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Die Hexenleiter

Summary:

Die drei Fragezeichen untersuchen für einen Fall Einbrüche bei ein paar abgedrehten Influencern in LA, bei denen angeblich verfluchte Gegenstände hinterlassen werden.

Bob ist währenddessen absolut blind für den riesigen, winkenden Zaunpfahl vor seiner Nase. Er datet wild umher und fragt sich, warum er nie tiefere Gefühle aufbaut. Und er verbringt eh viel lieber einfach Zeit mit Peter. Ob er wohl drauf kommt, wenn die drei Fragezeichen im Laufe ihres Falls die Bekanntschaft einer queeren Freundesgruppe machen?

Notes:

Hiii :) Willkommen in meiner neuen Case-Fic, ich bin ganz aufgeregt 🥰 Das erste Kapitel ist schon bestimmt seit zwei Wochen fertig, aber ich konnte mich nicht für einen Titel entscheiden :D Jetzt habe ich es geschafft, aber ich weiß immer noch nicht, ob ich so richtig zufrieden bin. Also bitte seid mir nicht böse, wenn ich das Ganze nochmal umbenenne irgendwann :D
Freue mich schon ganz ganz doll darauf, diesen ganzen Fall zu entfalten und bin sehr happy über alle, die mitlesen :) Schicke euch Liebe! 🫶🏻
Chris

PS: Das Kapitel ist korrekturgelesen von @Milopoli, wie so oft. Ohne Milo hätte ich mal wieder viel zu viele Wortdopplungen und unnötige Füllwörter hier drin :D

Chapter 1: Kapitel 1: Die Zahnpasta

Chapter Text

Als Bob aufwachte, war er nicht in seinem eigenen Zimmer. Er streckte sich und gähnte. Es war noch halb dunkel, wo er war – die zugezogenen Vorhänge schirmten die Morgensonne gut ab und nur ein paar Lichtstrahlen warfen dünne, längliche Formen durch das Zimmer. Bob rieb sich die Augen. Vor seiner Nase lagen lange schwarze Haare. Ach ja. Lexi. Langsam kamen die Erinnerungen an sein gestriges Date wieder zurück. Behutsam strich er die Haare ein bisschen zur Seite, sodass er sich aufrichten konnte, ohne sich aus Versehen darauf abzustützen.

So leise er konnte stand er auf und suchte sich seine Sachen zusammen. Wahnsinnig vorsichtig zog er sich die Hose hoch, sodass der Gürtel bloß kein klimperndes Geräusch machte – das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, dass Lexi aufwachte. Nicht besonders Gentleman-like, sich jetzt einfach wegzuschleichen, das wusste er, aber darum konnte er sich später kümmern.

Es war zwar nett gewesen mit ihr, aber gefunkt hatte es nicht wirklich. Nicht weiter überraschend für Bob. Er kannte das schon. Das passierte ihm nicht zum ersten Mal. Manchmal fragte er sich, ob es jemals mit irgendeinem Mädchen funken würde, aber der hoffnungslose Romantiker in ihm hatte noch nicht aufgegeben. Irgendwann würde es schon noch klappen. 

Er wusste nicht mal, was ihn an Lexi wirklich störte. Sie war total nett und hübsch – Bob hatte wirklich nicht das geringste an ihr auszusetzen. Sie war witzig und herzensgut und überhaupt war es echt angenehm, sich mit ihr zu unterhalten. Darüber hinaus konnte sie auch noch gut küssen, der Sex war in Ordnung. Naja. Es war halt alles irgendwie okay. Aber gleichzeitig haute es Bob alles irgendwie nicht um. Er hätte gar nicht sagen können, was Lexi hätte anders machen können, damit es ihn umgehauen hätte. Egal. Das war jetzt nicht wichtig. Wichtig war, dass Bob hier rauskam, und zwar ohne, dass Lexi es mitbekam.

Es fehlte jetzt nur noch das Shirt. Er hob es vom Boden auf und zog es sich über. Ein letztes Mal blickte er auf das bildhübsche, schlafende Mädchen herunter, dann schlich er durch die Tür und zog sie so leise es ging hinter sich zu. 

Er war in einem Wohnheim, irgendwo auf dem UCLA-Campus. Er konnte sich noch ganz gut daran erinnern, in welche Richtung er gestern Abend mit Lexi gegangen war. Dumm nur, dass er sein Auto nicht hier hatte. Er würde sich ein Uber rufen müssen. Unten an der Eingangstür angekommen zückte er sein Handy und entsperrte es. Er schwebte schon mit seinem Daumen über dem Uber-Symbol, als das Handy unvermittelt klingelte. Bob zuckte so sehr zusammen, dass er das Handy fast fallen ließ. Peters Gesicht strahlte ihn von seinem Bildschirm an. Er hob ab.

„Ja, was gibt’s?“ Seine eigene Stimme klang rau, belegt und fremd. Er fühlte sich irgendwie eklig. So ganz ungeduscht mit ungeputzten Zähnen.

„Bob, ist alles okay bei dir?“ 

Peters Stimme löste sofort ein vertrautes Gefühl in Bob aus. Er lächelte. „Ähm… ja, warum?“

„Wir suchen dich“, sagte Peter vorwurfsvoll. „Wir wollten doch jetzt zu Mrs Fisher.“

Bob stockte. „Oh.“ Ach ja, der neue Fall. Mist.

„Und du bist nicht zu Hause, die ganze Nacht schon nicht. Wo bist du denn?“

„Äh… Irgendwo auf dem Campus“, sagte Bob und suchte mit den Augen nach irgendwelchen Hinweisen, die ihm sagen könnten, wo genau er sich eigentlich befand. 

„Okay, kommst du dann allein ins Valley oder sollen wir dich irgendwo abholen?“

„Ich hab mein Auto in Rocky Beach. Wäre es okay, wenn ihr mich holt? Liegt auch fast auf dem Weg, oder?“ Er grinste und konnte förmlich vor sich sehen, wie Peter die Augen verdrehte.

„Ja, schick mir einfach nen Standort.“

„Mache ich, danke. Und, äh, Peter?“

„Hm?“

„Kannst du mir meine Zahnbürste und Zahnpasta mitbringen? Und Deo?“ 

„Mache ich“, murmelte Peter zähneknirschend. „Bis gleich.“

„Bis gleich“, rief Bob fröhlich zurück.  

 

Es dauerte nicht lange, bis Peters MG auf dem Parkplatz auftauchte, den Bob ihm geschickt hatte. Bob kletterte grinsend auf den Rücksitz. Sie hatten lange keinen Fall mehr gehabt. Es war schön, mal wieder ein bisschen Detektivarbeit machen zu können, nachdem jetzt die Klausurenphase rum war. Und es war auch einfach schön, die beiden zu sehen – das war ja vielleicht auch ein Zeichen, dass es mit Lexi nicht passte. Die Anwesenheit von seinen beiden Kollegen fühlte sich für Bob gleich viel angenehmer an, als das Date gestern – so nett Lexi auch war. 

Justus warf ihm jetzt vom Beifahrersitz einen Jutebeutel in den Schoß. „Hier, Dritter, wir haben dir sogar ein frisches T-Shirt mitgebracht. Aber deine Unterwäscheschublade wollte keiner von uns anfassen, so weit geht unsere Freundschaft dann doch nicht.“  

„Ihr seid die Besten!“ Bob strahlte.

„Wissen wir“, sagte Peter und sah ihn genervt über den Rückspiegel an, während er das Auto vom Uniparkplatz manövrierte. 

Bob zog sich sein Shirt über den Kopf und ließ es neben sich auf den Sitz fallen. Dann streifte er sich schnell das frische aus dem Jutebeutel über. Er fühlte sich sofort viel besser. Dann sprühte er sich schnell ein wenig Deo unter die Arme.

„Wirst du uns jetzt verraten, wo du warst, Kollege?“, scherzte Justus. „Lass mich raten: Es war nicht die Eine.“

„Ha-ha, sehr witzig, Erster.“

Justus zuckte mit den Schultern.

„Sie heißt Lexi. Und ja, ich denke tatsächlich nicht, dass sie die Eine ist, aber das ist ja auch nicht schlimm. Es kann schließlich nicht jeder mit gerade mal 18 eine weibliche Version von sich selbst treffen und dann mit ihr Nerddates bis zum Umfallen haben. Manche Leute müssen halt auf ein paar mehr Dates gehen, bis es klick macht.“

„Ich finde nicht, dass Franca eine weibliche Version von mir ist“, verteidigte Justus seine Freundin, „aber ich verstehe, was du sagen möchtest. Es zeugt von Durchhaltevermögen, es immer wieder zu versuchen.“

Bob lachte. „Just, das war ja fast ein Kompliment!“

„Freu dich nicht zu früh, Kollege. Nur weil du Durchhaltevermögen hast, heißt das nicht, dass du in die richtige Richtung rennst.“

Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Was soll das denn heißen?“

„Kommst du schon noch drauf, das ist jetzt nicht wichtig“, sagte Justus und sah aus dem Fenster. 

Bob überlegte kurz, ob er versuchen sollte, zu erraten, worauf ihr Erster hinauswollte, aber eigentlich würde das eh nichts bringen. Justus war grundsätzlich schwierig zu verstehen und wenn es etwas gab, das er einem vorenthielt, musste man für gewöhnlich einfach geduldig warten, bis er irgendwann die Güte besaß, einen einzuweihen. Und überhaupt war es sowieso fraglich, ob man von Justus Jonas Liebesberatung einfordern wollte. Klar – er war gerade der Einzige von ihnen, der vergeben war, aber das hieß ja nichts. Die Beziehung, die er mit Franca führte, war den meisten Leuten ein Rätsel. Es war manchmal, als wären die beiden von einem entfernten intellektuellen Planeten, mit ihrer eigenen Aliensprache. Nichts gegen Franca – sie war wahnsinnig nett und Bob hatte nichts an ihr auszusetzen – aber die Beziehung der beiden durchstiegen Peter und Bob nicht.

„Bob!“, holte Justus ihn wieder aus seinen Gedanken.

 Bob schüttelte sich. „Hm?“ Er sah Justus an.

Der erste Detektiv drehte sich halb in seinem Sitz nach hinten und musterte ihn.

„Ich habe dich gefragt, was du mit deiner Zahnbürste willst. Wir haben sie dir mitgebracht, wie du angefordert hast, aber du willst doch wohl nicht hier in Peters MG deine Zähne putzen, oder?“

„Da wäre ich tatsächlich dagegen“, bestätigte Peter. „Ich habe hier am Wochenende erst saubergemacht.“

Hm, darüber hatte Bob irgendwie noch nicht nachgedacht. Unpraktisch. „Ehm…“

„Zumal wir gleich da sind“, fügte Peter hinzu.

Bob überlegte. „Vielleicht können wir kurz irgendwo anhalten?“

Er sah im Spiegel, wie Peter die Augen verdrehte. Der zweite Detektiv seufzte. „Naja, wir sind früh dran. Vielleicht gibt es hier noch etwas? Nen McDonalds oder so?“

Justus zeigte nach vorne durch die Windschutzscheibe. „Da vorne ist ein Café. Die haben bestimmt eine Toilette.“

„Nehm ich“, sagte Bob.

Peter setzte den Blinker, lenkte das Auto souverän von der Straße und machte schließlich vor dem Café Halt. Es hieß Moonbeans und es sah schon recht gut besucht aus. Es war ja mittlerweile fast neun Uhr. Bob nahm seine Zahnpasta und Zahnbürste und steckte sie in die hintere Hosentasche, sodass er seine Jacke unauffällig darüber fallen lassen konnte. Dann stiefelte er mit seinem unschuldigsten Lächeln in den Laden.

Das Café war modern in Blautönen eingerichtet und es lief fröhliche Musik. Der Kaffeegeruch erinnerte ihn daran, dass er dringend Koffein gebrauchen könnte. Egal, das war jetzt nicht seine Mission.

Hinter der Theke stand ein schüchtern wirkendes Mädchen mit aschblondem Haar, die ein paar Servietten sortierte. Ihre langen, etwas strubbeligen Haare fielen nach vorne, sodass ihr halbes Gesicht dahinter versteckt war.

„Hey, wäre es okay, wenn ich kurz eure Toilette benutze?“

Das Mädchen zuckte zusammen, musterte ihn kurz, nickte dann kaum merklich und zeigte in eine Ecke des Raumes, in der ein „all gender restroom“-Schild hing. Bob lächelte ihr dankbar zu und steuerte auf die Tür zu. Er schloss sich ein und betrachtete sich in dem stickerbeklebten Spiegel. Oh man, er sah echt ziemlich fertig aus. Kurzentschlossen drückte er auf den Seifenspender und wusch sich schnell das Gesicht. Es war Olivenölseife, die fühlte sich eigenartig auf der Haut an. Dann sah er sich im Raum um. Nur Papierhandtücher. Doof. Egal. Er wischte sich kurz mit dem T-Shirt das Gesicht ab. 

Während er seine Zähne putzte, dachte er wieder an Justus’ Worte. Warum fand Justus, dass er in die falsche Richtung rannte? Peter hatte doch auch ständig Dates, die nirgendwo hinführten. Was war denn daran falsch? Und was sollte das denn bitte heißen? In welche Richtung sollte er denn stattdessen laufen? Sollte er einfach dumm rumsitzen und warten, bis ihm die Frau fürs Leben durch eine himmlische Wegweisung im Traum offenbart wurde? Wie er es auch drehte und wendete – es ergab keinen Sinn. Naja. Vielleicht musste man das auch nicht verstehen. Vor allem, wenn es von Justus kam. Den verstand man oft nicht. Vielleicht musste man das jetzt einfach so stehen lassen und warten, ob er sich irgendwann erklären wollte.

Bob spuckte den Zahnpastaschaum ins Becken und spülte alles herunter. Dann verstaute er sein Zahnputzzeugs wieder in der Hosentasche und betrachtete sich noch ein letztes Mal im Spiegel. Er sah jetzt definitiv salonfähiger aus. Und er war froh, dass er noch ein richtiges Badezimmer gefunden hatte. Sich am Straßenrand die Zähne zu putzen wäre definitiv nerviger gewesen. Hier war es wenigstens sauber und es gab fließendes Wasser. 

Das Bad hier wirkte tatsächlich beinahe makellos. Vielleicht musste es das sein – mitten im Valley, bei den ganzen reichen Leuten. Die wenigen Sticker auf dem Spiegel wirkten da fast ein bisschen fremd. Auf einem stand #freetheboobies, auf einem anderen war ein Hirschgeweih, auf wieder einem anderen war Disneys Robin Hood zu sehen, daneben ein Werbesticker einer Megachurch. Willkommen in den USA.

Bob bahnte sich seinen Weg zurück zum Ausgang, warf der Barista noch einmal einen dankbaren Blick zu und setzte sich ins Auto.

„Na, bereit, das Herz unserer Klientin mit deinem strahlenden Lächeln zu erobern?“, scherzte Peter und startete den Wagen.

„Hat die nicht ‘ne Familie?“

Justus zuckte mit den Schultern. „Es gibt Menschen, die offene Beziehungen führen.“

„Ja, aber dann hast du keinen Familien-Vlog-Channel auf Youtube mit deiner unfassbar weißen, vermutlich Trump-wählenden Familie.“

„In der Tat würde dieser Umstand nicht in das Bild passen, das wir bisher von unserer Klientin gewinnen konnten. Dennoch sollten wir zunächst keine voreiligen Schlüsse ziehen – auch wenn ich zugebe, dass ihr Beziehungsstatus vermutlich nicht von großer Wichtigkeit für unsere Ermittlungen sein wird“, schlaumeierte Justus.

„Sie hat uns übrigens heute Morgen nochmal angerufen“, warf Peter ein. „Sie wollte fragen, ob sie uns für ihren Channel filmen darf. Hat uns sogar ein Prozent der Werbeeinnahmen angeboten.“

„Ernsthaft?“, entfuhr es Bob.

„Wir haben selbstverständlich abgelehnt“, erklärte Justus. „Sie wirkte deutlich enttäuscht, wollte aber dennoch unsere Dienste in Anspruch nehmen.“

Bob lachte. „Na, ein Glück.“ Eine Youtube-Berühmtheit wollte er nun wirklich nicht werden.

Chapter 2: Kapitel 2: Die Strickliesel

Summary:

Wir lernen den Fall ein bisschen kennen :)

Notes:

Hello :) Ich bin mal wieder krank im Bett und kann nicht groß was machen, deshalb kriegt ihr jetzt schon das neue Kapitel, obwohl das andere erst zwei Tage alt ist :D Bin ungeduldig und weiß nichts mit mir anzufangen...
Wie ihr seht, habe ich die Geschichte jetzt tatsächlich nochmal umbenannt. Irgendwie finde ich es so besser. Das andere war mir zu ambiguous.

Korrekturgelesen von Milo <3

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Wie fast alle Wohnhäuser im San Fernando Valley, war die Villa der Familie Fisher riesig. Der Eingang war von Säulen umrahmt, das Haus hatte gigantische Fenster und hohe Decken – von der Größe der Eingangstür zu urteilen. Beim Aussteigen sah Bob sich um und musste schmunzeln. Peters MG sah richtig fremd aus in der Auffahrt. Die Buchsbaum-Büsche waren zu perfekten kleinen Kugeln zurechtgeschnitten, das Gras war grün und haargenau gemäht und selbst der Kies in der Auffahrt sah aus, als wäre er handgesiebt. Er war auch zu hell für Kies. Da hatte jemand nur die weißen Steine gesammelt. Gab es für sowas Maschinen?

„Hiiiiiiii!“, sang jetzt eine hohe Stimme hinter Bob. Er drehte sich um und sah eine blonde junge Frau in der Tür stehen, die sie breit angrinste und ihnen energisch zuwinkte. Auf ihrem Arm trug sie ein kleines blondes Kind, das vielleicht ein Jahr alt war. „Wie schön, dass ihr da seid! Habt ihr gut hergefunden?“

Irgendwie hatte die Frau eine Babystimme, fand Bob. Beziehungsweise, die Stimme einer Person, die ständig mit Babys in Babysprache sprach. Ja, das war es.

„Ja, hat alles super geklappt“, erklärte Justus jetzt höflich. „Ihre Wegbeschreibung war sehr hilfreich.“

„Supiii“, rief Mrs Fisher, „dann kommt mal rein!“

Bob warf Peter einen Blick zu. Peter blickte amüsiert zu ihm zurück. Bob wusste genau, was er dachte. Peter konnte Menschen nicht leiden, die eine Fassade aufsetzten und Mrs Fisher wirkte so unecht, wie man nur sein konnte.

Wenn Bob das Haus der Fishers mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es ‚beige‘. Das Haus war unfassbar beige. Die Sofas waren beige, die Teppiche, die Gardinen. Die Wände waren alle weiß oder eben auch beige. Und auch die Kinder waren entweder in altrosa, braunen, beigen, weißen oder sanft-blauen Sachen gekleidet. Bob stellte sich dicht neben Peter und beugte sich zu ihm herüber. „Also, mir ist ja klar, dass wir auch weiß sind, aber das hier ist die weißeste Familie, die ich je gesehen habe“, nuschelte er ihm zu. Peter prustete. Bob biss sich auf die Lippe und versuchte, sich zusammenzureißen. Peter tat das gleiche, stellte sich etwas aufrechter hin und setzte ein etwas künstlich höfliches Lächeln auf. Es war wohl besser, wenn sie einander nicht ansahen, sonst würden sie gleich loslachen.  

„Aaaalso, fühlt euch wie zu Hause“, sagte Mrs Fisher jetzt strahlend. „Und entschuldigt die Unordnung. Die Kinder lassen immer überall ihr Zeug liegen.“

Bob sah sich um. Es gab hier keine Unordnung. Alles sah makellos aus. Vielleicht sollte er Mrs Fisher mal sein Zimmer besichtigen lassen. Die würde ja aus allen Wolken fallen.

Gerade liefen zwei Mädchen auf Steckenpferden vorbei. „Das sind unsere Zwillinge“, erklärte Mrs Fisher. „Leightyn und Braxleigh. Die beiden sind sieben. Ocean ist gerade beim Kinderturnen, der ist 4. Und das hier ist Tuesday, die ist achtzehn Monate alt.“ Sie legte Tuesday, die sie gerade auf dem Arm hatte, sanft die Hand auf den Kopf. Dann streichelte sie sanft ihren Bauch. „Und unsere Nummer 5 ist noch in Arbeit. Im Mai ist es so weit. Er wird Sunderland heißen.“

Die drei Fragezeichen nickten anerkennend. Bob gab sein Bestes, die Klappe zu halten. Am liebsten hätte er bei allen Babynamen nochmal darum gebeten, dass sie sie ihnen ausbuchstabierte, aber das war vermutlich unhöflich. Also hielt Bob seinen Mund geschlossen. 

„Ach so, und mich dürft ihr gern Karissa nennen.“ Sie lächelte in die Runde. „Seid ihr euch sicher, dass ihr nicht gevloggt werden wollt? Das würde wirklich durch die Decke gehen, so ein Video mit echten Detektiven.“

Die drei Fragezeichen lächelten gequält. „Nein, danke“, sagte Bob. „Wir sind zwar schon oft in der Zeitung gewesen, aber YouTube ist uns dann doch eine Nummer zu groß.“

„Ebenso denke ich, dass es unsere Ermittlungen behindern könnte, wenn die Öffentlichkeit über unseren Auftrag Bescheid wüsste. Wir können sehr viel besser ermitteln, wenn uns niemand erkennt“, fügte Justus hinzu.

„Schade“, sagte Karissa, „aber das ist natürlich ein gutes Argument. Dann sollte ich vielleicht auch nicht in meinen Vlogs erwähnen, dass ich jemanden angeheuert habe, oder?“

„Vermutlich“, sagte Peter mit seinem freundlichsten Lächeln. 

Karissa presste die Lippen zusammen und nickte. Eine kurze Stille entstand.

Dann räusperte sich Justus. „Karissa, du hast am Telefon gesagt, dass hier eingebrochen wurde? Würdest du uns genauer vom Tathergang berichten?“

Karissa sah Justus an. „Ja, natürlich. Komm, wir setzen uns ins Wohnzimmer. Wollt ihr eine Limo?“

„Gern“, sagte Peter.

Sie folgten ihr ins Wohnzimmer, wo bereits eine große Karaffe mit rosa Limonade stand. Die Jungs setzten sich und Karissa legte das Tuesday-Baby auf eine kleine braune Spieldecke in der Ecke. Dann schenkte sie ihren Gästen Getränke ein und setzte sich in einen freien Sessel.

„Also, der Einbruch“, begann sie und strich sich dabei mit den perfekt manikürten Fingern durch ihre perfekten Dyson-Airwrap-Locken. „Es ist ja alles ganz schrecklich. Wenn man sich nicht mehr sicher in seinem eigenen Haus fühlt…Furchtbar. Und das obwohl wir eine Alarmanlage haben.“

„Da war jemand Profi“, sagte Peter.

„Vermutlich“, seufzte Karissa. „Aber es ist auch komisch. Es wurde gar nicht so viel geklaut. Klar – ein paar elektronische Geräte, Designertaschen, ein bisschen Geld… Aber es ist jetzt auch nicht die Welt.“

Bob nickte und überlegte. Wenn ihm ‚ein paar elektronische Geräte und Geld‘ geklaut würden, wäre das für ihn vermutlich schon die Welt. Und Designertaschen waren doch auch teuer, oder? Aber die Familie Fisher lebte wohl offensichtlich nach anderen Maßstäben als ein Student.

„Habt ihr denn der Polizei Bescheid gegeben?“, fragte Bob.

„Ja, natürlich“, beteuerte die junge Mutter, „die haben wir sofort verständigt. Wir sind ja auch nicht die Einzigen, die beraubt wurden.“

„Oh“, machte Justus, „heißt das, dass es noch weitere Opfer in der Nachbarschaft gibt?“

Karissa machte einen Hundeblick. „Ja, es ist schlimm.“

„Okay“, sagte Peter, „und wie lang ist das alles her? Tappt die Polizei im Dunkeln? Oder gibt es einen anderen Grund, warum du zusätzlich Detektive anheuern möchtest?“

„Ah, ach so, ja“, machte Karissa und sprang auf. Sie lief zu einer abschließbaren Kommode, holte einen Schlüssel aus ihrer Hosentasche und schloss die oberste Schublade auf. „Ich wollte nicht, dass die Kinder das in die Hände kriegen.“ Mit ihren Fingerspitzen zog sie ein etwas längeres weißes, verknotetes Band aus der Schublade, an dem Federn und vielleicht Knochen oder Holz befestigt waren. Sie trug es zum Couchtisch herüber und legte es dort ab.

„Den Diebstahl, beziehungsweise den Einbruch an sich, der vorgestern Abend passiert ist, wird die Polizei schon irgendwie allein hinkriegen. Was mich viel mehr bewegt, ist das hier. Ich möchte, dass ihr euch hiermit beschäftigt. Ich habe gehört, ihr habt Erfahrung mit mystischen Gegenständen?“

Bob betrachtete das hässliche Objekt, das vor seiner Nase lag. Es sah ein bisschen aus, wie ein Kinder-Bastel-Projekt. Er wusste wirklich nicht, was das sein sollte. Peter schien es ähnlich zu gehen. „Was ist das denn, wenn ich fragen darf?“

Karissa setzte einen besorgten Blick auf und sprach leise weiter. „Das ist eine sogenannte Witches‘ Ladder.“

„Eine Hexenleiter?“, antwortete der zweite Detektiv. „Ich dachte, Hexenleitern sind diese Papier-Ziehharmonikas, die man im Kindergarten bastelt.“

„Das sind Hexentreppen“, erklärte Justus.

„Ah, stimmt ja“, sagte Peter.

„Das hier ist ein Hexengegenstand“, erklärte Karissa. „Den habe ich auf der Kommode in unserem Schlafzimmer gefunden, direkt nach dem Einbruch. So eine Witches‘ Ladder benutzen Hexen und andere okkulte Leute, um jemanden zu verfluchen. Ich bin mir sicher, dass er dämonisch belastet ist – oder zumindest war. Ich will so etwas eigentlich nicht im Haus haben, aber ich wollte sie euch zumindest noch zeigen, bevor ich sie im Wald verbrenne. Mein Mann und ich haben die Dämonen schon mit Gebet aus dem Gegenstand ausgetrieben, aber man weiß ja nie. Wenn man so etwas zu lange behält, kommen die Dämonen vielleicht zurück. Da muss man vorsichtig sein. Ich will dem Teufel nicht die Tür öffnen.“

Bob überlegte und versuchte, zu verarbeiten, was die junge Frau ihnen gerade erläuterte. Dieser Faden hier mit den Knoten und den Federn drin wurde einem Exorzismus unterzogen? Machte diese Karissa sowas öfter? Das war ja wirklich eigenartig. Er sah zu Peter herüber, der besorgt die hässliche Bastelkunst musterte. Hoffentlich hatte er jetzt nicht wirklich Angst vor irgendwelchen Dämonen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

„Woher hast du denn gewusst, dass dieser Gegenstand vermeintlich dämonisch belastet war?“, wollte Justus wissen. „Haben sich seit dem Einbruch irgendwelche ungewöhnlichen Ereignisse zugetragen?“

„Nein, das konnte ich spüren“, sagte Karissa ganz selbstverständlich, als würde das alles erklären.

Bob tat sein Bestes, verständnisvoll zu nicken. „Okay, ähm“, versuchte er sich zu sammeln, „gibt es denn Menschen, die dir eventuell schaden wollen? Es könnte ja auch sein, dass euch einfach jemand einen Schreck einjagen wollte. Hast du Streit mit irgendjemandem?“

„Streit?“ Karissa sah an die Decke und überlegte. „Nicht, dass ich mich erinnern könnte. Wir kriegen halt viele Hass-Kommentare auf YouTube und auf Reddit gibt es Snark-Seiten über uns.“

„Snark?“, fragte Peter und zog dabei die Augenbrauen zusammen.

„Naja, Leute, die uns nicht mögen und in Internetforen über uns lästern.“

„Kritisieren diese Leute denn etwas Bestimmtes?“, wollte Justus wissen.

„Ach, die nehmen alles auseinander, was wir so machen. Wie wir es wagen können, unsere Kinder zu filmen, unseren Glauben, unsere Ansichten, dass wir unsere Kinder nicht in die Schule schicken und zu Hause unterrichten, dass wir uns nicht impfen lassen… Was die Leute halt alles so stört.“ Sie fuhr sich wieder durch die Haare und lächelte. „Ganz ehrlich, ich lese das alles gar nicht mehr. Das sind einfach Hater, die ein trauriges Leben führen. Was bringt mir das, wenn ich denen Beachtung schenke?“

Vermutlich, dass du was lernen könntest, dachte Bob. Aber das behielt er für sich. Dass man Impfverweigerer kritisierte, hatte ja durchaus Berechtigung. Bei den anderen Themen müsste er vielleicht später mal recherchieren, wie viel der Kritik in Bezug auf diese Familie berechtigt war. Aber vielleicht war das auch gar nicht zielführend. Nur weil man jemanden im Internet kritisierte, brach man ja nicht gleich in deren Haus ein.

