zu überleben. Es war die richtige Entscheidung, dass ihr sie mitgenommen habt.“
Alle drei Gesichter leuchteten vor Freude und Stolz auf – und das zu recht, sie hatten ein gutes Gespür für Pokémon. Auf sie wartete zweifelsohne eine strahlende Zukunft.
Froxy hatte die ganze Zeit über mit Mähikel um die Wette gehüpft, Brigaron unterhielt sich ruhig mit Hubelupf und Rutena ahmte mit ihrem Zweig einige Kampfbewegungen von Wie-Shu nach. Kaum ließ Platan das Evoli aus dem Pokéball aber nach draußen, hielten sie alle inne und beobachteten das Geschehen nun wachsam.
Tatsächlich materialisierte sich vor Platan ein Evoli auf dem Boden, die Kinder wichen instinktiv einige Schritte zurück, um der Kleinen genug Platz zu geben. Mit einem grimmigen Ausdruck im Gesicht schüttelte sich das Evoli heftig. So heftig, dass sie sogar auf die Seite fiel und kurz orientierungslos liegen blieb, bevor sie unruhig wieder aufsprang. Ihr Blick huschte durch den Raum, erfasste nach und nach jedes Pokémon und jeden Menschen in der Nähe. Sie war merklich angespannt.
Langsam kniete Platan sich vor dem Evoli hin, wodurch ihr Blick sich sofort auf ihn konzentrierte und sie bedrohlich zu knurren anfing.
„Passen Sie auf, Professor“, bat Julie besorgt. „Sie ist wirklich angriffslustig.“
Beruhigend nickte er ihr zu, bevor er seine Aufmerksamkeit voll und ganz Evoli schenkte.
„Bonjour, Evoli“, begrüßte Platan es und sprach dabei so sanft wie möglich. „Du musst keine Angst haben, hier wird dir niemand etwas tun. Du bist sicher.“
Darum hatte Platan sie bewusst jetzt aus dem Pokéball gelassen. Die Anwesenheit so vieler Pokémon und Menschen sorgten zwar für Stress, doch auf diese Weise lernte sie auch, nicht jeden als Feind betrachten zu müssen, sobald sie realisierte, dass sie von niemandem in diesem Raum attackiert wurde. Außerdem kannte sie die Kinder und war ihnen gefolgt, also waren sie vertraute Gesichter, trotz des Misstrauens.
Feindselig funkelte Evoli ihn an und nahm eine Haltung ein, die ihm sagen sollte, sich nicht zu nähern. Und doch sagten ihre braunen Augen etwas anderes.
In ihnen lag etwas ähnlich Sanftes wie bei Flordelis.
„Dir wird nichts passieren“, versicherte Platan nochmal lächelnd. „Wir wollen dir nur helfen.“
Mit diesen Worten streckte er die Hand aus, wieder langsam, um zu verdeutlichen, keine Gefahr zu sein. Natürlich geschah das, womit Platan gerechnet hatte. Genau wie die Kinder sagten, griff sie ihn an und schnappte nach seiner Hand. Andere wären nun zurückgewichen, doch er ließ es zu, dass Evoli ihn biss und sich dabei an seinem Arm festkrallte.
Erschrocken sogen die Kinder kollektiv die Luft ein und die anderen Pokémon, vor allem Wie-Shu, wollten eingreifen. Rasch hob Platan die andere Hand und schüttelte den Kopf, womit er sie davon abhielt etwas zu tun. Da er keinerlei Anzeichen von Schmerz zeigte, kamen die Pokémon seiner Forderung nach, wohl ebenso verwirrt wie Evoli, weil er keinerlei Versuch unternahm sich zu wehren und ruhig in seiner Position verharrte.
Nach einer Weile lockerte Evoli den Biss etwas und sie sah Platan mit großen Augen an, der diesen Blick weiterhin lächelnd erwiderte. Einige Sekunden später ließ sie gänzlich von ihm ab. An seiner Hand und an seinem Arm waren keine Verletzungen zu sehen. Sie hatte nur so getan, als würde sie richtig zubeißen.
„Siehst du? Alles in Ordnung“, sagte Platan einfühlsam.
Seine Hand befand sich immer noch in Evolis Nähe. Als er sich ihrem Kopf näherte, duckte sie sich ängstlich. Behutsam tätschelte Platan sie und wiederholte abermals, dass sie sicher sei. Mehrmals blinzelte Evoli panisch, entspannte sich jedoch Stück für Stück, je länger er sie streichelte. Und dann bemerkte sie, wie angenehm sich diese Geste anfühlte.
Mit einem leisen Schnurren drückte sie den Kopf gegen seine Hand.
Platans Lächeln nahm noch eine wärmere Note an. „Das ist besser, nicht? Die Welt ist gar nicht so finster und gefährlich.“
„Unglaublich“, hauchten die Kinder beeindruckt.
„Aber ... wie ?“, fragte Dexio ratlos – und verlor dabei sämtliche Eleganz, die er nach dem Stolpern mühevoll aufrecht erhalten hatte. „Sina und Julie haben auch so ruhig auf Evoli eingeredet wie Sie, aber ... Warum hat es Sie nicht richtig angegriffen?“
Vorsichtig hob Platan Evoli auf seinen Arm und richtete sich wieder auf. „Ich bin sicher, euch wollte sie auch niemals ernsthaft angreifen und doch war es klug von euch, kein Risiko einzugehen. Was ich eben gemacht habe, hätte gefährlich werden können.“
„Warum waren Sie dann so sicher, dass Evoli Sie nicht verletzen wird?“, hakte Sina weiter nach.
„Ich habe es in ihren Augen gesehen“, antwortete Platan bedeutungsvoll. „Ich habe gesehen, dass sie viel zu sanft ist, um andere zu verletzen. Darum kommt sie in der Wildnis alleine nicht zurecht.“
Evolis Ohren zuckten bei jedem Wort, das er sagte. Nun war sie vollkommen entspannt und betrachtete die anderen mit einem eher interessierten Blick. Als würde sie die Welt zum ersten Mal anders wahrnehmen. Freundlicher und heller.
„Wow“, entglitt es Julie, voller Faszination. „Sie können an dem Blick eines Pokémon so etwas erkennen? Das ist ...“
„Obercool!“, platzte es aus Dexio heraus.
Sowohl Evoli als auch Platan zuckten ein wenig zusammen.
Sinas helle Augen funkelten bewundernd. „Sie sind echt ein toller Professor! Ist ja aber auch kein Wunder! Sie heißen Platan ! Ein toller Name für einen toller Professor~.“
Etwas überrumpelt von diesen plötzlichen Lobeshymnen bemühte Platan sich um Fassung. „Oh, nicht doch. Das ... das macht nur die Erfahrung.“
„Bescheiden ist er auch noch!“, betonte Sina begeistert.
„Dafür hab ich echt Respekt“, meinte Dexio, der die Stirn runzelte. „Ich bin überhaupt nicht bescheiden. Ich werde gerne gelobt.“
Julie nickte lächelnd. „Ich bin froh, dass Sie der Professor waren, der uns unsere ersten Pokémon gegeben hat~.“
Diese Worte ... rührten Platans Herz so sehr, ihm fehlten sämtliche Worte. Überwältigt erwiderte er die leuchtenden Blicke der drei, bis sich Irritation in ihre Gesichter schlich, da er nichts mehr sagte. Evoli brach die Stille mit einem unsicheren Laut.
Mit beunruhigter Miene flüsterte Dexio den Mädchen zu: „Haben ... wir ihn kaputt gemacht?“
„Hoffentlich nicht“, erwiderte Julie und zog finster die Augenbrauen zusammen. „Meine Mutter bringt mich sonst um.“
„Und vergiss nicht Monsieur Flordelis“, merkte Sina heiser an.
Darauf murmelte alle gleichzeitig mit Grabesstimme: „Wir sind so erledigt ...“
Nach diesem Dialog konnte Platan nicht anders, als überaus herzlich zu lachen, was dazu führte, dass Evoli ihn erst ratlos ansah und dann versuchte ihn nachzuahmen – was bei den Kindern wiederum für entzückte Reaktionen sorgte.
„Keine Sorge.“ Amüsiert zwinkerte Platan ihnen zu. „Eure Worte haben mich nur sehr berührt. Verratet es nicht weiter, aber ehrlich gesagt war ich etwas besorgt, ich wäre kein würdiger Nachfolger für die Professorin.“
Das hätte er eventuell besser nicht gestehen wollen, denn nach diesen ehrlichen Worten schienen es die Kinder als ihre Pflicht anzusehen noch mehr Lob auszusprechen. Dafür, wie verständlich und interessant er ihnen immer alles erklärte und dass sie bei ihm wirklich das Gefühl hatten sich jederzeit melden zu können, sollten sie Probleme haben. Zudem erinnerten sie ihn daran, wie er ihnen Mut gemacht hatte, als sie alle kurz davor waren nach den Niederlagen ihre Pokémon-Reise aufzugeben.
Dank ihm hatten sie verstanden, wozu sie überhaupt unterwegs waren. Nämlich, um das zu finden, was ihnen wirklich lag und ihnen den meisten Spaß machte. Sie hatten gelernt, in Rückschlägen auch etwas Positives zu sehen und es als Wegweiser zu betrachten. Immerhin standen ihnen unzählige weitere Optionen offen, sie mussten nicht nur an einem einzigen Traum festhalten, ihn aber auch nicht gänzlich loslassen. Irgendwann könnten sie es wieder versuchen. Manche Träume erfüllten sich erst später und bis dahin konnten sie andere, wertvolle Erfahrungen sammeln.
Dafür war die Pokémon-Reise schließlich da.
Und Platan war glücklich darüber, sie mit seiner Rede tatsächlich erreicht zu haben.
***
Nachdem die Kinder sich wieder von ihm verabschiedet und das Labor verlassen hatten, um noch eine Weile weiter durch Kalos zu reisen, konnte Platan sich in Ruhe um Evoli kümmern. Laut Sina, Dexio und Julie war sie bei ihm am besten aufgehoben. Einstimmig hatten sie ihn gebeten, sich gut um sie zu kümmern. Wie hätte er da ablehnen können?
Inzwischen hatte Platan es genauer untersucht. Am Rücken, unter dem Fell, spürte man einige Kratzspuren, die dank einem Trank und der Behandlung im Pokémon-Center schon vernarbt waren. Ansonsten machte sie einen gesunden und nun auch neugierigen Eindruck.
Mähikel, Hubelupf und Wie-Shu machten sie aber noch etwas nervös, verständlicherweise. Sie ließ sich leicht beruhigen, indem er ihr behutsam über den Kopf strich, wie er schnell herausfand. Nur bei Wie-Shu blieb Evoli angespannt, was an dem strengen Blick lag, den er Platan zuwarf. Dieser verstand, was sein Problem war.
„Es tut mir leid“, sagte er aufrichtig, verbunden mit einem unschuldigen Lächeln. „Ich weiß, du hast dir Sorgen gemacht, aber es ist doch nichts passiert. Ich war mir sicher, Evoli würde mich nicht verletzen.“
Mit einem hellen, zarten Laut schlang Wie-Shu die Arme um seine Beine.
„Oh je~.“ Schmunzelnd tätschelte er mit der anderen Hand auch seinen Kopf. „Da habe ich etwas angerichtet. Nächstes Mal warne ich dich vor. ... Bitte verrate Flordelis nichts davon, ja?“
Sonst bekäme Platan von ihm auch noch einen strengen Blick.
Fordernd versuchte Evoli mit ihren Pfoten nach seiner Hand zu greifen, worauf er leise lachte. „Nun möchtest du wohl besonders viel Aufmerksamkeit, hm? Ich denke, das lässt sich einrichten.“
Für heute gab es nichts Wichtiges mehr zu tun. Nichts, was sich nicht auch morgen erledigen ließe. Wenn Evoli eine Weile bei ihm blieb, war es wichtig eine Bindung zu ihr aufzubauen. Darum räumte er einige Dokumente zur Seite, fuhr den Laptop herunter und beschäftigte sich weiter mit Evoli.
Das beinhaltete Streicheleinheiten, wobei er ihr etwas mehr von sich und den Pokémon erzählte, als auch ein paar Spiele. Nun war es praktisch, noch keine Assistenten zu haben, die sich gestört davon fühlen könnten, wie er mit Evoli herumtollte. Ohne es zu bemerken vertiefte er sich etwas zu sehr darin, bis er irgendwann plötzlich mit dem Rücken auf dem Schreibtisch lag und Evoli mit beiden Händen lachend hochhob.
„... Platan?“, ertönte, wie aus dem Nichts, eine tiefe, vertraute Stimme.
Auf der Stelle verstummte Platan und Evoli nahm sich an ihm ein Beispiel. Beide drehten den Kopf zur Seite und entdeckten so Flordelis, der wenige Meter entfernt an der Trennwand stand. Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete dieser die Szene. Für einige Sekunden legte sich eine peinliche Stille über sie.
„Das ...“, begann Platan beschämt zu erklären, „ist sehr wichtige Forschungsarbeit.“
„Mhm?“, entgegnete Flordelis trocken und strich sich über den Bart. „So wird es wohl sein.“
Ein Schmunzeln folgte. „Sieht ganz danach aus, als ginge es dir gut. Darüber bin ich sehr erleichtert.“
Augenblicklich entspannte Platan sich und richtete sich vorsichtig mit Evoli auf, bis er anständig saß. „Hast du dir etwa Sorgen gemacht?“
„Ein wenig“, bestätigte Flordelis offen. „Weil du dir heute Morgen Sorgen gemacht hast.“
„Ich wollte meine Sorgen nicht auf dich übertragen.“
„Schon in Ordnung. Wenn es mir möglich wäre, hätte ich dir einfach all deine Sorgen abgenommen und auf mich geladen.“
Platan lächelte ergriffen. „Flordelis ...“
Dieser betrachtete nun Evoli genauer. „Und wen haben wir da?“
Beschwingt stellte er sie sogleich vor: „Oh, das ist Evoli~. Sie ist sehr verspielt, wie du eben selbst mitbekommen hast. Evoli, das ist Flordelis. Vor ihm musst du auch keine Angst haben, er ist so sanft wie eine Frühlingsbrise~.“
Anscheinend machte Flordelis' Größe Evoli etwas Angst, so wie sie sich schutzsuchend an Platan schmiegte.
„Bonjour, Evoli“, begrüßte Flordelis sie freundlich und schenkte ihr ein leichtes Lächeln. „Du bist also auch Platans Charme verfallen. Das kann ich gut nachvollziehen.“
Weiterhin ängstliche sah Evoli ihn an ... bis Parfi auf einmal aus seinem Fellkragen hervorkam und auf seine Schulter flatterte, wo sie herzhaft gähnte. Ruhig wünschte Flordelis ihr einen guten Morgen und kraulte sie kurz mit einem Finger am Bauch, woraufhin sie ihr Gefieder zufrieden aufplusterte. Auf der Stelle verschwand Evolis Angst und sie betrachtete Flordelis nun fasziniert, was Platan gut nachvollziehen konnte.
„Wie lief der Besuch von den Kindern?“, erkundigte Flordelis sich.
Mit funkelnden Augen antwortete Platan: „Wundervoll! Ich muss dir ausführlich davon erzählen. Sie waren es übrigens, die Evoli mitgebracht und sie mir schließlich anvertraut haben. Ich werde mich also eine Weile um sie kümmern.“
Überrascht neigte Flordelis den Kopf ein wenig. „Nur eine Weile?“
„Nun, ja.“ Langsam stand er auf, damit er nicht die ganze Zeit so unelegant auf dem Schreibtisch herumsaß. „Ich denke, es wäre sicher gut, wenn Evoli mit einem Kind herumreist und mehr von der Welt sieht, sobald ich sie an Menschen gewöhnt habe.“
„Mon amour“, betonte Flordelis eindringlich. „Ich kann dir ansehen, dass du sie gerne behalten willst.“
„Bitte?“ Zweifelnd schüttelte er den Kopf. „Das ist unmöglich. Wir kennen uns erst seit wenigen Stunden und ich denke ... nun ...“
Zwischendurch war Wie-Shu zu Flordelis gegangen, um ihn zu begrüßen, und während er mit der Hand über dessen Kopf fuhr, sah er Platan liebevoll an. „Du schließt Menschen und Pokémon schnell in dein Herz. Das ist eines von vielen Dingen, die ich an dir liebe. Außerdem bezweifle ich, dass du mit jedem Pokémon derart ausgelassen auf dem Schreibtisch spielen würdest.“
Mähikel, Hubelupf und Parfi stimmten dem auch noch nickend zu, so dass Platan nicht widersprechen konnte.
„Da ist was dran“, gab Platan daher nach. „Ich würde dennoch gerne abwarten, was Evoli lieber wäre. Bis dahin ist aber noch etwas Zeit.“
„Sie ist mir jedenfalls sehr willkommen. Noch mehr Leben im Haus begrüße ich sehr.“ Flordelis trat näher und strich mit der Hand sanft durch die Haarsträhne, die Platan immer ins Gesicht fiel. „Bist du soweit fertig? Ich würde mir gerne anhören, was du über den Besuch der Kinder zu erzählen hast, bei einer gemütlichen Tasse Kaffee. Und wir sollten Evoli ihr neues Zuhause zeigen.“
„Das hört sich traumhaft an.“ Verliebt erwiderte Platan seinen Blick. „Wir können direkt gehen. Ich muss hier nichts mehr erledigen.“
„Gut~.“
Flordelis legte eine Hand auf seinen Rücken und sie gingen gemeinsam zum Aufzug, begleitet von den Pokémon. Auch an diesem Tag hatte Flordelis erneut richtig gelegen, was Platan betraf. Nächstes Mal würde er ihm einfach sofort glauben und nicht nochmal an sich zweifeln – und falls es doch geschah, würde Flordelis ihm wieder und wieder Mut zusprechen, wofür Platan unendlich dankbar war.