„Wie ist denn die Person, die hier eingebrochen ist, überhaupt ins Haus gekommen?“, fragte Peter jetzt. „Du sagtest, ihr habt eine Alarmanlage?“

Karissa verzog das Gesicht. „Wir haben gerade Bauarbeiten in einem Raum, der zum Garten rausgeht. Da war das Fenster gekippt, während wir mit der ganzen Familie im Olive Garden waren.“

„Habt ihr die Baustelle in einem YouTube-Video gezeigt?“, fragte Justus. „Also könnte das jede Person wissen, die eure Videos schaut?“

Karissa zog die Mundwinkel nach unten. „Das hat die Polizei auch schon gefragt. Nein, eigentlich nicht. Wir haben einmal erwähnt, dass in dem einen Zimmer gerade etwas gebaut wird. Aber gezeigt haben wir es nie.“

„Wer weiß denn von den Details der Bauarbeiten?“

„Nur unsere Freunde und Familie würde ich sagen.“

„Könntest du uns eine Liste erstellen?“

Sie sah Justus an. „Ich könnte es versuchen. Aber ganz sicher bin ich mir natürlich nicht.“

Er lächelte. „Das wäre nett. Dann hätten wir etwas, mit dem wir anfangen könnten.“

„Und was uns natürlich auch interessiert“, warf Peter ein, „ist, wer noch beklaut wurde. So eine Liste wäre auch sehr sinnvoll.“

Karissa lächelte. „Mache ich euch.“

Bobs Blick fiel wieder auf die Hexenleiter. „Wurden denn bei den anderen auch solche Witches‘ Ladders hinterlassen?“

„Nicht, dass ich wüsste.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber vielleicht wurde es mir auch nicht gesagt. Ich habe gestern mit ein paar von den Jugendlichen aus diesem TikTok-Haus geredet und sie gefragt. Sie wussten gar nicht, was das ist. Von den anderen weiß ich nichts.“

„Okay“, sagte Justus. „Wo finden wir denn dieses TikTok-Haus? Vielleicht sollten wir mit denen als nächstes reden.“

„Heute sind die nicht da“, sagte Karissa. „Heute ist irgendeine Convention. Das haben sie mir auch erzählt.“

„In Ordnung, wir können ja erstmal mit dieser Hexenleiter anfangen.“ Bob griff nach dem gestrickten Etwas und hielt es mit beiden Händen hoch. „Dürfen wir sie mitnehmen?“

Karissa presste die Lippen aufeinander. „Könnt ihr. Aber seid vorsichtig. Ich würde sie nicht im Schlafzimmer lagern. Davon könnt ihr Alpträume bekommen.“

„Ähm, ja, okay“, sagte Bob mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Wir können sie ja in unsere Küche tun oder so.“

„Also in meiner Nähe muss das Ding nicht sein“, erklärte Peter und verschränkte die Arme vor der Brust.

Bob sah zum zweiten Detektiv herüber und zwinkerte ihm zu. „Ich beschütze dich vor der verfluchten Strickliesel, Peterchen, keine Sorge.“

Notes:

und, was denken wir? :)

Chapter 3: Kapitel 3: Die Ghostbusters

Summary:

ehhh irgendwie gar nicht so viel... ein bisschen world-building, I guess :) Wir lernen ein paar Charaktere kennen.

Notes:

Oh je, ich hab so lang für dieses Kapitel gebraucht. Irgendwie hatte ich ein bisschen ne Schreibblockade. Ich hoffe, ich habe sie überwunden... Wir werden sehen :D

Korrekturgelesen von Milo (@Milopoli) <3

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Sag mal, wer hat der Frau eigentlich ins Gehirn geschissen?“, platzte es aus Peter heraus, sobald sie das Grundstück der Fishers verlassen hatten. Er saß am Steuer und krallte sich etwas zu fest an das Lenkrad.

„Eine wahrlich unangenehme Vorstellung, Zweiter“, beschwerte sich Justus. „Hättest du nicht ein etwas weniger abstoßendes Bild wählen können?“

„Nein, ich mag mein Bild“, erklärte Peter. „Außerdem musst du ja wohl auch zugeben, dass die Frau nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.“

„Wir müssen uns ja nicht mit ihr anfreunden, wir wollen nur den Fall lösen“, warf Bob nun von hinten ein. „Das wäre ja nicht das erste Mal, dass uns die Person, die uns einen Auftrag erteilt, etwas unsympathisch ist.“

„Ganz richtig, Dritter“, lobte der erste Detektiv von vorne.

„Ich mag sie nicht“, sagte Peter patzig. „Und ich will ihre dumme Hexenleiter nicht in unserer Wohnung haben. Was ist, wenn sie tatsächlich verflucht ist?“

„Na, jetzt mach aber mal halblang“, sagte Bob.

„Naja, ist doch so. So viele fragwürdige Ansichten, wie die vertritt und Leuten im Internet eintrichtert? Da kann ich schon verstehen, dass jemand ihr einen verfluchten Gegenstand unterjubeln will. Und wir nehmen das Ding jetzt mit nach Hause? Nein, danke!“ Der zweite Detektiv schnaubte.

„Peter, das Ding ist nicht verflucht“, lenkte Bob ruhig ein.

„Aha? Und woher willst du das wissen?“

„Vertrau mir einfach, okay?“

Peter presste die Lippen aufeinander.

„Wisst ihr, was wir jetzt brauchen, Kollegen?“, sagte Justus in die Stille. „Etwas zu Essen und eine Lagebesprechung. Ich schlage vor, dass wir wieder bei dem Café anhalten.“ Er zeigte durch die Fensterscheibe auf das Café, in dem sich Bob vorhin seine Zähne geputzt hatte. Moonbeans. Peter leistete Folge und lenkte den Wagen erneut auf den Parkplatz.

Beim Aussteigen sah Peter noch immer unzufrieden aus. Er musste eindeutig in den Arm genommen werden, fand Bob. Auf dem kurzen Fußweg in das Café verschnellerte Bob seine Schritte, sodass er zu ihm aufschließen konnte. Dann legte er ihm den Arm um seine Taille und zog ihn zu sich heran. Schnell breitete sich die vertraute Wärme in ihm aus, die Peters Nähe ihm bot. Er versuchte, seinem Freund ermutigend zuzulächeln. „Das Ding ist nicht verflucht, Pete. Da bin ich mir ganz sicher.“

Peter lächelte gepresst zurück und legte seinerseits seinen Arm auf Bobs Schulter ab. Bob kannte den Blick. Es war Peters Art, sich still zu bedanken, wenn er noch keine Worte dafür hatte. Eigentlich wusste Peter, dass ihm bestimmt nichts passieren würde, aber es fiel ihm schwer, jetzt schon daran zu glauben. Das Thema Fluch würde wohl noch ein paar Mal auf den Tisch kommen in den nächsten paar Stunden.

Mit seiner freien Hand stupste Bob Peter auf die Nase und grinste. Jetzt wurde Peters Lächeln doch noch ein bisschen breiter. In einer hastigen Bewegung zog Peter Bob in eine feste Umarmung. Bob grinste in Peters Shirt. Dann hob er den Kopf und legte seine Stirn an Peters. „Das wird alles, okay?“

Peter lächelte. „Okay.“

„He-hem“, machte Justus und betrachtete sie. „Ich würde gerne reingehen und was essen. Kommt ihr mit?“

Bob verdrehte die Augen. „Ja, Chef, ist ja gut.“

In dem Café schien sich in den letzten zwei Stunden nicht viel verändert zu haben. Es stand immer noch die gleiche schüchtern aussehende, aschblonde junge Frau an der Kasse und hier und da saß ein bisschen Kundschaft im Raum verteilt. Justus steuerte auf eine der Eckbänke zu und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Peter und Bob rutschten zu zweit in die Bank.

Das Café hatte eine sehr umfangreiche Frühstückskarte, was Bob sehr gelegen kam. Er hatte noch immer den ganzen Morgen nichts gegessen. Ihre Bedienung stellte sich als Morgan vor, eine schmale junge Frau mit platinblond, fast schon lila gefärbten, kinnlangen Haaren, perfektem Lidstrich und Plateauschuhen. Bob machte sich eine mentale Notiz, sie später auf die Nachbarschaft anzusprechen – vielleicht wusste sie ja etwas und sie wirkte irgendwie extrovertiert. Aber jetzt wollte er erstmal essen.

Zum Glück dauerte es nicht lange, bis sie ihr Frühstück vor sich stehen hatten. Jetzt, wo er etwas in den Magen bekam, hatte Bob auch wieder mehr Lust den Fall zu diskutieren.

„Also, was sind unsere ersten Schritte?“, fragte er deshalb kauend. „Ich würde mal diese Witches‘ Ladder recherchieren, würde ich sagen, oder?“

„Genau, du solltest versuchen, so viel wie möglich darüber herauszufinden“, erklärte der erste Detektiv. „Außerdem wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn du versuchst, herauszufinden, woraus unser Exemplar besteht. Was für Federn sind das? Was ist da noch mit eingebunden? Und hilft uns das weiter, wenn wir das wissen?“

Bob nickte. „Das sollte ich hinkriegen.“

„Und morgen besuchen wir diese TikTok-Leute?“, fragte Peter.

„Richtig“, bestätigte Justus. „Dann hoffen wir natürlich, dass wir die Listen von Karissa recht schnell bekommen, damit wir wissen, mit wem wir noch reden müssen.“

„Vielleicht hilft es, wenn wir uns ein paar Videos von den Fishers und von den anderen Opfern anschauen. Gerade bei Karissa ist es vielleicht ganz sinnvoll, um abzuschätzen, ob die Öffentlichkeit wirklich nichts von der Baustelle in ihrem Haus wissen konnte.“

„Guter Punkt“, lobte Justus. „Vielleicht sollten Peter und ich das heute machen, während du die Leiter recherchierst.“

Bob und Peter nickten.

„Wer könnte es denn realistisch gesehen überhaupt sein?“, warf Peter ein. „Es muss doch jemand sein, der sich unauffällig in dieser reichen Nachbarschaft rumtreiben kann, ohne bemerkt zu werden, oder?“

„Und es ist ja vermutlich nichts Persönliches, oder? Es wurden ja viele Leute beraubt, die sich teilweise auch nicht gut kennen“, ergänzte Bob.

„Das denke ich auch“, murmelte Justus. „Es wird irgendjemand sein, der oder die vielleicht hier arbeitet, sich aber nicht leisten kann hier zu wohnen.“

„Vielleicht eine Putzkraft“, schlug Peter vor. „Oder jemand, der Gartenarbeit oder Poolreinigung macht. Das sind Menschen, die die Häuser der Leute kennen, aber vermutlich nicht allzu gut bezahlt werden.“

Justus nickte andächtig. „Vielleicht wäre es eine gute Idee, herauszufinden, welcher Haushalt als erster beklaut wurde. Die Person hat sicherlich bei dem Haus angefangen, mit dem sie sich am besten auskannte und hat dann mit anderen weitergemacht.“

„Es könnte auch ein Babysitter oder eine Babysitterin sein“, mutmaßte Bob. „Oder vielleicht jemand, der in den Influencer-Beruf eingebunden ist. Ein Editor oder so.“

„Wir sollten eine große Mind-Map anfertigen, um uns einen besseren Überblick zu machen, mit wem die beraubten Haushalte in Kontakt stehen“, schlug Justus vor.

„Gut, dann wissen wir ja, womit wir anfangen können“, sagte Peter und grinste.

„Bei euch alles okay?“ Die Bedienung, die vorhin ihre Bestellung aufgenommen hatte, wischte gerade den Tisch neben ihnen ab.

„Ja, alles super, danke“, antwortete Peter.

„Sag mal“, setzte Bob an. „Arbeitest du hier schon lange?“

Das Mädchen zog die Augenbrauen zusammen. „Ehm, ja, schon seit meinem Studium“, sagte sie. „Also so drei Jahre bestimmt.“

Bob nickte. „Kommen hier viele Influencer? Also so als Kundschaft, meine ich.“

Sie zuckte mit den Schultern und rückte dann die Karten auf dem Tisch zurecht, den sie gerade geputzt hatte. „Klar, wir sind hier mitten im Valley. Manchmal filmen sie auch hier drin. Ich will gar nicht wissen, in wie vielen Videos ich schon irgendwo im Hintergrund zu sehen bin.“

„Würdest du sagen, du kriegst viel mit, was so in der Nachbarschaft passiert?“

Das Mädchen überlegte. „Ein bisschen schon, denke ich. Aber ich glaube, wenn man richtig up to date sein will, muss man den Leuten auf TikTok folgen. Oder irgendwelchen Drama-Channels, die nehmen auch jedes Detail auseinander.“

„Hast du etwas von den Einbrüchen mitbekommen, die es hier in letzter Zeit gegeben hat?“, fragte Justus jetzt.

Wieder zog sie die Augenbrauen zusammen. „Einbrüche? Also gab es mehrere?“

„Es scheint so.“

„Ich wusste, dass bei der Brooks-Familie eingebrochen wurde. Madyson Brooks war letzte Woche hier und hat lautstark mit irgendwem telefoniert. Und Roxane hat erzählt, dass die Familie ein YouTube-Video darüber veröffentlicht hat, wo sie vor der Kamera heulen.“ Sie zeigte auf die schüchterne Kassiererin, die Bob schon vorhin bemerkt hatte. „Ich gebe denen nicht gerne Klicks, deshalb habe ich es nicht angeguckt. Aber angeblich haben sie ein Riesendrama draus gemacht.“

„Du scheinst die Familie ja nicht besonders zu mögen“, stellte Peter fest.

Sie sah auf ihre schwarz lackierten Fingernägel. „Die behandeln halt ihre Kinder scheiße. Spielen ihnen Streiche, bringen sie zum Heulen, nur damit sie Content für das Internet haben. Bin ich nicht so der Fan von.“

„Verständlich“, pflichtete Bob ihr bei.

„Kann ich euch noch irgendwas bringen?“ Sie lächelte in die Runde.

Die drei Fragezeichen sahen sich an. „Nein danke“, sagte Bob dann, „nur die Rechnung bitte.“

 

--------

 

Am Nachmittag machte Bob einen Abstecher in sein Lieblingscafé auf dem UCLA-Campus. Er hatte den Mittag mit Recherchen auf seinem Zimmer verbracht, bis er zu seiner Vorlesung musste, aus der er jetzt kam. Irgendwie fühlte er sich bis jetzt noch nicht so richtig im Fall angekommen. Zu viel ergab noch keinen Sinn. Er hatte sich größtenteils mit der Hexenleiter beschäftigt und er hatte irgendwie den Eindruck, dass sie nicht so richtig in den Rest des Falls passte.

„Hey, Bob, bist du’s?“, riss ihn eine bekannte Stimme aus seinen Gedanken. Lexi.

Bob drehte sich zur Seite und gab sich Mühe, dem Mädchen mit den großen braunen Augen ein freundliches Lächeln zu schenken. „Hi, Lexi!“ Sie sah gut aus. Ihre langen schwarzen Haare hatte sie in einem französischen Zopf über ihre Schulter gelegt und mit einem olivgrünen Scrunchie zusammengebunden.

Sie schürzte ihre Lippen und betrachtete ihn. „Sorry, ich wollte es nicht awkward machen.“ Sie lächelte schüchtern. „Ich bin mir sicher, dass du nicht so Lust hattest, mir über den Weg zu laufen. Aber wenn ich dich schon hier zufällig treffe, dann mache ich es dir auch nicht so einfach.“

Bob biss sich auf die Lippe und nickte. „Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“

Sie zuckte mit den Schultern und willigte ein. Sie setzten sich an einen hohen Tisch mit Barhockern direkt im Schaufenster.

„Tut mir leid, dass ich mich noch nicht gemeldet habe“, sagte Bob. „Wir haben gerade einen Fall und irgendwie habe ich ganz vergessen, dass ich dir noch schreiben wollte.“

Lexi zog die Augenbrauen zusammen. „Einen Fall.“

Bob lachte etwas unsicher und kratzte sich am Kopf. „Ja…ähm… meine beiden besten Freunde und ich betreiben quasi ein pro-bono-Detektivbüro.“

Lexi machte große Augen. „Ernsthaft?“

Bob zog sein Portemonnaie aus der Tasche und befreite, wie schon so oft in seinem Leben, eine Visitenkarte daraus und hielt sie dem verdutzten Mädchen hin. Erstaunt las sie den Text: „Die drei Detektive. – ??? – Wir übernehmen jeden Fall. Erster Detektiv: Justus Jonas, Zweiter Detektiv: Peter Shaw, Recherchen und Archiv: Bob Andrews.“ Anerkennend zog sie die Mundwinkel nach unten. „Wild. Und was für Fälle übernehmt ihr so? Irgendwelche eifersüchtigen Lover oder so?“

Bob lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, normalerweise beschäftigen wir uns mit Rätseln oder mysteriösen Vorkommnissen, zum Beispiel, wenn Leute denken, dass es bei ihnen spukt.“

Sie verzog zweifelnd das Gesicht. „Wie die Ghostbusters?“

Bob lachte auf. „Nein. Wie Menschen, die beweisen, dass es keine Geister gibt und dass hinter den meisten mysteriösen Dingen fiese Menschen stecken, die anderen Leuten Angst machen wollen.“

„Und so ein Fall hat dich heute den ganzen Tag beschäftigt?“

„Ja, oder zumindest bis zu meiner Vorlesung eben.“

„Hm“, machte Lexi. „Und das war auch der Grund, warum du dich heute Morgen rausgeschlichen hast?“

Bob biss sich auf die Unterlippe. Irgendwie wollte er Lexi auch nicht anlügen. Dafür war sie einfach zu nett.

„Okay, du denkst da eindeutig zu lange drüber nach“, schloss Lexi. Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihren Wolf-Cut-Pony. „Ich hatte bei unseren Dates irgendwie gar nicht den Eindruck, dass du nur auf Sex aus bist. Oder dass du abhauen würdest, sobald wir miteinander geschlafen haben. Dafür hast du dir viel zu sehr Mühe gegeben, mich kennenzulernen. Oder lag ich damit falsch?“

Bob lächelte gepresst. „Ich, ähm… nein, damit lagst du nicht falsch. Ich war definitiv daran interessiert, dich kennenzulernen.“

Sie sah ihn prüfend an. „Aber?“

Unsicher kratzte sich Bob am Kopf und sah aus dem Fenster. Dann sah er Lexi wieder an. „Keine Ahnung. Irgendwie hat es nicht klick gemacht.“

„Und dann hast du gedacht, vielleicht klickt es noch, wenn wir einen Schritt weitergehen?“

Bob zuckte mit den Schultern. „So in der Art…“

„Aber hat es nicht…“

Bob sah auf den Boden.

„Naja, immerhin warst du jetzt ehrlich“, sagte Lexi und suchte seinen Blick. „Auch, wenn ich dich ein bisschen zwingen musste.“

„Tut mir leid“, sagte Bob und versuchte dabei, ihr entschuldigend zuzulächeln.

„Schon okay.“ Sie legte ihre Hand sanft auf seine und erwiderte das Lächeln. „Kannst du ja nichts für, wenn du dich nicht verliebst. Aber natürlich schade für mich, ich fand dich eigentlich ganz okay.“

„Ganz okay?“ Bob lachte.

Sie zuckte unbeteiligt mit den Schultern. „Nur, weil du im Bett darauf achtest, dass deine Partnerin auch zum Zug kommt, schmiere ich dir noch lange keinen Honig ums Maul.“

Bob grinste. Er war froh, dass Liz sich damals die Mühe gemacht hatte, die Lücken zu füllen, die der Biounterricht und Filmchen im Internet offengelassen hatten.

„Hey, das ist bare fucking minimum, bilde dir da bloß nichts drauf ein.“

„Touché“, sagte Bob.

Lexi grinste. „Okay, Vorschlag.“ Sie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und sah ihn mit großen Augen an. „Ich weiß, das ist ein bisschen Klischee, aber denkst du, wir könnten Freunde sein?“

Bob legte den Kopf schief.

„Ich mein, schau mal, wir verstehen uns doch richtig gut. Ich finde die Zeit mit dir immer sehr angenehm. Und jetzt, wo wir wissen, dass du keine Gefühle entwickelst, können wir doch einfach einvernehmlich die Friendzone etablieren, oder?“

„Willst du das denn?“, fragte Bob.

„Sonst hätte ich doch nicht gefragt.“

Bob überlegte. Irgendwie fand er die Idee ganz schön. Und jetzt, wo eine Beziehung vom Tisch war, fand er es auch viel ungezwungener mit Lexi. „Okay“, sagte er deshalb.

„Super!“ Lexi grinste.

Bobs Handyklingelton durchbrach die kurze angenehme Stille. Er friemelte es aus seiner Hosentasche und sah auf den Bildschirm. Peter. Bob lächelte und nahm ab. „Hey Pete, was gibt’s?“

„Hey, Bob. Karissa hat ihre Listen eben geschickt. Wann bist du zu Hause?“

Bob sah auf die Uhr. „Hm, vielleicht so in einer halben bis dreiviertel Stunde?“

„Okay, bis dann!“

„Bis nachher!“

Bob legte auf und sah Lexi an. „Tut mir leid, aber ich muss wohl los.“

Sie nickte andächtig. „War das einer deiner Detektivkollegen?“

„Ja, genau. Peter.“

„Der zweite Detektiv.“

„Gut gemerkt“, lobte Bob.

„Du sagtest, ihr seid beste Freunde?“

Bob nickte. „Ja, wir kennen uns schon ewig.“

„Das merkt man“, sagte Lexi. „Dein ganzes Gesicht hat gestrahlt, als du seinen Namen auf deinem Display gesehen hast.“

„Hm“, machte Bob. „Ja, ich nehme an, wir sind wohl sehr vertraut miteinander.“

„Vielleicht muss man das, wenn man gemeinsam Fälle lösen will.“

„Vielleicht.“

Notes:

Bestimmt sind sie nur so vertraut miteinander, weil sie so viel zusammen arbeiten ;)

Chapter 4: Kapitel 4: Die Honeymoon-Phase

Summary:

Bob und Peter sind oblivious, der Fall geht weiter :)

Notes:

Hiiii, da bin ich wieder :)

Die letzte Woche war die Hölle. Habe eine sehr schlechte Prüfung abgelegt (aber immerhin nicht durchgefallen, I guess?) und musste erstmal wieder auf mein Leben klarkommen. Langsam geht's wieder :)
Viel Spaß mit dem Kapitel

PS: Habe heute das erste Mal in meinem Leben ChatGPT benutzt :D Mir wollte kein cooler Name für ein TikTok-Haus einfallen. Also hab ich mir von ChatGPT Vorschläge geben lassen. Hier ein paar Highlights:
- Trend-Tribe Mansion
- Viral Villa
- Fame Fusion House
und der Gewinner:
- Fame Factory :D

PPS: Korrekturgelesen von Milo (@Milopoli). Dieses Mal waren wirklich einige Grammatikfehler drin :D Also euer flüssiges Leseerlebnis habt ihr heute definitiv Milo zu verdanken :D

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Nachdem Bob sich endlich erfolgreich durch den Feierabendverkehr gekämpft hatte, parkte er seinen Käfer vor dem Haus, in dem sich die kleine WG der drei Fragezeichen befand. Das Haus gehörte Carol Bennett, der Leiterin der Bibliothek in Rocky Beach. Sie bewohnte noch immer das Erdgeschoss, das Obergeschoss vermietete sie schon seit Jahren. Als die letzte Mieterin im Sommer ausgezogen war, hatte die Bibliothekarin den drei Fragezeichen die Vierzimmerwohnung für einen Freundschaftspreis angeboten. Es war praktisch. Sie waren jetzt alle am College und hatten nicht mehr das Bedürfnis, bei ihren Eltern zu wohnen, aber gleichzeitig war Rocky Beach viel zu nah an LA, als dass es es wert gewesen wäre, die teuren Preise der College-Dorms in Kauf zu nehmen. Also war ihnen Ms Bennetts Angebot gerade recht gekommen.

Die Wohnung war hell und nicht besonders groß, aber immerhin hatte jeder sein eigenes Zimmer. Dazu gab es ein Wohnzimmer, ein Bad und eine kleine Küche, in die sogar ein Esstisch gepasst hatte. Justus hatte sich natürlich das größte Schlafzimmer gesichert, aber auch Bobs und Peters Zimmer waren groß genug, dass man sich darin zurückziehen konnte. Und es hatte definitiv Vorteile, dass die drei Fragezeichen zusammenwohnten. Gerade zwei Wochen nach dem Einzug hatte Justus ein riesiges Whiteboard angeschleppt, das er auf dem Schrottplatz gefunden hatte. Das war jetzt sicher an der großen Wohnzimmerwand montiert und diente als Mind-Map für alle ihre Fälle. So sehr sie die alte Zentrale auch geliebt hatten – besonders viel Platz war in ihr nie gewesen. Jetzt konnten sie ihre ganzen Ideen und Fakten auf der Wand verteilen und mit etwas Abstand vom Sofa aus grübeln, Rätsel knacken und sich beraten.

Als Bob durch die Wohnungstür trat, lag Peter auf dem Rücken über besagtem Sofa ausgestreckt und scrollte an seinem Handy.

„Da bist du ja endlich!“, rief er Bob entgegen und grinste. Die Abendsonne schien gerade durch das große Fenster und ließ seine Haare feuerrot aufleuchten.

„Ja, Rush Hour eben“, erwiderte Bob und zuckte mit den Schultern. Er streifte seine Schuhe ab und befreite sich von seinem Rucksack und seiner Jacke. Dann ließ er sich mit einem Grinsen der Länge nach knapp neben Peter fallen, was bei dem schmalen Sofa dazu führte, dass er jetzt halb auf Peters Oberkörper lag. Aber das war nichts Neues. Irgendwie hatten sie so eine Art miteinander – schon seit einer Weile. Es passierte inzwischen ganz natürlich. Wie automatisch legte Peter seinen Arm um Bob und Bob legte seinen eigenen Arm auf Peters Oberkörper ab, um sich Halt zu geben. Mit seiner freien Hand begann Peter, mit Bobs Haaren zu spielen. Sofort fühlte sich Bob tausendmal entspannter.

„Wie war dein Tag?“, fragte Bob.

„Hm“, machte Peter. Der Klang hallte in Bobs ganzen Oberkörper nach. „Eigentlich ganz gut. Wir haben ganz viele Videos von Karissa, von der Brooks-Familie und von diesen TikTokern geschaut. Habe das Gefühl, einige Gehirnzellen verloren zu haben.“ Er lachte. „Aber vielleicht erzähle ich dir den Rest, wenn Justus auch dabei ist.“

„Ja, vielleicht besser so“, sagte Bob lächelnd.

„Und deiner?“

„Hm?“

„Dein Tag.“

„Ah, ach so.“ Bob überlegte. „Auch gut. Hab ein bisschen recherchiert – auch ganz erfolgreich, denke ich. Vorlesung war okay. Bin Lexi begegnet und wir sind jetzt in der Friendzone.“

Peter lachte. „Ernsthaft?“

Bob reckte seinen Kopf hoch, sodass er Peter ins Gesicht schauen konnte. „Naja. Sie ist cool. Wir hatten drei Dates, ich hab keine Gefühle entwickelt, aber sie ist echt nett und wir verstehen uns gut.“

„Hm“, machte Peter wieder.

Bob hörte, wie sich eine Tür öffnete. Er reckte seinen Kopf und sah, wie Justus und Franca aus Justus‘ Zimmer kamen.

Franca grinste. „Das sieht aber kuschelig aus bei euch beiden.“

„Sag ich doch“, sagte Justus.

„Hä?“, sagte Peter.

„Justus sagt, ihr seid grad in der Honeymoon-Phase“, erklärte Franca und ließ sich auf einen der beiden Sessel fallen.

„Ha-ha“, kommentierte Bob und setzte sich auf. „Sehr witzig.“

Peter richtete sich auch auf und rückte ein bisschen nach hinten, sodass sich Bob richtig hinsetzen konnte. Dann legte er seine Beine auf Bobs Schoß ab.

„Seid ihr wirklich beste Freunde, wenn euer Umfeld nicht eure sexuelle Orientierung infrage stellt?“, fragte Peter grinsend.

„Auch wenn mir dieser Spruch ebenfalls als gängige Floskel bekannt ist, würde ich ihn dennoch widerlegen wollen“, schlaumeierte Justus und setzte sich in den zweiten Sessel. „Ich bezeichne euch beide auch als meine besten Freunde, aber wir würden nie auf die Idee kommen, uns miteinander auf ein schätzungsweise 70 cm breites Sofa zu legen.“

„Bei dir ist das was anderes“, erklärte Peter. „Du wirst nicht gerne angefasst.“

„Das stimmt nur bedingt“, schaltete sich Franca ein.

Bob zog die Augenbrauen hoch. Er hatte Franca und Justus bisher noch nicht viele Zärtlichkeiten austauschen sehen. Aber vielleicht machten sie das lieber, wenn sie allein waren. Wer wusste das schon? Allerdings waren die Wände dieses Hauses quasi aus Pappe, wie sich das für eine gute US-amerikanische Konstruktion gehörte. Hätte man da nicht irgendwann mal etwas gehört? Naja. Schlussendlich war es ja deren Sache und es ging Peter und ihn nichts an. „Die Details dieser Bedingungen dürft ihr uns gerne ersparen“, sagte Bob deshalb und zwinkerte Justus scherzhaft zu.

„Werden wir auch“, sagte dieser trocken, was Peter und Bob beide zum Lachen brachte.

„Naja, aber jetzt wo du da bist, Dritter“, wechselte der erste Detektiv das Thema, „können wir uns ja endlich besprechen, oder?“

Bob nickte und lächelte.

„Das ist mein Stichwort“, sagte Franca und schlug sich leicht auf die Oberschenkel. Sie stand auf, zog sich an der Garderobe Schuhe und Jacke an und kehrte dann noch einmal kurz zurück, um sich zu verabschieden. Sie beugte sich zu Justus herunter und gab ihm einen Kuss auf die Wange – ein seltenes Bild. Dann grinste sie breit in die Runde. „Habt ihr das gesehen? Ich habe ihn berührt und er ist nicht geplatzt.“

„Wild“, sagte Peter trocken.

Bob zuckte mit den Schultern und schmunzelte. „Du hast wohl eine Sondergenehmigung.“

„Hat sie“, bestätigte Justus und lächelte.

Franca warf sich gespielt ihre wilden Locken über die Schulter und machte auf dem Absatz kehrt. „Viel Spaß noch!“, rief sie und dann war sie schon weg.

Bob überlegte noch kurz, ob er Justus fragen sollte, ob Franca die Einzige war, die ihn berühren durfte, aber da riss ihn der erste Detektiv schon aus den Gedanken. „Also, dann lasst uns mal zusammentragen, was wir bisher wissen.“

„Gute Idee“, sagte Bob. Er nahm Peters Beine sanft in die Hand und befreite sich, um aufstehen zu können. Dann lief er zum Whiteboard und nahm die Kappe von einem der Stifte ab. „Leg los!“

„In Ordnung“, murmelte Justus. „Wir haben vier Haushalte, die beklaut wurden.“

„Von denen wir wissen“, warf Peter ein. „Wer weiß – vielleicht kennt Karissa nicht alle.“

„Guter Punkt“, lobte Justus. „Aber wir müssen ja erstmal irgendwo anfangen. Wir wissen von Karissas Haushalt und die Kellnerin hat uns heute von der Brooks-Familie erzählt. Die steht auch auf Karissas Liste. Dann gibt es noch das TikTok-Haus und ein weiteres junges Paar, das früher zu diesem TikTok-Haus gehört hat.“

Bob schrieb die ersten drei Haushalte in die Mitte der Tafel. „Wie heißt denn das Pärchen? Wissen wir die Namen?“

Peter zog ein Stück Papier aus seiner Hosentasche und faltete es auseinander. „Jack und Brianne“, las er vor. „Und das TikTok-House heißt übrigens Fame Factory.“

„Du verarschst mich“, sagte Bob.

Peter lachte. „Nein, kein Scheiß, guck selber.“ Er hielt ihm den Zettel hin.

Bob stützte seinen Kopf auf seinen Fingerspitzen ab und seufzte. „Schon gut, ich glaub’s dir ja.“ Er atmete tief ein. Dann wischte er „TikTok-Haus“ wieder von der Tafel und schrieb stattdessen „Fame Factory“ auf. Dann fügte er Jack und Brianne als vierten Haushalt hinzu. „Okay, was wissen wir noch?“

„Auf der Liste mit Menschen, die von den Bauarbeiten wussten, stehen eine Gärtnerin, eine Poolreinigungskraft, Putzkraft und die Bauarbeiter“, erklärte Peter. „Außerdem Karissas Eltern und Schwiegereltern, sowie ihre beste Freundin Carry und Madyson Brooks, die ja auch beklaut wurde.“

Bob schrieb die Liste neben die Fisher-Familie. Das waren ja doch einige Leute. Äußerst unpraktisch. „Aber auf YouTube hat sie tatsächlich nicht von den Bauarbeiten gesprochen?“

Justus schüttelte den Kopf. „Nein. Zumindest nicht in den Videos, die wir angeschaut haben. Und wir haben uns einige zu Gemüte geführt.“

„Lebenszeit, die ich nie wieder zurückbekomme“, beklagte sich Peter.

„Ganz umsonst war diese Lebenszeit allerdings nicht“, erklärte Justus. „Wir haben in Erfahrung bringen können, dass Karissa bereits einmal in einem Video über eine Hexenleiter berichtet hat. Sie berichtet sehr entrüstet, dass ihre Tochter Braxleigh beim Spielen im Wald eine gefunden habe. Braxleigh habe ihr den Gegenstand gebracht und gefragt, was das sei. Daraufhin hat dann Karissa ihren Pastor zu sich nach Hause bestellt, ihn in allen Räumen ihres Hauses beten lassen und ihn gebeten, alle ihre Kinder zu segnen – für den Fall, dass sie sich einen Dämon eingefangen haben. Und das alles vor laufender Kamera.“

Mit großen Augen starrte Bob den ersten Detektiv an. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“

„Ich schon“, verkündete Justus. „Das ist doch ein eindeutiger Hinweis! Irgendjemand scheint dieses Video gesehen zu haben und hat dabei festgestellt, dass Karissa augenscheinlich sehr emotional auf einen solchen Gegenstand reagiert. Folglich lag es nahe, bei dem Einbruch eine ebensolche Hexenleiter zu hinterlassen, um eine möglichst große Angst zu schüren.“

Bob nickte anerkennend. „Das heißt, die Person, die eingebrochen ist, schaut Karissas Videos. Wie viele Aufrufe hat das Video?“

„700.000“, sagte Peter trocken.

„Uff“, machte Bob.

„Richtig.“ Justus kratzte sich am Kopf. „Allerdings könnte auch genauso gut jemand von dieser Liste beteiligt sein. Die Menschen in Karissas Umfeld, also die Putzkraft und die Gärtnerin und die anderen, werden sicherlich auch mitbekommen haben, wie Karissa auf die Hexenleiter im Wald reagiert hat.“

„Auch wieder wahr“, sagte Bob. „Also eigentlich wissen wir dann wieder nichts.“

„Doch“, antwortete Justus. „Wir wissen, dass diese Person Karissa eins auswischen wollte. Zumindest zu einem gewissen Grad geht es hier also um etwas Persönliches.“

Bob nickte. „Okay. Habt ihr aus den Videos der Anderen irgendetwas herausfinden können?“

„Nichts Auffälliges“, gab Peter zurück. „Die Fame Factory sind ein Haufen Leute, die so zwischen 18 und 25 sind, würde ich sagen, die sich ständig Streiche spielen, irgendwelche Dinge kaputtmachen oder in die Luft jagen, oder vor der Kamera tanzen und blöde Spielchen spielen.“

„Dieses Pärchen, das bei denen ausgezogen ist, hat auch einen eigenen Kanal“, sagte Justus. „Die vloggen eher ihr Leben, so wie die Familienkanäle. Nur, dass sie keine Kinder haben, die sie filmen können. Und Streiche spielen sie sich auch.“

„Und die Brooks-Familie ist sehr ähnlich wie die Fishers, würde ich sagen“, ergänzte Peter. „Nur nicht ganz so irre-religiös. Die sind glaub ich auch evangelikal, aber ob sie an Dämonen glauben, würde ich mal bezweifeln.“

„Hm“, machte Bob. „Klingt, als müssten wir die einfach alle mal kennenlernen.“

„Das denke ich auch“, bestätigte Justus. „Morgen früh sollten wir, wie geplant, mal zu dieser Fame Factory fahren.“

„Kann’s kaum erwarten“, sagte Peter.

„Ich habe übrigens auch ein paar Dinge herausgefunden“, sagte Bob.

„Schieß los“, rief Justus begeistert.

„Sogenannte Witches‘ Ladders sind vor allem in England und den USA ein beliebter Hexenbrauch. Es gibt eine bestimmte Reihenfolge, in der die Knoten in den Strick gemacht werden, und dabei sagt man einen Spruch auf. Der soll dann dafür sorgen, dass ein anderer Zauber verstärkt wird. Man kann, wenn man mit seinem Zauber jemand bestimmtes treffen will, die Hexenleiter bei dieser Person verstecken. Wenn die andere Person sie findet, kann sie den Zauber lösen, indem sie die Knoten aufmacht.“

„Ist ja komisch“, sagte Peter. „Bei Karissa war die Hexenleiter ja gar nicht versteckt. Und Karissa hat auch nicht versucht, die Knoten aufzumachen.“

„Das letzte liegt vermutlich an Karissas Glauben“, erklärte Bob. „Die Glaubensrichtung, aus der sie kommt, denkt vor allem, dass man mit kultischen Tätigkeiten Dämonen in sein Leben einlädt. An die tatsächlichen Sprüche oder Zauber glauben sie oft nicht.“

„Hm“, machte Justus. „Und die Tatsache, dass die Hexenleiter nicht versteckt war, ist vermutlich ein Hinweis darauf, dass der tatsächliche Zauber der Person nicht so wichtig war, wie Karissa einen Schreck einzujagen. Womöglich hat die Person die Leiter gar nicht mit einem Spruch belegt.“

„Das wäre ja wünschenswert“, sagte Peter.

Bob verdrehte die Augen. „Pete, wir haben keinen Dämon in der Wohnung.“

Peter presste die Lippen zusammen.

„Hast du denn herausgefunden, aus was unsere Leiter besteht?“, fragte Justus. Peters Besorgnis schien ihn nicht weiter zu bekümmern.

„Das habe ich tatsächlich.“ Bob grinste. „Also: Die Federn sind Habichtfedern. Ich habe mir heute etliche Bilder von Federn angesehen und der Habicht passt am besten zu der Auswahl, die wir hier haben.“ Er ging zu seinem Rucksack und holte die Hexenleiter heraus. „Das, was hier dazwischen eingebunden ist, ist tatsächlich weder Knochen noch Holz. Es handelt sich um Hirschhorn.“

„Hirschhorn?“, fragte Peter.

„Ja, genau. Das sind geschliffene Splitter aus einem Hirschgeweih.“ Bob machte eine dramatische Pause. „Aber jetzt kommt das Verrückteste. Ratet mal, aus was der Strick ist.“

Die beiden sahen ihn an und eine kurze Stille entstand.

„Na los, spann uns nicht auf die Folter, Bob“, jammerte Justus.

„Das sind menschliche Haare.“

„Ernsthaft?“, sagte Peter entsetzt.

Bob lachte. „Ja, ich wollte es zuerst auch nicht wahrhaben, aber ist nicht wegzudiskutieren. Wenn man sich das Ding sehr genau anschaut, dann ist es ganz eindeutig. Man kann ganz klar Haarwurzeln und Spliss erkennen und für Pferdehaare sind sie zu dünn. Und sonst gibt es nicht so viele Säugetiere mit so langen Haaren. Vielleicht noch Hochlandrinder oder so, aber auch deren Haare sind zu dick für das hier.“

Justus stand ungläubig auf und nahm Bob die Hexenleiter aus der Hand. Er betrachtete sie eingehend und hielt sie gegen das Licht. „Wahnsinn.“

„Ja, das ist tatsächlich Wahnsinn“, sagte Peter. „Wer macht denn sowas? Als ob da dann kein Fluch drauf ist. Man reißt sich doch nicht extra Haare aus, wenn man es nicht ernst meint.“

„Naja, wenn man will, dass es besonders authentisch wirkt, dann vielleicht doch“, sagte Bob und zuckte mit den Schultern.

„Aber damit ist es auf jeden Fall eindeutig“, murmelte Justus. „Da meint es jemand persönlich.“

Notes:

Wild.

Chapter 5: Kapitel 5: Die Fame Factory

Summary:

Die drei Fragezeichen gehen in einen Zoo. Oder Zirkus. Oder so ähnlich.

Notes:

Hallu, da bin ich wieder. Ich bin immer noch krank und habe mittlerweile herausgefunden, dass es Covid ist, also bin ich wohl noch ein paar Tage in meinem WG-Zimmer eingesperrt. Vielleicht habe ich dann ja mehr Zeit zum Schreiben ;)
Ich hatte sehr viel Spaß dabei, mir dieses unendlich dumme Kapitel auszudenken. Ich hoffe, ihr findet es so witzig wie ich :D

Diesmal kein beta, also wenn ihr grobe Schnitzer hier drin findet, schreibt es mir in die Kommentare :p

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Am späten Morgen machten sich die drei Fragezeichen auf den Weg zur Fame Factory – dem TikTok-Haus. Justus hatte schon um 8 Uhr dort aufschlagen wollen, aber Peter und Bob hatten ihn letztlich davon überzeugen können, dass diese Leute mit Sicherheit nicht um acht besucht werden wollten, und hatten ihn auf 11 hochgehandelt.

Als sie auf der Straße vor dem Haus Halt machten, standen zwei Jungen und zwei Mädchen draußen auf dem Rasen vor einem riesigen Luftkissen und sahen nach oben aufs Haus. Bob, Peter und Justus stiegen aus Bobs Käfer und stellten sich mit etwas Abstand daneben, ohne dass die Jugendlichen Notiz von ihnen nahmen. Sie waren, verständlicherweise, zu sehr mit dem Kerl beschäftigt, der im ersten Stock des Hauses im Fenster stand und sich mit seinen Händen im Fensterrahmen festhielt.

„Bro, mach die Augen zu, dann ist es nicht so schlimm“, rief einer der Jungs nach oben.

„Nein, man, bist du behindert? Guck, wo du hinspringst“, sagte der andere. „Sonst kratzt du ab, Alter.“

Ach du scheiße! Wollte der Typ da oben etwa auf das Luftkissen nach unten springen? Bob sah sich um. Vor dem Luftkissen stand ein Handy auf einem Tripod, ein bisschen weiter weg ein weiteres, das nach oben gerichtet war, und eins der Mädchen filmte mit ihrem Handy. Die drehten hier Content? Für den jemand aus dem ersten Stock sprang?

„Sind die irre?“, verbalisierte Peter Bobs Gedanken. „Der könnte sich doch umbringen.“

Bob sagte nichts. Alles in ihm zog sich zusammen. Die hatten ja wohl nicht mehr alle Sinne beisammen.

Der Junge oben sprang ab und machte ein ungelenkes Salto in der Luft. Dann landete er der Länge nach mit einem lauten „Fump“ auf dem Luftkissen.

„Diggaaaa“, rief einer der anderen Jungs und rannte auf das Luftkissen zu, „das war eeeepisch.“ Der Junge, der gesprungen war, befreite sich lachend aus dem Luftkissen und ließ sich von dem anderen auf die Füße ziehen.

Bob zog die Augenbrauen hoch. Die waren ja drauf. Zum Glück war dem Kerl nichts passiert. Immerhin.

„Bro, lass mal Möbel runterwerfen und gucken, wann das Kissen kaputtgeht“, schlug jetzt der dritte Kerl vor.

„Digga, beste Idee, lass machen“, stimmte einer der anderen zu.

„He-hem“, räusperte sich Justus.

Die fünf Jugendlichen drehten sich zu den drei Fragezeichen um.

„Jo, was geht?“, sagte der, der bis jetzt noch nicht geredet hatte.

„Ähm“, sagte Peter, der sich anscheinend auch erstmal wieder sammeln musste, „ja, wir sind Detektive und wir ermitteln im Auftrag von Karissa Fisher die Einbrüche, die hier passiert sind.“

„Mit der Polizei?“, sagte eins der Mädchen verwirrt.

„Ne, unabhängig“, erklärte Bob. „Mrs Fisher hat einen okkulten Gegenstand gefunden nach dem Einbruch. Wir sollen herausfinden, was es damit auf sich hat.“

„Ach, dieses Leiter-Ding“, sagte der Junge, der eben aus dem Fenster gesprungen war. „Dazu hat sie uns auch schon Fragen gestellt.“ Er verzog ein wenig befremdet das Gesicht.

„Bro, die Frau ist so weird“, sagte einer der anderen Jungs.

„Ja, mega cringe“, bestätigte der dritte Junge.

„Mag sein“, lenkte Peter ein, „aber können wir euch trotzdem ein paar Fragen zu dem Einbruch in euer Haus stellen?“

Die fünf Jugendlichen nickten. „Ja, komm“, sagte eins der Mädchen, „wollt ihr Kaffee?“

 

Sie folgten den TikTokern ins Haus. Einerseits war es luxuriös eingerichtet, andererseits aber auch unordentlich und ein bisschen dreckig. Es war spürbar, dass hier ein Haufen Leute lebte, die zu viel Geld für ihr Alter hatten. Sie schienen nicht wirklich Respekt vor ihrem Eigentum zu haben.

In der Küche angekommen lernten sie den persönlichen Koch der TikToker kennen. Er hieß Argyle und begann sofort damit, allen Getränke zuzubereiten. Ganz normaler Haushalt also. Ein Haushalt von gestört reichen Jugendlichen mit einem persönlichen Koch namens Argyle. Argyle hatte lange, schwarze Haare, die er im Nacken zusammengebunden hatte, trug weiße Kochkleidung und sein Gesichtsausdruck war durchgehend neutral. Er verzog nicht ein einziges Mal eine Miene. Wenn er sich jeden Tag diese Leute geben musste, konnte Bob ihm nicht übelnehmen, dass er abgestumpft war. Wenn man täglich zusehen musste, wie sie ihr Leben für dumme kleine Videos in Gefahr brachten, musste man vielleicht sein Gesicht abschalten. Das ergab durchaus Sinn.

Die drei Jungen, die alle die gleiche Frisur und Kleidungsstil hatten, stellten sich als Cooper, Aiden und Matt vor. Bob hatte die Namen innerhalb von wenigen Sekunden wieder vergessen und entschied sich, sie in seinem Kopf einfach Tick, Trick und Track zu nennen. Das war einfacher und irgendwie passte es auch. 

Die drei beugten sich recht schnell in der Sofaecke über ihre Kameras und Handys und waren vermutlich sehr viel mehr an ihren Aufnahmen von eben interessiert als an ihren Gästen. Die beiden Mädels setzten sich mit den drei Fragezeichen an die Küchentheke und betrieben distanziert höflich mit ihnen Konversation, aber auch sie schienen, als wäre dieses Gespräch irgendwie unter ihrer Würde. Sie beantworteten einigermaßen freundlich die Fragen der Detektive, aber besonders viel Hilfreiches gab es anscheinend nicht. Es war eingebrochen worden, als sie mit einer anderen Gruppe TikTokern im Disneyland gewesen waren. Sie hatten alle mehrere Stories auf Instagram gepostet, sodass jeder hätte wissen können, dass sie nicht zu Hause waren. Cooper hatte wohl aus Versehen seine Terassentür offengelassen, sodass es der Dieb oder die Diebin einfach gehabt hatte.

Irgendwann gesellten sich noch zwei weitere junge Leute zu ihnen. Der eine war ein groß gewachsener Junge namens Devon, der makelloses Make-up und künstliche Wimpern trug. Er stellte sich mit Pronomen vor und passte, genau wie seine Begleiterin Raya, nicht so wirklich ins Bild in diesem Haus. Raya hatte lange dunkelrote Braids, war größer als Peter und trug ein blau-weiß-rosa Armband. Bob fragte sich ein bisschen, wie sie hier überhaupt gelandet waren. 

„Wurde denn bei euch irgendetwas hinterlassen?“, fragte Justus jetzt. „Also, dass ihr keine Hexenleiter gefunden habt, ist uns ja bereits bekannt. Aber möglicherweise gab es etwas anderes?“

Raya schüttelte den Kopf. „Ne, eigentlich nicht.“

„Obwohl“, warf Devon ein, „der Sticker?“

„Ja, aber wir wissen nicht, ob das wirklich bei dem Einbruch war“, erklärte Raya mit zusammengezogenen Augenbrauen.

„Was für ein Sticker denn?“, fragte Bob.

„Er klebt da vorne auf dem Pfosten vom Treppengeländer“, sagte Devon.

Sie standen auf und liefen zur Treppe. Dort klebte ein kleiner, quadratischer brauner Sticker, auf dem ein weißes Geweih zu sehen war. Irgendwie kam er Bob bekannt vor.

„Wir haben schon Witze gemacht, dass die Marauders bei uns eingestiegen sind“, witzelte Raya und schnaubte durch die Nase.

„James Potter would never“, entgegnete Devon.

„Außerdem passt die Art des Geweihs nicht“, erklärte Justus. „James Potter hätte sich mit großer Wahrscheinlichkeit in eine in England heimische Hirschart verwandelt, während das hier abgebildete Geweih zu einem Maultierhirsch gehört, der vor allem in Nordamerika heimisch ist.“

Raya zuckte mit den Schultern und sah auf ihre Fingernägel. „War ja auch nur ein Witz.“

Während Bob den Sticker mit seinem Handy abfotografierte, näherten sich Tick, Trick und Track wieder der Gruppe.

„Ey, wir haben ‘ne Frage“, sagte Tick.

Die drei Fragezeichen wandten sich den dreien zu.

„Wenn ihr einen von uns daten müsstet, wen würdet ihr daten?“

Devon verzog das Gesicht. „Aiden, frag sie doch sowas nicht. Du weißt doch nicht mal, ob sie queer sind.“

Der Junge, der die Frage gestellt hatte, verdrehte die Augen. „Ja, ich mein ja nur, man. So hypothetisch.“ Er blickte zu Bob. „Also, wenn du jetzt schwul wärst, ne?“

„Bin ich aber nicht“, erklärte Bob.

„Ja, aber stell dir mal vor, du wärst schwul, wen von uns würdest daten?“

Bob war verwirrt. Wie sollte er sich denn vorstellen, eine andere sexuelle Orientierung zu haben? Er verzog das Gesicht und blickte Tick an. „Keine Ahnung, ich kenne euch ja gar nicht.“

„Okay, okay, okay“, sagte Track, „dann mit deinen Bros hier. Wenn du mit einem von den beiden zusammen sein müsstest, mit wem würdest du?“

Bob lachte. „Hat diese Fragerei irgendeinen Zweck, oder seid ihr immer so?“

„Aiden denkt, dass jeder Dude genau weiß, welchen seiner Bros er smashen würde, wenn er gay wäre – selbst wenn er eigentlich straight ist“, erklärte Track. 

„Was ja auch stimmt“, erwiderte Aiden (Tick) lachend. „Na, komm schon, als ob du keine Antwort darauf hast.“ Er sah Bob herausfordernd an. 

Bob merkte, wie er rot anlief – irgendwie war ihm das unangenehm. Er hatte schon eine Antwort. Es war Peter. Aber warum? 

Er überlegte einen Moment, dann kam er auf eine Erklärung. „Ich denke, ich bin eher ein körperlicher Mensch und Justus ist nicht so touchy. Deshalb denke ich, Peter würde besser passen. Peter kann gut umarmen und so.“ Der letzte Teil seiner Antwort war nur noch gemurmelt herausgekommen.

„Okay, okay, interessant, er bestätigt schonmal die These, Bro.“ Track rieb sich das Kinn und wandte sich zu Peter. „Und du? Wen von den beiden?“

„Ähm“, stammelte Peter perplex, „ich würde sagen, ähm, Bob? – Aus dem gleichen Grund. Außerdem hat Just eine Freundin.“ Er schien auch deutlich aus der Fassung gebracht von dieser eigenartigen Fragerunde. 

Irgendwie fühlte Bob sich jetzt noch eigenartiger. Irgendetwas machte diese ganze Sache mit ihm, das er nicht so richtig benennen konnte.

„Da dies nur eine hypothetische Frage ist, sollte Letzteres nicht von Relevanz sein“, kommentierte Justus mit einem Grinsen.

„Okay, und wen würdest du dann wählen?“, fragte jetzt wieder Tick an Justus gewandt.

Justus zupfte an seiner Unterlippe und überlegte. „Ich habe den Eindruck, wenn ich mit Peter zusammen wäre, müsste ich sehr viel mehr Zeit mit Sport und am Strand verbringen. Das würde ich nicht präferieren. Also würde ich mich ebenfalls für Bob entscheiden. Dann könnten wir gemeinsam Bücher lesen.“

„Valid, man, valid“, sagte Trick.

„Brooo, krass, du lieferst übel ab“, rief Track, wieder an Bob gewandt. „Du hast einfach mad Rizz, Dude.“

„Digga, und du bist nicht mal besonders groß“, kam es von Tick.

Peter zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Was genau ist ein Rizz und was hat das mit Körpergröße zu tun?“

Trick ignorierte Peters Frage völlig und wandte sich Tick zu. „Er ist halt kein Alpha, er ist ein Sigma.“

„Ja, man, no cap“, bestätigte Track. „Hast du sein Auto gesehen? Er ist das Sigma der Sigmas.“

Bob hatte das Gefühl, in seinem ganzen Leben noch nie so verwirrt gewesen zu sein. „Hä? Was soll das denn alles heißen?“ Irgendwie befand sich sein Hirn in einer komischen Kurzschluss-Schleife. 

„Bro, mad respect“, sagte Trick jetzt und gab Bob einen Handschlag.

Bob kam es vor, als sprächen diese Menschen eine andere Sprache, die er nicht beherrschte. „Ähm, okay, danke?“

Es wurde Zeit, dass sie hier rauskamen.

Notes:

Inspiriert von den TikToks auf denen die drei Fragezeichen Gen-Z-Phrasen lesen :D

Chapter 6: Kapitel 6: Der Sticker

Summary:

Bob macht eine Beobachtung, Lexi auch.

Notes:

Hello Friends :) Mein Leben ist grad sehr anstrengend, aber ab heute Nachmittag habe ich Urlaub :)) Also falls ihr nächste Woche von mir gestört viele Updates bekommt, dann wisst ihr warum. Und wenn ihr gar keine bekommt, wisst ihr auch warum :D Mal gucken, nach was mir der Sinn so steht, wenn ich dann mal frei habe endlich (:

Das Kapitel hat dieses Mal flower_flora korrekturgelesen, also wenn ihr noch Fehler findet, dann dürft ihr sie anmotzen. (Das ist natürlich ein Scherz, bitte seid lieb zu Flora. Ich werde auch versuchen, sie demnächst mal wieder zum Schreiben zu zwingen, damit Im Auge der Öffentlichkeit endlich weitergeht ;)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Bob war aufgewühlt. Er wusste gar nicht so genau, woher es kam, aber irgendetwas hatte dieses TikTok-Haus mit ihm gemacht. 

Zum einen fühlte er sich, als wäre er gerade in einem Affenzirkus gewesen. Die Fame Factory war irgendwie anstrengend und chaotisch und grundsätzlich einfach… viel gewesen. Bob fühlte sich reizüberflutet.

Aber gleichzeitig nagte auch etwas an ihm. Etwas, das mit diesem Gespräch zusammenhing. Diese eigenartige Fragerei von diesen Jungs. Irgendwie hatte Bob das Gefühl, er hatte da zu viel gesagt. Als wüssten Peter und Justus jetzt irgendetwas von ihm, das sich nicht richtig angefühlt hatte auszusprechen. Aber naja. Es war auch eigentlich egal. Eigentlich wussten Justus und Peter ja, dass er nicht schwul war, also warum sollte es sie stören? Und die beiden hatten die Frage ja auch beantwortet. Also vielleicht sollte er einfach aufhören, darüber nachzudenken. Aber das war leichter gesagt als getan.

„Haben wir jetzt eigentlich irgendwas Sinnvolles erfahren?“, fragte er deshalb in ihre kleine Runde im Auto. Er war gerade dabei, auf die große Hauptstraße des Stadtteils abzubiegen.

„Geht so“, antwortete Peter. „Wir wissen jetzt halt, wie in das Haus eingebrochen wurde. Die haben es der Person ja echt einfach gemacht. Wie kann man denn, wenn man so reich ist, einfach eine Terassentür im Erdgeschoss offenlassen? Und ihre Alarmanlage benutzen sie auch nie.“

„Sie sind echt ganz schön leichtsinnig“, sagte Bob.

„Oder sie können es sich einfach leisten“, entgegnete Peter.

„Außerdem haben wir den Koch kennengelernt, diesen Argyle“, erklärte Justus. „Ich finde er wirkte, als könne er die Bewohner des Hauses nicht leiden.“

„Ich glaube, die können sich auch gegenseitig alle nicht leiden“, sagte Bob. „Diese komische Grüppchenbildung da in der Villa – ich glaub, die ziehen online eine Riesenshow ab.“

„Ja, auf deren TikTok-Kanal wirkte es, als wären sie alle beste Freunde“, murmelte Peter.

„Die auf sozialen Medien abgebildete Realität entspricht ja oft nicht der tatsächlich vorliegenden Ausgangslage“, erklärte Justus. „Ich empfinde das als wenig überraschend.“

„Hm“, murmelte Bob in sich hinein. „Ist ja auch egal. Diesen Argyle können wir ja mal im Hinterkopf behalten.“ Er bog jetzt auf die Straße ab, auf der sich das Moonbeans-Café befand. Er überlegte noch kurz, ob sie vielleicht nochmal einen Kaffee holen sollten, entschied sich dann aber dagegen.

„Was denkt ihr über diesen Sticker mit dem Geweih?“, fragte Peter. „Meint ihr, der hilft uns irgendwie weiter?“

Und da dämmerte es Bob. 

„Das weiß ich auch nicht so recht–“, begann Justus.

Weiter kam er nicht, weil Bob etwas zu heftig auf die Bremse trat. Das Auto ruckelte. „Oh, ‘tschuldigung“, murmelte Bob hastig und nahm den Fuß wieder von der Bremse. Hinter ihnen hupte der Fahrer eines Autos sie an und hielt seinen Mittelfinger in die Höhe. Aber Bob war das egal. Er reckte seinen Kopf, sah, dass auf der Gegenspur niemand kam und riss das Lenkrad herum, um das Fahrzeug zu wenden.

„Bob, was machst du denn da?“, protestierte Peter.

„Ich hatte einen Einfall“, sagte Bob aufgeregt. Eilig lenkte er seinen Käfer auf den Parkplatz vor dem Café.

„Und der erfordert eine solche Außerachtlassung jeglicher Verkehrsregeln?“, fragte Justus.

Bob verdrehte die Augen, während er in einer der Parklücken Halt machte. „Kommt einfach mit, okay?“

Er stieg aus dem Auto und wartete ungeduldig, bis Justus und Peter ihm folgten. Dann ging er voraus und hielt ihnen die Tür zum Café auf. Die beiden gingen verdattert hindurch.

„Willst du uns mal erklären, was du vorhast, Dritter?“, wollte Justus wissen.

Bob grinste. Heute würde er mal Justus hinhalten und nicht andersherum. Zumindest für kurz. „Kollegen, wir gehen aufs Klo“, verkündete er. 

„Wir gehen – was?“, stammelte Peter.

„Nicht motzen, mitkommen!“, ordnete Bob an. Selbstbewusst stiefelte er auf das „all gender restroom“-Schild zu und trat dann durch die Tür. Seine beiden Kollegen folgten ihm.

Es war nicht besonders viel Platz hier drin. Es gab zwei Toilettenkabinen und ein einzelnes Waschbecken mit Spiegel, an dem sich Bob gestern seine Zähne geputzt hatte. Bob schloss die Tür hinter ihnen zu.

„Okay, und was sollen wir jetzt hier?“, meckerte Peter.

„Da!“, sagte Bob und zeigte stolz auf den Spiegel.

Justus begutachtete die Sammlung von Stickern auf dem Spiegel und blieb dann an dem hängen, den Bob meinte. Ein kleiner, quadratischer, brauner Sticker mit einem weißen Hirschgeweih drauf. „Interessant.“

Bob zückte sein Handy und rief das Foto auf, das er eben von dem Sticker der Fame Factory gemacht hatte. „Ich würde sagen, der ist identisch, oder?“ Er hielt das Handy neben den Sticker auf dem Spiegel.

„Das würde ich auch sagen“, stimmte Peter ihm zu. „Aber was hilft uns das jetzt? Ist die gleiche Person, die dort eingestiegen ist, hier auch eingestiegen?“

„Möglich“, murmelte Justus und zupfte an seiner Unterlippe.

„Jungs, wenn ihr einen Ort für einen Dreier sucht, dann seid ihr hier falsch“, ertönte eine dumpfe Stimme von vor der Tür.

Die drei Fragezeichen warfen sich verwirrte Blicke zu, dann ging Justus auf die Tür zu und öffnete sie.

Die beiden zwei Personen, die die Detektive nun von oben bis unten musterten, arbeiteten offenbar hier – sie trugen beide die hellblauen Schürzen des Cafés. 

„Siehst du, ich hab doch gesagt, die haben hier keinen Sex“, sagte der größere von den beiden. Auf seinem Schild stand Buck. Er war groß, gut gebaut und, wie Bob zugeben musste, sehr attraktiv.

Auf dem Schild der anderen Person stand Leo. Neben dem Namensschild hing ein kleiner Button, auf dem they/them stand. Leo verdrehte die Augen und lachte. „Ja, aber hätte ja sein können.“ Leo grinste breit.