Solange Flordelis an ihn glaubte, hatte er nichts zu befürchten.
Alles war gut. Platan war gut in dem, was er tat.
Diesen Rückenwind würde er nutzen, um für Flordelis der beste Partner zu sein, den man sich nur wünschen konnte. Bald ... bald konnte Platan ihm zumindest einen Teil von dem zurückgeben, was Flordelis ihm bisher geschenkt hatte.
Notes:
Die Stelle, an der Platan mit Evoli auf dem Schreibtisch herumtollt, ist von einem Fanart inspiriert. Genau wie der Satz, den er dann zu Flordelis sagt.
Leider finde ich es nicht mehr, aber vielleicht kennt es jemand von euch?
Chapter 3: Kapitel 2: Ich bin etwas wert!
Notes:
In diesem Kapitel tritt noch ein eigener Charakter auf, diesmal ist er von mir und wurde speziell für diese Geschichte erfunden.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Evoli war nun schon eine Weile bei ihnen und hatte sich erfreulicherweise gut eingelebt.
Das große, luxuriöse Anwesen hatte ihr auf Anhieb zugesagt, was vermuten ließ, aus ihr könnte eines Tages ein Psiana werden. Diese Entwicklungsform besaß eine natürliche Eleganz und war dafür bekannt ein schickes Leben sehr zu genießen. Allerdings gab es stets Ausnahmen, also ließ Platan sich überraschen. Eventuell wollte sie sich überhaupt nicht entwickeln, was auch in Ordnung wäre. Solange Evoli ihr Glück fand, spielte ihre Form ohnehin keine wichtige Rolle.
Mit den Pokémon von Flordelis und Platan verstand sie sich bisher blendend, bis auf zwei Ausnahmen. Aufgrund von Kramshefs autoritärer Art fürchtete Evoli sich vor ihm und machte jedes Mal einen großzügigen Bogen um ihn, was ihn mittlerweile etwas kränkte, wie Flordelis festgestellt hatte. Darum war Kramshef in letzter Zeit wesentlich sanfter geworden.
Dann wäre da noch Durengard, der seine Rolle als Wächter etwas zu ernst nahm, weswegen sein finsterer Blick ihr Angst einjagte. Dabei hatte er sie wohl, laut Flordelis, von der ersten Sekunde an ins Herz geschlossen und wollte sie nun ebenfalls mit aller Macht beschützen. Offenbar nahm Evoli diese Entschlossenheit leider mehr als Drohung wahr. Nach und nach wollte Platan ihr dabei helfen zu verstehen, dass sie sich zu Hause vor niemandem fürchten musste, doch er wollte ihr die Zeit geben, die sie benötigte.
Bei Garados gab es erstaunlich wenig Probleme. Anfangs hatte Evoli sich nicht in den Garten getraut, bis er ihr eines Tages etwas von seinem Essen abgab und seitdem kletterte sie gerne auf ihm herum. Insgesamt war es interessant zu beobachten, wie sich ihr Neuzugang mit allen anfreundete. Da freute Platan sich bereits auf nächstes Jahr, wenn er die ersten Pokémon für die Kinder erziehen konnte, welche sich bei ihm für eines bewarben. Bis dahin dürfte er sich als neuer Pokémon-Professor endlich vollständig eingearbeitet haben.
Lange müsste er nicht mehr warten. Inzwischen war nämlich Dezember und der Winter hatte Illumina City in ein märchenhaft glitzerndes und funkelndes Reich verwandelt. Alles deutete auf Weihnachten hin. Sei es der Frost, der im Sonnenlicht schimmerte, oder die dekorative Beleuchtung sowie die festliche Stimmung von Menschen und Pokémon. Weihnachten war zum Greifen nahe – und somit auch der zweite Jahrestag von Platans Beziehung mit Flordelis.
Der Tag, für den er schon länger eine Überraschung plante.
Darum hatte Platan heute etwas früher mit der Arbeit Schluss gemacht und war nachmittags in die Stadt gegangen, wo er etwas abholen musste. Etwas, das – zu seiner Erleichterung – noch rechtzeitig fertig geworden war. Nun ruhte dieser wichtige Gegenstand in seiner Hosentasche, sanft umschlungen von seiner Hand.
Allmählich war Platan unruhig geworden, da Weihnachten nur noch einige Tage entfernt war, aber nun stand seiner Überraschung nichts mehr im Wege. Außer seiner Nervosität, die er hoffentlich in den Griff bekam, sobald es so weit war. Schließlich hatte er in Gedanken alles bereits mehrmals durchgespielt, also sollte eigentlich nichts schiefgehen. Eigentlich.
Nein, es wird nichts schiefgehen, dachte er zuversichtlich. Wir werden dieses Jahr ein unvergessliches Weihnachten feiern. Weil wir zusammen sein werden.
Lächelnd schloss Platan die Augen und seufzte innerlich verträumt. Schon die Vorstellung sorgte für ein warmes Gefühl in seinem Inneren, das er bei dieser Kälte gut gebrauchen konnte. Trotz seiner dicken Winterkleidung fror Platan, wie jedes Jahr. Egal, wie gut er sich vorbereitete, der Kälte gelang es auch diesmal unbarmherzig in jeden Winkel seines Körpers zu kriechen und ihn schlottern zu lassen. Im Moment störte er sich aber nicht allzu sehr daran, dafür war er zu glücklich, weil er endlich die Überraschung für Flordelis in der Hand hielt.
Plötzlich hielt ihn jemand am Arm fest und ein heller, warnender Ton erklang. Sofort öffnete Platan die Augen wieder und stellte erschrocken fest, dass er soeben beinahe gegen eine Straßenlaterne gelaufen wäre. Sie befand sich unangenehm nahe an seinem Gesicht, es war Rettung in letzter Sekunde.
Langsam ging er ein paar Schritte zurück und atmete auf, bevor er lächelnd nach unten sah. „Das war wirklich knapp. Vielen Dank, Wie-Shu.“
Für Hubelupf und Mähikel war es draußen nun viel zu kalt geworden. Evoli fühlte sich zwischen zu vielen fremden Menschen und Pokémon noch unwohl, der Trubel und die Hektik gefielen ihr nicht. Also wurde Platan momentan nur von Wie-Shu begleitet, sobald er in der Stadt unterwegs war. Darauf bestand Wie-Shu sogar, um auf ihn aufpassen zu können, anstellen von Flordelis. Offenbar war das auch nötig, denn ohne ihn hätte Platan auf unschöne Weise nähere Bekanntschaft mit einer Straßenlaterne gemacht.
Stolz nickte Wie-Shu ihm zu und ließ ihn wieder los. Genau zum richtigen Zeitpunkt, der integrierte Holo-Log in Platans Armbanduhr, die sich an seinem linken Handgelenk befand, meldete sich. Ein Anrufer.
„Oh~, das ist sicher Flordelis“, vermutete Platan erfreut.
Rasch nahm er den Anruf an und tatsächlich baute sich danach das Hologramm von Flordelis vor ihm auf. Von Parfi war nichts zu sehen, wahrscheinlich schlief sie in diesem Moment irgendwo zwischen seinen Haaren oder in seinem Fellkragen.
„Bonjour, Platan“, grüßte dieser ihn, mit einem sanften Lächeln.
Mit liebevoller Stimme erwiderte Platan den Gruß, ließ den Gegenstand in seiner Hosentasche los und hob die rechte Hand, bis seine Fingerspitzen das Hologramm leicht berührten. Dadurch begann das blaue Licht kurz zu flimmern, erlangte jedoch schnell wieder Stabilität.
Flordelis schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Wie oft habe ich dir nun schon gesagt, dass du das Hologramm nicht berühren solltest?“
„Ich habe aufgehört zu zählen“, entgegnete Platan unschuldig und zwinkerte ihm zu. „Außerdem gefällt mir die Vorstellung, dass du meine Berührung wirklich spürst. Das ist romantisch~.“
„Und ich werde es weiterhin für mich behalten, ob ich etwas spüre oder nicht.“
Diese Spielerei hatten sie im Laufe ihrer Fernbeziehung entwickelt. Sobald die Sehnsucht nach dem jeweils anderen auf beiden Seiten beinahe unerträglich geworden war. Seitdem konnte Platan es nicht lassen, das Hologramm von Flordelis zu berühren und ihm auf diese Weise das Gefühl von Nähe zu schenken. Nun mochten sie unter der Woche nur noch für ein paar Stunden voneinander getrennt sein, doch Flordelis verdiente jede zärtliche Geste, die Platan ihm geben konnte.
Als Flordelis bemerkte, dass sich Platan nicht im Labor aufhielt, erlangte er innerhalb eines Wimpernschlages seine Fassung zurück. Die Öffentlichkeit wusste zwar von ihrer Beziehung, dennoch war es für Flordelis wichtig in Anwesenheit anderer Leute eine gewisse Contenance zu wahren, wofür Platan Verständnis hatte. Ein Geschäftsmann musste immerzu auf seine äußere Wirkung achten – noch dazu wenn man so ein bekanntes Gesicht war.
„Störe ich dich gerade?“, hakte Flordelis nach.
„Nein, nein“, antwortete Platan wahrheitsgemäß. „Ich musste heute etwas in der Stadt erledigen und habe dafür früher Schluss gemacht. Nun überlegen wir, ob wir noch kurz meinen Zufluchtsort aufsuchen, um nach den Pokémon dort zu sehen.“
Von seiner Position aus war das Tor zu Route 4, dem Parterre-Weg, nicht weit entfernt. Verließ man dort an einer bestimmten Stelle durch eine Lücke, zwischen den ordentlich aufgereihten Büschen, den von der Wildnis abgetrennten Bereich, konnte man einen Hain finden. Ein Weg bestehend aus Blumen und wild wuchernden Gräsern führte dorthin. Für Platan lag an diesem Ort etwas Magisches in der Luft und mittlerweile war er eng mit den wilden Pokémon in dieser Gegend befreundet.
Auch Flordelis kannte diesen Zufluchtsort mittlerweile, da Platan ihn mehrere Male dorthin entführt hatte.
Kaum merklich neigte Flordelis den Kopf. „Mit wir meinst du Wie-Shu und dich, nehme ich an?“
Wie-Shu bestätigte diese Vermutung sofort mit einer Art Schnurren.
„Sicher, er weicht mir doch nicht von der Seite~“, merkte Platan dennoch entzückt an.
Etwas stimmte Flordelis aber nachdenklich, seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. „Ist es dir draußen nicht zu kalt? Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, im Winter hinzugehen. Was, wenn du dich erkältest?“
„Ich bleibe ja nicht lange.“ Platan legte eine Hand auf seine Brust. „Ich finde es aber rührend, wie viele Sorgen du dir um mich machst.“
„Selbstverständlich sorge ich mich um dich“, betonte Flordelis ernst. „Versprich mir, dass du wirklich nicht zu lange draußen bleibst.“
„Versprochen. Ich werde es ohnehin nicht so lange in der Kälte aushalten, aber ich will die Pokémon wissen lassen, dass ich sie nicht vergessen habe und im Frühling wieder öfter vorbeikommen werde.“
Nach dieser Erklärung wurde Flordelis' Mimik wieder sanfter. „Das sieht dir ähnlich. Pass bitte einfach auf dich auf. Ich wollte dich eigentlich nur darüber informieren, dass es bei mir später wird. Es hat sich ungeplant ein wichtiger Geschäftspartner für heute angekündigt, der etwas mit mir besprechen will.“
Darauf nickte Platan verstehend. „Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast. Sonst hätte ich euch sicher zwischendurch mit einem Anruf gestört.“
„Du störst mich nie“, wandte Flordelis ein. „Du bist für mich das Allerwichtigste.“
Ein rötlicher Schleier legte sich über Platans Wangen und er lächelte verlegen.
Dieser Anblick machte Flordelis wohl zufrieden. „Ist dir nun etwas wärmer?“
„Ein kleines bisschen~“, gestand Platan, dessen Herz zu flattern anfing.
„Gut. Ich wärme dich später noch mehr auf.“ Nach diesen Worten hob Flordelis ein wenig die Hand. „Ich muss nun Schluss machen. Wir sehen uns heute Abend.“
„Ja, bis später, mein Lieber~.“
„Achte darauf, dass er sich an sein Versprechen hält, Wie-Shu“, bat Flordelis eindringlich.
Pflichtbewusst versicherte Wie-Shu ihm mit einem kraftvollen Laut, Platan im Auge zu behalten. Danach löste sich das Hologramm von Flordelis auf und das Gespräch war beendet. Immer noch verlegte legte Platan beide Hände auf seine Wangen und glaubte, die Hitze durch die Handschuhe hindurch spüren zu können.
Nach fast zwei Jahren gelang es Flordelis auch jetzt noch spielend leicht ihn um den Verstand zu bringen. Wie machte er das nur?
Mit diesen warmen Gefühlen in der Brust ging Platan mit Wie-Shu weiter, Richtung Tor zu Route 4. Weit kamen sie aber nicht.
„Platan“, sprach ihn von hinten jemand mit monotoner Stimme an.
Sofort hielt er inne und drehte sich zur Seite, um einen Blick nach hinten zu werfen, während Wie-Shu sich schützend vor ihm positionierte. Wenige Meter entfernt stand ein Mann, dessen Gesicht halb in einem weißen, bauschigen Fellkragen seiner grauen Jacke verschwand, beide Hände in den Seitentaschen vergraben. Ein dunkelbraunes, glanzloses Augenpaar musterte Platan aufmerksam, seltsam erwartungsvoll, trotz der grimmigen Mimik. Das blonde, glatte Haar schwebte gleichmäßig über seinen Schultern. Durch die blasse Haut bemerkte man den feinen Kinnbart kaum, der sehr gepflegt wirkte.
„Gilbert~!“, entglitt es Platan enthusiastisch.
Schnaubend hob sein Gegenüber einen Mundwinkel. „Pff, sieh an, du weißt also noch, wer ich bin.“
„Sei nicht albern, natürlich weiß ich das noch.“ Beruhigend tätschelte Platan Wie-Shus Kopf. „Keine Sorge, das ist ein alter Freund von mir. Du kannst dich entspannen.“
Trotz dieser Versicherung blieb Wie-Shu misstrauisch, was Gilbert abermals ein Schnauben entlockte. „Ha, lass gut sein, Pokémon konnten mich noch nie sonderlich leiden. Ich schätze, wir verzichten besser auf eine Umarmung.“
Besorgt legte Platan eine Hand an sein Kinn. „Du hast immer noch Probleme mit Pokémon? Das tut mir leid.“
„Ja, in den letzten zwei Jahren hat sich bei mir nicht viel verändert.“ Gleichgültig zuckte Gilbert mit den Schultern. „Ich bin und bleibe halt eher das Unkraut als ein goldener Spross.“
„Gilbert ...“
„Egal, dir scheint es ja wenigstens gutzugehen“, wechselte er das Thema. „Pokémon-Professor, huh? Hätte nicht gedacht, dass dir dieses Kunststück echt gelingt. Haha, wir dachten damals alle, du wärst dafür nicht gemacht.“
Ein paar bittere Erinnerungen kamen in Platan hoch. Gilbert gehörte zu einer alten Freundesgruppe, jenen Leuten, die Flordelis als Neider bezeichnet hatte. Früher wäre Platan sofort wieder unsicher geworden, aber jetzt ...
Du bist perfekt, mon amour. Solange du einfach du selbst bist, wirst du immer perfekt sein.
Wie ein angenehm loderndes Feuer hallten diese Worte in Platan wider. Solange Flordelis an ihn glaubte, gab es keinen Grund, an sich selbst zu zweifeln.
Mit diesem Gefühl konnte Platan mild lächeln. „Überraschend, nicht wahr? Es ist auch für mich ein Wunder.“
„Pff, ich glaube nicht mehr an Wunder“, sagte Gilbert frostig, distanziert. „Ich glaube nicht mehr daran, dass zwischen Menschen und Pokémon dieses wundersame Band, von dem man andauernd hört, tatsächlich existieren soll. Pah, es hilft kein Stück, sich auf die Wunder zu besinnen, die um einen herum geschehen. Manche haben Glück, andere nicht. So funktioniert die Welt und nicht anders.“
Ein wenig überrumpelt von dieser spürbaren Bitterkeit hielt Platan einen Augenblick den Atem an. Damals, im Café Fleur prismatique, hatte er sich bemüht Gilbert mit diesen Worten aufzubauen, bevor er Flordelis zum ersten Mal begegnet war. Leider hatte sich Gilberts Leben offensichtlich seitdem wirklich nicht verbessert.
Dabei hatte Gilbert bei ihrem letzten Treffen erzählt, wie es ihm gelungen war sich von seiner Familie loszueisen, deren Erwartungen er niemals erfüllen konnte. Dem Druck als Sprössling von Eltern mit einer hoch angesehenen Firma war er entkommen und doch war er so mutlos gewesen. In einer Welt, die so trist und leer auf ihn gewirkt hatte. Jedenfalls ohne Geld, wie Gilbert beklagt hatte.