„Ich kann euch versichern, dass jeder von uns im Besitz eines eigenen Bettes ist, sodass wir jene jederzeit für etwaige Aktivitäten nutzen könnten, sollte uns der Sinn danach stehen“, erklärte Justus. „Eine Café-Toilette erscheint mir ein recht ungemütlicher Ort für solche Vorhaben.“

Leo hob abwehrend die Hände. „Manche Menschen mögen das Abenteuer.“

Der andere Kellner, Buck, lachte. „Okay, ihr scheint dann wohl doch nicht diese Sorte von Abenteurer zu sein. Aber dennoch wüssten wir gerne, was das hier wird. Es kommt schließlich nicht oft vor, dass sich drei Dudes einfach gemeinsam im Bad einschließen, ohne etwas zu kaufen oder wenigstens zu fragen, ob sie die Toilette benutzen dürfen.“

„Ähhh“, sagte Bob.

Peter lachte unsicher. „Naja… Wir ermitteln.“

„Ihr ermittelt“, gab Buck trocken zurück. „Auf unserem Klo.“

„Ist eine lange Geschichte“, erklärte Justus nun wieder. „Aber könntet ihr uns zufällig sagen, ob dieser Sticker hier eine Bedeutung hat?“ Er zeigte auf das Geweih.

„Ähm, was?“, sagte Leo.

Ungeduldig seufzte Justus. „Wir sind Detektive und wurden mit der Ermittlung der Einbrüche beauftragt, die sich hier in der Gegend ereignet haben. Aktuell ist dieser Sticker einer der wenigen Hinweise, die wir haben. Da keinerlei Schrift oder Zeichen auf ihm ist, außer eben dieses Geweih, können wir aber leider wenig damit anfangen.“

Leos Augen weiteten sich. „Ooooh, ihr seid die drei Typen, von denen Morgan gestern ausgefragt wurde.“

Bob erinnerte sich an die Kellnerin von gestern. Die schmale Asiatin mit den platinblonden Haaren und dem perfekten Lidstrich. „Ach ja, stimmt.“

„An einem der Tatorte wurde dieser Sticker hinterlassen“, erklärte Peter. „Da er hier auch hängt, haben wir uns gefragt, ob hier auch eingebrochen wurde.“

Buck zog die Augenbrauen zusammen und überlegte kurz. „Nicht, dass ich wüsste.“

„Und mit dem Motiv des Stickers könnt ihr auch nichts anfangen?“, wollte Justus jetzt wieder wissen.

Buck schüttelte den Kopf.

Leo fuhr sich durch die wilden, dunkelbraunen Locken. „Sieht eher aus, wie von irgendeiner Redneck-Firma, die Cowboystiefel verkauft oder Kautabak, oder?“

Buck lachte.

„Aber dann würde man doch den Firmennamen drauf schreiben“, mutmaßte Peter.

„Hm, stimmt“, gab Leo zu und ruckelte sich die Brille zurecht.

„Vielleicht ein Familienlogo oder so? Oder eine Bar, die man so gut kennt, dass man den Namen der Bar nicht dazuschreiben muss?“, schlug Bob vor.

Justus zupfte sich an der Unterlippe. „Darüber muss ich nachdenken, Kollegen. Kommt, wir gehen.“

Etwas überrumpelt von Justus‘ plötzlichem Anflug sah Bob in die unschlüssige Runde. Dann zuckte er mit den Schultern und folgte Justus Anweisung. Vielleicht hätten sie ja noch mehr Infos von den beiden erfahren können, aber Justus schien es plötzlich eilig zu haben, also verabschiedeten sie sich von Buck und Leo und verließen das Café.

„Ich weiß ja immer noch nicht, was uns das jetzt hilft“, erklärte Peter, als sie alle wieder im Auto saßen.

„Das ist ein Hirschgeweih“, murmelte Justus. „Und der Kellner, mit dem wir eben gesprochen haben, hieß Buck.“

Bob lachte und fuhr aus der Parklücke. „Siehst du da einen Zusammenhang, den ich nicht sehe?“

„Buck kommt aus dem Altenglischen und heißt Hirsch.“

Es war kurz still.

„Und deswegen verdächtigst du ihn jetzt?“, fragte Bob. Irgendwie kam ihm das etwas voreilig vor.

„Nicht zwingend, nein, aber ich kam nicht umhin, es zu bemerken.“

„Da wäre er aber schön blöd“, sagte Peter. „Wenn er sich passend zu seinem eigenen Namen Sticker ausdrucken würde und die dann sowohl an seinen Arbeitsplatz als auch in ein Haus, in das er eingebrochen ist, kleben würde.“

„Ja, besonders schlau wäre das nicht“, gab Justus zu. „Da muss ich dir zustimmen.“ 

 

 

---------

 

 

„Meinst du, ich könnte ein YouTuber sein?“, fragte Peter, als sie aus dem Auto stiegen. Sie waren jetzt auf dem UCLA-Campus, weil sie beide noch Nachmittagsvorlesungen hatten. Justus hatten sie auf dem Weg bei Francas Wohnheim abgesetzt.

Bob lachte und warf sich seinen Rucksack über die Schulter. „Und was würdest du filmen? Ein Tag im Leben eines werdenden Profisportlers?“

Peter zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht?“

„Ich weiß ja nicht.“

„Oder wir könnten unsere Detektivfälle so Truecrime-mäßig aufnehmen. Das würden doch sicher Leute hören wollen.“

„So als Podcast?“

„Oder als Hörspiel“, sagte Peter.

„Genug Stoff für gute 200 Folgen hätten wir sicher“, überlegte Bob laut.

„Vielleicht, wenn wir irgendwann das Detektiv-Dasein an den Nagel gehängt haben“, erwiderte Peter. „Wenn wir alt und grau sind.“ 

Sie verließen den Parkplatz und steuerten auf die großen Hörsaalgebäude zu.

„Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich dieses Leben nicht so wirklich erstrebenswert finde. Alle Influencer, die wir bis jetzt kennengelernt haben, waren echt seltsame Leute.“

Peter kratzte sich am Kopf. „Ja, Karissa ist echt speziell. Und diese TikToker auch, aber die Tiktoker waren ja an sich okay. Ein bisschen unhöflich und chaotisch vielleicht.“

„Und weltfremd und leichtsinnig.“

„Ja, das stimmt wohl…“

„Meinst du, man wird so, wenn man berühmt ist? Oder funktioniert es andersherum und man wird Influencer, weil man einen an der Klatsche hat?“

Peter lachte. „Vielleicht ne Mischung aus beidem? Aber es gibt ja sicherlich auch Influencer, die normal sind.“ Dann betrachtete er Bob. „Du hast dich da vorhin echt unwohl gefühlt, oder?“

Bob zuckte mit den Schultern. „Ja, irgendwie schon.“

„Waren dir die Fragen unangenehm?“

Bob presste die Lippen zusammen. „Ach, ich weiß auch nicht. Ich hatte das Gefühl, die drängen uns da irgendwie was auf.“

Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Inwiefern?“

„Naja, dass sie uns so zwingen, dass wir auf eine romantische Art und Weise übereinander nachdenken.“

„Hm“, machte Peter.

„Ja, als würden sie annehmen, dass wir irgendwie Interesse aneinander hätten.“

„Ne, das glaube ich nicht“, antwortete Peter. „Sie haben doch gesagt, sie diskutieren darüber, ob man die Frage auch beantworten kann, wenn man hetero ist, oder?“

„Hm“, sagte jetzt Bob. Er merkte, dass er gar nicht mehr so richtig rekonstruieren konnte, wie diese komischen Fragen überhaupt angefangen hatten.

„Und selbst wenn man nicht hetero ist, ist das ja auch nicht schlimm“, warf Peter ein.

Bob schwieg kurz und überlegte. „Ja, da hast du schon recht.“ Er atmete einmal tief ein. „Um ehrlich zu sein, weiß ich selber nicht mal richtig, was mich daran gestört hat. Irgendwas hat mich gestört, aber ich weiß nicht so richtig, wie ich die Puzzleteile in meinem Kopf zusammensetzen soll.“

Peter legte den Kopf schief und sah auf ihn herunter. „Komm mal her, Bobbele“, sagte er sanft und legte Bob seinen Arm um die Schulter, mit dem er ihn dann sachte zu sich heranzog.

Bob gab Peters leichtem Druck nach und ließ sich in eine Umarmung ziehen. Er musste sofort ein bisschen grinsen, als er sein Gesicht in Peters Shirt vergrub. Plötzlich wusste er gar nicht mehr so richtig, ob er wirklich schlechte Laune gehabt hatte, oder ob er sich das nur eingebildet hatte. Er schlang seine Arme um Peters Torso und sog die wohligen Gefühle in sich auf. 

Es stimmte schon, was er den Jungs vorhin gesagt hatte: Peter war einfach wahnsinnig gut in Umarmungen.

Sie lösten sich voneinander und Peter legte seine Hände rechts und links an Bobs Wangen, sodass Bob zu ihm heraufschauen musste.

„Bob, ich hab dich lieb.“ Er unterdruckte ein Schmunzeln und seine Augen funkelten von Zuneigung.

Bob grinste. „Ich dich doch auch.“

Liebevoll wuschelte Peter mit seiner Hand durch Bobs Locken. „Okay, und jetzt ab ins Gebäude, du bist spät dran und du musst was lernen.“

Bob verdrehte die Augen. Sie standen tatsächlich genau vor dem Gebäude, in dem Bob jetzt seine Vorlesung hatte. „Ja, und du musst noch ein Gebäude weiter laufen. Also bist du sogar noch später dran als ich.“

„Aber ich bin auch schneller als du“, sagte Peter selbstgefällig und zwinkerte ihm zu. Dann machte er einen Schritt nach hinten, winkte ihm noch kurz zu und drehte sich dann leicht joggend um, auf sein Hörsaalgebäude zu.

Bob sah ihm nach und grinste.

„Hm, ist das dein Peter?“

Bob zuckte zusammen. Lexi stand neben ihm und grinste.

„Das ist mein – ich mein – ja, das ist Peter.“ Er war irgendwie überrumpelt.

„Der ist cute“, sagte sie. 

„Ähm“, machte Bob, „kann sein, ja.“

Lexi musterte ihn amüsiert. „Interessant.“

„Was?“, sagte Bob.

„Ach nix“, erwiderte Lexi schelmisch grinsend.

Bob fühlte sich, als wäre er bei etwas Verbotenem erwischt worden. Was ja eigentlich Quatsch war. Er hatte ja nur dagestanden und mit Peter geredet. Aber irgendetwas sorgte trotzdem dafür, dass er rot wurde und auf den Boden sah. 

„Na los, wir kommen noch zu spät“, sagte Lexi und wies mit dem Kinn zur Tür.

Er öffnete den Mund, um etwas Schlagfertiges zu erwidern, aber ihm fiel nichts ein, also schloss er ihn einfach wieder und folgte ihr treudoof in die Vorlesung. 

Notes:

🫶🏻

Chapter 7: Kapitel 7: Der Tee

Summary:

Wir lernen Jack und Brianne kennen und erfahren auch etwas mehr über die anderen Influencer :)

Notes:

Hui, hab ich mich hier verkünstelt. Eigentlich wollte ich dieses Kapitel mit dem nächsten zusammentun, aber es ist alles etwas lang geworden, deshalb musste ich es aufteilen.
Außerdem habe ich dieses Mal alles selbst korrekturgelesen, also entschuldige ich mich schonmal für Fehler!
Schicke euch liebe Grüße <3

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Irgendwie hatte Justus es fertiggebracht, die Adresse des Pärchens ausfindig zu machen, das früher mal in der Fame Factory gewohnt hatte und ebenfalls beklaut worden war. Anscheinend hatte er gestern mit dem TikTok-Account, den Peter und er für den Fall erstellt hatten, einen der Jungs aus der Fame Factory angeschrieben und tatsächlich eine Antwort erhalten. Bob fragte sich, ob das hieß, dass sie in der Zukunft Fallanfragen über TikTok bekommen würden. Justus hatte nämlich den Text ihrer Visitenkarte in die Bio geschrieben. Vielleicht war es sinnvoll, diesen Account so schnell wie möglich wieder zu löschen, sobald dieser Fall gelöst war.

Jack und Brianne wohnten in einer etwas bescheideneren Villa – zumindest im Gegensatz zu den anderen Prunkbauten des San Fernando Valleys. Sie sah etwas schlichter aus, hatte aber dennoch zwei Stockwerke und war immer noch deutlich größer als die meisten Einfamilienhäuser. Als sie die Türklingel betätigten, dauerte es eine ganze Weile, bis jemand öffnete. Die drei Fragezeichen waren schon dabei, zu diskutieren, ob sie wieder gehen sollten, als schließlich doch eine blonde junge Frau in der Tür stand, die in sehr alberner Stimmung zu sein schien. „Hi?“, begrüßte sie sie verwirrt und lachte dabei.

„Hi, bist du Brianne?“, fragte Peter.

„Bee, wer ist da?“, rief eine männlich klingende Stimme aus dem Inneren des Hauses. 

„Keine Ahnung!“, rief Brianne zurück über ihre Schulter.

„Wir sind Detektive“, erklärte Bob. „Wir wurden von Karissa Fisher angeheuert, die Einbrüche zu untersuchen, die hier passiert sind.“

„Ah, ach so“, sagte Brianne. „Ich glaub, von euch hat mir Devon schon erzählt.“ 

Hinter ihr trat jetzt ein Kerl in Erscheinung, der sich gerade etwas Weißes mit einem Handtuch aus dem Gesicht wischte. Sahne? Buttercreme? Rasierschaum? Bob war sich nicht sicher, womit er es zu tun hatte.

Brianne sah über ihre Schulter und dann zurück zu den verwirrt dreinschauenden drei Fragezeichen. Sie lachte. „Er hat gerade bei einem Spiel verloren, das wir für TikTok gefilmt haben. Das ist Cupcake-Icing.“

„Ah“, sagte Bob, „aha.“ Er wusste nicht so recht, was er damit anfangen sollte.

„Dürften wir euch vielleicht ein paar Fragen zu den Einbrüchen stellen?“, fragte jetzt Justus.

Jack, der jetzt hinter Brianne im Türrahmen stand, zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete die Detektive skeptisch. „Woher wisst ihr überhaupt, wo wir wohnen? Und dass bei uns eingebrochen wurde?“

„Dass hier eingebrochen wurde, wissen wir von Karissa Fisher. Und die Jungs aus der Fame Factory haben uns eure Adresse gegeben“, erklärte Peter.

Jack verdrehte die Augen. „War ja klar, dass die die gleich an alle weitergeben würden. Scheiß NPCs.“

Bob wechselte einen Blick mit seinen Kollegen. Die Abkürzung würden sie wohl später googeln müssen.

„Wollt ihr reinkommen?“, fragte jetzt Brianne.

Die Jungen nickten und folgten dem Paar ins Haus.

„Ihr scheint nicht so gut auf die Fame Factory zu sprechen zu sein?“, bemerkte Peter, als sie sich gemeinsam auf das mit Teddystoff bezogene Sofa setzten.

Brianne lachte kurz auf. „Wollt ihr den ganzen Tea oder nur eine Zusammenfassung?“

„Tee?“, fragte Bob verwundert. 

„Naja, den Gossip. Das ganze Drama.“ Sie sah belustigt in die Runde. 

„Ähm, ich denke, die groben Umrisse sollten uns vorerst ausreichen, danke“, sagte Justus. 

„Also, es ist kompliziert“, sagte sie. „Mit ein paar Leuten sind wir cool, aber mit manchen haben wir ein bisschen Beef.“

„Ich hab‘ eigentlich auf keinen von denen noch Bock“, berichtigte Jack.

Brianne legte ihren Kopf schief. „Devon und Raya sind okay“, sagte sie. „Emmy auch. Aber die lässt sich von den anderen da so mit reinziehen.“ Sie sah Peter an und grinste. „Devon fand dich übrigens süß, hat er mir erzählt.“

Bob zog die Augenbrauen hoch und lachte. „Ich denke, da ist er bei Peter am falschen Ufer.“ Er sah herüber zu Peter, der ein bisschen rot angelaufen war.

„Naja, einen Versuch war es wert.“ Brianne zuckte mit den Schultern. „Du wirkst auch nicht wie jemand, der Lust auf kitschige Pärchenvideos für YouTube hat.“ Wieder lachte sie.

Peter verzog das Gesicht. „Ne, nicht wirklich.“ Er räusperte sich und veränderte seine Sitzposition. Dann lenkte er das Gespräch wieder zurück. „Du hast gerade gesagt, Emmy lässt sich von den anderen in etwas reinziehen. Was meinst du damit?“  

Brianne seufzte. „Aiden, Coop und Matt. Die haben halt null den Durchblick. In so einem Kollektiv sollte man ja eigentlich darauf achten, dass das Geld, das man mit dem Main Channel verdient, an alle geht, aber die drei hauen einfach alles wieder raus, um es für irgendeinen Scheiß auszugeben. Und wenn man sich dann darüber beschwert, erklären sie einem, dass das alles doch nur für den Channel ist und dass man kein Teamplayer ist oder so.“ 

„Und Mia ist mit Aiden zusammen, deshalb steckt sie da auch mit drin“, erklärte Jack. „Als wir angefangen haben zu überlegen, ob wir ausziehen sollten, hat sie davon Wind bekommen und es den Jungs gepetzt.“

„Und dann?“, wollte Peter wissen.

„Dann haben die drei ein Riesentheater gemacht und uns rausgeschmissen“, sagte Brianne.

„Und die anderen drei?“, hakte Justus nach. „Raya, Devon und Emmy?“

„Die wollten keinen Stress, also haben sie die Klappe gehalten.“ Jack nahm einen Schluck aus Briannes Stanley-Cup, dann lehnte er sich wieder zurück und legte den Arm um seine Freundin. „Emmy und Mia sind beste Freundinnen und Emmy ist eher so der Mitläufer-Typ. Außerdem ist sie die mit den wenigsten Followern. Sie braucht die Fame Factory.“

„Und Devon und Raya sind eigentlich auch nur für die Plattform da. Coop hat die beiden angeschleppt, damit das Haus weniger weiß und straight wirkt – was nach außen hin tatsächlich hilft, aber eigentlich kann er die beiden nicht leiden“, ergänzte Brianne. Sie hatte jetzt selbst nach dem Stanley-Cup gegriffen und begonnen, mit dem Strohhalm zu spielen. „Wenn er mit seiner Alpha-Scheiße ankommt, finden die beiden das natürlich dumm. Also geht er ihnen quasi aus dem Weg und bei Aiden und Matt ist es nicht anders.“

„Und das lassen die beiden einfach mit sich machen?“, fragte Peter.

„Ach, die setzen sich auch ab, sobald sie sich genug aufgebaut haben, da bin ich mir sicher“, sagte Brianne. „Sie kriegen zwar gerade nicht das Geld, das ihnen zusteht, aber immerhin wächst ihre Followerzahl. Sie sind beide echt nette und ehrliche Menschen, aber sie sind trotzdem bereit, einiges runterzuschlucken, um irgendwann eigenständig von Social Media leben zu können. Das konnten sie noch nicht, als sie da eingezogen sind.“

„Hm“, murmelte Justus und zupfte an seiner Unterlippe. „Würdet ihr sagen, dass Aiden, Cooper und Matt den anderen das Geld unterschlagen, um sich selbst zu bereichern?“

Jack verzog das Gesicht. „Nicht mal unbedingt. Sie nehmen das einfach und kaufen dann damit eine Bowlingbahn oder Flippermaschinen oder was auch immer. Die können einfach nicht mit Geld umgehen und es gibt keine ordentlichen Verträge, sodass niemand so richtig klagen könnte.“

Brianne legte die Finger ihrer freien Hand an ihre Stirn. „Die schnallen einfach nicht, dass ihnen nicht alles gehört, was auf dem Konto der Fame Factory landet… Und wenn man selber keine besonders große eigene Plattform hat, ist das zwar auch nicht okay, aber man nimmt es vielleicht einfach hin.“ Sie presste die Lippen aufeinander und sah auf den Tisch. „Jack und ich haben halt echt einiges an Followern angeschleppt für die Fame Factory und wenn man dann dafür nicht anständig bezahlt wird, hat man irgendwann kein Bock mehr auf die Scheiße.“ Abfällig schnipste sie gegen den Strohhalm.

„Und sie nehmen auch keine Rücksicht auf Privatsphäre oder generell auf andere Leute“, fuhr Jack fort. „Viele der Streichvideos sind überhaupt nicht abgesprochen. Sie gehen in dein Zimmer, wühlen durch deine Sachen, verstecken dein Zeug, verarschen dich. Ich verstehe, dass man ne authentische Reaktion will, aber manche Sachen gehen einfach zu weit. Brianne und ich spielen uns ja auch Streiche für Content, aber wir gucken immer wenigstens, ob der andere das gerade wirklich noch witzig findet, und sprechen uns ab, bevor wir einfach etwas posten.“

„Und was noch dazukam, war, dass wir zu zweit nur ein Zimmer hatten. Wir haben eigentlich genug Geld, um uns mehr Platz leisten zu können“, sagte Brianne und machte eine Handgeste in den Raum.

Bob ließ die Worte der beiden sacken. Irgendwie bestätigte das alles noch einmal den Eindruck, den sie gestern in der Fame Factory gewonnen hatten. Die Mitglieder der Fame Factory wirkten online wie beste Freunde, aber im echten Leben gab es wohl einiges, das zwischen ihnen stand.

Abwesend wanderte Bob mit seinem Blick durch das Wohnzimmer. Hier war es im Gegensatz zur Fame Factory einigermaßen ordentlich. Es war stilvoll eingerichtet, es hingen ein paar Bilder an den Wänden und alles war in einer Art offenem Wohnkonzept miteinander verbunden. Um eine Ecke konnte Bob ein Esszimmer ausmachen, in dem ein großer Massivholztisch stand und– 

Moment mal…

Wie von selbst stand Bob auf und bewegte sich auf das Esszimmer zu. Die anderen sahen ihm verblüfft hinterher.

„Das kann doch langsam kein Zufall mehr sein, oder?“, murmelte er.

„Das ist ja–“, sagte Peter. Er hatte es jetzt auch gesehen.

Im Esszimmer hing ein riesiges Hirschgeweih an der Wand. Die anderen standen nun auch auf und folgten Bob zu dem gigantischen Deko-Objekt.

„Die Häufung lässt sich wohl nun nicht mehr abstreiten“, erklärte Justus.

„Was ist denn mit dem Geweih?“, wollte Jack wissen.

„Wo habt ihr das her?“, fragte Peter.

„Das habe ich selbst geschossen“, erklärte Jack. „Ich jage manchmal mit meinem Onkel. Er hat es mir so präpariert, dass ich es aufhängen kann.“

Bob nickte andächtig. „Und es hängt hier schon seit ihr hier wohnt?“

„Ja, so ungefähr“, sagte Jack. „Also vor drei Monaten oder so sind wir umgezogen und der Trip mit meinem Onkel war kurz danach, glaube ich.“

„Warum interessiert ihr euch dafür?“, fragte Brianne.

„Wir sind im Verlauf dieses Falles schon mehrfach mit Hirschgeweihen in Berührung gekommen.“ Justus zupfte sich wieder an der Unterlippe und schien nachzudenken. „Ist das hier die Signatur deines Onkels?“ Er zeigte auf etwas, das in das Holz geritzt war, an dem das Geweih befestigt war.

Jack beugte sich vor und sah es sich genauer an. Bob tat es ihm gleich. Es war nur ganz klein und sah ein bisschen aus, wie ein Kleiderbügel.

„Vielleicht.“ Jack zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Mir ist das vorher noch nie aufgefallen.“

„Hm“, machte Justus.

Bob holte sein Handy hervor und rief das Bild mit dem Sticker auf, das er in der Fame Factory gemacht hatte. Dann lief er ein paar Schritte zurück und glich das Bild mit dem Geweih ab. „Ich würde sagen, das ist genau die gleiche Sorte Geweih.“

„Das ist von einem Maultierhirsch“, sagte Jack.

„Genau wie auf dem Sticker in der Fame Factory“, merkte Bob an.

Justus holte nun ebenfalls sein Handy hervor und fotografierte die kleine Signatur auf dem Holz.

„Wann war denn der Einbruch bei euch genau?“, wollte Peter jetzt wissen.

„Am Neujahrstag“, erwiderte Brianne.

Peter nickte. 

„Also war euer Einbruch der zweite, oder?“, hakte Bob nach.

„Soweit ich weiß. Der Einbruch bei der Fame Factory war ein paar Tage nach Weihnachten“, sagte Brianne.

Peter nickte. „Und wo wart ihr am Neujahrstag?“

„Wir waren bei meinen Eltern in Arizona.“

„Ja, wir waren da auch nicht so schlau“, gab Jack zu. „Ich hab ne Story auf Insta gepostet, dass wir nach Phoenix fahren, also konnte es theoretisch jeder wissen.“

„Wie ist die Person denn reingekommen?“, fragte Bob.

Jack lachte. „Das ist ein bisschen verrückt. Wir hatten eine Katzenklappe in einem bodentiefen Fenster. Da war so ein größerer Bereich aus Plastik drumherum, den die Person wohl einfach mit einem Hammer oder so rausgeschlagen hat. Dann war das Loch gerade so groß, dass ein Mensch durchkriechen konnte. Und über den hohen Zaun muss die Person auch geklettert sein. Der war nämlich abgeschlossen – sowohl vorne an der Straße als auch das Hintertor, das in den Wald rausgeht.“

„Also suchen wir jemanden, der schmal, wendig und einigermaßen sportlich ist“, schloss Justus.

„Zum Glück hatten wir die meisten Wertsachen mit in Arizona“, sagte Brianne. „Es fehlte nur ein bisschen was an Schmuck, eine Switch und mein alter Laptop, den ich eh nicht mehr benutzt habe. Also sind wir noch ganz gut davongekommen.“

„Und wir mussten das Fenster ersetzen und uns eine neue, sicherere Katzenklappe zulegen.“

„Ich nehme mal an, eure Follower haben eure Katzenklappe bestimmt schonmal in einem eurer Videos gesehen“, sagte Peter.

Brianne zuckte mit den Schultern. „Vermutlich. Wir filmen ja hier ständig.“

„Wurde denn etwas hinterlassen?“, fragte Bob.

„Wie hinterlassen?“, antwortete Jack.

„Bei den Fishers wurde ein okkulter Gegenstand hinterlassen.“

Jack machte große Augen und zog die Mundwinkel nach unten. „Ist ja irre.“

Brianne schüttelte mit dem Kopf. „Bei uns gab es eigentlich nichts.“

„Hm“, machte Bob.

Es entstand eine kurze Stille.

„Wie steht ihr denn zu den anderen Familien, die beklaut wurden?“, fragte Justus dann.

Brianne überlegte kurz. „Also die Brooks wohnen nur zwei Häuser weiter von hier, die treffe ich manchmal, wenn ich mit dem Hund draußen bin.“

„Ach, einen Hund habt ihr auch?“, warf Peter ein.

„Ja, sie ist gerade beim Hundefrisör“, erklärte sie mit einem Lächeln. „Ein Labradoodle. Sie heißt Daisy. Wenn man hinten durch das Gartentor rausgeht, kommt man direkt in den Wald – mega schön. Da spielen die Kinder von den Brooks auch oft. Manchmal quatschen wir kurz, aber Madyson und Brad sind ein bisschen fake, ich kann mit denen nicht so viel anfangen. Die Nanny von denen ist aber ganz nett, finde ich.“

„Diese Ginny?“, fragte Jack.

„Ja, genau.“

„Kennt ihr die Fishers auch?“, wollte Bob wissen.

„Ja, die sind auch öfter mal im Wald“, sagte Jack. „Aber ganz ehrlich – die haben doch ein bisschen einen an der Klatsche. Wir gehen denen eher aus dem Weg.“

„Karissa hat mal unseren Hund getreten“, warf Brianne ein.

„Ernsthaft?“, rief Peter entsetzt.

„Ja, Daisy hat nur an ihrer Tasche geschnüffelt – nicht gekläfft oder geknurrt oder sonst irgendwas – und dann hat sie sie einfach getreten und hat mir gesagt, ich soll ihr den blöden Köter vom Hals halten. Ich hatte sie sogar angeleint.“

Peter biss sich grimmig auf die Unterlippe und ballte seine Hände fest zusammen. „Das ist doch Tierquälerei.“

Jack zog die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Schultern. „Es war zum Glück nicht so doll. Wir gehen ihr seitdem einfach weiträumig aus dem Weg.“

„Verständlich“, sagte Peter. „Da müsste ich mich ja zusammenreißen, nicht zurückzutreten.“

Bob lachte und legte Peter eine Hand auf den Arm. „Ich denke, wir sollten unsere Auftraggeberin nicht treten. Das würde das Lösen dieses Falls nicht unbedingt leichter machen.“

Peter presste die Lippen zusammen und betrachtete Bob. „Ich mag sie nicht.“

Bob gab ein gepresstes Lächeln zurück. „Ich auch nicht. Aber wir lösen das nicht mit Gewalt.“

Peter legte seine freie Hand auf Bobs ab. Dann seufzte er. „Ich weiß ja.“

Bob lächelte. Er liebte das an Peter. Diesen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und sein großes Herz. Und er hatte ja definitiv recht. Karissa Fisher war einfach kein Mensch, den man gern in seiner Umgebung hatte. Vielleicht könnten sie nach dem Fall überlegen, ob man der Frau mal einen Denkzettel verpassen sollte – ohne sich dabei strafbar zu machen natürlich.

Notes:

Cuties :)
Bald kommt wieder mehr PuB-Content, versprochen!

Chapter 8: Kapitel 8: Das Römische Reich

Summary:

Wir lernen endlich mal die Freundesgruppe aus dem Café besser kennen :)

Notes:

Hii, da bin ich schon wieder :)
Da ich ja dieses und das vorherige Kapitel eigentlich zusammenfassen wollte, ist dieses hier jetzt sehr schnell fertiggeworden. Es war halt schon zur Hälfte geschrieben, als ich das andere hochgeladen habe. Deshalb kommt das hier jetzt ziemlich schnell hinterher. Bin sehr gespannt, ob ihr die Leute mögt, die ich mir hier ausgedacht habe :)
Schicke euch liebe Grüße
Chris :)

PS: Wieder nur von mir selbst korrekturgelesen. Also wenn ihr Fehler findet, sagt es mir gern!

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Was soll das denn überhaupt für ein Beweis sein?“, fragte Peter, sobald sie die Autotüren von Bobs Käfer hinter sich geschlossen hatten. „Ist unser mysteriöser Einbrecher einfach ein Fan von Maultierhirschen, oder was?“

Bob lachte und drehte den Zündschlüssel. Es war wirklich etwas absurd.