„Tss, von wegen, man muss nicht reich sein, um sein Glück zu finden“, spottete dieser. „Wer von uns beiden hat sich denn schamlos den reichsten Kerl in ganz Kalos geangelt, huh?“
„W-was?“ Abwehrend hob Platan die Hände. „So ist es nicht. Ich weiß, wie das auf dich wirken muss, aber mit dem Geld hatte es nichts zu tun. Flordelis war für mich schon lange-“
„Ach, lass gut sein“, unterbrach Gilbert ihn. Seufzend zog er eine Hand aus der Jackentasche und fuhr sich über das Gesicht. „Puh, es tut mir leid, das war nicht korrekt von mir. Meine Frustration hat mich ziemlich unausstehlich gemacht. Ich wollte das so nicht sagen.“
„Ist schon in Ordnung“, sagte Platan einfühlsam. „Ich kann verstehen, dass du frustriert bist. Wenn man sich verloren fühlt, neigt man leicht dazu Dinge zu sagen, die man nicht so meint.“
Einladend breitete er die Arme aus. „Gilbert, ich denke, nun kann ich dir wesentlich effektiver helfen! Ich bin nach wie vor davon überzeugt, auch du kannst eine Bindung zu Pokémon aufbauen. Als Pokémon-Professor kann ich dir nun allerhand Ratschläge geben und ein Pokémon für dich suchen, das zu dir passen würde. Magst du mich mal in meinem Labor besuchen kommen? Ich würde dir wirklich gerne zeigen, wie wundervoll die Welt und die Pokémon sind.“
Gilberts Hand lag immer noch über seinem Gesicht. Zwischen den Lücken seiner Finger starrte er Platan nun ähnlich misstrauisch an wie Wie-Shu es schon die ganze Zeit bei ihm tat. Hoffnungsvoll erwiderte Platan Gilberts Blick. Als Pokémon-Professor hatte er sich das Ziel gesetzt, jedem eine helfende Hand zu reichen, der sie benötigte. Möglicherweise war es Schicksal, dass er Gilbert ausgerechnet hier und jetzt erneut zufällig begegnete. Zusammen könnten sie einen Weg finden, wahres Glück in sein Leben zu bringen.
Glucksend ließ Gilbert die Hand sinken. „Puh, Platan ... Du hast dich verändert. Dein Selbstbewusstsein blendet ja richtig. Weißt du, ehrlich gesagt habe ich dich angesprochen, weil ich wirklich deine Hilfe brauche.“
Locker deutete er über seine Schulter. „Nicht weit von hier ist ein trainerloses Pokémon, das ich seit einer Weile füttere und, na ja, so nah bin ich bis jetzt noch nie einem gekommen, aber es hat trotzdem noch Angst vor mir. Würdest du mir zeigen, wie ich mich ihm am besten annähern kann?“
Von Motivation erfüllt stimmte Platan ohne jegliches Zögern zu: „Selbstverständlich! Verlass dich auf mich, wir bekommen das zu zweit schon hin.“
Vor wenigen Monaten hatte er schon ein verängstigtes, scheinbar angriffslustiges Evoli zähmen können, also hatte er Erfahrung. Außerdem könnte Platan auch sein fundiertes Wissen über Pokémon nutzen, um die Lage richtig einzuschätzen und zu helfen. Vielleicht gelang es ihm nicht auf Anhieb Gilbert und das Pokémon zu Freunden zu machen, doch er würde tun, was er konnte.
Begeistert wirkte Wie-Shu von diesem Vorhaben aber nicht, er schüttelte den Kopf und sah Platan bittend an.
„Es ist alles gut, wirklich“, sprach Platan noch einmal beruhigend auf ihn ein. „Wie gesagt, Gilbert ist ein alter Freund. Und du bist doch bei mir, also kann nichts Schlimmes passieren.“
Dem konnte Wie-Shu wohl nicht widersprechen, da er nach diesem Argument entschlossen nickte.
„Fein, fein~.“ Lächelnd wandte Platan sich an Gilbert. „Zeig uns den Weg.“
„Pff, wow“, kommentierte er anerkennend. „Du hast echt einen Draht zu Pokémon, was? Okay, folgt mir.“
So entfernten die drei sich vom Tor, das nach Route 4 führte. Gedanklich versprach Platan den wilden Pokémon bei seinem Zufluchtsort, an einem anderen Tag bei ihnen vorbeizukommen, am besten mit Flordelis. Nun bräuchte zuerst Gilbert seine Hilfe, der sich, trotz seiner Frustration und die Enttäuschung über den Misserfolg von Platans Ratschlägen, noch auf ihn verließ. Das motivierte ihn nur umso mehr.
Einige Zeit später führte Gilbert sie in eine der Seitengassen von Illumina City, welche an einigen Stellen der Stadt wie ein Labyrinth erscheinen konnten, sofern man sich nicht auskannte. Leider nutzte Platan diese Wege nur höchst selten, also musste er sich darauf verlassen, hinterher von Gilbert oder Wie-Shu zurück auf die Hauptstraße geführt zu werden. Nach zwei Abzweigungen hatte Platan nämlich schon die Orientierung verloren, weil mehr und mehr Gassen in verschiedene Richtungen führten.
Fröstelnd schlang Platan die Arme ein wenig um sich. Durch diese Seitengassen zog ein furchtbar eisiger Wind, der sich mit seinen frostigen Klauen noch tiefer in seinen Körper bohrte.
Schließlich hielt Gilbert an, irgendwo mitten in diesem Labyrinth, zwischen den hohen Gebäuden der Stadt, wo kaum Licht zu ihnen drang. Was für eine ungemütliche Atmosphäre.
Sie befanden sich nun auf einem etwas größeren Hinterhof, an den zwei weitere Gassen grenzten. Abgesehen von einigen Müllcontainern an einer Wandseite konnte Platan auf den ersten Blick nichts entdecken. Sicher hielt sich das Pokémon versteckt. Entweder zwischen dem Müll oder es war mittlerweile woanders hingegangen. Letzteres wäre schlecht, denn dann müssten sie es erst suchen und hoffen, es noch in der Nähe zu finden.
Schweigend wandte Gilbert sich ihm zu, seine braunen Augen wirkten noch dunkler. „Tja, da wären wir.“
Wie-Shu, der die ganze Zeit vor Platan gelaufen war, nahm instinktiv eine Kampfpose ein, was Platan irritierte. „Wo ... wo ist denn das Pokémon?“
„Das Pokémon?“, wiederholte Gilbert langsam, gefolgt von einem trockenen Lachen. „Pff, zu witzig. Ich muss mich korrigieren, du hast dich kein bisschen verändert. Du bist noch genauso naiv wie damals. Das einzige, was mich blendet, ist deine grenzenlose Dummheit.“
Platans Augen weiteten sich erschrocken.
Bevor er aber etwas sagen konnte, fuhr Gilbert fort, die Lippen zu einem süffisanten Lächeln verzogen: „Dumm, aber doch voll mit Wissen, was es nur noch ironischer macht. Lächerlich ironisch, weil du trotzdem schon wieder verdammtes Glück hast, Platan.“
Den letzten Satz knurrte Gilbert geradezu genervt.
„Dein Wissen über Pokémon ist für einige höhere Tiere äußerst interessant“, erklärte er weiter und warf verzweifelt die Arme in die Luft. „Natürlich bist du interessant! Der nutzlose, dumme Platan! Pah! Ich hab ja keine Ahnung von dem Zeug, angeblich sollst du aber spezielle Kenntnisse über die Entwicklung von Pokémon haben. Dafür würden einige Organisationen unverschämt viel Kohle zahlen, weißt du? Oder fehlen dir darauf jetzt etwa die Worte? Du hast dich doch sonst andauernd so gerne selbst reden gehört!“
„I-ich ...“
Es ging nicht. Etwas schnürte Platan die Kehle zusammen und nahm ihm momentan die Fähigkeit zu sprechen. Er konnte nicht glauben, was hier gerade geschah. Hatte Gilbert ihn in eine Falle gelockt? Warum? Was hatte er jetzt vor?
Stöhnend ließ Gilbert die Arme fallen. „Wahnsinn, dir ist die Dummheit förmlich anzusehen. Du wirst mir Geld einbringen. Viel Geld. Ich werde dich verkaufen. Oder eher dieses Wissen, das du mit dir herumträgst. Du selbst bist nicht mal einen müden Pokédollar wert.“
... Im Grunde hatte Gilbert nicht ganz unrecht. Noch konnte Platan keinerlei nennenswerte, eigene Forschungsergebnisse vorweisen, weil er nicht mal ein Jahr diesen Beruf ausführte. All sein Wissen hatte er sich nur durch Bücher angeeignet und bei Professor Eibe gelernt. Viele weigerten sich auch weiterhin eisern, an diesen fantasievollen Feen-Typen zu glauben.
Hatte sich letztendlich nichts geändert?
War er selbst ... wertlos?
Keine Sorge, in meinen Augen ... bist du in jeder Hinsicht wundervoll, Professor. Daran wird sich nichts ändern.
Da waren sie wieder, Worte von Flordelis, deren Widerhall Platan daran erinnerten, nicht auf das zu hören, was Gilbert sagte. Eine loderndes Feuer, eine Melodie der Hoffnung. Sie half ihm dabei, sich zu fangen und den Kloß in seinem Hals zu lösen, der ihn daran gehindert hatte etwas zu sagen.
„Ich bin etwas wert!“, widersprach Platan gefasst. „Falls du versuchen willst, mich mit diesen Worten zu verunsichern, wirst du keinen Erfolg erzielen.“
Zwar versuchte Gilbert es zu verbergen, doch diese deutlichen Widerworte passten ihm nicht. „Oho?! Hast du gelernt dich zu verteidigen? Glückwunsch, aber dumm bleibst du trotzdem. Du bist mir bis hierhin gefolgt. Das sagt schon alles.“
„Ich rate dir von diesem Plan ab.“ Ernst schüttelte Platan den Kopf. „Mach keinen Fehler, Gilbert.“
„Fehler?! Pah!“, keifte er zurück. „Du bist der einzige hier, der einen Fehler gemacht hat! Wir werden den neuen Pokémon-Professor von Kalos entführen und ein hübsches Sümmchen für dich verlangen. Was willst du schon dagegen unternehmen?“
Warnend stieß Wie-Shu einen wilden Kampfschrei aus und trat einen Schritt auf Gilbert zu.
Wir?, schoss es Platan durch den Kopf.
In dieser Sekunde ertönten hinter Gilbert Schritte und aus den anderen Gängen in seiner Nähe traten zwei weitere Personen in den Hinterhof, beide bereits mit einem Pokéball in den Händen. Ja, Platan hatte sich eindeutig in eine Falle locken lassen.
Verdammt ...
Außer Wie-Shu besaß keines seiner Pokémon Kampferfahrung, zumindest bei Weitem nicht genug. Käme Wie-Shu mit zwei Gegnern auf einmal zurecht? Noch dazu ohne anständige Anweisungen? An Entschlossenheit mangelte es ihm auf jeden Fall nicht.
Aber dann ... zog sogar Gilbert siegessicher einen Pokéball aus seiner Jackentasche.
Grinsend hob er belehrend den Zeigefinger seiner freien Hand. „Tss, Professor, Sie sollten lieber auf den guten Rat eines Freundes hören und uns freiwillig begleiten. Sonst wird es sehr ungemütlich für Ihren kleinen Beschützer.“
Nach diesen Worten hob Gilbert den Pokéball, woran sich auch seine Unterstützer ein Beispiel nahmen. Blau-weißes Licht erhellte für ein paar Sekunden den düsteren Hinterhof und erschien unangenehm blendend. Nervös kniff Platan die Augen ein wenig zusammen.
Als die Lichter erloschen und die Pokémon sich materialisiert hatten ... schluckte Platan schwer.
Zwei Golbats flatterten nun durch die Luft, beide von ihren Typen her fast immun gegen die Kampf-Techniken von Wie-Shu. Und dann war da noch ein Granbull – das Pokémon von Gilbert. Auch das besaß einen Typenvorteil gegenüber Wie-Shu. Das sah überhaupt nicht gut aus ...
„Ich bin selbst kein Professor“, merkte Gilbert amüsiert an, „aber ich würde sagen, wir sind klar im Vorteil. Also? Wie sollen wir vorgehen? Kommst du freiwillig mit? ... Oder müssen wir dich zwingen?!“
Notes:
Gilberts Art zu sprechen (Pff, Pah, Huh, Tss und so weiter) mag ein wenig künstlich oder gar seltsam erscheinen. Was daran liegt, dass es tatsächlich pure Absicht war. Er spricht bewusst so, um sich von seiner gehobenen Familie abzugrenzen, die er so sehr hasst. Ich hatte nur keine passende Gelegenheit, darauf so richtig einzugehen, auch nicht in den folgenden Kapiteln, darum erwähne ich es zumindest hier.
Chapter 4: Kapitel 3: Er ist mein Leuchtfeuer der Hoffnung
Chapter Text
Was sollte Platan tun?
Obwohl Wie-Shu ihn von Anfang an gewarnt hatte, steckten sie nun in diesem Dilemma. Weil Platan auf Gilbert hereingefallen war. Sollte Wie-Shu nun verletzt werden, könnte er sich das niemals verzeihen. Gaben sie kampflos auf, war ungewiss, wo Platan am Ende landen würde. Wer weiß, an welche Art von Organisationen Gilbert ihn verkaufen wollte?
Eine einzige, andere Option blieb ihnen aber noch, doch dafür müsste Platan darauf bauen, dass Wie-Shu im Kampf eine Weile standhielt, bis Hilfe käme. Als könnte dieser seine Gedanken lesen, sah er über seine Schulter und warf Platan einen mutmachenden Blick zu.
Wie-Shu ...
Also würden sie es versuchen.
Gilbert zischte ungeduldig. „Deine Bedenkzeit ist um! Tss, dann halt mit Gewalt! Granbull, zerfetz diesen zierlichen Mickerling!“
Statt etwas zu tun, ließ Granbull den Kopf noch tiefer sinken, als er es wegen den schweren Reißzähnen ohnehin schon tat. Erst als Gilbert etwas aus einer Jackentasche hervorzog, das wie eine kleine Fernbedienung aussah, geschah etwas mit dem – eigentlich – schüchtern veranlagtem Pokémon. Plötzlich stürmte es wild knurrend auf Wie-Shu zu und riss dabei sein Maul weit auf. Andere Pokémon fürchteten sich normalerweise vor diesem Anblick und ergriffen die Flucht, Wie-Shu dagegen wartete geduldig ab, den Blick auf Granbull konzentriert.
Erst im allerletzten Moment wich Wie-Shu blitzschnell mit einer eleganten Drehung aus und nutzte dabei das lange Fell seiner Arme als Peitschen, mit denen er auf Granbulls klobigen Beine zielte, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Tatsächlich erschrak das Feen-Pokémon und stolperte nach vorne, fiel geradewegs zu Boden, sehr zum Ärgernis von Gilbert.
„Pff, ein einziger Glückstreffer wird euch nicht retten!“, murrte er düster.
Noch während Gilbert das sagte, betätigte er einen Knopf auf der Fernbedienung und diesmal bemerkte Platan die Funken, die beinahe gleichzeitig um Granbulls Hals zuckten. Bellend sprang es wieder auf die Beine und fuhr herum, um sich mit einem Knuddler erneut auf Wie-Shu zu stürzen. Glücklicherweise konnte Wie-Shu auch dieser Attacke geschickt ausweichen und einen Gegenangriff starten.
Abermals entstanden Funken an Granbulls Hals, was ein ungutes Gefühl in Platan auslöste. Irgendetwas stimmte nicht. Da Granbull sich nun die ganze Zeit bewegte, konnte er keinen guten Blick erhaschen, aber das Pokémon trug vermutlich etwas, das farblich an dem von Natur aus schwarzen Halsbereich nahezu unterging. Etwas, das elektrische Stromstöße durch seinen Körper jagte, ausgelöst von dieser Fernbedienung. Womöglich eine Art Halsband.
Ein wenig war Platan bereits verwundert gewesen, immerhin hatte Gilbert betont, nach wie vor keine Bindung zu Pokémon aufbauen zu können. Nun hatte er also einen anderen Weg gewählt, sie sich gefügig zu machen. Wie grauenvoll. Im Grunde waren Granbulls friedlich und wurden nur aggressiv, sobald man sie attackierte. Dafür nutzte Gilbert die Stromstöße.
Am liebsten hätte Platan Wie-Shu darum gebeten, nicht zu hart zu Granbull zu sein, aber wenn sie aus dieser Lage herauskommen wollten, durfte er ihn nicht einschränken. Schon ohne Anweisungen eines Trainers zu agieren war für viele Pokémon nicht unbedingt selbstverständlich, Wie-Shu schlug sich bisher allerdings ausgezeichnet.
Erst als auch die Golbats ihre ersten Befehle erhielten, wurde Platan nervös. Aus der Luft attackierten sie zu zweit zwischen den verzweifelten Angriffen von Granbull Wie-Shu nun ebenfalls und hatten somit einen Vorteil, dachte Platan zumindest. Zu seiner Überraschung kam Wie-Shu aber nicht in Bedrängnis, sondern führte geradezu ein faszinierendes Tanzspektakel aus Ausweichmanövern vor, untermalt von den Geräuschen seiner gezielt platzierten Peitschenhiebe. Ein Anblick, der Platan beinahe etwas zu sehr in den Bann zog.