„Was denn?“, spottete Peter. „Toll, herzlichen Glückwunsch, wir suchen nach jemandem, der neurodivergent ist? Entschuldigen Sie, könnten Sie uns bitte sagen, wo Sie am Neujahrstag waren, und dann hätten wir bitte außerdem gern eine komplette therapeutische Diagnostik?“

„Die Psychologie-Vorlesung, die du letztes Semester besucht hast, scheint einen tiefgreifenden Eindruck auf dich gemacht zu haben, Zweiter“, kommentierte Justus. „Ich will zwar nicht ausschließen, dass wir es mit einer neurodivergenten Person zu tun haben, doch sollten wir unsere Suche diesbezüglich nicht einschränken. Wir wissen ja noch gar nicht, ob es damit überhaupt etwas auf sich hat.“

„Der Vorlesung habe ich zu verdanken, dass ich mir einen Termin zur ADHS-Diagnostik gemacht habe. Ich würde behaupten, dass ihr es seitdem mit mir sehr viel einfacher habt, also beschwer dich nicht“, gab Peter zurück.

„Tu ich nicht“, sagte Justus.

„Ich würde eher sagen, dass du es seitdem mit dir selbst einfacher hast“, merkte Bob an. „Die Prüfungsphase vor Weihnachten war die erste, seit ich dich kenne, in der ich nicht das Gefühl hatte, dass du komplett den Verstand verlierst.“

Peter lachte. „Ja, es macht schon einen Unterschied, wenn man lernen muss und es dann auch einfach tun kann, statt sich drei Wochen lang deswegen verrückt zu machen und dann am Ende doch nur 48 Stunden Panik-Lernen zu betreiben.“

Es stimmte. Peter schien um Einiges ausgeglichener zu sein, seit er für sein ADHS in Behandlung war. Das hatten Bob und Justus schnell gemerkt. Bob war immer richtig stolz auf ihn, wenn er die Strategien anwendete, die er mit seiner Therapeutin erarbeitet hatte. Etwas weniger ängstlich war er auch geworden, weil ihm seine Medikamente erlaubten, die Dinge mit etwas mehr Distanz zu betrachten. Die Therapie hatte an der Stelle auch einiges verändert. An Geister glaubte er aber natürlich immer noch. Das würde so schnell auch nicht verschwinden. Die dämonisch belastete Hexenleiter war in den letzten Tagen öfter Thema gewesen, als Bob es sich gewünscht hatte. Aber das war halt Peter und irgendwie hatte Bob diese Seite an ihm über die Zeit auch liebgewonnen. Der Glaube an das Übernatürliche gehörte halt zu ihm. 

„Bezüglich der Geweihe hast du allerdings schon recht, Peter“, riss Justus Bob wieder aus seinen Gedanken. „Das ist eine äußerst ungewöhnliche Beweislage, bei der auch ich noch nicht weiß, was wir damit anfangen sollen.“

„Hört, hört“, sagte Peter grinsend.

„Das Geweih bei Brianne und Jack halte ich auch für nicht besonders relevant“, schaltete sich Bob ein. „Oder denkt ihr, die Person, die da eingebrochen ist, hat das Geweih in einem von deren Videos da hängen sehen und ist deswegen da eingebrochen? Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?“

Justus sah nachdenklich aus dem Autofenster. „Ja, das befürchte ich auch.“

„Okay, und jetzt?“, fragte Peter.

„Jetzt müssen wir mit den Brooks sprechen. Aber die sind ja noch im Urlaub“, sagte Bob.

„Wir sollten heute Abend nochmal eine ausführliche Lagebesprechung machen, wenn wir nach Hause kommen“, erklärte Justus. „Allerdings finde ich, wir sollten jetzt erst noch einmal bei dem Café halten und diesen Buck besser kennenlernen.“

„Nur weil er Buck heißt?“, beschwerte sich Peter. „Das ist genauso weit hergeholt wie, dass jemand wegen eines Geweihs an einer Wand wo einbricht.“

Justus zuckte mit den Schultern. „Wir haben aktuell nicht besonders viele Anhaltspunkte, also arbeiten wir mit dem, was wir haben.“

„Es ist schon kurz vor sieben“, merkte Bob an. „Denkst du, die haben noch auf?“

„Lasst es uns herausfinden, Kollegen.“

Bob kannte Justus gut genug, dass er wusste, dass es eh nichts gebracht hätte, zu protestieren. Also lenkte er den Käfer bei der nächsten Abzweigung auf die Straße, die zum Moonbeans führte.

 

Als sie durch die Ladentür traten, waren sie die einzigen Gäste. Nur drei Mitarbeitende befanden sich im Laden. Die Kellnerin mit dem gebleachten Bob-Haarschnitt, der sie vorgestern schon Fragen gestellt hatten, saß auf der Arbeitsplatte an der Wand hinter der Theke, die schüchterne junge Frau, die damals an der Kasse gestanden hatte, war gerade dabei, die Theke abzuwischen und Leo von gestern fegte mit einem großen Besen den Raum. Buck war nirgends zu sehen.

„Oh, seid ihr schon geschlossen?“, fragte Peter.

Das Mädchen auf der Theke zeigte auf die Uhr hinter sich. „Fünf Minuten habt ihr.“

„Dann nehmen wir nur was zum Mitnehmen“, sagte Bob freundlich.

„Na klar“, antwortete sie und sprang von der Arbeitsplatte.

„Morgan, lass“, sagte Leo und legte den Besen beiseite und eilte auf die Theke zu. „Du hast doch eigentlich frei heute. Ich mach das schon.“

Morgan lachte und hob die Hände. „Na gut, wollte es ja nur anbieten.“ Sie ging ein paar Schritte nach hinten und stemmte sich wieder auf die Arbeitsplatte, wo sie sich elegant in einen Schneidersitz faltete.

„Leo will nur mit deren Latte-Art angeben“, sagte das Mädchen mit den langen Haaren leise und schmunzelte. Dann biss sie sich auf die Lippe, als hätte sie sich über ihre eigenen Worte erschreckt. Bob sah, dass auf ihrem Namensschild Roxane stand.

Leo drehte sich zu ihr, zwinkerte ihr überexpressiv zu und wandte sich dann den drei Fragezeichen zu. „Was kann ich euch anbieten?“

Die drei Fragezeichen bestellten sich Getränke und sahen zu, wie Leo sich am Milchschaum verkünstelte. Es war wirklich faszinierend. Auf einem Getränk entstand ein Schwan, auf einem anderen ein sehr aufwendiges Muster und auf dem Dritten eine Blume.

„Wow, du hast echt Talent“, merkte Peter an.

Leo grinste und machte einen Knicks. „Danke, danke, hab’ ein bisschen geübt.“

„Ein bisschen ist eine Lüge“, warf Morgan lachend ein. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viel Raum diese Kunstform in Leos Kopf einnimmt.“

„Ich brauch halt ein kreatives Outlet, während ich arbeite, sonst platzt mein Kopf“, erklärte Leo. „Latte-Art-Tutorials sind mein Römisches Reich.“ Leo stellte die Becher vor den drei Fragezeichen auf die Theke und strahlte stolz.

Justus zog die Augenbrauen zusammen, während er nach seinem Getränk griff. „Römisches Reich?“

„Kennt ihr das nicht?“, fragte Morgan.

„Das Römische Reich?“, schaltete sich Bob ein. „Aus dem Geschichtsunterricht?“

„Ohh, das ist witzig, das machen wir jetzt!“, rief Morgan begeistert und klatschte in die Hände. „Also!“ Sie zeigte auf Justus. „Wie oft würdest du sagen, denkst du an das Römische Reich?“

Justus legte perplex den Kopf schief. „In meinem Alltag?“

„Ja, genau.“ Morgan strahlte ihn an.

Leo biss sich amüsiert auf die Lippe und selbst die unbeteiligte Roxane stoppte ihr aktuelles Aufräumen, um die Konversation reserviert zu beobachten.

„Ich würde sagen, recht regelmäßig“, erklärte Justus. „Ich interessiere mich sehr für Geschichte.“

„Wie regelmäßig?“, hakte Leo nach.

„Ein paar Mal pro Woche bestimmt.“

„Ernsthaft?“, entfuhr es Peter erstaunt. „Warum?“

„Weil es interessant ist“, sagte Justus, als wäre das eine völlig selbstverständliche Erklärung.

Peter schüttelte den Kopf. „Ich denke nie über das römische Reich nach!“

„Warum nicht?“, wollte Justus wissen.

„Warum sollte ich?“, gab Peter zurück.

Leo strich sich mit den Fingern übers Kinn. „Sehr interessant… und du?“

„Ich?“, fragte Bob.

Leo nickte.

„Ähm, keine Ahnung.“ Bob überlegte. „Vielleicht ab und zu mal?“

„Wir brauchen Zahlen“, forderte Morgan.

Bob lachte. „Weiß ich doch nicht. Vielleicht einmal im Monat?“

„Hm, schwieriger Fall.“ Leo drehte sich zu Morgan um, dann wieder zurück zu den Detektiven. Mit verengten Augen betrachtete Leo sie. „Also ich würde sagen, du bist auf keinen Fall straight, oder?“, sagte Leo zu Peter und drehte sich anschließend zu Bob. „Und du vermutlich auch nicht, schätze ich.“ Dann wandte sich Leo zu Justus und tippte sich dabei ans Kinn. „Und du bist der schwierigste Fall. Normalerweise würde ich bei der Antwort hetero vermuten, aber du bist sehr an Geschichte interessiert, deshalb zählt das nur so halb.“

„Ihr müsst darauf nicht antworten übrigens“, griff Morgan jetzt wieder in die Unterhaltung ein. „Das ist nur ‘ne dumme Internetgeschichte.“ Sie wandte sich Leo zu. „Es ist zwar mittlerweile fünf nach sieben und der Laden ist offiziell geschlossen, aber ich denke nicht, dass wir unsere Kundschaft nach sexuellen Orientierungen sortieren dürfen. Das steht bestimmt in irgendeinem Handbuch.“ Wieder lachte sie hell. Irgendwie hatte ihr Lachen etwas Einnehmendes. Man musste sofort mitlächeln.

„Kann man an der Antwort auf diese Frage erkennen, welche sexuelle Orientierung man hat, oder was?“, fragte Peter. „Das ist ja gruselig.“

„Eigentlich hat es andersherum angefangen“, sagte jetzt die stille Roxane wieder. Sie sprach noch immer wahnsinnig leise.

„Stimmt. Eigentlich ging es darum, dass Frauen und queere Menschen aller Geschlechter herausgefunden haben, dass ein Großteil der heterosexuellen Männer ungewöhnlich oft über das Römische Reich nachdenkt“, erklärte Morgan.

„Und dann haben wahnsinnig viele Mädels auf TikTok ihre Freunde gefragt, wie oft sie darüber nachdenken. Und meistens kamen so Antworten, wie die von dir hier“, sagte Leo und zeigte auf Justus.

„Justus“, stellte sich Justus vor.

„Faszinierend“, kommentierte Peter verwirrt.

Bob war auch verwundert. Sollte er öfter über das Römische Reich nachdenken? Verpasste er da was? Und warum hatte er davon noch nie etwas gehört? Er war doch im gleichen Alter wie die Leute hier.

„Wie oft denkt ihr denn an das Römische Reich?“, fragte Bob deshalb.

Leo lachte. „Wir sind alle viel zu queer. Und außer mir ist hier niemand an Geschichte interessiert. Wobei sich mein geschichtliches Interesse jetzt nicht wirklich auf das Römische Reich spezifiziert. Ich finde die Griechen sehr viel interessanter, wenn ihr versteht, was ich meine.“

„Pff, speak for yourself“, erwiderte Morgan. „Ich bin keineswegs viel zu queer, ich bin genau richtig viel queer.“ Sie grinste.

„Fair“, sagte Leo.

„Sind alle Mitarbeitenden dieses Cafés so gut befreundet wie ihr?“, wollte Justus wissen. „Es kommt vermutlich nicht so oft vor, dass Menschen an ihrem freien Tag freiwillig an ihrem Arbeitsplatz sind.“

Leo grinste und zuckte mit den Schultern. „Zumindest wir vier. Wir haben noch ein paar Aushilfen und eine Chefin, aber wir sind halt am meisten hier und arbeiten hier schon echt lange. Und queere Menschen neigen dazu, sich in kleinen Grüppchen zu sammeln. Das passiert irgendwie ganz automatisch.“

Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Ist das so?“

„Kann ich dir versprechen“, antwortete Leo. „Nur einmal geblinzelt und, zack, verbringst du deine ganze Zeit mit einer überextrovertierten bisexuellen Queen mit perfektem Lidstrich“, Leo wies mit der Hand hinter sich, wo Morgan ihre Hand hob, als würde im Unterricht die Anwesenheit überprüft, „einem Jock, der auf Snapchat Thirst-Traps von seinem Waschbrettbauch hochlädt, und einer panromantischen Ace-Maus, die gottlosen Smut auf AO3 hochlädt.“

„Fick dich“, sagte Roxane leise und streckte Leo den Mittelfinger hin – allerdings mit einem verhaltenen Schmunzeln.

„Ist ja spannend“, entgegnete Peter mit einem leichten Zweifeln in der Stimme.

„Und mit dem Jock meinst du den Kerl, mit dem wir dich gestern hier gesehen haben?“, hakte Bob nach.

Leo lächelte breit. „Genau. Buck ist heute beim Lacrosse-Training.“

„Oh, cool!“, rief Peter begeistert. „Das habe ich auch mal eine Weile gespielt, aber dann hat es sich irgendwann mit meinem Basketball-Training überschnitten.“

„Sport ist immer gleich so zeitaufwendig“, pflichtete Leo ihm bei. „Für mich wär’ das ja nichts. Vor allem, weil es auch immer gleich so Ärger gibt, wenn man mal nicht da ist. Jeden Montag und Freitag muss er da antanzen und wehe man fragt ihn, ob er das nicht einmal sausen lassen kann – Gott bewahre!“ Leo hob abwehrend die Hände.

„Ja, da hast du recht“, stimmte Peter Leo zu. „Man muss viel Commitment mitbringen. Das ist bei mir auch so. Und an Wochenenden sind immer noch Spiele. Das frisst schon viel Zeit.“

„Das heißt, du spielst wahrscheinlich auch ziemlich professionell, oder?“, fragte Morgan interessiert.

„Ja, ist halt ein UCLA-Stipendium, da muss man schon ordentlich abliefern.“

Morgan nickte beeindruckt. „Und ganz nebenbei bist du noch Detektiv. Beziehungsweise ihr?“

Die drei Jungen nickten.

„Verrückt. Wie läuft denn euer Fall? Kommt ihr vorwärts?“

„Wir haben noch nicht allzu viele Anhaltspunkte“, antwortete Justus.

„Hm“, machte Morgan. „Können wir euch irgendwie helfen?“

„Wisst ihr denn irgendetwas über die Einbrüche?“

Morgan zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich… Aber wir können euch Bescheid sagen, wenn wir hier irgendwas hören oder mitbekommen, wenn ihr wollt.“

„Das wäre ausgesprochen hilfreich“, sagte Justus und holte eine Visitenkarte aus seiner Hosentasche, die er ihr überreichte.

Morgan betrachtete das Stück Papier mit prüfendem Blick und nickte. „Habt ihr auch Snapchat?“

„Ich nicht“, sagte Justus.

„Ich aber.“ Bob lächelte. „Und Pete auch.“

Morgan zückte ihr Handy und lächelte. „Sehr gut. Wie heißt ihr?“

Bob und Peter diktierten ihr ihre Snapchat-Namen und bekamen sogleich eine Anfrage. Bob nahm sie an.

„Sehr gut, dann kann ich euch ja hier schreiben und muss nicht gleich auf eurem Festnetztelefon anrufen. Ich hasse telefonieren.“

„Kann ich verstehen“, pflichtete Peter ihr bei. „Ich auch.“

„Mich rufst du ständig an“, sagte Bob.

„Bei dir ist das was anderes.“

„Hm“, machte Bob.

Morgan sah amüsiert zwischen ihnen hin und her und legte grinsend den Kopf schief. „Ihr seid cool, ihr solltet öfter vorbeikommen.“

Bob grinste zurück. Ja, irgendwie mochte er diese Leute.

Notes:

Ob Bob jetzt wohl Bucks Thirst-Traps auf Snapchat findet?;)

Chapter 9: Kapitel 9: Die Waldhexe

Summary:

Fallbesprechung, kleine Recap und ein bisschen tension building zwischen Bob und Peter ;)

Notes:

Hi, ihr Süßis :) Ratet mal, wer schon wieder krank im Bett liegt? :D Es ist so hart nervig, aber naja, deshalb kriegt ihr das Kapitel jetzt zu einer Uhrzeit, zu der die meisten Menschen keine Zeit zu lesen haben. Ich hoffe, es gefällt euch :)
Korrekturgelesen von Milopoli <3

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Als sie endlich in ihrer Wohnung ankamen, war es schon nach neun Uhr. Sie hatten sich noch eine Ewigkeit mit den drei Mitarbeitenden aus dem Café unterhalten. Die drei waren echt wahnsinnig nett. Sie hatten nicht einmal groß über den Fall geredet, sondern irgendwie über alles und nichts. Es war einfach sehr angenehm mit ihnen gewesen. Die drei Fragezeichen hatten erfahren, dass Leo und Buck auch an der UCLA studierten. Morgan und Roxane hatten ihren Bachelor im Sommer abgeschlossen. Morgan war nun Praktikantin in einer Medienagentur und Roxane arbeitete freiberuflich als Texterin – beides warf ohne Nebenjob nicht genug Gehalt ab und so waren sie in dem Café geblieben, in dem sie damals im Studium zu arbeiten begonnen hatten.

Bob warf sich auf das große WG-Sofa und starrte auf das angefangene Whiteboard an der Wand. Irgendwie ergab in diesem Fall noch nicht allzu viel einen Sinn. Peter schmiss seinen Rucksack in die Ecke und legte sich der Länge nach auf dasselbe Sofa. Seinen Kopf legte er auf Bobs Schoß ab. Seine Wärme löste sofort ein wohliges Gefühl in Bobs Bauch aus. Wie von selbst ließ Bob seine Finger durch die roten Haare fahren, die vor ihm lagen.

„Hm“, sagte Peter zufrieden, „das ist schön!“

Bob lächelte auf ihn herunter. Na gut, dann hatte er jetzt wohl für die nächste halbe Stunde seine Aufgabe. Behutsam strich er über Peters Kopfhaut und ließ ab und zu seine Fingerspitzen über dessen Stirn, Wangen und Nase wandern.

„Kollegen, das war zwar äußerst aufschlussreich, doch sind wir jetzt wieder auf Punkt null“, erklärte Justus, während er sich in einen der Sessel setzte.

„Was war aufschlussreich?“, fragte Peter.

„Buck – der bisher einzige ansatzweise Verdächtige – hat jeden Montag- und Freitagabend Lacrosse-Training“, sagte Justus.

„Und?“, entgegnete Peter.

„Der Einbruch bei den Fishers war am Montagabend. Und der Einbruch bei Jack und Brianne war am Neujahrstag. Der lag in diesem Jahr auch auf einem Montag – auch wenn wir nicht wissen, ob bei Jack und Brianne auch abends eingebrochen wurde. Das gibt Buck eineinhalb Alibis.“

„Es war eh albern, ihn zu verdächtigen, nur weil er Buck heißt“, erwiderte Bob.

„Vielleicht“, gab Justus zu, „aber jetzt haben wir diesbezüglich Klarheit – sofern er sein Training nicht hat ausfallen lassen.“

„Was er laut Leo allerdings nie tut“, ergänzte Peter.

„Eben.“

„Die Frage ist, wen wir stattdessen verdächtigen können“, sagte Bob.

Es war kurz still. Es fühlte sich tatsächlich etwas planlos an. Sie hatten wirklich kaum Anhaltspunkte.

„Was haltet ihr denn von der Idee, dass die Leute aus der Fame Factory selber dahinterstecken?“, schlug Peter vor.

„Wie meinst du?“, erwiderte Bob.

„Na, überleg doch mal. Bei denen wurde als erstes eingebrochen – und zwar völlig ohne Einbruchsspuren. Sie können ja gar nicht beweisen, dass jemand durch die Terassentür gekommen ist, wenn sie sie offengelassen haben. Jack und Brianne haben gesagt, die können nicht mit Geld umgehen. Was ist, wenn einer von diesen Leuten Geldprobleme hat und das ganze eingefädelt hat? Und damit niemand auf ihn kommt, ist er zuerst bei sich selbst eingebrochen. Stress mit Jack und Brianne haben sie auch – da würde es naheliegen, ihnen schaden zu wollen. Für dumme Streiche sind sie auch bekannt, also würde es mich auch nicht wundern, wenn sie Karissa das verfluchte Ding da unterjubeln wollten. Sie haben ja gesagt, dass sie Karissa komisch finden, oder?“

Justus legte den Kopf schief. „Die Theorie finde ich gar nicht so unplausibel.“

„Auf jeden Fall plausibler, als dass ein übereifriger Maultierhirsch-Fan in der Gegend sein Unwesen treibt“, sagte Bob lachend.

„Auf die gleiche Art und Weise könnte man allerdings auch Jack und Brianne die Tat unterstellen“, sagte Justus. „Sie haben ein Problem mit der Fame Factory, wo ja zuerst eingebrochen wurde. Und Karissa Fisher hat deren Hund getreten. Sie könnten uns womöglich verschweigen, dass sie auch mit der Brooks-Familie ein etwaiges Problem haben.“

„Hm“, sagte Peter.

Justus stand auf und lief zum Whiteboard. Er nahm einen Stift und begann Pfeile zwischen den beklauten Parteien zu malen, die er beschriftete. An den zwischen Jack und Brianne und der Fame Factory schrieb er „Streit und Rauswurf“, an den von Karissa zu Jack und Brianne schrieb er „Hund getreten“.

„Das Problem bei der Fame Factory ist, dass uns da die Verbindung mit dem ganzen Hirschzeugs fehlt“, sinnierte Peter jetzt weiter. „Jack und Brianne sind zwar netter und offener, aber wenigstens gibt es da irgendwie ein Interesse an Hirschen.“

„Meinst du, Jack liebt sein Jagdhobby so sehr, dass er sich Sticker drucken lassen würde, die er an irgendwelche Orte klebt, an denen er war?“, fragte Bob.

„Keine Ahnung“, sagte Peter. „Aber hast du ne bessere Idee?“

Bob kratzte sich mit seiner freien Hand am Kopf und überlegte. „Ne, eigentlich nicht.“

Justus schrieb „Hirschgeweih im Esszimmer“ neben Jack und Briannes Namen. Dann machte er ein paar Schritte zurück und betrachtete das große Chaos. „Wir haben auch noch ein paar weitere Verdächtige, die wir noch nicht so gut kennen“, murmelte er dann. „Die Fame Factory hat einen Koch namens Argyle und die Brooks haben eine Nanny namens Ginny.“ Er ging wieder einen großen Schritt nach vorn und schrieb die Namen zu den jeweiligen Haushalten.

„Vielleicht müssen wir uns mal mit diesen ganzen Nebenfiguren unterhalten“, sagte Bob.

„Sollten wir“, stimmte Justus ihm zu. „Worüber ich allerdings auch noch keine Klarheit habe, ist das mit den menschlichen Haaren in der Hexenleiter.“

Ach ja. Das hatte Bob schon fast wieder vergessen.

„Stimmt!“ Peter fasste sich an die Stirn. „Was denkt ihr, woher die Haare kommen? Ist es wahrscheinlich, dass die Person ihre eigenen Haare genommen hat?“

„Hm“, machte Bob grübelnd. „Die Haare sind recht lang und außerdem recht hell. Das würde dann ja vermutlich auf eine blonde Person mit langen Haaren hinweisen.“

„Zwei der Mädels in der Fame Factory sind blond. Mia und Emmy“, erinnerte sich Peter.

„Brianne ist auch blond“, fügte Justus hinzu, „genauso wie Karissa und ihre Kinder, sowie auch die Brooks, die wir ja noch nicht kennen.“

„Unser Klientel ist zu weiß“, kommentierte Bob.

„Hollywood halt“, sagte Peter.

„Aber haltet ihr es für wahrscheinlich, dass jemand seine eigenen Haare verwendet, um daraus etwas zu basteln, das dann an einem Tatort zurückgelassen wird?“, merkte Justus an. „Warum sollte man seine eigene DNA an einem Einbruchsort hinterlassen?“

„Vielleicht war es gar nicht so schlau von Karissa, der Polizei nichts von der Hexenleiter zu sagen“, murmelte Bob. „Vielleicht ist der Polizei die DNA ja bekannt.“

„Wir könnten sie zu Cotta bringen“, schlug Peter vor. „Vielleicht kann der das mal abchecken lassen.“

„Gute Idee“, lobte Justus. „Das machen wir gleich morgen.“

Kurz trat Schweigen zwischen den drei Jungen ein. Bob strich noch immer in regelmäßigen Bewegungen durch Peters Haare. Er sah auf ihn herunter und musste schmunzeln. Irgendwie sah Peter sehr süß aus, wie er da so lag. Wäre ihm das in der Position nicht körperlich unmöglich gewesen, wäre Bob gern seinem Impuls gefolgt, ihm einen Kuss auf die Stirn zu geben – er wusste selbst nicht, woher dieser Impuls auf einmal kam…

„Wir könnten uns nochmal Gedanken über die Zeitpunkte und die Orte der Einbrüche machen“, schlug Justus nun vor.

„Was meinst du?“, fragte Bob.

„Zwei der Einbrüche waren an einem Montag“, erklärte Justus. „Der erste Einbruch war in der Fame Factory, und zwar an dem Donnerstag nach Weihnachten. Damit wäre der Abstand zwischen den Einbrüchen in der Fame Factory und bei Jack und Brianne am kleinsten.“

„Okay, Moment, das ist verwirrend“, warf Peter ein. „Können wir das bitte nach der Reihenfolge machen?“

„Natürlich“, entgegnete Justus. „Also: Einbruch Nummer eins – Fame Factory. Das war der Donnerstag vor Neujahr.“ Der erste Detektiv schrieb das Datum zur Fame Factory auf das Whiteboard.

„Dann kam Nummer zwei bei Jack und Brianne am Neujahrstag“, sagte Bob.

„Okay, und als nächstes kamen die Brooks“, erklärte Peter. „Das Video dazu haben wir uns ja auf YouTube angesehen.“

„Der Einbruch dort war am 9.1.“, ergänzte Justus. „Das war ein Dienstag.“

„Und dann in der Woche darauf montags waren die Fishers dran?“, fragte Bob.

Justus nickte.

„Also die Wochentage scheinen schonmal völlig willkürlich zu sein“, bemerkte Peter.

„Aber es lag meistens ungefähr eine Woche zwischen den Einbrüchen“, sagte Justus.

„Und was hilft uns das?“, wollte Peter wissen.

„Das sagt uns zumindest, dass es vermutlich nächste Woche zu einem weiteren Einbruch kommen könnte.“ Justus presste die Lippen zusammen und überlegte. „Heute ist Freitag. Wenn wir dem Muster folgen, dürften wir wohl am Wochenende vorerst nicht mit einem Einbruch rechnen. Aber das gibt uns ja vielleicht ein bisschen Zeit, um uns darauf vorzubereiten, wo man sich auf die Lauer legen könnte.“

„Was uns zu den Einbruchsorten führt“, schloss Bob.

„Haben wir eine Karte vom San Fernando Valley?“, fragte Justus.

„Ich kann eine im Internet suchen“, sagte Bob und zückte sein Handy. Er gab die Suchbegriffe in die Browserzeile ein und fand schnell, wonach er gesucht hatte.

„Lass das Handy nicht in mein Gesicht fallen“, murmelte Peter.

Bob grinste. „Keine Sorge, deinem wunderschönen Stupsnäschen wird schon nichts passieren.“

Peter streckte ihm die Zunge raus.

„Außerdem bin ich schon fündig geworden. Sollte gleich aus dem Drucker kommen.“

Und wie auf Kommando fing der Drucker in der Ecke des Raumes an, Geräusche zu machen.

„Bleibt ruhig sitzen, ihr Kuschelbären. Wir wollen ja nicht, dass ihr einander zu sehr vermisst.“ Justus, der ja eh schon stand, lief durch den Raum und nahm die Karte aus dem Drucker. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete er sie kritisch. „DIN-A4 ist in der Tat etwas klein, aber ich denke, es könnte uns trotzdem so reichen.“ Er hing die Karte mit Magneten an das Whiteboard. Dann begann er, mit einem roten Marker Punkte darauf zu malen.

Bob kniff die Augen zusammen und versuchte etwas zu erkennen. Es ging nicht – die Karte war zu klein. „Okay, Pete, du musst mich jetzt doch mal wieder aufstehen lassen.“

„Manno“, sagte Peter, richtete sich dann aber brav auf.

Bob stand auf und lief zu Justus, um die Karte von nahem zu betrachten. Peter folgte ihm und umarmte ihn sogleich von hinten, sodass sein Gesicht direkt links von Bobs war.

„Die Häuser sind schon alle recht nah beieinander“, kommentierte Peter jetzt. Bob spürte die Vibration von Peters Stimme in seinem ganzen Körper.

„Vor allem von hinten“, sagte Justus.

„Hä?“, machte Bob.

„Nicht alle Häuser befinden sich im gleichen Cul-de-Sac“, erklärte Justus. „Aber die Gärten aller Häuser grenzen an diesen Wald hier.“

„Stimmt!“, rief Bob. „Und es wurde auch bei allen von der Gartenseite aus eingebrochen, oder?“

„Die Katzenklappe von Jack und Brianne geht auf jeden Fall in den Garten raus“, stimme Peter ihm zu. „Und die Terassentür der Fame Factory auch.“

„Das Fenster, durch das bei den Fishers eingebrochen wurde, geht auch in den Garten raus“, ergänzte Justus.

„Aber das ist ja auch logisch, oder? Man will ja von der Straße aus nicht gesehen werden“, mutmaßte Bob.

Justus betrachtete das Waldstück zwischen den Häusern mit verengten Augen. „Wir sollten uns in jedem Fall diesen Wald etwas genauer ansehen.“

Peters Griff versteifte sich etwas um Bob. „Denkt ihr, da gibt es so eine Waldhexe, die dort irgendwelche Gegenstände verflucht und dann in den Wohnhäusern versteckt?“

„Ja, und die Waldhexe hat einen Maultierhirsch als Haustier und reitet auf dem über die Berge“, merkte Bob sarkastisch an.