Konzentration!, wies er sich selbst in Gedanken zurecht.
Sowohl Gilbert als auch seine beiden Unterstützer waren abgelenkt und versuchten Wie-Shu außer Gefecht zu setzen. Möglichst unauffällig bewegte Platan die rechte Hand zu seiner Armbanduhr. Nur ein Anruf. Ein kurzer Anruf bei Flordelis, ohne das Hologramm zu nutzen, und es würde nicht lange dauern, bis Hilfe eintraf. Flordelis würde ihn finden, davon war Platan überzeugt.
„Wag es ja nicht, Platan!!!“, donnerte Gilberts wütende Stimme über den Hinterhof.
Vor Schreck erstarrte Platan mitten in der Bewegung und hielt den Atem an.
Inzwischen schienen Gilberts braune Augen pechschwarz zu sein. „Ich habe gesehen, dass deine Armbanduhr eine Holo-Log-Funktion besitzt!“
Hatte Gilbert ihn etwa beobachtet? Seit wann?
„Wenn du auch nur nochmal daran denkst, irgendwen zu kontaktieren“, drohte Gilbert ihm, „zeige ich dir mal, was passiert, sobald ich die maximale Stärke aus Granbull heraushole. Hehe, willst du das etwa ernsthaft provozieren? Spätestens dann sieht es nicht mehr gut aus für deinen Tanzaffen!“
Die maximale Stärke ...
Bedeutete das, Granbull müsste noch mehr leiden?
Noch immer hielt der Kampf an und das arme Pokémon war vor Schmerz schon gefangen in seiner Tobsucht. Mehr durfte es auf keinen Fall unter Druck gesetzt werden.
Bestürzt ließ Platan die rechte Hand wieder sinken. „Warum tust du so etwas?! Granbull hat dir sicher niemals etwas angetan! Kein Lebewesen sollte so behandelt werden!“
„Scheiße, komm mir jetzt nicht mit Moralpredigten!“, rief Gilbert zurück und hob triumphierend die Fernbedienung. „Warum irgendwelchem fantasievollen Gesülze über Wunder und Freundschaft hinterher laufen, wenn das hier viel besser für mich funktioniert?! Du hast bis heute nicht verstanden, dass diese Welt kein verdammtes Märchen ist!“
Platan ballte die Hände zu Fäusten und starrte Gilbert ernst an.
„Das ist nicht wahr“, widersprach er leise.
Die nächsten Worte richtete er lauter an Wie-Shu: „Bitte, setze Granbull schnell außer Gefecht!“
Von Platans bisherigen Beobachtungen her glaubte er inzwischen daran, dieses Wunder könnte Wie-Shu gelingen. Seine Bewegungen und auch seine Techniken waren meisterhaft. Sicher, Platan war kein Trainer und konnte das vielleicht nur halbwegs richtig einschätzen, aber sein Gefühl sagte ihm, dass sie es schaffen konnten. Nicht ohne Grund hatte Flordelis Wie-Shu damit beauftragt, in Sinnoh auf Platan aufzupassen.
Gerade sprang Wie-Shu flink zur Seite und peitschte dabei kräftig auf den Boden, womit er noch mehr Schwung bekam, um dem Luftschnitt eines Golbats auszuweichen. Gleichzeitig rutschte er dabei unter Granbull hindurch, das mit einem weiteren Knuddler auf ihn zugesprungen war und entkam auch ihm. Anschließend sammelte Wie-Shu kurz Energie, führte Sprungfeder aus und sauste pfeilgerade nach oben, wodurch es dem Giftzahn des zweiten Golbats entkam.
In der Luft stieß Wie-Shu dann einen sonderbaren Laut aus, verheißungsvoll und voller Energie. Davon hatte Platan gelesen. Bei diesem Laut handelte es sich um ein Vorbote für eine rasante Angriffsserie aus Schlägen und Tritten, die mit atemberaubender Geschwindigkeit durchgeführt wurden. Wie-Shu war bereit alles zu geben und diesen Kampf zu gewinnen, damit Granbull nicht weiter unnötig leiden musste.
Erneut hielt Platan den Atem an, diesmal vor Spannung.
Durch Sprungfeder schoss Wie-Shu zurück auf den Boden. Zwar verfehlte er dabei Granbull, dafür zeigte er direkt danach seine meisterhaften Kampfkünste. Mit jeder einzelnen Sekunde prasselten nun unzählige Peitschenhiebe auf Granbull nieder, wovon kein einziger Schlag zu sehen war, so flink bewegte Wie-Shu sich. Nur ein längerer, durchgehend erscheinender Ton war zu hören, als würde man ein Blatt Papier in der Mitte zerreißen und über einen Lautsprecher wahrnehmen.
Etwas unbeholfen riefen Gilberts Leute ihren Golbats irgendwelche Befehle zu, bevor sie diese jedoch umsetzen konnten, sprang Wie-Shu bereits zurück und beendete somit seine Angriffsserie, mit einer eleganten Verbeugung. Und obwohl der Kampf-Typ dem von Granbull unterlegen war, kippte das Pokémon zur Seite und regte sich nicht mehr. Es war geschlagen.
„Nein?!“, stieß Gilbert ungläubig aus.
Mehrmals drückte er einige Knöpfe an seiner Fernbedienung, ohne Erfolg. Granbull blieb am Boden liegen – sicher hatten die Stromstöße letztendlich nur dazu beigetragen ihn schon im Voraus zu schwächen.
„Hör auf damit!“, bat Platan inständig. „Granbull kann nicht mehr kämpfen! Füge seinem Körper nicht noch mehr Schaden zu!“
Gereizt fletschte Gilbert die Zähne. „Was du willst interessiert mich nicht! Dieses Mistvieh hat zu tun, was ich will!“
„Wie-Shu, Mogelhieb!“, befahl Platan, ohne darüber nachzudenken.
Sofort sprintete Wie-Shu geradewegs auf Gilbert zu, nahm dafür sogar in Kauf, von einem Giftschock getroffen zu werden und nutzte das andere Golbat, das sich ihm mit einer Flug-Technik näherte, als Sprungbrett. Zielsicher fegte Wie-Shu mit Mogelhieb Gilbert die Fernbedienung aus den Händen, der einen unterdrücken Schmerzenslaut dabei ausstieß.
Erleichtert atmete Platan auf. „Ja, genau so! Das war wundervo-“
Seine Stimme erstickte, als ihn auf einmal jemand von hinten packte und sich ein muskulöser Arm so fest um seinen Hals schlang, dass er keine Luft mehr bekam. Instinktiv fuhr Wie-Shu herum und wollte zu ihm eilen, war jedoch mehrere Meter entfernt. Zudem waren noch die Golbats da, die bereit waren weiterhin anzugreifen.
Bevor es so weit kam, begann die Person, von der Platan gepackt wurde, warnend zu sprechen: „Gib auf, falls dir etwas an ihm hier liegt! Kommst du uns zu nahe, werde ich ihn verletzen!“
Auf der Stelle bremste Wie-Shu ab und funkelte den neuen Feind zornig an. Mit einem dritten Verbündeten hatte Platan nicht gerechnet. Dabei sah es eben noch so gut für sie aus. Leise keuchend griff Platan nach dem Arm, der ihm die Luftzufuhr abschnitt. Hätte er nur besser aufgepasst ...
Wenn sie Platan verkaufen wollten, würden sie ihn sicher nicht ernsthaft verletzen, aber er konnte verstehen, dass Wie-Shu kein Risiko eingehen wollte. Darum bewegte er sich nicht mehr, was den Golbats die Möglichkeit gab, ihn problemlos anzugreifen. Noch dazu mit sehr effektiven Flug-Techniken.
Nein! Nein, bitte nicht! Wie-Shu!
Kaum ließ die dritte Person endlich locker, schnappte Platan panisch nach Luft und brachte nur mit Mühe krächzend hervor: „Wir geben auf! Bitte ...“
„Warum nicht gleich so?“, brummte der Mann ungehalten und begann ihn abzutasten, auf der Suche nach seinen Pokébällen.
Nach einer Weile fand er den von Wie-Shu und rief ihn zurück, nachdem die Golbats ihn einige Male wie einen Spielball hin und her geschleudert hatten. So weit konnte es nur kommen, weil Platan die falschen Entscheidungen getroffen hatte. Nur seinetwegen ...
Tut mir leid ...
Erschöpft schnappte Platan weiterhin nach Luft, ihm war schwindelig. Grob zerrte die dritte Person ihn mit sich, zu den anderen. Nur flüchtig bekam Platan mit, wie Gilbert sich ärgerte, weil die Fernbedienung wohl nicht mehr brauchbar war. Die vier tauschten einige Worte miteinander, wovon Platan kaum etwas verstand, alle Geräuschen schienen aus der Ferne zu stammen und erreichten ihn kaum.
Wie lange hatte er keine Luft mehr bekommen?
Gilbert deutete auf Platan und fuhr den Mann, der ihn festhielt, aufgebracht an. Allmählich beruhigte sich Platans Atmung wieder und seine Wahrnehmung stabilisierte sich. Gerade in dem Moment, als Gilbert sich vor ihn kniete und seinen linken Arm packte, mit dem Ziel, ihm die Uhr abzunehmen.
Schlagartig kehrte das Leben in Platan zurück. „Nein! Nicht!“
„Pff, sei still“, forderte Gilbert genervt. „Mach es jetzt nicht noch komplizierter. Wir wollten eigentlich schon längst mit dir weg sein.“
Hastig versuchte Gilbert die Armbanduhr zu öffnen, nur machten ihm Platans Widerstand das nicht leicht. Dieses Geschenk von Flordelis bedeutete ihm sehr viel. Sie durften es ihm nicht wegnehmen. Daran hingen so viele Erinnerungen, die Zeit seiner Ausbildung ... der erste Kuss mit Flordelis.
„Jetzt stell dich doch nicht so an, als würde ich dir einen Ehering abnehmen!“ Gilbert rollte mit den Augen. „Bist am Ende halt doch genauso geldgierig wie wir alle, was?“
Platan konnte darauf nichts erwidern, denn innerhalb weniger Sekunden veränderte sich die gesamte Situation.
Metallische Geräusche waren zu hören, begleitet von einem dritten Paar Flügelschläge und einer vertrauten Hitze, vor der die drei Männer augenblicklich zurückwichen, während in Platan langsam das Gefühl von Sicherheit aufkeimte. Etwas riss Gilbert von ihm los. Nur einen Atemzug später stellte sich jemand anderes nun schützend vor Platan und erteilte mit fester Stimme einige Befehle, ehe diese Person sich ihm zuwandte und dabei vor ihm in die Knie ging.
Das sanfte, hellblaue Augenpaar von Flordelis musterte ihn besorgt. „Platan, alles in Ordnung?“
„Flordelis ...“, flüsterte Platan, übermannt von einer Woge der Erleichterung.
Für einen Moment benötigte er Zeit, um zu realisieren, was soeben geschehen war. Pyroleo kümmerte sich ohne Anweisungen um die Golbats, Durengard schwebte wachsam um sie beide in seiner Schildform herum. Kramshef hatte Gilbert mit seinen Krallen von ihm losgerissen und überwachte diesen sowie seine Kameraden nun, damit sie nicht einfach die Flucht ergriffen.
In seiner Erleichterung schlang Platan die Arme um Flordelis. „Du bist hier. Genau im richtigen Moment ...“
Beruhigend strich Flordelis ihm über den Rücken und erwiderte die Umarmung. „Entschuldige, dass ich nicht früher hier war. Ich musste erst vom anderen Ende der Stadt mit Garados hierher fliegen.“
„Aber ...“ Platan löste sich von ihm und sah Flordelis fragend an. „Woher wusstest du ...?“
Der Plan, ihn über den Holo-Log zu kontaktieren, hatte nicht funktioniert, und es war sicher nicht aus Versehen zwischendurch ein Anruf von Platan gestartet worden. Wie konnte Flordelis etwas von diesem Entführungsversuch erfahren? Und ihn dann auch noch aufspüren?
„Julie“, entgegnete Flordelis knapp, gefolgt von einem leichten Lächeln. „Ihr haben wir es zu verdanken, dass ich nun hier bin.“
Julie ...
Eines der Kinder, denen er in seinem ersten Jahr als Professor einen Pokédex und ein Pokémon anvertraut hatte.
„Ich erkläre dir später alles.“ Die Mimik von Flordelis verhärtete sich. „Ich werde mich um diese ... Menschen kümmern. Überlasse den Rest mir.“
Ähnlich entschlossen wie Wie-Shu richtete Flordelis sich wieder auf und seine Aura brannte lichterloh, als er sich auf Gilbert und dessen Leute konzentrierte. So hell und strahlend. Ein Anblick, der Platans Herz flattern ließ und seine Seele berührte. Er fühlte sich von dieser Aura behütet, die gesamte Ausstrahlung von Flordelis vernichtete jeden kleinen Funken Angst, die eben noch dabei gewesen war in ihm zu wuchern.
Alles war gut.
Nun hatte Platan nichts mehr zu befürchten.
***
Es war nur eine Anweisung von Flordelis nötig und Pyroleo besiegte die zwei Golbats ohne große Mühe. Im Anschluss überprüfte er, ob Gilbert oder eine von den drei anderen Personen noch mehr Pokémon dabei hatten und nahm vorerst zur Sicherheit sämtliche Pokébälle an sich. Nach der Bitte an Kramshef, die Verbrecher, welche alle im Kreis auf dem Boden saßen, weiter gut im Auge zu behalten, rief Flordelis die Polizei an und erklärte in knappen Worten die Lage.
Verbrecher ...
Ja, Gilbert war kriminell geworden, um sein Glück zu finden.
Obwohl Platan derjenige war, der beinahe entführt worden wäre, bedauerte er es sehr, ihm nun nicht mehr helfen zu können. Für das, was er Granbull angetan hatte, musste er bestraft werden. Davor könnte Platan ihn nicht bewahren.
Nachdenklich strich er über Pyroleos Mähne, der dicht an seiner Seite blieb, um ihn aufzuwärmen und damit Platan sich bei ihm anlehnen konnte. Das sanfte Brummen war angenehm beruhigend. Durengard übernahm immer noch die Aufgabe, ihn zu beschützen.
Bevor sie Granbull zurück in den Ball gerufen hatten, konnten Flordelis und er in Ruhe einen Blick auf sein Halsband werfen. Dabei hatte es sich um eine Art Ring gehandelt, von dem die Stromschläge ausgegangen waren. Auch Flordelis empfand diese Weise, ein Pokémon unter Kontrolle zu halten, natürlich als äußerst grausam.
Er hatte Platan bereits versichert, die Polizei auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen, damit man herausfand wo diese Halsbänder hergestellt wurden und man sie gänzlich vernichten könnte. Also blieb ihm nur zu hoffen, dass die Suche erfolgreich wäre. Dafür müssten sie Granbull auch vorerst in die Obhut der Polizei übergeben, zusammen mit all den anderen Pokémon. Wenigstens würde man sich dort gut um ihn kümmern, auch wenn Platan sich gerne seiner angenommen hätte.
Nachdem Flordelis das Telefonat beendet hatte, trat er näher zu ihm und Pyroleo. „Wir warten noch, bis die Polizei hier ist und sie in Gewahrsam genommen hat.“
Ein prüfender Blick folgte. „Bist du wirklich nicht verletzt?“
„Ja, keine Sorge.“ Vorsichtig strich Platan über seinen Hals. „Ich bin in Ordnung.“
„Natürlich ist er in Ordnung!“, kommentierte Gilbert feindselig. „Der dumme Platan hat immer das Glück, dass es ihm gut geht!“
Seine drei Kollegen schüttelten verständnislos den Kopf – ihnen lag es offensichtlich fern, sich durch solch ein Verhalten das Leben noch schwerer zu machen. Woher kannte Gilbert sie wohl?
Flordelis hatte missbilligend die Stirn gerunzelt. „... Der Mann aus dem Café Fleur prismatique.“
Überrascht sah Platan ihn an.
Wie interessant ... darauf sollte er Flordelis nochmal genauer ansprechen, jetzt war dafür aber nicht der passende Zeitpunkt.
„Er ist ein alter Freund von mir“, erklärte Platan ihm gedämpft.
Kaum merklich neigte Flordelis den Kopf zur Seite. „Einer von denen, der dir eingeredet hat, dass du für nichts gut genug bist?“
„Ha, das ist er ja auch nicht!“, keifte Gilbert und bewegte seinen Kopf ruckartig zur Seite, wobei sein blondes Haar durch die Luft peitschte. „Auch diesmal hatte er wieder mal nur Glück. Glück, in deiner Gunst zu stehen. Hätte er sich nicht an dich und dein Geld gehangen, wäre es heute anders ausgegangen!“
Das sonst so sanfte Himmelblau in Flordelis' Augen wandelte sich zu frostigem Eis. Nur wenige große Schritte waren von ihm nötig, bis er bei Kramshef und den anderen angekommen war. Verurteilend blickte er auf Gilbert hinab.