„Hm“, machte Peter. „Ich mein ja nur… Vielleicht geht in diesem Wald irgendwas unheimliches vor sich.“

Instinktiv griff Bob nach einer von Peters Händen und drückte sie. „Davon würde ich jetzt erstmal nicht ausgehen. Jack und Brianne sind da doch ständig mit ihrem Hund und die Familien lassen ihre Kinder dort spielen. Wenn es da eine komische Waldhexe gäbe, wäre denen das sicherlich schon aufgefallen.“

Peters Umarmung lockerte sich wieder ein bisschen. „Na gut, dann gehen wir halt in den Wald.“ Seine Stimme klang noch immer skeptisch und zögerlich.

„Allerdings nicht mehr heute“, verkündete Justus mit einem Gähnen. „Ich muss jetzt dringend ins Bett. Gute Nacht, ihr Turteltäubchen.“ Damit machte er auf seinem Absatz kehrt und verschwand durch die Wohnzimmertür in den Flur.

Jetzt waren sie allein, Bob und Peter. Sie schwiegen einen Moment und verharrten in ihrer Umarmung vor dem Whiteboard.

„Findest du, dass wir wie Turteltäubchen sind?“, fragte Peter schließlich.

Bob drehte sich in Peters Umarmung um und sah seinem Freund in die Augen. Dann legte er seine Arme um Peters Hals und grinste. „Jetzt vielleicht.“

Peter lachte. „Ja, jetzt stehen wir so da wie auf dem Middle School Prom.“

„Wirklich? So eng hast du dich in der Middle School getraut mit deinem Date zu stehen?“

Peter schüttelte den Kopf. „Okay, vielleicht eher High School.“

„So mit totalem Herzrasen, weil man sich fragt, ob man sich jetzt küsst oder nicht… Man, war das stressig.“ Bob lachte.

„Findest du es komisch, dass ich so kuschelig mit dir bin?“

Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Nein, natürlich nicht. Ich bin doch mit dir genauso.“

Peter lächelte gepresst. „Okay.“

Sanft strich Bob wieder durch Peters Haare und grinste. „Seid ihr wirklich beste Freunde, wenn euer Umfeld nicht eure sexuelle Orientierung infrage stellt?“ Es war der gleiche Satz, den Peter vor ein paar Tagen erst zu Justus und Franca gesagt hatte. Bob zwinkerte ihm zu und lachte.

„Hm“, sagte Peter und biss sich auf die Unterlippe.

Notes:

Ob Peter wohl bald platzt?;)

Chapter 10: Kapitel 10: Der Fiebertraum

Summary:

Ich denke, ihr seid nicht ready für das, was jetzt kommt. Haltet euch gut fest :)
An alle, die wollten, dass der Knoten bald platzt: Hier bitte schön :)

Notes:

Ohne die Korrekturen und das Feedback von Milo wäre dieses Kapitel nicht das, was es ist! I'm very lucky to have you <3

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Während Bob und Peter sich bettfertig machten, hatte Bob den Eindruck, dass mit Peter etwas nicht stimmte. Irgendwie wirkte er etwas kürzer angebunden und in seinen Gedanken verloren. Gleichzeitig war es aber auch spät, also vielleicht war Peter einfach müde.

Sie putzten sich schweigend ihre Zähne und standen nebeneinander vor dem Badezimmerspiegel. Bob betrachtete das bewegte Porträt von ihnen beiden, nur das Schrubben von den Zahnbürsten war zu hören und irgendetwas kribbelte in seinem Bauch. Er mochte das – sich so alltägliche Dinge mit Peter zu teilen. Instinktiv legte Bob seinen Kopf auf Peters Schulter ab. Peter lächelte ihm kurz zu, dann löste er sich von Bob, um seinen Mund auszuspülen.

Bob wartete kurz und tat es ihm dann gleich. Dann wusch er sein Gesicht und nahm seine Kontaktlinsen raus.

In seinem Zimmer zog er sich seine Schlafsachen an und knipste das große Licht aus, sodass nur noch das schummrige Licht seiner Nachttischleuchte sein Zimmer in ein mildes Dunkelgelb mit langen Schatten verwandelte. Als er gerade ins Bett stieg, stand Peter – auch schon in Schlafklamotten – in seiner Tür.

Bob betrachtete ihn. Er war verschwommen, aber irgendwie konnte er auch ohne, dass er seine Gesichtszüge erkennen konnte, wahrnehmen, dass irgendetwas in der Luft lag. Bobs Magenregion füllte sich mit Sorge.

„Pete, ist alles okay?“

Peter zögerte. „Was? Ja.“

Bob verengte seine Augen. „Sicher?“

„Ich glaub, ich muss dir was erzählen.“

„Okay… Willst du reinkommen?“

Peter kam rein, zog die Tür hinter sich zu und blieb schließlich vor Bobs Bett stehen.

Bob lachte ein bisschen unbeholfen. „Komm mit hierher, hier ist’s warm.“ Er hob seine Bettdecke und bedeutete Peter, sich dazuzulegen.

Etwas zögerlich legte sich Peter neben Bob ins Bett, allerdings mit etwas Abstand. Aber wenigstens konnte Bob jetzt wieder Peters Gesicht erkennen. Dafür war er zum Glück nah genug.

Ein paar Sekunden schwiegen sie. Bob konnte erkennen, dass es Peter nicht leicht zu fallen schien, auszusprechen, was auch immer er sagen wollte.

„Sicher, dass bei dir alles okay ist?“, fragte Bob irgendwann vorsichtig und legte ihm kurz eine Hand auf den Arm.

„Ja, schon. Es ist nur irgendwie – okay, also…“

Bob versuchte, ihm aufmunternd zuzulächeln.

„Weißt du, irgendwie wurde in den letzten Tagen so oft über unsere sexuelle Orientierung gewitzelt – die in der Fame Factory mit ihrem komischen hypothetischen Spiel und die Leute im Moonbeans heute mit dem Römischen Reich und Just und Franca, und dann hast du Jack und Brianne erzählt, dass ich nicht an Typen interessiert bin…“

Bob biss sich auf die Unterlippe. Oh. Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, dass Peter das ja eventuell auch bewegen könnte. Immerhin hatte ihm das ja auch selbst nicht so gut gefallen. Vor allem das bei der Fame Factory.

„Ich–“ Peter atmete einmal tief durch. „Ich glaub, das könnte eventuell nicht stimmen bei mir.“ Er presste die Lippen zusammen und wartete auf Bobs Reaktion.

Bobs Haut begann zu kribbeln. Er wusste gar nicht so sehr warum. Es ging ja schließlich um Peter, nicht um ihn. „Was? Dass du nicht an Typen interessiert bist?“, flüsterte er.

Peter nickte kaum merklich.

„Oh, okay“, sagte Bob. Er wusste irgendwie nicht so richtig, was er dazu sagen sollte. Irgendetwas an der Sache überforderte ihn. Was sagte man auf sowas? Sollte er ihm gratulieren? Ne, das war komisch.

„Findest du das weird?“

Bob machte große Augen. „Warum sollte ich das weird finden? Das ist doch was ganz normales!“

Peter lachte unbeholfen. „Keine Ahnung.“

Bob riss sich aus seiner Überforderung und konzentrierte sich darauf, Peter das zu geben, was er jetzt brauchte. Schließlich war so ein Coming-Out ein großer Schritt für viele Leute. Zumindest hatte Bob das immer so wahrgenommen. 

„Pete, du bist du. Ich mag dich wie du bist – da wird deine sexuelle Orientierung nichts dran ändern.“

„Keine Ahnung, ich glaub, ich hab einfach nur Angst, dass du jetzt denkst, ich mach mich die ganze Zeit an dich ran, weil wir so eng miteinander sind. Ich will nicht, dass es zwischen uns komisch wird, weil du denkst ich steh jetzt auf dich.“

„Ach so“, murmelte Bob. Irgendwie traf ihn das. – Nicht, dass er wollen würde, dass Peter auf ihn stand. Natürlich nicht. Aber wer hörte schon gern, dass jemand einen nicht attraktiv fand? Oder? Das war doch sicher normal. „Ähm, also, ich war jetzt eigentlich nicht davon ausgegangen, dass du auf mich stehst.“

„Okay, gut.“ Peter lächelte.

Sie schwiegen kurz. Bob wusste noch immer nicht so recht, wie er sich verhalten sollte.

Peter presste die Lippen aufeinander und überlegte kurz, bevor er weitersprach. „Weißt du, ich bin mir auch gar nicht zu hundert Prozent sicher. Mir ist klar, dass ich Mädels mag, und mir ist auch klar, dass ich Jungs genauso oft attraktiv finde, aber ich hab noch nie was mit einem gehabt, deshalb bin ich ein bisschen planlos. Vielleicht bilde ich mir das alles auch ein.“

Bob zog die Augenbrauen zusammen und lachte. „Naja, es gibt ja keinen Bisexualitäts-Mitgliedsausweis, den man erst kriegt, wenn man das erste Mal was mit dem gleichen Geschlecht hatte, oder? Du musst doch niemandem etwas beweisen.“

Peter lachte. „Sowas Ähnliches hat Jeffrey auch gesagt.“

Bob zog die Augenbrauen hoch. „Und Jeffrey wollte nicht als dein Versuchskaninchen herhalten?“

„Um Himmels Willen!“ Peter verzog das Gesicht. „Also erstens hat Jeffrey nen Freund. Und zweitens mach ich mit sowas doch nicht unsere Freundschaft kaputt – mal ganz abgesehen davon, dass er wirklich nicht mein Typ ist, und ich nicht seiner.“

Bob lachte und griff nach Peters Hand. „Okay, sorry, Pete. Das war auch eigentlich nur ein Witz.“

Peter presste die Lippen zusammen.

„Was ist denn dein und Jeffreys Typ, dass ihr so inkompatibel seid? Ihr seid doch beide objektiv sehr attraktive Menschen.“

„Du findest mich attraktiv?“

Bob verdrehte die Augen. „Naja, bist du doch, oder nicht? Wäre doch eine Lüge, wenn ich etwas anderes behaupten würde.“ 

Es stimmte. Bob hatte schon immer gefunden, dass Peter ein wirklich attraktiver Mensch war. Am meisten eigentlich in Situationen wie in dieser hier. Wenn er lockere Kleidung trug und er einfach nur er selbst war – nicht der Detektiv, der sich mit Klientel unterhielt, oder der Sportler, den alle anhimmelten, sondern einfach nur Peter, der Typ, den er schon sein ganzes Leben kannte. Der Typ, der bei Horrorfilmen schrie und nach Bobs Hand griff und der sich hier in Bobs Bett einkuschelte und ihn mit verschmitztem Blick ansah. Bob konnte definitiv verstehen, warum er bei den Mädels im Cheerleading-Team damals immer so beliebt gewesen war und generell nie ein Problem damit hatte, an Dates zu kommen.

Peter zuckte mit den Schultern und biss sich auf die Unterlippe. „Danke, aber das musst du nicht sagen.“

„Halt die Klappe, man darf Komplimente auch einfach mal annehmen.“ Er grinste Peter breit an, der jetzt einen leichten Rotschimmer auf den Wangen bekam. 

Bob schürzte die Lippen. Irgendwie machte es ihm gerade Freude, Peter etwas verlegen zu machen. „Okay, jetzt aber mal Klartext: An was für Kerlen bist du denn interessiert, wenn Jeffrey’s Surfer-Boy-Look schon nichts für dich ist?“

Peter wand sich ein bisschen auf seiner Bettseite und sah an Bobs Gesicht vorbei. „Naja. Ich denke, Jeffrey und ich sind beide eher so an Twinks interessiert.“ Er hatte wahnsinnig leise und nuschelig gesprochen.

Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Was ist das denn? Klingt wie ein Schokoriegel.“

Peter lief etwas rot an. „Naja, eher so schmächtige Männer, etwas kleiner, so Menschen, die man als süß bezeichnen würde.“

„Hm“, machte Bob. „Ich werde ab und zu als süß bezeichnet.“

Peter lachte. „Ich denke, wenn du schwul oder bi wärst, könntest du tatsächlich als Twink durchgehen. Zumal du ja auch so ein Hipster-Bücherwurm bist.“

Zum wiederholten Male heute Abend kribbelte etwas in Bobs Bauch, das er nicht ganz zuordnen konnte. Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. 

„Okay, also findest du mich doch süß.“ Bob biss sich auf die Unterlippe und irgendwie bereute er sofort, dass er das gesagt hatte. Ob er jetzt eine Grenze überschritten hatte? Aber irgendwie hatte ihm das auf der Zunge gelegen. 

Peter verdrehte die Augen. „Jetzt klingt das schon wieder, als würde ich auf dich stehen… Keine Sorge, das tu ich nicht.“

„Alles gut“, beteuerte Bob. „Das denke ich auch nicht.“

„Okay, gut.“ Peter atmete noch einmal tief ein und aus. „Aber wenn du es genau wissen willst: Du bist schon auch ein attraktiver Mensch.“

Jetzt verdrehte Bob die Augen. „Du musst mir keine Lügen auftischen, nur damit ich mich besser fühle.“

„Tu ich nicht.“

„Ja, ja.“

Peter befreite seine Hand aus der Bettdecke und stupste Bob mit dem Zeigefinger vor die Stirn. „Du hast mich gezwungen, dein Kompliment anzunehmen, also musst du meins jetzt auch annehmen.“

„Na gut“, sagte Bob und spürte dabei, dass er jetzt selbst ein bisschen rot wurde – mit dem mittlerweile schon bekannten Kribbeln im Bauch.

Wieder betrachtete Peter ihn für ein paar Sekunden. „Bist du dir sicher, dass das alles okay für dich ist? Also vor allem damit, wie kuschelig ich so mit dir bin. Ich will es nicht, dass du dich mit mir komisch fühlst.“

„Tu ich nicht“, antwortete Bob.

„Sicher?“

„Ganz sicher.“

Bob sah Peter eine Weile in die Augen. Irgendwie sah er noch nicht so überzeugt aus. Also streckte er den Arm nach ihm aus. „Jetzt komm mal her.“

Peter rückte zu ihm ran und ließ sich in den Arm nehmen. Wie vorhin schon, fuhr Bob ihm sachte durch die Haare und dann über den Rücken. Er fühlte sich einfach wahnsinnig wohl mit ihm. Peter nah zu sein, hatte etwas von zu Hause sein, so sein zu können, wie er war. Und jetzt, wo er noch zusätzlich über so eine persönliche Sache aus Peters Gedanken Bescheid wusste, fühlte es sich noch einmal näher an. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass Peter ihm genug vertraute, um ihm so etwas anzuvertrauen. 

„Ich hab dich sehr lieb, Pete.“

„Ich dich auch, Bob.“

„Und mach dir nicht so viele Gedanken, okay? Zwischen uns ändert sich nichts.“

„Ich versuch‘s.“

„Magst du hier schlafen?“

„M-hm“, murmelte Peter in Bobs Schlafshirt.

Bob griff hinter sich und knipste die Nachttischlampe aus.

 

 

Als Bob das nächste Mal in einen dämmrigen Halbschlaf aufwachte, waren Peter und er noch immer eng verschlungen in seinem Bett. Es war wahnsinnig warm und Bobs ganzer Körper kribbelte. Schon wieder. Nur dieses Mal noch viel intensiver.

Bob öffnete die Augen und sah, dass Peter ihn durch leicht geöffnete Lider ansah. War er auch gerade erst aufgewacht?

Behutsam strich Bob Peter durch die Haare. Irgendwie fühlte es sich an, als würde etwas zwischen ihnen in der Luft hängen, als wäre im Universum ein einziges Zahnrad verdreht worden, das plötzlich alles verändert hatte. 

Irgendetwas stimmte hier nicht. 

Aber auf eine gute Art und Weise. 

Bob konnte es nur noch nicht so richtig greifen.

„Hey, ist alles okay?“

Peter nickte kaum merklich, antwortete aber nicht. 

Ein paar Sekunden verstrichen. 

„Was ist los?“, flüsterte Bob. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, die ganze Luft um ihn herum stünde unter Strom. Tausend kleine Flammen auf seinen ganzen Körper verteilt.

Bob spürte, wie sich Peters Griff um ihn leicht verfestigte. Wie von selbst streifte seine Nase an Peters, was sofort einen weiteren kleinen Stromschlag durch Bobs Körper sendete. Er konnte jetzt den Atem seines Freundes auf seiner Haut spüren. Ein berauschendes Gefühl. Wie Antizipation. 

In einer weiteren minimalen Bewegung schob Peter sein Bein etwas weiter zwischen Bobs. Das Gefühl zog sofort in seinen unteren Bauch, so als hätte Peter ein Streichholz genommen und Bobs ganzen Körper in Brand gesteckt. Er konnte es nicht anders beschreiben. Er brannte. Lichterloh. 

Alles in ihm schaltete sich aus. Er konnte nicht mehr denken. Er konnte nur noch spüren. 

Peter war überall an ihm und das Einzige, was Bob in diesem Moment noch wusste, war, dass er mehr davon wollte. Oder brauchte. 

Also nahm er all seinen Mut zusammen und legte vorsichtig seine Hand an Peters Hüfte und schob sie langsam unter den Stoff seines Shirts. Alles in ihm war angespannt. Er spürte, dass er zitterte. Hätte er richtig denken können, hätte er vielleicht infrage stellen können, was er hier eigentlich tat, aber sein Gehirn war aus. Autopilot. 

„Ist das okay?“, versicherte er sich leise bei seinem Gegenüber. 

Peter sah ihn immer noch an. Sie hatten in den letzten Minuten nicht einmal den Blick voneinander abgewandt. So als hätten sie beide Angst, diesen Moment zu verlieren, wenn einer nicht gut genug aufpasste. Wie eine brüchige Tonschale, die sie gemeinsam zwischen sich festhielten. Eine falsche Bewegung und sie zerfiel in tausend Teile.

„Bob“, flüsterte Peter. Er klang zerbrechlich. Außer Atem, angespannt. Es hatte etwas Flehendes. Und in diesem Augenblick wusste Bob einfach instinktiv, nach was Peter flehte. Er wusste es, denn er spürte es auch. Es war wie ein Ziehen, ein Magnetismus, den zu bekämpfen es beinahe unmöglich war. Wie ein Sog, ein Strudel, der ihn hinab zog in eine fremde Welt, die noch entdeckt werden musste. 

Er hatte irgendwie gar nichts dagegen tun können. Alles zog ihn zu Peter. Der letzte Überrest seines klaren Verstandes verschwand. Zögerlich überbrückte Bob die letzten paar Millimeter und legte seine Lippen auf Peters.

Peter ließ keine Sekunde vergehen, bis er auf den Kuss einstieg. Es war, als hätten sie gemeinsam einen Schalter zwischen sich umgelegt. Es ging plötzlich wahnsinnig schnell. Bob wusste nicht mehr, wo er selbst aufhörte und Peter anfing. Sie küssten sich, als bräuchten sie einander zum Überleben. Die Hände wanderten wie von selbst unter die Kleidung des Anderen, sie waren sich unglaublich nah und Bob konnte gar nicht mehr sagen, wann seine Boxershorts in seinen Kniekehlen gelandet waren. Alles, was er wusste, war, dass das hier alles war, was er jemals gebraucht hatte. Wie ein wilder Fiebertraum, von dem er wollte, dass er niemals endete. Das beste Gefühl, dass er in seinem ganzen Leben die Ehre gehabt hatte zu spüren. Es war, als würde er schweben, irgendwo weit über der Erde. 

Rausgezoomt, irgendwo da ganz unten auf der Landkarte lag er mit Peter in einem Bett und war unendlich weit von der Realität entrückt und er wollte, dass es niemals aufhörte. 

 

 

Als es vorbei war, traf ihn die Müdigkeit wie ein Kissen ins Gesicht – sie erschlug ihn förmlich.  Ein paar Mal setzte sein Hirn noch an, ein kleines „Aber–“ zu denken. Doch es hatte keine Chance. 

Bob griff nach Peters Hand und drückte sie. Dann schlief er ein.

Notes:

Und? Wer denkt, dass die beiden morgen früh damit super erwachsen und vernünftig umgehen werden? Anyone?

Chapter 11: Kapitel 11: Die Kollision

Summary:

Bob verarbeitet und trifft Menschen, die ihm schlaue Gedanken mitteilen.

Notes:

Hello :))
Ich sollte eigentlich lernen, aber ich tu es nicht :)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Als Bob aufwachte, fragte er sich, warum er kein T- Shirt trug. Verwundert sah er sich in seinem Zimmer um. Das Tageslicht schien leicht durch die Vorhänge, sodass der Raum schwach beleuchtet war. Eigentlich sah alles aus wie immer. Aber Bob fühlte sich anders. 

Er richtete sich auf und sah auf sein Handy. Es war halb zehn. Moment mal. Hatte Peter nicht gestern hier geschlafen? Der Gedanke löste ein ungewohntes Gefühl in Bobs Brust aus. 

Er stockte und suchte panisch mit seinem Blick den Boden um sich ab. Neben seinem Bett lag sein schwarzes Schlaf-T-Shirt auf dem Boden. Es hatte eindeutig Flecken. 

Schlagartig kamen die Erinnerungen aus der letzten Nacht wieder zurück. Angefangen damit, wie Peter sie beide mit dem Shirt saubergemacht hatte, das dort auf dem Boden lag. Und dann alles andere. Die Küsse, die Berührungen, das Gefühl. Es überrollte ihn förmlich.

Ach du scheiße. 

Bob schnappte nach Luft und ließ sich wieder zurück in sein Kopfkissen fallen. Seine Gedanken rasten. 

Verloren starrte er an seine Zimmerdecke. Es war nicht das erste Mal, dass er schlaftrunken mitten in der Nacht etwas mit jemandem gehabt hatte. Aber bis jetzt waren diese Jemande immer Leute gewesen, die er gerade datete. Und vor allem waren es bis jetzt auch immer Mädels gewesen. Und Peter war ziemlich eindeutig weder das eine noch das andere. 

Ich habe mit meinem besten Freund geschlafen, wiederholte Bobs Kopf immer wieder in Dauerschleife. 

Was zur Hölle? 

Naja. Vielleicht war das alles ja auch kein so großer Deal. Oder? Sie waren halt im Halbschlaf gewesen. Alle beide. Das erklärte es vielleicht. Und es war mitten in der Nacht gewesen. Da war ja niemand wirklich zurechnungsfähig. Vielleicht zählte das also nicht richtig. 

Und außerdem hatte Peter mehrmals betont, dass er eigentlich nicht auf Bob stand. Dementsprechend war der wohl genauso wenig Herr seiner Sinne gewesen wie Bob. Aber Peter stand wenigstens auf Männer – im Gegensatz zu Bob. 

Puh… okay, okay. 

Bob stand auf und blickte sich kurz verloren im Raum um. Dann nahm er das dreckige Shirt vom Boden und warf es in seinen Wäschekorb. Es fühlte sich an, als würde er Spuren an einem Tatort beseitigen. Nein, das war ein dummer Gedanke. Es war ja nichts Schlimmes passiert. Ein bisschen komisch vielleicht. Aber mehr auch nicht. Am besten, Bob dachte einfach nicht zu sehr darüber nach, dann würde das schon wieder verschwinden.

Er würde jetzt einfach duschen gehen und dann sah die Welt schon ganz anders aus.

 

Als Bob eine halbe Stunde später mit seiner Schüssel Müsli am Esstisch saß, trat Peter durch die Wohnungstür in den Flur. Bob sah durch die offene Tür, wie der zweite Detektiv keuchend seine Schuhe an der Garderobe auszog. Sein Kopf war hochrot.

„Warst du joggen?“

Peter zuckte zusammen und drehte sich zu Bob um. Er stockte einen Moment, dann lächelte er gepresst und nickte.

„Du siehst echt fertig aus“, kommentierte Bob lachend. Er spürte, dass er sich irgendwie nervös fühlte, versuchte aber, es so gut wie möglich zu verdecken.

„Hab Intervallsprints gemacht“, erklärte Peter.

„Wenn ich das machen würde, könntest du mich danach ins Krankenhaus einliefern.“

„Du unterschätzt dich“, sagte Peter. Er ging auf die Küchenzeile zu und holte sich ein Glas aus dem Schrank, dass er am Wasserhahn füllte und in einem Zug leertrank. Dann füllte er es erneut und drehte sich zu Bob um. Für ein paar Momente betrachtete er ihn, als wüsste er nicht, was er sagen sollte.

Bob hielt Peters Blick stand. Er wusste selber nicht so recht, was er sagen sollte. Wollte Peter über die Nacht reden? Oder war es besser, wenn sie es einfach nicht ansprachen und so taten, als wäre alles wie immer?

„Ich hab ein schlechtes Gewissen“, sagte Peter schließlich.

„Warum?“

„Naja, wegen heute Nacht.“

Bob legte den Kopf schief. „Warum solltest du deswegen ein schlechtes Gewissen haben?“

Peter verdrehte die Augen. „Ich mein… Erst erkläre ich dir lang und breit, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst, dass ich auf dich stehen könnte, und dann passiert… naja, was halt passiert ist.“

Bob biss sich auf die Unterlippe. „Ich hab ja auch mitgemacht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und ich stehe ja auch nicht auf dich. Zumindest nicht, dass ich wüsste.“ Er lachte unsicher.

Peter sah in sein Wasserglas, dann nahm er einen Schluck und sah wieder zurück zu Bob. Er wirkte ängstlich. Oh man. Es war sehr eindeutig, dass Peter sich viel zu viele Gedanken und Vorwürfe machte.

„Pete, wir waren beide im Halbschlaf“, sagte er ihm deshalb mit einem möglichst beruhigenden Tonfall. „Sowas passiert. Mitten in der Nacht tut man manchmal Dinge, die man so im wachen Zustand nicht getan hätte. Mach dir nicht so viele Gedanken, okay? Ich habe genauso mitgemacht wie du, also gibt es auch nichts, was man dir da speziell vorwerfen kann. Und ich will genauso wenig wie du, dass sich zwischen uns was verändert. Wir machen da jetzt einfach einen Haken dahinter und dann musst du dir auch nicht mehr das Hirn darüber zermartern, in Ordnung?“

Peter lächelte ihm gepresst zu und nickte. „In Ordnung.“

Bob lächelte zurück. Dann stand er auf und stellte seine leere Müslischüssel in die Spülmaschine.

Wieder Peter zugewandt legte er ihm seine Hand auf den Arm und sah zu ihm hoch. „Ich hab dich sehr lieb, Peter. Und das wird sich so schnell auch nicht ändern.“

Jetzt lächelte Peter ein bisschen entspannter zurück. „Ich dich auch.“

Bob lachte. „Und ich würd dich auch in den Arm nehmen, aber du bist sehr schwitzig und ich habe gerade geduscht.“

Peter grinste und machte einen Schritt auf Bob zu, seine Arme ausgebreitet.

Schnell duckte sich Bob unter Peters linkem Arm hindurch und flüchtete aus der Küche. „Später wieder, du Schweißmonster!“, rief er noch über seine Schulter, dann zog er seine Zimmertür hinter sich zu.

Na gut. Das war doch eigentlich ganz okay gelaufen.

 

 

___________________

 

 

Bob rauchte der Kopf. Er hatte echt einige Stunden in der Bibliothek verbracht und unzählige Artikel für sein Referat nächste Woche gelesen und zusammengefasst. Er hatte sich ein wahnsinnig komplexes Thema herausgesucht und mittlerweile bereute er das ein bisschen. Klar, es war sehr interessant – sonst hätte er es nicht genommen – aber es war auch viel Arbeit. Das bekam er jetzt zu spüren.

Vielleicht sollte er sich doch seine Präsentation von ChatGPT erstellen lassen. Aber irgendwie ging das gegen seine Schreiberehre. Sowas machte man nicht, wenn man ein ernstzunehmender Literaturstudent war.

Gedankenverloren stiefelte Bob auf sein kleines Lieblingscafé auf dem Campus zu, seinen Rucksack hatte er über eine Schulter geschlungen und nebenbei las er Nachrichten auf seinem Handy. Deshalb sah er auch nicht, dass ihm jemand entgegenkam, sondern spürte dies erst, als er mit der besagten Person kollidierte. Bob stolperte nach hinten und konnte gerade noch sein fliegendes Handy aus der Luft fischen, bevor er mit dem Hintern auf dem Boden landete.

Leo sah lachend auf ihn herunter und reichte ihm gleich eine Hand, um ihn wieder auf seine Füße zu ziehen. „Also ich wusste ja, dass ich umwerfend bin, aber dass ich dir gleich so den Boden unter den Füßen raube…“ Lachend strich sich Leo gespielt eingebildet eine Locke aus dem Gesicht.

Bob lachte mit und ließ sich von Leo nach oben ziehen. „Hi Leo, was machst du denn hier?“ Verdattert klopfte Bob sich die Hose ab und nahm seinen heruntergefallenen Rucksack wieder auf seine Schulter.

Leo verengte die Augen und schürzte die Lippen. „Ich studiere hier. So wie du.“

„Ah, ach so, stimmt ja.“ Bob kratzte sich am Kopf. „Sorry, ich hab dich gar nicht kommen sehen. Ich komm gerade aus der Bib. Irgendwie ist mein Kopf so zerstreut heute.“

„Same here“, sagte Leo und grinste. „Allerdings komme ich aus meiner Fakultätsbibliothek. Ich finde es irgendwie gemütlicher da als in der großen Unibibliothek. Und die Leute sind cooler. Fühle mich eigentlich bei meinen Theaterleuten am wohlsten.“

Bob lächelte. „Das kann ich gut verstehen. Ich sitze auch lieber in den kleinen Bibliotheken. Heute habe ich ein paar Artikel aus der großen Bibliothek gebraucht, deshalb war ich da. Aber an sich ist mir da auch zu viel los.“

„Vor allem die ganzen Jura-Studis, die da mit Hemd oder Bluse von Ralph Lauren sitzen.“ Leo verdrehte die Augen.

Bob lachte. „Ja, da fragt man sich manchmal, ob das eine Bibliothek oder ein Laufsteg ist.“

„Hey Bob!“ Plötzlich stand ein blondes Mädchen neben Bob und Leo.

Bob kannte sie, aber er konnte sich nicht mehr an ihren Namen erinnern. „Hey“, sagte er vorsichtig.