„Glück bedeutet ein Leben zu führen, das von dem erfüllt ist, was dich selbst zu einem besseren Menschen macht“, belehrte Flordelis ihn. „Wenn du Geld und Macht mit Glück gleichsetzt, wirst du es niemals finden. Nur wer auch dazu in der Lage ist zu geben, statt nur zu nehmen, kann verstehen, was wahres Glück bedeutet. Es existiert so viel Schönheit auf der Welt, die du niemals begreifen wirst und das frisst dich innerlich auf. Du bist einer von so vielen Narren, die diese Schönheit verkommen lassen. Derjenige, der blind vor Neid ist, bist du selbst.“
„Neid?!“, knurrte Gilbert empört zurück.
Mit einer Hand deutete Flordelis zu Platan. „Er ist einer von den Menschen, die geben, was ihn zu einem Teil der Schönheit macht, die dir verwehrt bleibt. Das ist der Grund, warum er in meiner Gunst steht und du von Neid erfüllt bist.“
Gilbert verzog das Gesicht. „Platan und geben?! Dass ich nicht lache!“
„Auch ohne die Details zu kennen, bin ich davon überzeugt, dass er dir nur gefolgt ist, um dir etwas zu geben.“ Forschend durchbohrte Flordelis ihn mit seinem Blick. „Ist dem nicht so?“
„Was?! Nein! Er ... er ...“
Gilbert blieben die Worte im Halse stecken, immerhin war Platan ihm im guten Glauben gefolgt, weil er ihm hatte helfen wollen.
„Dachte ich mir.“ Die Stimme von Flordelis' wurde noch dunkler. „Wegen Neidern wie dir wäre diese Blüte der Schönheit beinahe eingegangen. Das ist unverzeihlich. Ich werde stets dafür kämpfen, dass diese Schönheit bewahrt bleibt und Menschen wie Platan ein glückliches Leben führen können. Aber du ... du wirst auf ewig nur ein törichter Narr bleiben.“
Zähneknirschend wandte Gilbert den Blick ab. Seine drei Kollegen wirkten von Flordelis' Rede eingeschüchtert und zogen nervös die Köpfe ein, darauf hoffend, dass sie verschont bleiben würden.
Platan hatte sich derweil von Pyroleo gelöst und trat neben Flordelis, dem er lächelnd eine Hand auf den Arm legte. Ihm war bewusst, wie sehr Flordelis sich noch zurückgehalten hatte, obwohl in ihm ein Inferno brannte. Also wollte Platan ihn mit dieser Geste etwas beruhigen und sich gleichzeitig dafür bedanken, was für eindrucksvolle Worte er nutzte, mit denen er ihn verteidigte.
„Gilbert“, sprach Platan ihn ruhig an. „Du hast nicht gelogen, oder?“
Irritiert schielte Gilbert zu ihm. „Hä?!“
„Dieses Pokémon, das du gefüttert hast ...“ Er ging in die Hocke, um auf Augenhöhe zu sein. „Es war Granbull, habe ich recht?“
In Gilberts Augen zeigte sich Erstaunen. „... Und?“
„Du warst wirklich unsicher, weil es kein bisschen zutraulich wurde, und hast am Ende aufgegeben. Nicht nur den Versuch, dich mit Granbull anzufreunden, sondern auch dich selbst.“
„Was willst du, Platan?!“
„Ich will dir sagen, dass es immer noch nicht zu spät ist.“ Nickend legte Platan eine Hand auf sein Herz. „Mein Angebot steht nach wie vor. Ich werde dich in meinem Labor willkommen heißen und dir helfen, dein Glück zu finden. Weil ich weiß, wie schwer es ist, ohne ein Leuchtfeuer dort anzukommen, wo man wirklich glücklich ist.“
Verwirrt starrte Gilbert ihn an. „... Was quatschst du da? Wie, Leuchtfeuer?“
„Jemand, der dich leitet und an dich glaubt.“ Lächelnd lenkte er den Blick zu Flordelis. „Er ist mein Leuchtfeuer der Hoffnung. Ohne ihn hätte ich mein Glück auch nicht gefunden. Er hat mir das gegeben, was ich so verzweifelt brauchte.“
Endlich entspannte sich Flordelis' Mimik wieder etwas und seine Augen wirkten sanfter, während er Platans Blick erwiderte.
Dieser wandte sich nochmal an Gilbert: „Ich werde auf dich warten.“
Es sah so aus, als läge Gilbert mindestens ein bissiger Kommentar auf der Zunge, den er aber nicht über die Lippen brachte. Stattdessen ignorierte er Platan einfach ... und da erreichte auch schon die Polizei den Hinterhof, also blieb ohnehin keine Zeit mehr zum Reden.
Flordelis half Platan dabei, sich aufzurichten und bat ihn, weiter bei Pyroleo zu warten. Nickend kam Platan dem nach, schon weil ihm ohne die Wärme zu kalt war, trotz Winterkleidung.
So bekam er nicht mit, dass Flordelis noch einige letzte Worte an Gilbert richtete: „Ich bin davon überzeugt, Menschen, die Pokémon für Waffen halten, können nicht gerettet werden. Egal, wie sehr man es auch versucht. Du solltest dankbar dafür sein, dass Platan da anderer Ansicht ist. Es ist fundamental, wahrlich dankbar für das zu sein, was dir gegeben wurde. Denk an meine Worte.“
Sein letzter Satz beinhaltete eine spürbare Drohung: „Und wage es besser nicht, ihn noch einmal zu verletzen.“
Chapter 5: Kapitel 4: Du bist nicht egoistisch
Chapter Text
Inzwischen wusste Platan von Flordelis, wie genau es dazu gekommen war, dass Julie entscheidend bei der Rettung mitgewirkt hatte.
Gestern entdeckte sie den Pokémon-Professor dabei, wie er mit Gilbert sprach, als sie selbst zum Tor nach Route 4 gehen wollte. Da sie in Aquarellia lebte, musste sie natürlich über den Parterre-Weg und weiter Richtung Süden reisen. Also war es einem glücklichen Zufall zu verdanken, der Julie genau zum richtigen Zeitpunkt an eine Stelle führte, von der aus sie beobachten konnte, wie Gilbert Platan dazu brachte ihm zu folgen, trotz des Misstrauens von Wie-Shu.
Aus einem Instinkt heraus hatte sie sich kurzerhand dazu entschlossen ihnen nachzugehen, zumindest bis zu dem Punkt, an dem die beiden mit Wie-Shu in eine der Gassen verschwunden waren. Ab da sah sie sich in ihrem Verdacht bestätigt, denn für Julie war Gilbert bereits auf den ersten Blick verdächtig gewesen. Alleine diese korrekte Einschätzung war erstaunlich, aber das war noch lange nicht alles.
Irgendwie war es Julie gelungen telefonisch bis zu Flordelis vorzudringen, indem sie jeden, der gezögert hatte, mit einer sehr effektiven Standpauke kleingeredet hatte. Zumindest hatte der Angestellte, von dem sie letztendlich zu Flordelis weitergeleitet worden war, wohl recht verängstigt geklungen. Bisher hatte Julie eher einen schüchternen Eindruck auf Platan gemacht, in ihr steckte offenbar jedoch noch eine andere Seite. Zu gerne hätte er erlebt, wie sie sich gegen die Erwachsenen am Telefon durchsetzen konnte.
Ein wenig erinnerte Julie Platan an ein Feen-Pokémon. Auf den ersten Blick niedlich und zerbrechlich, sobald es ernst wurde konnte sie aber ordentlich austeilen.
Laut Julie hatte sie außerdem versucht Flordelis zu erreichen, weil sie glaubte, er wäre in diesem Moment die bessere Wahl als die Polizei. Schließlich konnte sie auch nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob Gilbert Platan tatsächlich etwas antun wollte. Ihr Gespür hatte sich allerdings als richtig erwiesen. Sowohl Flordelis als auch Platan waren beeindruckt und vor allem dankbar für ihre schnelle Reaktion.
... Auch wenn Platan sich Gedanken darüber machen sollte, dass Julie zu Flordelis meinte, er sei viel zu nett und deswegen ein leichtes Ziel für Menschen mit schlechten Absichten.
War es wirklich so schlimm?
Jedenfalls hatte Flordelis das wichtige Treffen mit einem Geschäftspartner ausfallen lassen und war ihm stattdessen sofort zur Hilfe geeilt. Selbst wenn Julie sich geirrt hätte, wäre es ihm, so seine Erklärung, lieber gewesen sich zu vergewissern, ob es Platan gut ginge. Dieser war davon tief gerührt. So viel bedeutete er Flordelis also ...
Darum war Platan erst recht froh, diesen Zwischenfall unbeschadet überstanden zu haben.
Halbwegs.
Am nächsten Morgen litt Platan nämlich unter einem anhaltenden Hustenreiz und zeigte weitere Erkältungssymptome, weshalb Flordelis ihm – mit fürsorglicher Sanftheit – befohlen hatte im Bett zu bleiben. Also saß Platan nun im Schlafzimmer, vermied es aufzustehen und genoss die Gesellschaft von Wie-Shu. Dieser lag auf der Decke, dicht bei Platan, und genoss die Streicheleinheiten, die er sich gestern redlich verdient hatte.
Glücklicherweise war Wie-Shu nicht schwer verletzt worden und nach einem kurzen Besuch im Pokémon-Center wieder fit. Dennoch plagte Platan ein schlechtes Gewissen. Hätte er auf Wie-Shu gehört und wäre Gilbert nicht gefolgt ... Ob es dann zu einem anderen Zeitpunkt beinahe zu einer Entführung gekommen wäre? Gilbert war ziemlich entschlossen und von Frustration angetrieben. Wahrscheinlich hätte es sich auf Dauer nicht vermeiden lassen können.
Ein weiterer, starker Hustenanfall unterbrach diesen Gedankengang grob und Platan schossen nach den ersten Sekunden ein paar Tränen in die Augen. Nachdem sich sein Hals wieder ein wenig beruhigte, seufzte er leise und legte eine Hand auf seine Stirn. Sie fühlte sich viel zu heiß an, was er sogar ohne Thermometer einschätzen konnte. Zudem war er vollkommen ermattet. Selbst wenn er gewollt hätte, wäre er an diesem Tag nicht aus dem Bett gekommen.
Wie-Shus klarer Laut war von Sorge erfüllt und er sah Platan mitfühlend an.
„Es wird alles gut“, beruhigte er das Pokémon, wobei seine Stimme heiser und kratzig klang. Erschöpft strich Platan ihm über den Kopf. „Ich bin nur krank. Mit etwas Ruhe geht es mir bald schon wieder besser.“
„Das hoffe ich“, ertönte auf einmal Flordelis' tiefe Stimme. Mit einem Tablett in der Hand betrat er das Schlafzimmer. „Es ist schon mal lobenswert, dass du selbst gewillt bist dich auszuruhen. Du hättest auch ohnehin keine andere Wahl, denn ich habe schon die anderen Pokémon darüber informiert, dass du krank bist, und sie gebeten, dich heute nicht aus dem Zimmer zu lassen. Für den Fall, dass du es schaffst an mir vorbeizukommen.“
Amüsiert musste Platan leicht schmunzeln. „Das Spiel habe ich also verloren, bevor es jemals Gestalt annehmen konnte.“
Erneut setzte nach diesem Satz ein Husten ein und Flordelis runzelte ernst die Stirn. Vorsichtig stellte er das Tablett auf einem Beistelltisch ab, nahm auf dem Bettrand Platz und prüfte nun seinerseits mit der Hand die Temperatur des Kranken, indem er dessen Stirn berührte.
„Ich werde einen Arzt kommen lassen, der dich untersucht“, entschied Flordelis. Er würde keinerlei Widerspruch dulden, was deutlich herauszuhören war. „Nur zur Sicherheit.“
Nach diesen Worten fixierte sich sein Blick auf Platans Hals und ein schmerzhafter Ausdruck trübte die himmelblauen Augen von Flordelis. Überaus zärtlich fuhr er mit den Fingerspitzen über die blauen Flecken, welche durch den festen Griff gestern entstanden waren, der aus dem Hinterhalt kam. Bisher hatte Platan sie selbst noch nicht gesehen, war aber von Flordelis darauf aufmerksam gemacht worden. Seitdem befürchtete er wohl, Platan könnte sich doch mehr Verletzungen zugezogen haben, ohne es selbst zu ahnen.
Wenn es Flordelis beruhigen könnte, sollte Platan sich wirklich von einem Arzt untersuchen lassen.
„Ich habe stets befürchtet, dass so etwas eines Tages passieren könnte“, gestand Flordelis und zog seine Hand zurück. „Ein neuer, unerfahrener Pokémon-Professor ist das gefundene Fressen für Menschen, die aus purem Egoismus alles an sich reißen wollen. Ich hätte dich warnen sollen.“
Von Platan folgte ein beschämtes Lächeln. „Wahrscheinlich wäre ich Gilbert trotz deiner Warnungen gefolgt.“
Gilbert war schließlich ein alter Freund von ihm, auch wenn er schon damals viele verletzende Dinge gesagt hatte. In Platans Augen waren das gut gemeinte Ratschläge gewesen. Nun wusste er es besser.
„Ja, wahrscheinlich.“ Eindringlich sah Flordelis ihn an. „Darum möchte ich, dass du mir versprichst, niemals wieder jemandem in eine Gasse oder an einen anderen Ort zu folgen, wo sich kaum oder keine Menschen aufhalten.“
Gespielt nachdenklich legte Platan eine Hand an sein Kinn und neigte den Kopf etwas. „Niemandem? Nicht mal dir?“
„Platan ...“
„Nur ein Scherz.“
Obwohl Flordelis dieses Thema ernst war, zeigte sich der Anflug eines Schmunzelns auf seinen Lippen. „Wann hören wir endlich auf damit, so, wie wir es uns vorgenommen haben?“
„Vermutlich dann, wenn einem von uns mal ein guter Scherz gelungen ist.“
Darauf lachte Platan leise, wodurch er ungewollt den nächsten Hustenanfall provozierte und sein Oberkörper zitternd nach vorne sackte. Nur flüchtig bekam er das strengen Fauchen von Wie-Shu mit, woraufhin Flordelis eine Entschuldigung murmelte.
„Es schmerzt mich zwar, das zu sagen, aber du solltest deine Stimme schonen“, bat er Platan, während er ihm über den Rücken strich. „Du kannst alles mir überlassen. Ich gebe im Labor Bescheid, dass du vor Weihnachten nicht mehr arbeiten wirst. Und ich werde auch gleich Madame Perrine informieren, damit sie etwas für dich kocht, das deinem Hals gut tut.“
Flordelis griff nach einer Tasse, die auf dem Tablett stand, und reichte sie ihm. „Hier, trink erst mal einen Tee.“
Langsam richtete Platan sich wieder auf und nahm verwundert die Tasse an sich. „Du hattest tatsächlich ... Tee?“
„Ja, das hat mich genauso überrascht wie dich.“ Eine wegwerfende Handbewegung unterstrich die darauf folgenden Worte: „Normalerweise trinke ich keinen Tee. Mit Sicherheit hat Madame Perrine aber dafür gesorgt, dass ich welchen im Haus habe. Genau für so einen Fall.“
„Sie ist ein wahrer Segen“, merkte Platan lächelnd an.
Was täten sie nur ohne diese liebenswerte Haushälterin?
Vorsichtig nahm Platan einen Schluck vom Tee und obwohl er ebenfalls nur äußerst selten welchen trank, war es in dieser Sekunde eine Wohltat. Sein Hals fühlte sich direkt besser an. Daher nahm er gleich noch einen zweiten Schluck und seufzte lautlos mit geschlossenen Augen.
Plötzlich kamen dann wie von selbst einige bestimmte Worte über seine Lippen: „Tut mir leid ...“
Seine Hände klammerten sich an die Tasse und er senkte bedrückt den Kopf. „Eigentlich wollte ich dir mal etwas zurückgeben. Für alles, was du mir gegeben hast. Aber jetzt ... bist du wieder derjenige, der sich um mich kümmern muss.“
Nutzte er Flordelis' Großzügigkeit und Fürsorge am Ende vielleicht unbewusst doch nur aus? Wenn Platan Pech hatte, wäre er an dem Tag, an dem die Überraschung geplant gewesen war, immer noch krank, und könnte sie nicht so schön inszenieren. Nicht mal das könnte er Flordelis bieten. Wenigstens war die Hauptattraktion der Überraschung gestern nicht beschädigt worden, dennoch plagte Platan das Gefühl versagt zu haben.
Einen Moment betrachtete Flordelis ihn schweigend und Platan wartete bereits darauf, dass er seine Sorgen einfach nur mit einem sanften Lächeln fortzuspülen versuchen würde. So kam es aber nicht. Vielmehr nahm Flordelis diese Sorgen merklich ernst und schien deshalb nicht leichtfertig etwas dazu sagen zu wollen, sondern dachte zuerst darüber nach.
„Du glaubst also, dass du mir nicht genug zurückgibst? Dabei hast du mein Herz gerettet, Platan“, betonte Flordelis dankbar. Ein düsterer Funke aus Angst und Frustration schwang danach in seiner Stimme mit. „Ohne dich könnte ich die Gier und die Hässlichkeit der Menschen nicht mehr ertragen, wie mir gestern nochmal bewusst geworden ist. Ohne dich hätte ich möglicherweise selbst einen dunklen Pfad eingeschlagen, so wie Gilbert. Denn meine Bemühungen, die Welt zu verbessern, bewirken kaum etwas. Manchmal werden sie sogar schamlos ausgenutzt, von den Menschen, wegen denen die Schönheit der Welt mehr und mehr verblasst. Es war immer mein Ziel, Menschen wie dir ein friedliches, glückliches Leben zu ermöglichen und doch ... musstest du so etwas Traumatisches erleben. Schlimmstenfalls bist du deswegen sogar krank geworden, weil du körperlich und geistig nach diesem Erlebnis erschöpft warst. Eigentlich müsste ich dich um Verzeihung bitten.“
Überrumpelt von diesen Worten hatte Platan die Tasse sinken lassen und sah ihn sprachlos an. Da Flordelis aber schon fortfuhr, hätte er ohnehin nichts einwerfen können.
„Nur dank dir ... kann ich überhaupt weitermachen“, erklärte er. Auf einmal klang Flordelis derart aufrichtig und seine Augen wirkten so klar, dass es Platans Herz berührte. „Weil du an meiner Seite bist, finde ich die Kraft nicht aufzugeben. Nur deinetwegen erkenne ich, dass es sich lohnt weiterzukämpfen, egal wie klein die Erfolge auch sein mögen. Dein Lächeln gibt mir jeden Tag so viel, Platan. Du ahnst nicht wie viel. Du bist mein Leuchtfeuer der Hoffnung.“
Vollkommen überwältigt hielt Platan den Atem an.
Zahlreiche Reden hatte er bereits von Flordelis gehört und jedes Mal, wenn er glaubte, eine Steigerung sei nicht mehr möglich, gelang es ihm doch. Vor Rührung wurden Platans Augen glasig. Hatte ihn die Frage, ob er Flordelis etwas zurückgeben konnte, so sehr belastet? Die ganze Zeit war er davon ausgegangen, nicht genug zu tun, aber ...
„Ehrlich gesagt“, sprach Flordelis weiter, „habe ich dich nicht wirklich verdient. Ich bin nämlich sehr egoistisch.“
„Egoistisch?“, wiederholte Platan ratlos. „Wie kommst du denn darauf?“
Alles, was Flordelis tat, war mehr als selbstlos. Genau das Gegenteil von egoistisch.
„Erinnerst du dich daran, wie du dich gegen Ende deiner Ausbildung in Sinnoh erkältet hast? Wir konnten nur über den Holo-Log miteinander sprechen.“ Seltsam verschwörerisch lehnte Flordelis sich näher zu ihm. „Soll ich dir verraten, was ich mir damals insgeheim gewünscht habe? Dass ich derjenige sein kann, der dich gesund pflegt. Ich habe Professor Eibe darum beneidet, weil er in dieser Zeit bei dir sein konnte. Darum freue ich mich darüber, nun doch noch die Gelegenheit zu bekommen, dich mit meiner liebevollen Fürsorge zu heilen.“
Als Flordelis sich wieder zurücklehnte, schmunzelte er etwas beschämt. „Ziemlich egoistisch, nicht wahr?“
„Flordelis ...“ Lächelnd schüttelte Platan sacht den Kopf. „Du bist nicht egoistisch. Ganz und gar nicht.“
Auch ihm würde es gefallen, Flordelis gesund zu pflegen. Was nicht bedeutete, dass er sich wünschte, er sollte krank werden. Für jemanden sorgen zu können, den man über alles liebte, war einfach erfüllend. Darum konnte Platan das verstehen. Irgendwie freute es ihn nun sogar fast, krank geworden zu sein.
Wie-Shu hatte die ganze Zeit nichts gesagt, jetzt wies er Platan aber darauf hin weiter den Tee zu trinken, solange er noch heiß genug war. Dankend kam er dem sogleich nach und nahm einen weiteren Schluck.
„Fühlst du dich nun besser?“, hakte Flordelis nach.
Während Platan trank, hob er den Blick und sah ihn verträumt an.
„Nicht wirklich“, antwortete er dann klagend und griff sich theatralisch an die Brust. „Wegen dir und dieser berührenden Rede verglühe ich regelrecht. Allmählich bin ich überfordert. Wie soll ich mich entscheiden, auf welchen Platz ich sie in meiner Lieblingsliste setze? So viele wundervolle Reden und nur ein erster Platz ...“
„Ich dachte, du hast mittlerweile mehrere erste Plätze?“, erinnerte Flordelis ihn geschmeichelt. „Du wirst das schon geregelt bekommen, da bin ich sicher.“
Nach diesen Worten stand er auf. „Ich erledige nun die Anrufe und überlasse dich wieder Wie-Shus Obhut.“
Lächelnd nickte Flordelis seinem Pokémon zu. „Ich werde Madame Perrine darum bitten, zur Belohnung etwas besonders Gutes für dich zuzubereiten.“
Zwar bemühte Wie-Shu sich gefasst zu bleiben, um die Eleganz zu wahren, doch an dem freudigen Glitzern in seinen Augen konnte man erkennen, wie sehr er sich darüber freute. Diese Belohnung hatte er sich wirklich verdient. Gestern hatte Flordelis auch schon mehrmals betont, wie stolz er auf ihn sei.
Nachdem Flordelis Platan noch darauf hingewiesen hatte, dass sich in der Kanne noch mehr Tee befand, wandte er sich der Tür zu ... und hielt sofort überrascht inne, weil sich dort die Pokémon versammelt hatten. Alle warfen einen neugierigen sowie besorgten Blick ins Schlafzimmer, um zu überprüfen, wie es Platan ging.
Evoli hielt es nicht mehr aus und stürmte nun hinein, geradewegs auf das Bett zu. Nur gelang es ihr nicht alleine hochzuspringen und so zupfte sie unbeholfen an der Bettdecke. Also beugte Flordelis sich zu ihr hinunter und half ihr. Kaum setzte er sie auf dem Bett ab, hüpfte Evoli zu Platan und schmiegte sich schnurrend an ihn.
Flordelis beobachtete das Ganze. „Eben hat sie noch tief und fest in ihrem Korb geschlafen.“
„Und dann kommst du direkt zu mir? Wie anhänglich du bist“, freute Platan sich und tätschelte Evolis Kopf. „Du erinnerst mich an jemanden~.“
Mit diesen Worten schenkte er Flordelis ein herzliches Lächeln, der es sanft erwiderte. Anschließend erlaubte er den anderen Pokémon, die noch an der Tür warteten, ebenfalls ins Schlafzimmer zu kommen und bat sie darum bei Platan zu bleiben, während er noch etwas erledigen musste. Sofort strömten auch die anderen herein.
Parfi landete auf Platans Schulter, wo sie sich an seine Wange kuschelte. Hubelupf nutzte die anderen als Sprungbretter, bis sie auf dem Bett angekommen war. Alle restlichen Pokémon versammelten sich um das Möbelstück, stützten sich aber mit Hufen oder Pfoten auf diesem ab. Nur Garados war nicht dabei, weil er für die Innenräume zu groß war. Später würde Platan ihn von einem der Fenster aus zumindest kurz begrüßen.
Nun genoss er zunächst die Aufmerksamkeit der Pokémon, die jetzt bei ihm waren, und versicherte auch ihnen, dass sie sich keine Sorgen machen müssten. So bekam er nicht mit, wie Flordelis einen letzten Blick auf ihn warf und zufrieden bei diesem Anblick lächelte, ehe er das Schlafzimmer verließ.
Chapter Text
In keinem anderen Monat lebte das Geben und Nehmen in der Welt derart intensiv auf wie im Dezember. Genauer gesagt an Weihnachten. Das Fest der Liebe, der Familie und der Freundschaft. Ein bedeutsamer Tag, für viele Menschen und sicher auch für Pokémon. Wie überaus herzerwärmend diese magische Zeit jedes Jahr war.
Man machte sich bewusst, dass es nichts wertvolleres im Leben gab, als jemanden zu haben, auf den man sich stets verlassen konnte und der einem Wärme spendete.
Auch Platan verband ebenfalls etwas Wichtiges mit Weihnachten. Es war der Tag, an dem Flordelis und er sich einander ihre Herzen öffneten. Angefangen hatte es mit diesem einzigartigen Geschenk, der Armbanduhr, die Platan seitdem kaum noch ablegte. Sie war ein Teil von ihm geworden. Das Symbol dafür, dass Flordelis niemals müde wurde sich seine Geschichten anzuhören.
Und schließlich ... hatten sie sich geküsst.
Weihnachten war der Tag, an dem aus ihnen ein unzertrennliches Paar wurde. Romantischer hätte es kaum sein können, wie Platan fand.
In diesem Moment saß er im Wohnzimmer auf dem Sofa und betrachtete verträumt die Armbanduhr an seinem linken Handgelenk, während er darauf wartete, dass Evoli von ihrer geheimen Mission zurückkehrte. Alles war weihnachtlich geschmückt, noch mehr als im ersten Jahr, in dem Platan Weihnachten bei Flordelis verbracht hatte. Der Tannenbaum sah nahezu majestätisch aus mit den roten Dekorationen und dem goldenen Lametta, das im Schein der Lichterketten schimmerte.
Die Pokémon entspannten an diesem Tag genauso wie die Menschen. Mähikel hatte sich dicht an Pyroleo geschmiegt, welcher ihr entspanntes Gesicht zufrieden brummend betrachtete. Beide lagen gemütlich in einem großen Pokémon-Bett. Hubelupf hatte es geschafft sich neben Kramshef auf die Stange zu setzen und Durengard leistete draußen Garados Gesellschaft – nachdem Flordelis ihm versichert hatte, es sei in Ordnung, dass er sich auch mal etwas Ruhe gönnte.
Wie-Shu lag halb auf Platans Schoß und Parfi befand sich bei Flordelis in der Küche, während Evoli gerade etwas aus dem Schlafzimmer holte. Und allzu viel Zeit blieb ihr sicher nicht mehr, bis der Kaffee fertig war, doch das war kein Grund zur Sorge.
Heute wollte Platan nicht unruhig oder gar nervös sein, sondern einzig von Freude und Glück erfüllt. Außerdem gab Evoli für ihn sein Bestes.
Eigentlich hatte Platan befürchtet, er müsste die Überraschung für Flordelis verschieben, weil er vor wenigen Tagen krank geworden war. Dank fürsorglicher Pflege und viel Ruhe ging es ihm inzwischen zwar wesentlich besser, vollständig genesen war er aber leider noch nicht. Für das, was er geplant hatte, sollte es jedoch genug sein. Auch wenn er nicht alles so durchführen könnte, wie er es sich ausgemalt hatte.
Die Überraschung zu verschieben kam aber letztendlich für Platan nicht in Frage, weil es an Weihnachten geschehen sollte. Tat er es nicht heute, müsste er ein weiteres Jahr warten und diese Geduld könnte er nicht aufbringen. Sein Herz wollte nicht mehr länger warten. Außerdem könnte es sonst passieren, dass Flordelis ihm zuvor kam.
An sich wäre das nicht schlimm, nur wollte Platan ihn eben unbedingt überraschen.
Gerade, als er den Blick von der Armbanduhr löste und den Kopf hob, kehrte Evoli aus dem Schlafzimmer zurück, mit einer handlichen Schatulle im Maul. Fröhlich hüpfend lief sie auf das Sofa zu. Dort stellte sie sich dann auf die Hinterbeine und stützte sich mit den Vorderpfoten an Platans Beinen ab, den sie stolz anstrahlte.
„Ah~, du hast es geschafft“, sagte er leise und hob sie hoch, um sie neben sich auf dem Sofa abzusetzen.
Er nahm ihr die edle schwarze Schatulle aus Samt ab und strich zur Belohnung über ihren Kopf, wobei sofort ihr Schweif hin und her schwang.
„Vielen Dank, Evoli. Das hast du gut gemacht“, lobte Platan sie aufrichtig.
Da es ihr jedes Mal so viel Freude bereitete, wenn sie etwas für ihn holen durfte, hatte er ihr diese Aufgabe überlassen. Wahrscheinlich wäre er selbst ohnehin nicht unauffällig genug gewesen, denn Flordelis war momentan wachsamer als sonst, weil Platan noch etwas krank war. Sobald er selbst aufgestanden wäre, hätte er aus der Küche sicher die Frage zu hören bekommen, ob er etwas bräuchte und dass er ruhig sitzenbleiben sollte.
Zufrieden legte Evoli sich ebenfalls auf seinen Schoß, wo nun kein Platz mehr übrig war. Wenigstens war ihm so schön warm, wirklich kalt könnte ihm hier aktuell jedoch ohnehin nicht werden. Nicht nur, dass der Raum gut aufgeheizt war, Platan trug auch ein rotes Hemd von Flordelis, was ihn bis heute mit einer angenehmen Hitze erfüllte, dabei sollte es für ihn mittlerweile normal sein. Zu Hause zog er sich privat oft die Sachen von Flordelis an, auch weil dieser darauf immerzu erfreut reagierte.
Vorsichtshalber warf Platan nochmal einen prüfenden Blick auf die Schatulle und vor allem deren Inhalt ... nur um erschrocken zusammenzuzucken, als Flordelis' Stimme hinter ihm ertönte: „Entschuldige bitte, dass du warten musstest.“
Rasch ließ Platan die Schatulle in seiner Hosentasche verschwinden und schüttelte lächelnd den Kopf. „Mach dir keine Sorgen, ich war ja nicht alleine. Oh~. Die sehen gut aus.“
Als Flordelis das Tablett mit dem Kaffee auf dem Glastisch abstellte, erspähte Platan auch einen Teller mit selbst gebackenen Plätzchen, allesamt liebevoll dekoriert. Entweder besaßen sie die Form von Pokémon oder von klassischen weihnachtlichen Dingen. Außerdem dufteten sie schon aus der Entfernung köstlich.
„Madame Perrine meint es dieses Jahr auch wieder gut mit uns“, entgegnete Flordelis schmunzelnd. „Der Kühlschrank war noch nie so gut gefüllt. Ich weiß nicht, ob wir das alles essen können.“
Nachdem er das gesagt hatte, hielt Flordelis inne und sein Blick ruhte nun auf Platan. Schweigend sah er ihn einfach nur an, mit einem Ausdruck in den Augen, der für Herzklopfen sorgte. Das erinnerte Platan an ihr erstes gemeinsames Weihnachten. Da hatte es einen ähnlichen Moment gegeben.
„Was ist los?“, fragte Platan schließlich. „Magst du dich jetzt nicht mehr neben mich setzen? Keine Angst, Wie-Shu, Parfi und Evoli wissen doch, dass sie uns teilen müssen.“
Parfi saß wieder in Flordelis' Haaren, wie in einem Nest, und hatte die Augen geschlossen, während sie mit dem Schnabel ein paar rote Strähnen festhielt. Ihr Gefieder war aufgeplustert. Offenbar konnte Parfi gar nicht anders als zauberhaft auszusehen und andere mit ihrer Niedlichkeit vor Entzückung innerlich seufzen zu lassen.
Schmunzelnd strich Flordelis sich über den Bart. „Ich musste nur innehalten, weil du im Moment noch anziehender auf mich wirkst als sonst.“
Überrascht blinzelte Platan ihn an, seine Wangen erhitzten sich ein wenig. Das ... war neu. Ob Flordelis das auch schon gedacht hatte, als sie das erste Mal Weihnachten zusammen feierten?
Nun, jedenfalls gefiel Platan das Kompliment.
Darum nahm er auch eine kokette Haltung ein und lächelte geschmeichelt. „Ich verstehe~. Möchtest du direkt zum Nachtisch übergehen?“
Diesmal war Flordelis derjenige, der etwas überrascht von dieser offensiven Reaktion war, aber auch sichtlich angetan. „... Du solltest mit den Scherzen wirklich vorsichtig sein, Platan.“
„Bei so etwas würde ich niemals scherzen.“
Dennoch musste Platan etwas verlegen lachen, was dazu führte, dass er ein wenig husten musste. Nur ein paar Mal, kein Vergleich mehr zum Anfang, doch es weckte sofort wieder die Sorge in Flordelis, der sich nun neben ihn setzte und behutsam über seinen Rücken strich.
„Ich hätte dir wohl besser doch nochmal Tee kochen sollen.“
„Bitte nicht“, widersprach Platan sofort. „An Weihnachten möchte ich mir wirklich gerne wieder einen Kaffee gönnen.“
„Wie du willst. Gib mir Bescheid, falls du deine Meinung änderst. Später gebe ich dir noch etwas von dem Hustensaft.“ Flordelis begann damit, ihnen beiden Kaffee einzuschenken. „Dieses Jahr werde ich auch nicht von dir erwarten mehr als ein Drittel zu essen. Fühle dich also nicht unter Druck gesetzt. Iss so viel, wie du kannst. Jeder Bissen, den du schaffst, ist schon eine Menge wert.“
„Ich habe mich von dir noch nie unter Druck gesetzt gefühlt“, wandte Platan ein. „Ich weiß, dass ich zu wenig esse. Darum bin ich dankbar, wenn du mich liebevoll daran erinnerst.“
Beruhigt lächelte Flordelis ihm zu. „So? Das höre ich gern. Manchmal komme ich mir etwas zu fordernd vor, aber ich mache mir nur Sorgen um dich und deine Gesundheit.“
„Ich weiß.“ Platan erwiderte das Lächeln. „Darum hat es mich auch noch nie gestört.“
Im Gegenteil, er mochte es, wenn Flordelis ihn mit fürsorglicher Strenge darauf hinwies, mehr zu essen. Und das hatte sein Leuchtfeuer sicher auch schon bemerkt, denn er war gut darin Platan zu lesen – oft etwas zu gut.