„Du hast mir gar nicht mehr zurückgeschrieben.“

„Äh… oh“, sagte Bob. Er war überfordert. Leo sah verwundert zwischen den beiden hin und her.

Das Mädchen presste ihre Lippen zusammen und betrachtete Bob eindringlich. „Okay, na gut, dann weiß ich ja jetzt, woran ich bin.“ Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging. Bob überlegte noch, ob er versuchen sollte, sie aufzuhalten, aber irgendwie hatte er da gerade nicht den Kopf für.

Es war kurz still.

„Hui, war das weird“, kommentierte Leo.

„Das kannst du laut sagen.“ Bob lachte unsicher. „Ich hatte vor ein paar Wochen mal ein Date mit ihr, aber ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr, wie sie heißt.“

Leo lachte. „Oh je.“

Bob zuckte mit den Schultern. „Ich bin nicht so der Hit im Dating, glaube ich.“

Leo zog die Augenbrauen zusammen. „Was meinst du?“

„Naja, ich gebe mir eigentlich schon immer Mühe und gehe auf irgendwelche Dates mit Mädels, die ich nett finde, aber irgendwie funkt es nie so richtig. Irgendwie hat mich noch nie eine so richtig begeistert. Und manchmal vergesse ich dann einfach zurückzuschreiben und ghoste aus Versehen jemanden. Das hat ja eigentlich niemand verdient. Zumindest eine Erklärung könnte ich denen ja geben.“

Leo legte den Kopf schief. „Wenn sie dir nicht wichtig genug sind, ist es ja logisch, dass du das vergisst. Selbst wenn es nicht fair ist. Aber ich bin mir sicher, dass sowas mehr Leuten passiert, als man so denkt.“

„Hm“, machte Bob.

Leo betrachtete ihn eindringlich und schien zu überlegen. „Das heißt, du gehst quasi ständig auf Dates, aber es hat bis jetzt noch nie bei irgendeinem Mädchen gefunkt?“

Bob zuckte mit den Schultern.

„Was ist mit Jungs?“

„Hm?“

„Bist du straight?“

„Äh, ich denke schon, ja.“

Und in dem Moment dachte Bob zurück an die letzte Nacht. Wie schnell alles gegangen war. Wie sehr er Peter gewollt hatte. Und irgendwie spürte Bob ein absinkendes Gefühl in seinem Bauch.

Leo verengte die Augen und suchte Bobs Blick. Bob fühlte sich, als würde Leo tief in seine Seele schauen. Einerseits irgendwie unangenehm, aber gleichzeitig hatte Bob auch das Gefühl, dass Leo vielleicht eine Person war, mit der er darüber reden konnte, ohne dass es zu komisch sein würde.

„Also, du musst nicht antworten, wenn du nicht willst… Aber hattest du schonmal was mit nem Kerl?“

Bob biss sich auf die Unterlippe. Wie hoch war bitte die Wahrscheinlichkeit, dass er genau jetzt, gerade heute, genau an dem Tag nach der Nacht mit Peter, diese Konversation führte? Das war doch fast ein bisschen gruselig. Er fragte sich, ob er lügen sollte, aber aus irgendeinem Grund entschied er sich dagegen. „Einmal“, antwortete er deshalb.

„Und? Wie war das?“

Tausend Bilder huschten vor Bobs innerem Auge entlang. Tausend Gefühle, die sich verboten anfühlten. Wie sollte er das beschreiben? 

Er atmete einmal ein und wieder aus. Dann sagte er: „Anders.”

Leo grinste nur. „Gut anders oder schlecht anders?“

Bob lachte etwas unbeholfen. „Ich weiß halt nicht, ob das wirklich zählt. Wir waren beide im Halbschlaf und ich glaube, ich war nicht besonders zurechnungsfähig. Es ist halt einfach so passiert.“

Leo tippte sich nachdenklich ans Kinn. „Aber hat es sich gut angefühlt?“

Wieder biss sich Bob auf die Unterlippe. Wenn er ehrlich mit sich war, war die Antwort auf diese Frage ja. Es hatte sich wirklich gut angefühlt. Wirklich, wirklich gut. Besser als er zugeben wollte. Wenn er ehrlich war, war das vermutlich der beste Sex, den er bisher je hatte. Auch wenn das alles sehr im Halbschlafnebel verschwommen war. Wie in einem Delirium. Ein Teil von ihm, der ihm nicht ganz gehörte. Also vielleicht sollte er nicht zu viel darauf geben. Aber dennoch: Die Antwort auf die Frage war ja. Also nickte er.

„Also, ich will dir ungern zu nahetreten – wir kennen uns ja wirklich noch nicht lange – aber vielleicht stehst du einfach gar nicht auf Mädels?“

Bob schluckte. Irgendwie klang das nach einer logischen Schlussfolgerung. Wenn man die Fakten betrachtete, die er Leo gerade vorgelegt hatte, ergab das echt Sinn. Es ergab viel zu viel Sinn. Und Bob wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Er fühlte sich, als würde ihn ein Nebel umgeben. Er wusste nicht mehr so recht, wo oben und unten war.

„Wäre es denn schlimm für dich, wenn du queer wärst?“, fragte Leo jetzt leise.

„Keine Ahnung“, sagte Bob ebenso leise. „Eigentlich nicht. Ich habe mir da nur noch nie Gedanken drüber gemacht.“

Leo legte ihm eine Hand auf den Arm. „Ich hoffe, ich bin dir nicht zu sehr auf die Füße getreten. Ich hatte da nur irgendwie so ein Gefühl und bin dem gefolgt. Aber wenn das alles Quatsch ist, dann musst du nicht beachten, was ich gesagt habe, okay?“

„Alles gut“, erwiderte Bob. „Ich muss da nur erstmal drüber nachdenken.“ Irgendwie wollte er hier weg.

„Wenn du wen zum Reden brauchst, bin ich gern für dich da, okay? Schreib mir einfach.“

„Okay“, sagte Bob und lächelte Leo zu. Reden war gut. Aber vielleicht musste er das alles erstmal durchdenken.

Notes:

Let the gay panic commence :)

Chapter 12: Kapitel 12: Das Masterdoc

Summary:

Bob grübelt und forscht und hat ein bisschen gay panic

Notes:

Hello ihr cuten Menschen :)
Oh man, ich habe echt ein bisschen gegrübelt. Normalerweise lade ich ja hier eher so 2000 Wörter Kapitel hoch, das hier hat jetzt um einiges weniger. Aber irgendwie finde ich das so voll gut und in sich abgeschlossen und es hat sich falsch angefühlt, da noch künstlich was dranzuhängen, das sich viel besser als eigenes Kapitel machen würde. Aber ich hoffe, ihr freut euch trotzdem darüber :) Es ist eins meiner Lieblingskapitel bisher. Ich bin irgendwie stolz darauf. Bin gespannt auf eure Reaktionen <3

Gegengelesen von Milo :)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Bob konnte nicht schlafen. Seine Gedanken waren wild und unkontrollierbar. Er warf sich von einer Seite auf die andere und versuchte zwanghaft, seinen Kopf leer zu halten, aber es half alles nichts. Immer wieder ging ihm dieser Satz durch den Kopf.

„Vielleicht stehst du einfach gar nicht auf Mädels“, hatte Leo gesagt. Stunde um Stunde sanken die Worte etwas tiefer in Bobs Unterbewusstsein ein. Es fühlte sich an, als sei der Satz mittlerweile in jeden einzelnen seiner Knochen eingraviert. Er ergab einfach viel zu viel Sinn. Bob konnte es nicht abstreiten, so sehr er auch Gegenargumente dafür suchte. 

Aber wenn das wirklich stimmte, wie um alles in der Welt war es dann dazu gekommen, dass er in seinen 20 Jahren als Mensch noch nie darüber nachgedacht hatte, ob er vielleicht schwul sein könnte? Wie konnte ihm dieser Gedanke so neu sein? 

Wenn Bob so darüber nachgrübelte, fiel ihm durchaus auf, dass er Männer schon manchmal attraktiv gefunden hatte. Er hatte das halt immer als ein objektives Bewundern interpretiert. Oder gelegentlich auch als Neid. Gerade wenn Männer in Bobs Alter sehr sportlich waren, hatte er sie manchmal etwas zu lang angestarrt. Wie zum Beispiel Buck im Café. Anzuerkennen, dass der ein attraktiver Mensch war, war doch objektiv und natürlich zu begründen, oder? Schließlich wäre Bob froh, wenn er so aussehen könnte. Aber war es das? Nein, eigentlich wollte er gar nicht aussehen wie Buck. Eigentlich hatte er ihn nur angeschaut, weil er wirklich gut aussah. Scheiße…

Bob drehte sich von einer Seite auf die andere, griff nach seinem Handy auf dem Nachttisch und entsperrte es. Er musste das jetzt dringend genauer untersuchen. Zur Not auch mit zweifelhaften Methoden. Er atmete einmal tief durch, dann öffnete er den Inkognitomodus seines Browsers und gab eine ihm vertraute URL in die Adresszeile ein. Es war zwar bei weitem nicht das erste Mal, dass er genau diese Wortfolge eingetippt hatte, aber dennoch fühlte er sich jetzt nervös – als würde er etwas Verbotenes tun. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die Bestätigung, dass er 18 oder älter war, drückte.

Sofort sprangen ihm tausend bewegte Bilder vor die Augen. Aufmerksam beobachtete er, was auf seinem Bildschirm passierte. Die Startseite zeigte eigentlich nur heterosexuelle Paare und wie auch sonst löste diese erste Reizüberflutung bei ihm nicht viel aus. Das war schon immer so gewesen. Er hatte dieser Art Filmchen noch nie besonders viel abgewinnen können. Die Frauen waren oft wahnsinnig unecht und aufgesetzt und manchmal fragte er sich, warum sie sich immer so albern und übertrieben verhielten. Er hatte das schon immer etwas unangenehm gefunden. Die Männer hingegen waren meist total anonym und irgendwie fast ein bisschen austauschbar – was ja auch Sinn ergab, wenn man als heterosexueller Mann diese Plattform durchsuchte und vor allem Frauen sehen wollte.

Die Frage war, ob sich Bobs Ansicht darauf verändern würde, wenn er dort nach etwas anderem suchen würde. Er atmete ein weiteres Mal durch und tippte auf die Suchzeile. Ein paar Sekunden lang dachte er nach. Was gab man denn da ein? Wo fing man an? Er presste die Lippen zusammen und überlegte. Dann tippte er einfach „gay“. Drei kleine Buchstaben. Enter. 

Die Seite aktualisierte sich und die bewegten Bilder veränderten sich schlagartig. Bob schluckte. Mit angehaltenem Atem klickte er auf das erste Ergebnis.

Wie gebannt sah er dabei zu, wie zwei junge Männer sich langsam auszogen und küssten. Er schluckte. Er konnte seine Augen nicht davon wegreißen. Alles in Bob zog sich zusammen. Was machte er hier eigentlich?

Reflexartig sperrte Bob das Handy und warf es quer durchs Zimmer. Mit einem lauten „tock“ prallte es an der Wand ab und landete mit einem weiteren dumpfen Geräusch auf Bobs Kommode.

„Scheiße“, murmelte er und stand auf. Er hob das Handy wieder auf und stellte fest, dass es zum Glück keine Kratzer hatte. Oh man, was hatte er sich nur dabei gedacht, einfach sein Handy durch die Gegend zu schmeißen? Was war denn bitte los mit ihm? Das hatte doch Geld gekostet.

Er entsperrte das Handy wieder und sofort sprang ihm eine Aufforderung entgegen, seinen Fingerabdruck für den Inkognitomodus einzuscannen. Nope. Auf gar keinen Fall. Er hatte eindeutig genug gesehen. Er drückte „Inkognitomodus beenden“ und atmete laut aus. Na toll. Das war ja wohl mal eine absolute Vollkatastrophe. Also eine einigermaßen hilfreiche Vollkatastrophe, aber trotzdem immer noch eine Vollkatastrophe. 

Er legte sich wieder ins Bett und dachte nach. Vielleicht hatte er für heute genug Forschung betrieben. Es war mittlerweile schon nach 3 Uhr. Vielleicht sollte er einfach schlafen gehen. …Wenn das nur so einfach wäre. Nein, schlafen konnte er nicht. Das ging einfach nicht.

Wieder entsperrte er sein Handy. Er öffnete Snapchat und klickte sich durch ein paar Roundsnaps von irgendwelchen Leuten, mit denen er normalerweise kaum redete. Ein bisschen Ablenkung war sicher gut.

Irgendwann landete er bei Leo. Auch Leo hatte einige Roundsnaps, die Bob sich nacheinander ansah. Eins aus der Bib vorhin – mit Blick auf den Campus. Dann eins auf der Rückbank eines Autos mit Roxane. Auf dem nächsten waren sie zu viert am Strand. Leo, Morgan, Buck und Roxane – die Moonbeans-Crew. Das nächste Bild war von Buck. Er trug nur eine Badehose, war tropfnass und hatte ein Handtuch in der Hand. Bob hielt mit dem Daumen das Bild fest und betrachtete es. Buck hatte wirklich ein einnehmendes Lächeln. Und einen guten Körper. Das ließ sich wahrlich nicht leugnen. Man konnte sehen, dass er sehr viel Sport trieb. Moment… wie lange starrte er das Bild schon an? Das reichte eindeutig jetzt. Schnell tippte Bob auf die rechte Seite des Bildschirms, um das nächste Bild anzuzeigen.

Oh.

Mist.

Jetzt hatte er das Bild im Chat gespeichert.

Hektisch und mit aufgerissenen Augen drückte Bob das Icon erneut, um es wieder zu entfernen.

Oh Gott. Ein Glück war es so spät in der Nacht, da würde Leo das mit Sicherheit nicht gesehen–

Erwischt! 😉“, kam es prompt von Leo.

Fuck!

War ein Versehen“, schrieb Bob schnell zurück.

Leos Antwort war ein Bitmoji, der skeptisch die Augenbraue hochzog. Bob biss sich auf die Unterlippe.

Wie geht’s dir denn?“, fragte Leo jetzt. „Ich hoffe, ich hab dich vorhin nicht zu sehr aus dem Konzept gebracht…

Naja, es ist halb vier und ich bin noch wach“, antwortete Bob.

Ich bin auch wach… Aber ich bin auch eine krasse Nachteule“, kam es von Leo.

Bob überlegte, wie ehrlich er Leo gegenüber sein sollte. Aber an sich hatte er ja nicht viel zu verlieren. Leo und er hatten keine gemeinsamen Bekannten, also konnte Leo auch nicht groß plaudern. Vielleicht war Leo gerade der einzige Safe-Space, den Bob hatte. „Ich denke, du hattest vielleicht recht“, schrieb er deshalb.

Ein paar Sekunden kam nichts. Dann schrieb Leo wieder. „Wie fühlst du dich damit?

Ich frage mich, wie ich da jetzt erst drauf komme. Ich bin 20 Jahre alt und bis heute hatte ich den Gedanken noch nie, dabei ist er doch eigentlich recht naheliegend, oder?“ Wieder schlug Bobs Herz ihm bis zum Hals. Irgendwie fühlte sich diese Konversation wahnsinnig gewagt an. Aber er war froh, dass er jemanden hatte, mit dem er darüber sprechen, beziehungsweise schreiben, konnte.

Hast du schonmal von ‚compulsive heterosexuality‘ gehört?

Bob runzelte die Stirn. „Nein, was ist das?

Hier: https://www.docdroid.net/N46Ea3o/copy-of-am-i-a-lesbian-masterdoc-pdf“, kam es prompt zurück.

Ehm…“, schrieb Bob, verwirrt von den Worten in der URL. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht lesbisch bin.

Leo schickte ein paar lachende Emojis zurück. „Schon klar. Aber das Dokument ist trotzdem super hilfreich. Die Pronomen musst du halt für dich umdrehen, aber das kriegst du schon hin. 😉“

Bob klickte den Link und das Dokument öffnete sich. Wow… 31 Seiten. 

Na gut. Schlafen konnte er ja eh nicht.

Notes:

Bin ich wirklich gay, wenn ich dieses Dokument nicht irgendwann mal mitten in der Nacht mit Herzklopfen gelesen habe? (*millenial tumblr gay war flashbacks*)

Chapter 13: Kapitel 13: Die Glitzerpuppe

Summary:

Bob ist müde und die drei Fragezeichen treffen eine weitere Influencerin

Notes:

Hiiii, ich lebe noch! Es tut mir leid, dass ich so schrecklich lange für dieses Kapitel geschrieben habe... Ich hatte Prüfungsphase und das war alles ganz anstrengend und dann letzte Woche hatte ich Vorstellungsgespräche, was sehr aufregend war - habe auch einen Job bekommen, bin sehr happy, aber meine Güte, bin ich jetzt müde. Und dann war ich auch noch super unzufrieden mit allem, was ich geschrieben habe. Habe die erste Version dieses Kapitels komplett verworfen und nochmal was ganz Neues geschrieben. Naja. Tut mir auf jeden Fall leid, dass ihr so lange warten musstet! Aber jetzt höre ich mal auf, mich zu entschuldigen und wünsche euch viel Spaß! <3

Korrekturgelesen von Milopoli <3

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Bob, bist du wach?“

Bob blinzelte durch seine müden Augenlider.

Es klopfte erneut an seiner Tür. „Los, komm schon, Dritter. Es gab einen weiteren Einbruch!“, drängelte Justus.

Geistesabwesend griff Bob nach seiner Brille auf dem Nachtisch, setzte sie auf und sah auf sein Handy. Halb zehn. Eigentlich eine Uhrzeit, die okay war. Aber Bob hatte noch bestimmt bis fünf Uhr in dem Dokument gelesen, das Leo ihm geschickt hatte. Er hatte also definitiv nicht genug Schlaf bekommen. Und er war definitiv zu müde, um jetzt aufzustehen und sich mit dem Fall auseinanderzusetzen.

„Vielleicht ist er gar nicht zu Hause?“, hörte Bob Peter murmeln. „Er könnte ja auch woanders geschlafen haben.“

„Alle seine Schuhe stehen im Flur“, antwortete Justus.

„Hast du sie etwa gezählt?“

Bob verdrehte die Augen. „Jetzt kommt halt rein!“, rief er.

Sogleich öffnete sich die Tür und seine beiden Kollegen begutachteten ihn belustigt. Sie waren beide schon angezogen und sahen sehr viel frischer aus als Bob sich fühlte.

„Ich dachte, wir sind davon ausgegangen, dass wir am Wochenende nicht mit einem Einbruch rechnen können“, beschwerte sich Bob zerknirscht.

Peter zuckte mit den Schultern und grinste. „Auch ein Justus Jonas kann sich mal irren.“

„Ich habe lediglich eine fundierte Vermutung angestellt“, rechtfertigte sich der erste Detektiv. „Ich habe nie eine hundertprozentige Richtigkeit meiner Überlegungen diesbezüglich beansprucht.“

„Bei wem wurde denn eingebrochen?“

Peter lachte. „Rate mal!“

Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Jemand, den ich kenne?“

„Lulu Sparkle!“, verkündete Peter und grinste.

„Wer soll das sein?“

„Das habe ich ihn auch gefragt“, schaltete sich Justus wieder ein.

„Sag bloß, du kennst die auch nicht“, rief Peter entsetzt. „Die war in letzter Zeit überall in den Medien.“

„Aha“, sagte Bob.

„Die aktuelle Cringe-Persönlichkeit der queeren Community, es ist wirklich wild.“

„Ist sie homophob?“, fragte Bob. Er wusste nicht, ob er heute die Nerven für Homophobie hatte. Es war eine Sache, sich den Scheiß anzuhören, wenn man ein Außenstehender war, aber jetzt, wo ihn das möglicherweise sogar direkt betraf… schwierig.

„Nein, sie ist lesbisch. Aber sie macht ganz viele andere unangenehme Sachen. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll“, erklärte Peter. „Die ist in so einer Fernseh-Show aufgewachsen, die heißt ‚Watch me dance‘, und sie hat ihre eigene Face-Glitter Kollektion, mit der sie seit Jahren Millionen macht und sie hat so eine Kindertanzgruppe, die mit ihr auf Bühnen auftritt, und die hat sie alle abscheulich behandelt und neulich hat sie die einfach alle gefeuert, und–“

„Pete, du solltest TikTok dringend wieder deinstallieren“, kommentierte Bob. „Nachher brennt noch dein Hirn durch – das ist ja wirklich besorgniserregend!“

Peter verschränkte die Arme vor der Brust. „Hey, das ist total sinnvoll für unsere Ermittlungen.“

„Da muss ich unserem Zweiten Recht geben“, pflichtete Justus ihm bei. „Außerdem ist Lulu Sparkle mit Madyson Brooks befreundet – welche übrigens gestern aus ihrem Familienurlaub zurückgekehrt ist – und Madyson Brooks ist mit Karissa befreundet, weshalb Lulu Sparkle uns bereits um elf bei sich erwartet und mit uns über den Einbruch sprechen will. Lulu hat nämlich auch einen okkulten Gegenstand gefunden.“

„Hm“, machte Bob. Er war noch zu müde, um das alles zu verstehen. Das waren zu viele Infos auf einmal. Und irgendwie verschwammen diese ganzen Internetleute mittlerweile auch miteinander.

„In einer Dreiviertelstunde fahren wir los, wir nehmen Peters MG“, verkündete Justus. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand.

Peter blieb in der Tür stehen und sah auf Bob herab, der sich noch immer keinen Zentimeter aus seinem Bett bewegt hatte. „Du siehst echt fertig aus.“

Bob hielt ihm den Mittelfinger hin. 

Peter lachte. „Warst du gestern Nacht noch weg?“

Bob schüttelte den Kopf. „Hab nur extrem schlecht geschlafen.“

„Hm. Ist Vollmond?“

Bob zog die Augenbrauen zusammen und lachte. „Ich bin kein Werwolf, Pete.“

„Manche Leute schlafen bei Vollmond schlechter.“

„Sicher, dass das nicht nur ein Gerücht ist?“

Peter zuckte mit den Schultern.

Bob betrachtete ihn, wie er da so stand. Er sah viel zu hübsch aus für die Uhrzeit. Irgendwie so ausgeruht und gut gestylt. Er trug einen graublauen Hoodie und eine schwarze Jeans. Die Farbkombi stand ihm. „Komm mal her!“ Bob streckte die Hand nach ihm aus.

Peter grinste, löste sich aus dem Türrahmen und krabbelte zu Bob aufs Bett.

Bob schloss ihn fest in seine Arme ein und vergrub sein Gesicht in dem Pulli. Peter begann sofort, auf Bobs Rücken sanfte Kreise zu zeichnen. Es war schön. Irgendwie hatte er das Gefühl, die ganzen Zweifel und alles an Grübelei, die er gestern Abend betrieben hatte, waren plötzlich völlig egal. Mit Peter war das alles unwichtig. Er war hier und Peter war hier und sie waren beste Freunde und es war völlig egal, ob Bob jetzt auf Mädchen stand oder nicht.

„Können wir nicht einfach den ganzen Tag hier so liegen bleiben? Das ist doch viel gemütlicher.“

Peter kicherte. „Ich denke, dann kommt irgendwann Justus und zieht dir die Decke weg.“

„Spielverderber“, schmollte Bob.

„Na los, geh duschen“, ermutigte Peter ihn sanft.

„Ich will nicht“, nuschelte Bob in Peters Pulli.

„Soll ich dich tragen?“

„Kann ich meine Bettdecke mitnehmen?“

Peter löste sich aus der Umarmung und sah Bob amüsiert an. „In die Dusche?“

„Ja, okay, vielleicht ne dumme Idee.“

Peter lachte. „Vielleicht.“

Bob atmete einmal tief durch und schlug die Decke weg. „Na gut, dann stehe ich wohl mal auf.“

„Du bist süß“, sagte Peter.

„Vielleicht bin ich ja doch ein Twink.“ Bob grinste Peter an. Dann hievte er sich hoch und suchte sich sein Handtuch und ein paar Klamotten zusammen.

„Ich weiß ja nicht, was ich von dem Story-Arc halte.“

Bob blieb auf seinem Weg zur Tür stehen und sah Peter an. „Ich auch nicht.“

 

_____________________________

 

Bob wusste nicht mehr genau, was für Erwartungen er bezüglich Lulu Sparkle gehabt hatte – nach dem, was Peter heute Morgen erzählt hatte – aber er war definitiv sprachlos, als Peter den MG auf das Grundstück der Influencerin lenkte. In der Auffahrt stand (neben mehreren anderen hochwertigen Fahrzeugen) ein Auto, auf dem von oben bis unten Lulu Sparkles Gesicht zu sehen war. Hunderte Lulu-Sparkle-Gesichter mit ihrem angeblich typischen breiten blend-a-med-Grinsen. Es war echt ein bisschen beunruhigend. War die junge Frau wirklich so selbstverliebt?

Das Haus selbst war natürlich riesig – wie sollte es auch anders sein? – aber es war doch ganz anders als die Villen, die sie bisher besucht hatten. Die Außenwände waren in bunten Farben angemalt und der Bereich um die große Haustür war voller kleiner, reflektierender Mosaiksteinchen. Es war, als würde das Haus glitzern.

Sobald sie aus dem Auto ausstiegen, öffnete sich die türkise Haustür. Lulu Sparkle stand mit ausgebreiteten Armen im Türrahmen. „Joooooo, die drei Fragezeichen, was gehhhht?“ Sie wirkte unfassbar gut gelaunt. Sie trug weite Klamotten, ein Basketballjersey und eine Jogginghose, auf dem Kopf hatte sie eine umgedrehte Cap.

Justus ging einen Schritt auf sie zu und hielt ihr die Hand hin. „Angenehm. Justus Jo–“

Weiter kam er nicht, weil Lulu ihn sogleich quasi ansprang. Sie drückte ihn fest und ließ ihn dann ruckartig wieder los. Justus sah nicht begeistert aus, als sie sich wieder von ihm löste. Er wurde wirklich nicht gern von Fremden berührt. Vor allem nicht so.

Bob und Peter stellten sich Lulu nun auch vor. Auch sie bekamen eine Umarmung, aber ein bisschen weniger Überfall-artig.

„Kommt rein, ich zeig euch meine Hood!“ Lulu lief auf ihr Haus zu, ohne sich umzusehen. Treudoof trotteten die drei hinterher.

Als Bob über die Türschwelle trat, hatte er das Gefühl, in einen Regenbogen gelaufen zu sein. Überall war es bunt und es glitzerte. Vielleicht hätte er eine Sonnenbrille mitnehmen sollen. Es war die ultimative Reizüberflutung. Und irgendwie fragte er sich, ob er nicht doch besser im Bett hätte bleiben sollen. Er war definitiv zu müde für… was auch immer das hier war. Vielleicht eine Mischung aus Candystore und Disneyland?

„Ja, Boys, sagt an, wie kann ich euch am besten helfen? Wollt ihr ne Haustour?“, sagte Lulu viel zu laut. Sie klang heiser, aber das war ja kein Wunder, wenn sie immer in der Lautstärke sprach. Bob kratzte sich unschlüssig am Kopf.

„Ich denke, am meisten würde es uns helfen, wenn du uns über den Tathergang aufklärst“, antwortete ihr Justus entschieden ruhig. „Und wir sind natürlich besonders an dem Gegenstand interessiert, der hier hinterlassen wurde.“

„Ah, jaja, na klar“, rief Lulu. „Kommt, wir gehen mal ins Wohnzimmer.“ Sie klatschte in die Hände und leitete die drei Detektive durch die Küche in ihr Wohnzimmer, wo eine riesige Couch stand, die extrem wuschelig und bunt war. Beim Hinsetzen hatte Bob das Gefühl, er würde sich in Zuckerwatte setzen. Und nicht auf eine gute Weise. Gedankenverloren begann er, das bunte Kunsthaar zu streicheln, während die Influencerin erzählte.

„Ja, also ich hatte ja gestern fett Release-Party – Habt ihr geschaut?“ Sie zeigte mit dem Zeigefinger in die Runde. Bob fragte sich, in welcher Welt sie lebte, dass sie davon ausging, dass jeder Mensch ihr Release-Schedule kennen musste. Vielleicht war sie wirklich so selbstverliebt wie ihr Auto vermuten ließ.

„Ähm, ne, sorry“, sagte Peter.

Mit offenem Mund sah sie zwischen den drei Detektiven hin und her. „Ah, ach so. Naja. Okay. Aber meine Musik kennt ihr?“

Die drei schüttelten die Köpfe.

Sie lächelte. „Naja, okay, bisher war auch viel Kinderkram dabei. Aber das, was jetzt kommt, mein Rebrand, das wird ganz groß. Ich mache jetzt was völlig anderes. Das hat die Welt so noch nicht gesehen. Ich muss auch noch mein Haus umgestalten. Das wird ein ganz neues Ich. Ihr solltet mal reinhören in meinen neuen Song. Er heißt ‚Bad Bitches‘, ein echter Durchbruch.“

Irgendwie klang ‚Bad Bitches‘ jetzt nicht wie etwas, das die Welt vorher noch nie gehört hatte, fand Bob, aber vielleicht war er auch ein bisschen sehr kritisch. Auf jeden Fall war es wohl sinnvoll, den Gedanken für sich zu behalten.

„Okay, und während deiner Release-Party wurde hier eingebrochen?“, hakte Justus nach.

„Ja genau. Vielleicht irgendwann nachmittags oder abends. Keine Ahnung. Aber so schlimm ist das nicht. Es wurden eigentlich nur Kleinigkeiten gestohlen. Irgendwelcher Schmuck aus Brand-Deals und Designerkram. Das ist mir alles nicht so wichtig.“

Wieder einmal dachte Bob, dass diese Influencer wirklich einfach zu viel Geld hatten. Vermutlich war der finanzielle Schaden, der hier entstanden war, einer, der die drei Fragezeichen in den Ruin getrieben hätte, aber eine Lulu Sparkle schien von dem Ganzen nicht mal ansatzweise beunruhigt.

„Wie ist die Person denn ins Haus gekommen?“, fragte Bob.

„Die Balkontür im ersten Stock war gekippt. Da ist wer hochgeklettert, hat da durchgegriffen und dann das Fenster daneben aufgemacht.“

„Hast du eine Alarmanlage?“

„Jaaaa, aber die vergesse ich immer anzumachen“, rief Lulu und machte eine abwinkende Handbewegung. „Ich bin ein bisschen chaotisch, wisst ihr?“

Bob nickte. „Also musste die Person einigermaßen sportlich sein.“

„Voll!“, bestätigte Lulu. „Könnt ihr euch ruhig mal angucken gleich. Das ist nicht leicht, das Erdgeschoss hat ja auch echt eine hohe Decke!“

„Und was genau wurde hier hinterlassen?“, fragte Peter jetzt.