Dankend nahm er die Tasse an, die Flordelis ihm reichte, und nahm einen Schluck, worauf ein seliges Seufzen folgte. Wie sehr er den Kaffee in den letzten Tagen vermisst hatte.
In den nächsten Stunden genossen sie ihre gemeinsame Zeit. Sie tranken genüsslich Kaffee und unterhielten sich, wobei Flordelis sich bemühte mehr zu reden, damit Platan weiterhin seine Stimme etwas schonte. Irgendwann begaben sie sich zum Abendessen in die Küche und tatsächlich hatte Madame Perrine sich dieses Jahr selbst übertroffen. Sogar Platan fand es beim Anblick dieses Festmahls bedauerlich, nicht allzu viel davon essen zu können. Wenn er krank war, hatte er nämlich noch weniger Appetit als sonst.
Umso mehr hatten die Pokémon davon und das wiederum stimmte Platan glücklich. Besonders für Evoli war das alles aufregend und faszinierend. Verständlich, immerhin dürfte sie Weihnachten zum ersten Mal erleben. Ihre strahlenden Augen waren wahrlich ein Geschenk.
Schließlich kehrten sie nach einiger Zeit gesättigt und zufrieden ins Wohnzimmer zurück, wo sie erneut auf dem Sofa Platz nahmen. Einige Pokémon waren noch mit essen beschäftigt oder hielten bereits ein Verdauungsschläfchen, so dass sie nun unter sich waren. Der perfekte Moment dafür, mit der Überraschung zu beginnen, genau wie Flordelis damals.
Plötzlich ... war Platan nur viel zu nervös, um einen Anfang zu finden und saß etwas zu steif neben Flordelis, dem das nicht entging.
„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte er sich besorgt. „Geht es dir wieder schlechter? Soll ich dich ins Schlafzimmer bringen?“
Hastig hob Platan die Hände. „Nein, nein. Mir geht es gut, wirklich.“
Ein leises Seufzen folgte. „Ich weiß nur nicht so recht, wie ich anfangen soll, weil ich alles etwas anders geplant hatte. Eigentlich wollte ich dir nun eine Geschichte erzählen, so wie damals, als du dir jeden Abend meine Sendung im Radio angehört hast.“
Selbst Platan war sich aber nicht so sicher, ob er dafür schon wieder fit genug war. Er könnte nicht so emotional und überschwänglich erzählen, wie er es gewohnt war. Dafür war er noch etwas zu kränklich. Also musste er diesen Teil überspringen, egal wie schade er es fand. Diese Geschichte wäre die perfekte Überleitung gewesen.
Heute Abend lief es aber nicht perfekt.
Stattdessen baute Platan auf das, was Flordelis ihm gesagt hatte.
Dein Lächeln gibt mir jeden Tag so viel, Platan. Du ahnst nicht wie viel.
Dieser Gedanke half Platan dabei, nach Flordelis' Händen zu greifen und ihm ein Lächeln zu schenken, in dem sich all seine Gefühle für ihn widerspiegelten. „Mein Lieber, du weißt, wie wichtig dieser Tag heute für uns beide ist. Seit zwei Jahren sind wir nun zusammen. Zwei wundervolle Jahre, in denen du mir so viel geschenkt hast. Deine Unterstützung, deine Geduld und vor allem deine Liebe. Du hast mir die Kraft gegeben, mir meinen Traum zu erfüllen und bist seit damals so viel mehr für mich geworden.“
Bereits nach diesen Worten wirkte Flordelis schon überwältigt, aber auch etwas überfordert von dieser gefühlvollen Ansprache. Natürlich bemühte er sich, die Fassung zu wahren, so wie immer, doch Platan bemerkte das ergriffene Flimmern in seinen blauen Augen. Außerdem war seine gesamte Mimik entspannt und nicht so verhärtet wie die des Geschäftsmannes in ihm.
„All die Worte, mit denen du mir Mut gemacht und mir eröffnet hast, dass ich wertvoll bin, lodern immer noch tief in mir“, fuhr Platan fort. „Sie bauen sich zu einer hoffnungsvollen Melodie auf, sobald ich anfange zu zweifeln. Schenken mir weiterhin Kraft und den Antrieb, das zu tun, woran ich glaube. Irgendwie gelingt es dir stets zu erkennen, was ich brauche. Du lässt sogar wichtige Geschäftstermine für mich ausfallen, was keine Selbstverständlichkeit ist. Ich bin unbeschreiblich dankbar für alles, was du mir gibst. Mit jedem deiner Atemzüge machst du mich zum glücklichsten Menschen auf dieser Welt. Und ich will auch dich noch glücklicher machen. Darum ...“
Platan ließ seine Hände los und holte die Schatulle hervor. Er glaubte, zu hören, wie Flordelis etwas tiefer Luft holte, was hoffentlich ein gutes Zeichen war. Nun wurde es nämlich ernst. Seine Nervosität stieg schlagartig, doch Platan ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Dennoch schlug ihm das Herz bis zum Hals.
„Flordelis ...“, sagte er, mit dem Hauch eines Zitterns in der Stimme. „Meine Liebe zu dir wird jeden Tag stärker und hat sich inzwischen zu einer neuen, schillernden Form entwickelt. Ähnlich wie die Mega-Entwicklung, deren Erforschung ich mich fortan widmen möchte.“
In den letzten Wochen war die Faszination für dieses Thema in Platan nur noch mehr gewachsen. Dank seiner Ausbildung bei Professor Eibe war er zuversichtlich, das nötige Wissen mitzubringen. Also wollte er das Geheimnis der Mega-Entwicklung ergründen, die noch viele Rätsel barg und sich allmählich in Kalos verbreitete. Während seines ersten Jahres als Professor hatte er bereits alles zusammengetragen, was darüber bisher bekannt war – neben den wenigen Unterlagen seiner Vorgängerin – aber noch keine Zeit gefunden sich damit näher zu beschäftigen.
Das sollte sich nächstes Jahr ändern.
Genau wie die Beziehung zu Flordelis, der Platan zu einer neuen Form verhelfen wollte. Darum befand sich in der Schatulle, die er vorsichtig öffnete, ein großer Silberring, in dem einer der seltenen Schlüssel-Steine eingefasst war. Geheimnisvoll funkelten die Farben im Licht und schienen für einen kurzen Augenblick durch den Raum zu tanzen.
„Das ist ein Unikat“, verkündete Platan bedeutungsvoll. „Wie du.“
„... Platan“, hauchte Flordelis, nun gänzlich überwältigt von dem, was gerade geschah.
„Mon chéri“, sprach er sanft weiter und sah ihn mit funkelnden Augen an. „Ich möchte dich heute fragen, ob du mich heiraten willst.“
Ein paar Sekunden geschah nichts, was Platan noch nicht als schlechtes Zeichen werten wollte. Nach so einer Frage würde er selbst etwas Zeit benötigen, zu realisieren, was er soeben gefragt worden war. Also gab er Flordelis diese Zeit.
In seinem Gesicht zeigten sich kaum Regungen, nur seine Augen hatten sich ein wenig geweitet und sein Atemrhythmus erhöhte sich etwas.
Und dann erlöste Flordelis ihn endlich mit den Worten, die er hören wollte: „Ja, natürlich. Ich will dich heiraten, Platan. Von ganzem Herzen.“
Eine Welle der Erleichterung überkam ihn und sorgte dafür, dass die Anspannung nachließ, von der er bis eben überhaupt nichts bemerkt hatte. Danach folgte ein berauschendes Glücksgefühl, durch das ein Feuerwerk aus Blütenblättern in seinem Inneren entstand.
Vor Glück hätte Platan beinahe vergessen, Flordelis den Ring auch anzustecken, was er sofort tat. Diese kleine Überraschung passte wie angegossen, was ihn einmal mehr erleichterte. Voller Zufriedenheit betrachtete Platan den Mega-Ring an Flordelis' Hand. Wie gut er ihm stand. Genau wie Platan es sich vorgestellt hätte, sogar noch besser.
Während er noch den Ring ansah, griff Flordelis mit der anderen Hand nach seinem Kinn und brachte ihn behutsam dazu den Kopf zu heben. In der nächsten Sekunde spürte Platan, wie sein Verlobter die Lippen auf seine legte, um ihn in einen leidenschaftlichen Kuss zu verwickeln. Ein wohliger Schauer erfasste ihn, der dafür sorgte, dass Platan ihn ohne zu zögern erwiderte ... doch dann fiel ihm etwas Wichtiges ein.
Keuchend löste er sich von Flordelis und sah ihn besorgt an. „Warte. Du wirst dich bei mir anstecken.“
„Darüber machst du dir nun Gedanken?“, fragte dieser entzückt und küsste kurz seine Stirn, ehe er seinen Blick mit glühenden Augen erwiderte. „Ich verlasse mich darauf, dass du mich liebevoll gesund pflegen wirst, sollte es so weit kommen. Das wirst du doch tun, oder?“
„J-ja“, erwiderte Platan, überrumpelt von diesem Funkeln des Begehrens in Flordelis' Augen. „Selbstverständlich.“
„Gut. Also sei unbesorgt.“
Somit setzte er den Kuss fort und Platan ließ sich von dieser Leidenschaft gänzlich einnehmen. Nach kurzer Zeit brachte Flordelis ihn dazu sich auf das Sofa zu legen, ohne sich von ihm zu lösen. Erst als Platan irgendwann Luft holen musste, übersäte Flordelis als nächstes seinen Hals mit Küssen und entlockte ihm dadurch ein zärtliches Stöhnen nach dem anderen.
Mit jeder Sekunde, die verstrich, fühlte Platan sich auf magische Weise besser. Als wäre er die letzten Tage nicht krank gewesen. Zudem versicherte ihm jeder einzelne Kuss, wie glücklich er Flordelis mit seinem Heiratsantrag machen konnte. So wie Platan es sich gewünscht hatte.
Am Ende ... war also doch noch alles perfekt gelaufen.
Notes:
Ursprünglich war das Geburtstagsgeschenk für 2024 nur als One-Shot gedacht, mit diesem Inhalt, da meine Verlobte noch gerne lesen wollte, wie Platan mit dem Mega-Ring Flordelis einen Antrag macht.
Es war anfangs wirklich nicht geplant, dass das Ganze wieder derart ausartet ... aber nun finde ich es irgendwie schön. Diese Geschichte hat am Ende genauso viele Kapitel wie die erste und ähnlich viele Wörter. Darum war es mir auch sehr wichtig, dass der Titel von Kapitel 5 der gleiche ist wie letztes Jahr beim ersten Teil. ♥
Chapter 7: Epilog: Alles ist perfekt, mon amour
Chapter Text
Ein halbes Jahr war seit dem Heiratsantrag von Platan vergangen.
Die Verkündung über die Verlobung hatte Flordelis seiner PR-Abteilung überlassen und Platan war erstaunt darüber, wie viele Wochen es in Illumina City eines der beliebtesten Themen für die Öffentlichkeit geblieben war. Immer noch wurde ihm manchmal auf der Straße gratuliert und es war nicht leicht den Journalisten aus dem Weg zu gehen. Allerdings hatte Flordelis ihm geraten, notfalls nur charmant zu lächeln und zu betonen, er habe keine Zeit, was bei Platan ausreichen sollte. Und das tat es bisher tatsächlich.
Da einstimmig der Entschluss gefasst werden konnte, im Herbst zu heiraten, weil sie sich in dieser zauberhaften Jahreszeit kennengelernt hatten, waren sie inzwischen nur noch wenige Monate davon entfernt ein Ehepaar zu werden. Tag für Tag blühten die Glücksgefühle in Platan dadurch umso mehr. Er hatte sich noch nie so lebendig gefühlt wie in diesem Jahr.
Nicht nur die bevorstehende Heirat, auch seine Arbeit als Pokémon-Professor erfüllte ihn. Nach den Zweifeln und der Unsicherheit im vergangenen Jahr, war er nun endlich richtig angekommen. Anfang des Sommers hatte er je einem Kind aus den Städten in Kalos ein eigenes Pokémon anvertraut und genoss es, ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich entwickelten. Weniger erfolgreich verlief die Forschung an der Mega-Entwicklung, aber solch ein komplexes Thema benötigte einfach reichlich Zeit sowie neue Erkenntnisse, bis man richtige Ergebnisse erzielen konnte.
Dafür erfreute sich seine Abhandlung über Feen-Pokémon nun auch bei Trainern größter Beliebtheit, genau wie der Typ an sich. Viele Fragen hatte Platan im Laufe seiner bisherigen Arbeitszeit klären können und sämtliche Pokédex-Einträge angepasst, in enger Zusammenarbeit mit seinen Kollegen. Allmählich war der Feen-Typ in der Welt richtig angekommen und endlich angenommen worden.
Wie gewohnt saßen Flordelis und Platan auch an diesem Tag morgens zusammen am Esstisch, um gemeinsam gemütlich in den Tag zu starten. Dabei durfte natürlich der Kaffee nicht fehlen. Leider vergaß Platan diesen ein wenig, weil er in eine Erzählung über Flabébés vertieft war und sein Redeschwall kein Ende nehmen wollte.
„Daher gehe ich davon aus, dass die Farben der Blüten damit zusammenhängen, wie stark ausgeprägt die Feenkraft von Flabébé ist“, sprudelte es begeistert aus ihm heraus. „Und unter dem Aspekt-“
Statt weiterzureden, hielt Platan inne.
Flordelis hatte ihm die ganze Zeit aufmerksam sowie interessiert zugehört, so wie er es immer tat, mit einem sanften Lächeln. Irgendwie erschien Platan dieses Lächeln noch sanfter als sonst. Die gesamte, entspannte Haltung und mit welcher Intensität das Hellblau seiner Augen strahlte ... Alles an Flordelis besaß gerade eine wunderschöne, friedliche Ausstrahlung, was ihn zutiefst berührte.
Fragend hob sein Verlobter die Augenbrauen. „Stimmt etwas nicht?“
Parfi, die auf seiner Schulter saß, neigte den Kopf, als wollte auch sie fragen, was los sei.
„Oh, nein, keine Sorge. Es ist alles in bester Ordnung“, versicherte Platan ihm sofort. „Es ist nur ... Ich habe eben festgestellt, wie glücklich du heute bist. Das hat mich etwas überwältigt.“
„So?“ Leise lachend stützte Flordelis sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab, faltete die Hände und bettete sein Kinn darauf. „Interessant. Einen ähnlichen Gedanken hatte ich eben auch über dich.“
„Tatsächlich?“
„Ja, du strahlst noch mehr als früher“, erklärte Flordelis ihm. „Letztes Jahr warst du oft vor der Arbeit etwas angespannt. Nun bist du regelrecht aufgeblüht, dabei warst du vorher schon wie eine wunderschöne Blume. Und diese Blume darf ich bald heiraten.“
„Ich sehe schon, du lässt es dir einfach nicht nehmen, mich vor der Arbeit verlegen zu machen“, bemerkte Platan geschmeichelt.
Sein Blick fiel auf den Mega-Ring, der in der Morgensonne magisch glänzte. Wenn sie sich gegenseitig das Ja-Wort gegeben hatten, dann war wirklich alles perfekt.
„Das ist es doch bereits.“
Diese Anmerkung von Flordelis sorgte dafür, dass Platan ein überraschtes „Pardon?“ vor sich hin murmelte.
„Alles ist perfekt, mon amour“, sagte Flordelis, voller Überzeugung. Dabei klang seine Stimme noch tiefer als sonst und brachte Platans Seele zum Vibrieren. „Jetzt und auch in Zukunft.“
Langsam atmete Platan durch und legte eine Hand auf sein Herz, in einem Versuch, es ein wenig zu beruhigen. „Ja, du hast recht.“
Es war alles perfekt.
Zumindest in ihrer Welt. Für manche sah es etwas anders aus.
Gilbert hatte schon vor dem Versuch, den Pokémon-Professor zu entführen, eine Reihe von Verbrechen begangen, für die er ins Gefängnis gehen musste. In einem knappen Brief hatte er sich bei Platan entschuldigt, also war er weiterhin zuversichtlich, Gilbert könnte immer noch seinen Weg zum Glück finden, sobald er für seine Taten gebüßt hatte. Möglicherweise sah Platan ihn also irgendwann wieder, hoffentlich unter besseren Umständen. Bis dahin hatte Gilbert reichlich Zeit nachzudenken.
Granbull wurde inzwischen von einer netten Mitarbeiterin bei der Polizei aufgenommen und dort ging es ihm richtig gut. Die beiden verstanden sich blendend, als hätte das Schicksal sie zusammengeführt. Netterweise war die Frau damit einverstanden, dass er hin und wieder Granbull besuchen dürfte. Falls Gilbert sich eines Tages also auch bei Granbull entschuldigen wollte, könnte Platan für ihn den Kontakt herstellen.
Einer der Hersteller für diese furchtbaren Ringe, mit denen man Pokémon Stromschläge zufügen konnte, wurde mittlerweile auch entdeckt und mehrere Leute im Zuge dessen festgenommen. Die Ermittlungen waren noch lange nicht abgeschlossen, doch es lag den zuständigen Leuten sehr am Herzen diesen Fall zu verfolgen. Jeder noch so kleine Erfolg half dabei, Pokémon zu retten und vor dieser Folter zu bewahren.
Julie hatte die Tatsache, dass Flordelis ihr etwas schuldig war, geschickt genutzt, um sich für die Zukunft eine Stelle als seine Assistentin zu sichern. Sobald sie alt genug war, bekäme sie von ihm die entsprechende Einladung dazu. Für Platan war es rührend, zu sehen, wie die schüchterne Julie aus sich herausgekommen war. Darum wollte er Flordelis zu gegebener Zeit daran erinnern, sie wirklich einzustellen, damit er es nicht vergaß – das tat er aber garantiert nicht.
Sina und Dexio dagegen hatten bei Platan angefragt, ob er Assistenten gebrauchen könnte. Darüber hatte er bisher noch nicht ernsthaft nachgedacht, etwas Hilfe konnte allerdings tatsächlich nicht schaden. Also gab er ihnen eine positive Antwort, mit der Bitte, zuvor noch mehr Erfahrungen zu sammeln und ihre Pokémon-Reise zu verlängern. Dieser Bedingung hatten beide äußerst enthusiastisch zugestimmt. In naher Zukunft hätte auch Platan somit großartige Assistenten im Labor.
Wahrlich alles setzte sich passend zusammen.
Auch in der Firma von Flordelis lief momentan alles blendend und sein Bistro erfreute sich nach wie vor größter Beliebtheit.
Wie Flordelis sagte, alles war perfekt.
„Ich muss mich korrigieren“, wandte dieser dann auf einmal ein. „Es fehlt doch noch eine Kleinigkeit, um alles perfekt zu machen.“
Neugierig sah Platan ihn an und nahm dabei einen Schluck Kaffee.
Lächelnd setzte Flordelis sich wieder aufrecht hin und vollführte eine elegante Handbewegung Richtung Fenster. „Ein gemeinsamer Urlaub. Es wird höchste Zeit, dass wir zwei uns zusammen etwas mehr von der Welt ansehen. Letztes Jahr habe ich es nicht angesprochen, weil du dich als Professor einarbeiten musstest. Nun erscheint mir aber der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem wir darüber sprechen können.“
Langsam ließ Platan die Tasse sinken und erwiderte beschwingt: „Ein gemeinsamer Urlaub~! Das klingt wundervoll! Ja, lass uns zusammen wegfahren. Ich wollte schon immer verschiedene Regionen bereisen.“
„Ich weiß“, entgegnete Flordelis charmant. „Du hast schon öfter davon geschwärmt. Vor unserer Hochzeit möchte ich dir diesen Traum daher gerne erfüllen und mit dir verreisen.“
Forschend sah Platan ihn an. „Hm~, und du hast dabei keinerlei eigennützige Gedanken, mein Lieber?“
Gespielt empört griff Flordelis sich an die Brust. „Ich? Bitte, Platan, für wen hältst du mich? Es ist doch verständlich, Zeit mit seinem Verlobten verbringen und dabei besondere Erinnerungen sammeln zu wollen.“
„Natürlich~. Jegliche innige Zweisamkeit in heißen Quellen oder schicken Hotels sind demnach rein zufällig, nicht wahr?“
„Richtig~. Zufällige Ereignisse sorgen bekanntermaßen für die besten Erinnerungen.“
„Wie kann ich da noch glauben, du wolltest mich nur gezielt für dich alleine haben?“
„In der Tat, wie abwegig.“
Nach diesem Hin und her mussten sie beide herzlich lachen. Obwohl sie damals vereinbart hatten, das Scherzen zu unterlassen, konnten sie nicht wirklich damit aufhören. Wenn es ihnen gelang, war es aber ein überaus schöner Moment, der für gute Stimmung sorgte.
Nur Parfi war davon verwirrt. Ihr Blick wanderte zwischen den beiden hin und her, bevor sie zaghaft zwitscherte. Beruhigend kraulte Flordelis sie am Bauch, als er sich genügend gefangen hatte und versicherte ihr, dass sie sich keine Sorgen machen musste.
„Wir haben nur ein wenig Spaß“, erklärte er Parfi.
Schmunzelnd legte Platan eine Hand an sein Kinn. „Da fällt mir ein, Parfi ist noch nie verreist. Ihr wird ein gemeinsamer Urlaub sicher auch Spaß machen.“
In diesem Augenblick schlangen sich zwei cremefarbene Bänder mit herzförmigen Enden – eingefärbt in einem hellen sowie dunklen Blau, mit ein wenig rosa – um sein rechtes Handgelenk. Dabei waren sie so sanft, beinahe hätte er es nicht mal bemerkt, wäre nicht dieses beruhigende Gefühl gewesen, welches ihn dabei durchströmte.
Platan senkte den Blick und nickte lächelnd. „Für dich wird das auch eine neue Erfahrung. Du kannst dich schon mal darauf freuen, Feelinara.“
Ein lieblicher, hoher Ton erklang und ein hellblaues Augenpaar, welches ihn nun noch mehr an Flordelis erinnerte, sah ihn freudig an. Evoli hatte sich entwickelt, zu einer neuen Form, die einmal mehr die Existenz des Feen-Typens bewies. Nun war sie ein Feelinara. Eine Verkörperung von Anmut und Eleganz. Einfühlsam und liebevoll. Mit ihren bandförmigen Fühlern konnte sie beruhigende Wellen aussenden und auf diese Weise Streitigkeiten beenden. Wahrlich ein faszinierendes Pokémon.
Den Namen Feelinara hatte Platan ihr gegeben, da es diese Entwicklung zuvor noch nicht gegeben hatte. All seine Kollegen waren ganz aus dem Häuschen gewesen. Professor Kukui war sogar aus Alola angereist, um sich ihre Attacken anzusehen und die Daten dazu festzuhalten. Noch immer erfüllte es Platan mit Stolz, eine neue Pokémon-Art entdeckt und benannt zu haben.
Plötzlich griff jemand mit langen Felllappen auf der linken Seite nach seinem anderen Arm und stieß dabei einen hellen Laut aus. Wie-Shu.
„Wie könnte ich dich vergessen? Wir werden dich doch nicht einfach hier lassen“, versicherte Platan ihm.
„Wie es aussieht, wird es nicht leicht, dich für mich zu beanspruchen“, merkte Flordelis an, begleitet von einem Seufzer. Sein Lächeln im Anschluss verriet jedoch, dass er es nicht negativ meinte. „Das macht die heißen Quellen umso verlockender. Ich werde mich nach Empfehlungen umhören.“
„Oh, die heißen Quellen in Hoenn sollen traumhaft sein“, schlug Platan sofort vor. „Professor Eibe hat mal in den höchsten Tönen davon gesprochen.“
Nickend machte Flordelis sich eine gedankliche Notiz, zumindest wirkte es so. „Wenn das so ist, machen wir Hoenn zu unserem ersten Ziel. Ich würde gerne noch vor unserer Hochzeit in Ruhe mit dir wegfahren.“
Das klang nach einer guten Idee. Zwar könnten sie die meiste Planung professionellen Leuten überlassen, dennoch dürften die Vorbereitungen für eine Hochzeit stressig sein. Jedenfalls hatte er das schon von einigen anderen Ehepaaren gehört. Da konnte es nicht schaden, vorher mit einem Urlaub durch Entspannung viel Kraft zu tanken. Auch für die Arbeit.
„Damit bin ich mehr als einverstanden“, stimmte Platan daher zu.
„Sehr schön, da wir das nun geklärt haben ...“ Erwartungsvoll nickte Flordelis ihm zu. „Magst du dort weitermachen, wo wir eben stehengeblieben sind? Zu was für einer Erkenntnis hat es dich geführt, dass die Farbe der Blüten von Flabébés mit deren Feenkraft zusammenhängt? Ich bin sehr interessiert daran das zu hören.“
Es freute Platan sehr, dass Flordelis auch noch den Rest hören wollte. „Fein, fein~. Wenn das so ist, erzähle ich dir gerne mehr. Keine Sorge, ich werde auch noch fertig, bevor wir zur Arbeit aufbrechen müssen.“
„Was bedeutet, du wirst nicht mehr dazu kommen zu frühstücken“, hielt Flordelis fest. „Daran bin ich diesmal nicht ganz unschuldig. Ich habe aber schon beschlossen, dich später zum Mittagessen abzuholen. Also nur zu, rede so viel, wie du willst.“
Solange Feelinara und Wie-Shu ihn festhielten, könnte Platan ohnehin nicht essen. Und er wollte sie auch nicht darum bitten loszulassen, denn er wusste, wie wichtig ihnen diese Zuneigungsbekundungen waren.
... Eventuell war Platan auch froh darüber, nicht zwingend essen zu müssen, was Flordelis sicher ahnte. Gerade hatte er einfach keinen Hunger. Immerhin war er prall gefüllt mit Glück. Jeder Tag mit Flordelis und den Pokémon machte ihn unendlich glücklich. Jedes noch so gewöhnliche Ereignis mit ihnen erfüllte ihn, so wie dieser Morgen am Frühstückstisch.
Wie Flordelis ihm aufmerksam zuhörte.
Wie Parfi dabei zufrieden auf seiner Schulter saß.
Wie Feelinara ihre Bänder um sein Handgelenk schlang.
Wie Wie-Shu nach wie vor nicht von seiner Seite wich.
Und wie gut der Kaffee schmeckte.
All diese Dinge machten Platan glücklich und brachten sein Herz zum Blühen. Sein Leben könnte er sich gar nicht mehr anders vorstellen.
Ohne Flordelis wäre er nun nicht hier.
Er war das mutmachende Loderlied in seinem Inneren. Er las Platan wie ein Willensleser jeden Wunsch von den Augen ab. Er war der Rückenwind, der einem Antrieb verlieh.
Dafür war Platan mehr als dankbar. Wie sehr, das ließe sich niemals in Worte fassen. Jeden Moment betrachtete er als kostbaren Schatz, den er schützen und behüten wollte.
Für immer.
Chapter 8: Extra: Ist es falsch, wenn ich das zu sehr genieße?
Summary:
Ein kleines Extra, aus der Sicht von Flordelis. ♥
Ich empfehle, dieses Kapitel erst nach dem Epilog zu lesen.
Diese Szene findet kurz nach Kapitel 4: Du bist nicht egoistisch statt. Eigentlich wollte ich Kapitel 4 für reichlich Fanservice nutzen, den ich nun hier ein bisschen untergebracht habe. >:3
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
Obwohl Platan und Flordelis nun seit fast zwei Jahren zusammen waren und regelmäßig innige Momente miteinander teilten, reagierte sein Partner noch immer überaus empfindlich auf seine Berührungen. Vor allem, sobald er mit den Fingern über dessen Haut fuhr. Und das ... machte die momentan Situation ein wenig schwierig für Flordelis.
Da Platan krank war, hatte er sich vorgenommen ihn gesund zu pflegen. Sich gar darauf gefreut, was im Grunde schon unangebracht war. Leider fehlte ihm allerdings die Erfahrung, denn bisher hatte Flordelis sich niemals um einen Kranken kümmern müssen und er selbst konnte sich glücklich darüber schätzen, stets gesund zu sein. Nur dank einiger geduldiger Erklärungen von Madame Perrine wusste er nun etwa, was er überhaupt tun konnte, um Platan während dieser Phase etwas Linderung zu verschaffen.
Eine Empfehlung von Madame Perrine war Erkältungssalbe, die nicht nur dabei helfen sollte verstopfte Atemwege wieder etwas zu befreien, sondern auch Reizhusten zu mildern. Genau das, was Platan dringend benötigte.
Also saß Flordelis nun im Schlafzimmer auf dem Bett und rieb ihn mit dieser Salbe ein. Mit dem Rücken war er schon fertig, nun massierte er sie ihm auch noch sanft in die Brust ein. Dabei erzitterte Platans Körper immer wieder, ähnlich wie in den Momenten, wenn er zärtlich zu ihm war. Genau das lenkte Flordelis viel zu sehr ab.
Platans Reaktionen machten ihn wieder darauf aufmerksam, wie weich sich seine Haut anfühlte und wie zerbrechlich er gebaut war. Nahezu feenhaft.
Beschämt bemühte Flordelis sich darum diese Gedanken niederzukämpfen, da dafür nun wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt war. Momentan ging es darum, Platan zu helfen. Nichts anderes. Darum konzentrierte Flordelis sich umso mehr darauf, die Salbe gleichmäßig zu verteilen und keine unnötigen Berührungen auszuführen, egal wie sehr er sich auch dazu verleitet fühlte.
Das Vertrauen von Platan wollte er auf keinen Fall missbrauchen.
„... Alles in Ordnung?“, fragte dieser ihn leise – seine Stimme klang besorgniserregend brüchig und erschöpft.
„Ja, keine Sorge“, antwortete Flordelis souverän. „Warum fragst du?“
„Oh, du machst nur so ein ernstes Gesicht. Darum war ich besorgt.“
„Wirklich?“ Er hielt beim Eincremen inne und hob den Blick. „Entschuldige, ich-“
Sofort stockte Flordelis der Atem.
Dieser Anblick ...
Die Wangen von Platan waren stark gerötet und ein leichter Schweißfilm lag über seinem Gesicht. Dazu die sonst so perfekt frisierten Haare, welche ihm gerade unordentlich ins Gesicht fielen. Der etwas glasige Blick und dieses unschuldige, sanfte Lächeln ...
Flordelis' Herz übersprang vor Verzückung einige Takte.
Wie konnte dieser Mann nur so unglaublich schön sein? Obwohl er gerade krank war?
„Ich ... ich habe nur überlegt, dass ich es nicht übertreiben sollte“, fuhr Flordelis fort, äußerlich gefasst, während in seinem Inneren eine Hitzewelle aus Emotionen explodierte. „Das sollte genug Salbe sein.“
Nach diesen Worten zog Flordelis sich zurück und stand auf.
Während er die Tube der Salbe schloss, warf er nochmal einen flüchtigen Blick zu dem Patienten. „Fühlst du dich schon etwas besser?“
„Ja ...“ Das Lächeln von Platan nahm eine noch wärmere Note an. „Vielen Dank, mein Lieber.“
Das ... war gefährlich.
Rasch versicherte Flordelis, keinen Dank zu benötigen, da er sich gerne um Platan kümmerte. Danach bat er ihn darum, sich das Oberteil wieder anzuziehen, solange er die Suppe für ihn aus der Küche holte. Mit dieser Ankündigung schritt Flordelis, wahrscheinlich viel zu zügig, Richtung Tür und verließ den Raum.
Erst als er um die nächste Ecke gebogen war, hielt er an und lehnte sich gegen die Wand, bevor er tief durchatmete.
Was ist nur los mit mir?
Sich derart angezogen von Platan zu fühlen, war zu einer Zeit, in der er krank war, einfach falsch. Oder hatte Flordelis sich insgeheim genau deswegen um ihn kümmern wollen, wenn er krank war? Nein, solche niederen Motive sahen ihm nicht ähnlich. Dafür hatte Flordelis sich zu gut im Griff.
Andererseits ... war Platan der einzige Mensch, dem es spielend leicht gelang ihn aus dem Konzept zu bringen, ohne es wirklich zu beabsichtigen. Diesem Mann war Flordelis einfach viel zu sehr verfallen. Aber konnte man es ihm verübeln?
Platan war in jeder Hinsicht liebenswert. Keine Worte könnten beschreiben, wie hinreißend er war. Gutherzig und selbst im geschwächten Zustand noch dazu fähig ein Lächeln auf den Lippen zu tragen.
Seufzend presste Flordelis eine Hand auf seine Brust, in der sein Herz viel zu kräftig schlug.
„Platan ...“, hauchte er überwältigt. „Ist es falsch, wenn ich das zu sehr genieße?“
In solchen Momenten bemerkte Flordelis, wie unerfahren er noch war. Schließlich war Platan seine erste Beziehung und der Mann, mit dem er bis ans Ende seiner Tage leben wollte. War es verwerflich, ihn in so einer Lage attraktiv zu finden?
Da Flordelis ihn mit Respekt behandelte, würde er nichts tun, was wirklich unangebracht wäre. Demnach sollte es in Ordnung sein. Zumindest sagte er sich das, um nicht erneut vor Verlegenheit die Flucht ergreifen zu müssen und sich weiterhin um ihn kümmern zu können.
Zum Glück aßen die Pokémon gerade alle. Einen wissenden Blick von Pyroleo hätte Flordelis nur schwer ertragen können, ohne sich zu verraten.
Nachdem Flordelis sich ausreichend gefangen hatte, setzte er sich wieder in Bewegung und ging, etwas entspannter als zuvor, Richtung Küche. Als nächstes würde er Platan die Suppe anreichen, die Madame Perrine gestern für ihn gekocht hatte. Sicher dürfte sie dabei helfen seine Halsschmerzen zu lindern, den der Reizhusten mit sich brachte ... von dem Flordelis seit dem Auftragen der Salbe nichts mehr hörte.
Das stimmte ihn sehr zufrieden.
Also sah er auch dem nächsten Schritt zuversichtlich entgegen. Und mit Herzklopfen.
Notes:
Wie hätte Flordelis sich noch nach dem Heiratsantrag zurückhalten sollen? ♥
Er hat aber anständig gewartet, bis es Platan wieder gut genug ging.
Someone_Named_Jessica on Chapter 1 Tue 01 Jul 2025 11:43AM UTC
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