Lulu stand auf und lief zum Küchentisch, wo sie nach etwas griff, und kehrte wieder zurück. Sie legte den Gegenstand auf dem Wohnzimmertisch ab. „Hier. Bisschen geschmacklos, oder? Echt peinlich! Scheiß Hater, echt ey.“

Bob betrachtete das Objekt. Es war eine Art Vodoo-Puppe, ganz aus Glitzerstoff, und in ihrer Schulter steckte ein Zahnstocher.

„Denkst du, jemand wollte dich verfluchen?“, fragte Peter.

„Boooaaah, mega creepy, ey, keine Ahnung man.“ Sie verzog das Gesicht.

„Hast du je in einem deiner Videos über Voodoo-Puppen gesprochen?“, wollte Justus wissen.

Lulu legte den Kopf schief und überlegte. „Najaaa, ich hab mal mit meiner Exfreundin eine gebastelt von dieser Influencerin, die wir nicht mögen. Die hat sich einfach immer online das Maul über mich zerrissen und dann haben wir irgendwann in nem Video mal Witze darüber gemacht und aus Quatsch so ne Puppe gebastelt.“

Peter machte große Augen. „Wie heißt die Influencerin denn?“

„Lekshana“, antwortete Lulu. „Denkt ihr, sie war das?“

„Naja, zumindest für den Einbruch bei dir hat diese Lekshana dann ja erstmal ein Motiv“, erklärte Peter. „Aber du bist ja nicht die Einzige, die beklaut worden ist, deshalb können wir dir das so nicht direkt beantworten. Wir werden auf jeden Fall mal mit ihr reden müssen, um näheres herauszufinden.“

Lulu nickte bedächtig und schien zu überlegen. Bob biss sich auf die Lippe. Irgendwie hatte er gerade herzlich wenig Lust, noch weitere Influencer kennenzulernen und in ihren prolligen Häusern zu besuchen. Aber naja. Das war nun gerade ihr Fall – da musste er wohl durch. Und er war ja vor allem müde. Wäre er wacher, hätte ihn das vermutlich weniger genervt. 

In die kurze Stille des Raumes klingelte Justus Handy. Der erste Detektiv nahm ab und hörte seinem Anrufer eine kurze Weile zu. Dann bedankte er sich und legte auf. „Kollegen, das war Cotta“, verkündete er anschließend, „wir wissen jetzt, von wem die Haare in der Hexenleiter stammen.“

Bob und Peter sahen ihn erwartungsvoll an. „Na, lass dich nicht lange bitten“, drängelte der zweite Detektiv.

„Sie stammen von Madyson Brooks.“

Notes:

Lasst mir ein bisschen Liebe da, wenn ihr mögt. Ich hab grad voll den Schreib-Durchhänger und könnte ein bisschen Ermutigung gebrauchen 🙈

Chapter 14: Kapitel 14: Das Trüffelschwein

Summary:

Neue Entdeckungen und ein ungewöhnlicher Spaziergang.

Was bisher geschah: Sie sind gerade bei Lulu Sparkles, bei deren Einbruch eine glitzernde Voodoo-Puppe hinterlassen worden ist. Lulu erzählt, dass sie mal eine Voodoo-Puppe von einer Influenzerin namens Lekshana gebastelt hat, weil die schlecht über sie auf TikTok geredet habe. Außerdem bekommen die drei Fragezeichen einen Anruf von Cotta, der ihnen erklärt, dass die Haare in der Hexenleiter (die bei Karissa Fisher hinterlassen worden war) von Madyson Brooks stammen.

Notes:

Hello:) Bei mir passieren gerade ganz viele aufregende Sachen. Zum Beispiel habe ich einen neuen Job ab August, das ist sehr cool. Ich komme gar nicht hinterher mit meinen ganzen Gefühlen. Und ich habe aus Versehen die letzte Woche Ibuprofen statt meiner eigentlichen Medis genommen, das war nicht so schlau. Hab mich schon gewundert, warum ich so schlecht schlafe... Naja...
Euch jetzt erstmal viel Spaß mit eurem Kapitel!
Alles Liebe
Chris

PS: Korrekturgelesen von Milopoli

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Hä, das ist ja komplett wild!“, rief Lulu. „Und vor allem macht das ja null Sinn! War Maddy nicht beim letzten Einbruch schon im Urlaub?“ 

„War sie“, bestätigte Justus. „Und das war auch der Einbruch, bei dem die Hexenleiter hinterlassen wurde. Sofern sie nicht jemanden beauftragt hat, bei den Fishers einzubrechen, kann sie damit also nichts zu tun haben.“

Bob überlegte und zog die Augenbrauen zusammen. Na klar. Madyson Brooks war eine Woche lang mit ihrer Familie im Urlaub gewesen. Damit ergab es noch weniger Sinn, dass ausgerechnet ihre Haare in einem Gegenstand waren, der beim Einbruch in die Villa der Fishers hinterlassen worden war.

„Und wie kommen dann ihre Haare in die Hexenleiter?“, sprach Peter Bobs Gedanken laut aus.

Bob dachte nach. „Vielleicht hat die Person, die den Einbruch begangen hat, die beim Einbruch in das Haus der Brooks mitgehen lassen.“

„Ist ja unheimlich“, kommentierte Peter. „Wer klaut denn Haare?“

„Woher hat die Polizei denn überhaupt Maddys DNA?“, rief Lulu mal wieder viel zu laut und griff sich an den Kopf. „Ist sie irgendwie ne Straftäterin oder so? Das kann doch gar nicht sein!“

„Sie hat eine Probe abgegeben, als die Spurensicherung in ihrem Haus nach Spuren gesucht hat“, erklärte Justus gelassen. Es war irgendwie eine absurde Konversation, fand Bob. Es schien, als würde Justus versuchen, Lulus übertriebene Energie mit seiner eigenen Ruhe zu dämpfen. Aber Lulu war überhaupt nicht anfällig dafür, Justus‘ Entspanntheit zu übernehmen. Es wirkte, als hätte sie gar kein Gefühl für soziale Situationen. 

„Ich rufe jetzt einfach mal Maddy an“, verkündete Lulu dann lautstark und verließ den Raum. Bob überlegte noch kurz, ob er sie aufhalten sollte, ließ es dann aber. Es würde eh nichts bringen, Madyson Brooks diese Information vorzuenthalten. Die Polizei würde sie ohnehin bald damit konfrontieren.

Peter wartete bis Lulu außer Hörweite war. Dann raunte er: „Aber wenn der Dieb oder die Diebin sich einfach die Haare aus irgendeiner Haarbürste mitgenommen hat, dann hat uns diese Info von Cotta doch überhaupt nichts gebracht, oder?“

„Möglich“, sagte Justus, „aber es zeigt uns dann zumindest, was für einen Aufwand diese Person betreibt, um den Einbruchsopfern eins auszuwischen. Das ist ja auch schonmal was wert. Und vielleicht hat die Person das auch bewusst gemacht, um die beiden Freundinnen gegeneinander aufzuhetzen. Das halte ich für eine äußerst interessante Dynamik.“

„Und vielleicht ist Madyson Brooks ja doch irgendwie involviert, wer weiß“, sagte Bob. 

Justus begann, bedächtig an seiner Unterlippe zu zupfen. „Peter, kannst du auf TikTok mal nach dieser Lekshana suchen und sie kontaktieren? Ich würde mich sehr gern mit ihr unterhalten. Ich habe den Eindruck, Lulu Sparkle erzählt uns nicht die ganze Geschichte.“ 

Peter zückte sein Handy und begann zu suchen. Justus hatte Recht. Irgendwie hatte Lulus Geschichte über diese Lekshana sehr unvollständig geklungen. Man bastelte doch nicht einfach eine Voodoo-Puppe von einer anderen Person, wenn es da nicht mehr zu erzählen gab. Auch nicht aus Spaß.

Während Peter noch auf seinem Handy tippte, kam Lulu zurück ins Wohnzimmer. „Jungs, wir können bei Maddy vorbeikommen, wenn wir wollen. Sie ist zu Hause. Habt ihr Bock?“ 

„Sehr gut!“, lobte Justus. 

„Wir können durch den Wald gehen. Das ist nicht weit. Ich muss eh mit Boopsie raus“, sagte Lulu.

„Du hast auch nen Hund?“, fragte Peter. 

„Hund?“ Sie lachte schallend. „Boopsie ist mein Schwein.“

„…mit dem du Gassi gehst“, sagte Peter monoton.

„Ja, na klar. Auch Schweine müssen sich mal die Beine vertreten.“ Sie grinste. „Gerade ist sie im Garten. Wollt ihr sie sehen?“

„Unbedingt!“, sagte Bob und versuchte dabei, so begeistert wie möglich zu klingen.

Sie folgten ihr in den riesigen Garten, wo Lulu das Schwein aus einem kleinen Außengehege holte und ihm ein Geschirr anlegte. „Ist sie nicht wunderschön?“, rief sie den drei Fragezeichen zu, während sie eine Leine am Geschirr befestigte. Die drei nickten alle brav. Dann führte Lulu Boopsie auf das kleine Gartentor zu, das sich am Ende des Geländes befand. Die Jungs folgten ihr durch das Tor, während Lulu in einem konstanten Redefluss von Boopsies Instagramseite berichtete.

Bob fragte sich, was das für ein Bild war, das sie hier abgaben. Eine viel zu berühmte Internetpersönlichkeit mit übertrieben lässigen Klamotten, die ein Schwein an der Leine hatte und dahinter die drei Fragezeichen aus Rocky Beach. Und das im Wald. Aber irgendwie schien hier niemand auch nur mit der Wimper zu zucken. Im Influencer-Valley sah man vielleicht so einiges.

Der Wald war nicht besonders dicht. Das Gelände war weitläufig und überall stachen rötliche Felsen hervor, die den Boden uneben machten. Einige Menschen waren mit ihren Hunden unterwegs. So richtig mysteriös und einladend für geheimniskrämerische Hexen wirkte der Wald also wirklich nicht. Sie waren eben noch immer im San Fernando Valley. Die Masse an reichen Leuten hatte wohl dafür gesorgt, dass das Waldstück einigermaßen ordentlich und gepflegt aussah. Trotzdem gab es hier und da ein paar Ecken, an denen kleine Trampelpfade ins Gestrüpp führten. Es konnte sich schon an der ein oder anderen Stelle jemand verstecken, aber leicht war es nicht. Aber vielleicht lag das auch daran, dass Lulus nicht enden wollender Monolog sich mittlerweile zu einem Egotrip über ihre neue Single Bad Bitches weiterentwickelt hatte. Und sie sprach auch zu laut. Bob fragte sich, ob sie damit nicht Singvögel verscheuchte.

Nach ein paar Minuten begann Boopsie, etwas auf dem Boden zu erschnüffeln. Mit der Nase dicht über dem Boden zog sie ungeduldig an der Leine und führte Lulu auf einen der Trampelpfade, die von dem etwas größeren Weg abgingen. Der Weg wurde immer gewundener und enger und nach und nach streiften sie mit ihren Hosenbeinen immer mehr am Gestrüpp entlang, sodass sie nur noch hintereinander gehen konnten. Mittlerweile, dachte Bob, machte das Setting schon viel mehr den Eindruck, als könnte hier eine Waldhexe ihr Unwesen treiben. Hier wirkte plötzlich alles viel wilder und schlechter gepflegt. Die Büsche rechts und links hatten Dornen und hier und da gab es ein paar Brennnesseln.

Schließlich fand Boopsie das, worauf sie hingesteuert hatte. Sie wühlte ein bisschen mit ihrer Nase im Dreck und fing an zu schmatzen. „Ohhh, guckt mal, sie hat Trüffel gefunden!“, rief Lulu begeistert. „Du bist ja so ein kluges Schwein, ja das bist du!“

Bob suchte Peters Blick, der auch mit einem Schulterzucken die Szene beobachtete. Dann trafen sich ihre Blicke kurz und Peter grinste. Bob musste sofort zurückgrinsen.

„Schweine sind äußerst intelligente Tiere“, erklärte Justus. „Laut Studien sind sie sogar klüger als Hunde.“

„Die Frage ist, wo wir jetzt sind“, sagte Peter mit einem Hauch Ungewissheit in der Stimme.

„Keine Sorge“, sagte Justus, „da vorne geht es wieder zurück auf einen der Hauptwege.“

„Hey, Moment mal!“, sagte Peter plötzlich und zeigte auf eine kahle Fläche zwischen den Büschen, vielleicht drei Meter von ihnen entfernt. „Hier hat jemand was verbrannt.“

Bob und Justus richteten ihren Blick auf die Stelle, die wie ein Lagerfeuerplatz aussah. Nur dass das Feuer wohl viel zu nah an den Büschen gemacht worden war. Das konnte ja in Kalifornien durchaus ziemlich gefährlich werden. Eine offizielle Lagerfeuerstelle war das hier auf jeden Fall nicht. Es wirkte eher, als hätten hier ein paar Kids gezündelt.

Die drei Detektive traten näher an die Feuerstelle. Justus hockte sich hin und pikste neugierig mit einem Stock in der kalten Asche herum.

Bob lachte. „Just, was willst du da denn bitte finden?“

„Sticker.“

„Hä?“

„Na, schau doch mal genauer hin!“

Bob hockte sich dazu und betrachtete die schwarz-grauen Überbleibsel. Justus hatte Recht. Das sah aus, als hätte jemand Sticker, oder zumindest irgendetwas dünnes, aus Plastik bestehendes verbrennen wollen – was ja bekanntermaßen nicht besonders gut funktionierte. Zumal es vermutlich auch abartig gestunken haben musste.

Justus hob einen der Schnipsel auf und begutachtete ihn. „Bob, hast du das Foto von dem Sticker noch auf deinem Handy?“

Bob zog sein Handy, rief das Bild auf und hielt es dem ersten Detektiv hin.

„Nicht euer Ernst“, murmelte Peter, der sich jetzt neben Justus gehockt hatte.

„Diese Ecke hier“, sagte Justus und hielt Bob den Schnipsel hin. „Das ist doch der Rand ebenjenen Geweihs, oder nicht?“

Bob zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete das Stück Plastik eingehend. „Sieht auf jeden Fall sehr ähnlich aus.“

Justus grinste. „Warum sollte jemand in diesem Wald einfach so Geweihsticker verbrennen, wenn es nicht einen dringenden Grund gab, sie loszuwerden?“

„Langeweile? Unterstimuliertes ADHS?“, schlug Peter vor und lachte. „Nein, eigentlich denke ich auch, dass das sehr verdächtig ist.“

„Das macht es also sehr viel wahrscheinlicher, dass der Sticker in der Fame Factory tatsächlich von der Person stammt, die dort eingebrochen ist“, schloss Bob.

Justus und Peter nickten.

„Und da hinten ist Karissas Haus.“ Justus zeigte an den Büschen vorbei. Durch eine Lücke in den Bäumen konnte man definitiv in einiger Entfernung die weiße Villa der Fishers sehen. Bob fand das Haus ja noch immer echt hässlich und kalt. Irgendwie so charakterlos.

„Der Blick ist allerdings nicht gut genug, dass die Person das Haus von hier hätte beobachten können“, stellte Bob fest.

„Haben diese Sticker etwas mit den Einbrüchen zu tun?“, fragte Lulu jetzt neugierig.

„Ganz genau wissen wir das noch nicht“, erklärte Peter ihr. „Aber es ist sehr wahrscheinlich.“

Justus nickte. „Wir sollten hier ein paar Fotos machen.“

Nachdem Bob einige Fotos von den verbrannten Überbleibseln gemacht hatte, stapften sie weiter durch das Dickicht. Hier gab es echt viele Sträucher und immer wieder blieb der Stoff von Bobs Hose an irgendwelchen Ästen hängen. Als sie schließlich aus dem Gestrüpp traten, erklärte ihnen Lulu, wie es zu den Häusern ging. Karissas Haus war mittlerweile ganz deutlich zu sehen, aber auch das Haus der Brooks Familie war nicht weit. Die Häuser der TikToker waren in jeweils unterschiedlichen Richtungen ein Stückchen weiter entfernt. Aber auch die konnte man fußläufig erreichen.

 

Das Haus der Brooks sah dem der Fishers unfassbar ähnlich, fand Bob. Es war genauso beige und riesig und kühl und ohne jeglichen Charakter. Was Bob allerdings auffiel, war, dass Madyson Brooks nicht mal ansatzweise so freundlich mit Lulu umging, wie er es erwartet hatte. Hatte Lulu nicht gesagt, sie wären gut befreundet? Madyson war außerdem ungefähr genauso unecht wie Karissa auch schon. Bob hatte den Eindruck, die Brooks waren vielleicht etwas weniger verblendet als die Fishers, aber es überraschte ihn überhaupt nicht, dass Karissa und Madyson so gute Freundinnen waren.

Sie erfuhren nicht viel Neues, während sie auf der weißen Rauledercouch der Familie saßen. Die Nanny der Familie, eine gewisse Ginny, war mit den Kindern im Wald gewesen, während Madyson und ihr Mann Brad auf einem Date gewesen waren. Ginny hatte versehentlich die Terassentür angelehnt gelassen, sodass die Person nur über den Gartenzaun hatte klettern müssen. Laut Madyson war kein Gegenstand oder etwas ähnliches hinterlassen worden. Bob fragte sich zwar, ob sie vielleicht etwas übersehen hatte, sagte aber nichts. Und dass anscheinend ihre Haare aus irgendeiner Haarbürste geklaut worden waren, war ihr auch nicht aufgefallen. Sie reagierte mit Ekel auf die Vorstellung, dass jemand aus ihren Haaren etwas gebastelt hatte. Verständlich. Bob hätte das an ihrer Stelle auch verstörend gefunden. 

Schließlich erstellte Madyson auf Justus‘ Nachfrage den drei Fragezeichen eine handgeschriebene Liste mit Personen, die für die Familie arbeiteten. Darauf standen die besagte Ginny, ein Kameramann namens Justin und eine Editorin namens Paige. 

Sie verabschiedeten sich und machten sich zurück auf den Weg in den Wald. Lulu war seit der Begegnung mit Madyson etwas ruhiger geworden. Sie schien vor allem damit beschäftigt, ihr Schwein zu beobachten und es immer wieder zu ermutigen, weiterzulaufen. Vermutlich war Boopsie es nicht gewohnt, so weite Strecken zu laufen. Schweine waren ja wirklich nicht für ihre Sportlichkeit bekannt. 

„Fandet ihr, dass sich Maddy komisch verhalten hat?“, fragte Lulu schließlich.

„Inwiefern?“, fragte Justus.

„Naja, mit mir. Früher hat sie sich viel mehr gefreut, mich zu sehen.“

„Das ist mir auch aufgefallen“, sagte Bob. „Du hattest ja gesagt, ihr wärt so gut befreundet.“

„Sind wir auch“, sagte Lulu. „Aber seit ich mich geoutet habe, meldet sie sich fast nie bei mir und irgendwie verhält sie sich anders.“

„Naja, sie ist mit Karissa befreundet, oder?“, warf Peter ein. „Die ist doch auch mega homophob.“

Lulu verzog das Gesicht. „Ja, Maddy ist in so einer Megachurch. Die sind glaub ich nicht so cool mit queeren Menschen. Ich habe aber immer gedacht, sie würde für mich eine Ausnahme machen.“

„Wenn sie so homophob ist, dann wird es dir vielleicht auch nicht guttun, weiter mit ihr befreundet zu sein, oder?“, antwortete ihr Peter.

„Ja, vielleicht“, sagte Lulu. „Aber ich kenne sie echt schon ewig.“

Bob überlegte, was er Lulu darauf antworten könnte. Er wusste nicht, was man zu so etwas sagen sollte. Selbst wenn homophobe Menschen es nicht wert waren, dass man ihnen hinterhertrauerte, tat es ja trotzdem weh, wenn man eine gute Freundin verlor.

„Wisst ihr, das meiste am Coming-Out ist echt gut“, erklärte Lulu jetzt. „Ich bin viel freier und selbstbewusster seitdem. Ich kann viel mehr ich selbst sein. Aber man verliert auch Leute. Maddy wäre da nicht die Erste.“

Peter nickte bedächtig. „Ja, was das betrifft, muss die Welt noch ein ganz großes Stück besser werden. Irgendwann ist es hoffentlich nur noch befreiend und kein Grund, dass man Freunde verliert.“

„Irgendwann“, sagte Justus.

„Irgendwann“, wiederholte Bob nachdenklich und fragte sich dabei, ob er bereit war, Freunde zu verlieren.

Während Bob noch in Gedanken war, hörte er ein Handy surren. Peter begann, seine Hosentaschen abzutasten und kramte dann sein Handy heraus. Er blieb stehen und sah auf den Bildschirm.

„Lekshana hat zurückgeschrieben“, murmelte Peter. „Sie hat ein Café auf dem Campus vorgeschlagen für ein Treffen.“

„Prima!“, rief Justus. „Das sollten wir so bald wie möglich machen.“

„Schlag ihr doch mal gleich heute Nachmittag vor“, sagte Bob. „Jetzt am Wochenende haben wir ja noch etwas mehr Zeit als unter der Woche.“

„Wird gemacht“, bestätigte Peter und begann auf seinem Handy zu tippen. Nach ein paar Sekunden sagte er: „Sie hat 16 Uhr vorgeschlagen… Moment mal, ist das nicht dein Lieblingscafé, Bob? Sie hat gerade ne Location geschickt.“

„Zeig mal“, sagte Bob und stellte sich so dicht neben Peter, dass sie sich an den Schultern berührten. Bob bekam Gänsehaut, die er allerdings sofort wieder vergaß, als ihm auffiel, was er da gerade auf Peters Handy sah. Das Erste, was er bemerkte, war nämlich gar nicht das Café, das die Influencerin vorgeschlagen hatte. Stattdessen blieb sein Blick an ihrem Profilbild hängen. Er stockte. „Leute? Die kenne ich.“

„Du kennst die Influencerin Lekshana?“, fragte Justus.

Bob lachte. „Ja, natürlich kenne ich die. Das ist Lexi!“

Notes:

Hehe;)

Chapter 15: Kapitel 15: Die Hand

Summary:

Sie treffen Lexi.

Was bisher geschah: DDF waren bei Lulu Sparkles und bei Madyson Brooks. Lulu hat ihnen erzählt, dass bei ihrem Einbruch eine glitzernde Voodoo-Puppe hinterlassen wurde. Sie selbst hat mal für ein Video eine Voodoo-Puppe von einer anderen Influencerin gebastelt. Die heißt Lekshana. Und diese Lekshana stellt sich aus als... Lexi. Die gleiche Lexi, mit der Bob am kürzlich erst was hatte, und mit der er jetzt befreundet ist, nachdem sie sich gegenseitig in die Friendzone befördert haben.

Notes:

Hello hello :)
Heute mal wieder ein Kapitel von mir :)) Schicke euch ganz viel Liebe und hoffe, dass es bei euch nicht so heiß ist, wie bei mir.

Korrekturgelesen von the one and only Milopoli. Beste Korrekturleseperson auf ganz ao3 (nicht anfechtbar, das steht im Grundgesetz!)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Also wird mir nun tatsächlich die Ehre zuteil, die berühmten drei Fragezeichen mal live und in Action zu sehen“, sagte Lexi mit einem Grinsen, während sie die drei Detektive begrüßte. Sie umarmte Bob und gab den anderen beiden höflich die Hand. „Da bin ich ja wirklich gespannt, bei was ausgerechnet ich euch weiterhelfen kann.“

Bob schüttelte lachend den Kopf. „Hast du mit Absicht so zurückgeschrieben, als würdest du uns nicht kennen?“

Lexi zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder auf den Stuhl, auf dem sie eben schon gesessen hatte, als die drei Jungen das Café betreten hatten. „Mir war schon klar, dass du die Nachricht nicht geschrieben haben konntest. Sonst hättest du mich ja erkannt. Also dachte ich, ich spiele das Spiel mal mit und gucke, wann du es mitbekommst.“

Justus setzte sich völlig selbstverständlich auf den letzten Stuhl, sodass Bob und Peter sich zu zweit auf die Bank quetschen mussten.

„Dein Fehler war, dass du mein Lieblingscafé vorgeschlagen hast. Da ist Peter gleich drauf angesprungen und hat mir die Nachricht gezeigt“, erklärte Bob.

Lexi grinste. „Das ist auch mein Lieblingscafé.“

Peter blickte zwischen Bob und Lexi hin und her. „Oh wie toll, ihr habt ja so viel gemeinsam“, murmelte er. Bob fragte sich, warum Peter auf einmal so angefressen war. Er legte ihm seine Hand auf den Oberschenkel. Irgendwie hatte er das Gefühl, das könnte ihm helfen, sich ein bisschen abzukühlen.

Auch Justus zog irritiert die Augenbrauen zusammen. „Wie dem auch sei… Wir haben ein paar Fragen, die deine Influencerplattform betreffen.“

Sie lachte erneut. „Ich weiß ja nicht, ob ich mich als Influencerin bezeichnen würde.“ 

„Du hast 70.000 Follower“, sagte Peter trocken. Bob drückte seine Hand auf Peters Oberschenkel ein bisschen zusammen, um seinem Kontakt mit ihm noch einmal Nachdruck zu verleihen. Peter sah auf die Hand herunter und gab Bob ein kurzes, gepresstes Lächeln zurück. 

„Ich weiß“, antwortete Lexi unbeeindruckt. Entweder sie bemerkte Peters unhöflichen Ton nicht, oder er war ihr egal. „Aber ich habe keine Branddeals oder promote irgendwelche Produkte. Ich rede nur über meine Meinungen, über Politik und Gesellschaft, manchmal mache ich mein Make-up und erzähle irgendetwas aus meinem Leben, irgendwelche Memes darüber, wie es ist indische Eltern zu haben… Keine Ahnung. Über den Creator Fund kriege ich genug Geld raus, um ein bisschen Nebeneinkommen für die Uni zu haben. Aber das war’s auch.“

Bob fiel wieder auf, wie schön Lexi war. Sie war wirklich ein schöner Mensch. Aber jetzt, wo er einmal angefangen hatte, darüber nachzudenken, fiel ihm auch auf, dass er sich überhaupt nicht zu ihr hingezogen fühlte. Er fragte sich wirklich, wie ihm das vorher nicht aufgefallen war. Aber es war total eindeutig. Obwohl er sie total nett und hübsch fand, konnte er sich nicht im Geringsten vorstellen, mit ihr eine Beziehung eingehen zu wollen. Geschweige denn, ein weiteres Mal mit ihr zu schlafen.

Justus nickte andächtig. „Wie ist es denn dazu gekommen, dass Lulu Sparkles von dir eine Voodoo-Puppe gebastelt hat?“ Ach ja. Der Fall. Bob schüttelte sich unauffällig, um sich wieder aus seinen Gedanken zu reißen.

Lexi machte große Augen. „Darum geht es hier?“

„Unter anderem“, sagte Bob.

Lexi runzelte die Stirn und wurde ernst. Für einen Moment schwieg sie und schien sich zu sammeln. Dann atmete sie einmal tief ein und sprach ruhig weiter. „Meine kleine Schwester Aditi war Teil von Lulus Dance Crew. Die Magic Sparkles. Ich habe auf TikTok ein Interview mit Aditi veröffentlicht, in dem sie erzählt, wie es ihr in der Zeit bei den Magic Sparkles ging. Die Kinder wurden dort meiner Meinung nach nicht gut behandelt. Vor allem von Lulus Managerin. Aber auch von Lulu selbst. Und Lulu scheint das nicht so toll zu finden, dass ich meine Plattform benutze, um die Menschen darauf aufmerksam zu machen, wie sie die Kinder behandelt hat, die für sie gearbeitet haben.“

„Und dafür hat sie dann diese Puppe von dir gebastelt?“, fragte Bob entsetzt.

„Naja, das hat halt ne riesige Hate-Welle im Internet ausgelöst. Wie das eben so ist bei Celebrity-Skandalen. Dass das so dermaßen durch die Decke geht, hatte ich auch nicht gedacht.“

„Was hat Lulu denn mit den Kindern gemacht?“, erkundigte sich Justus.

Lexi seufzte. „Sie mussten ständig Überstunden machen, haben viel zu viel gearbeitet – vor allem dafür, dass sie noch Kinder sind. Wenn es einem Kind schlecht ging, hat sie dem Kind gesagt, es soll sich zusammenreißen. Und die Art und Weise, wie sie mit ihnen geredet hat und sich über sie lustig gemacht hat, wenn sie mal was nicht hingekriegt haben… All sowas. Es gibt tausende von Beispielen. Die alle zu erzählen würde Stunden dauern.“

„Sympathisch“, kommentierte Bob sarkastisch.

„Richtig. Und die Mädels haben das einfach geschluckt, weil sie sich eine Karriere im Tanzen erhoffen. Wenn man schonmal so einen Gig hatte, wie das, was Lulu anbietet, ist das eine einmalige Chance. Es hat meine Schwester sehr viel Überwindung gekostet, überhaupt darüber zu reden. Das könnte auch noch immer das Ende ihrer Karriere bedeuten.“

„Hollywood ist echt grausam“, sagte Peter kopfschüttelnd.

„Du sagst es.“

„Wie alt ist denn deine Schwester?“, fragte Justus. 

„Dreizehn“, sagte Lexi. „Momentan hat sie oft Auditions bei anderen Tanzgruppen… Ich hoffe, sie wird bald bei einer davon aufgenommen. Tanzen ist wirklich ihre große Leidenschaft. So blöd vieles bei Lulu auch war – wenigstens hatte sie Sicherheit. Die fehlt ihr jetzt, nachdem das Ganze aufgelöst wurde.“

„Kannst du dir vorstellen, warum Lulu Sparkles so menschenunwürdig mit den Kids umgegangen ist?“, fragte Peter. Er schien mittlerweile etwas aufgetaut zu sein. „Warum arbeitet sie überhaupt mit Kindern, wenn sie keine Kinder mag?“

„Ich glaube, sie mag Kinder schon.“ Lexi sah bedächtig in die Ferne. „Aber sie kennt es eben selber nicht anders. Sie wurde in ihrer Kindheit in der Show damals genauso behandelt, also denkt sie, dass man so kleine Stars erzieht. Und ihr müsst bedenken, dass Lulu selbst auch noch mega jung ist. Sie ist 18. Das ist zwar legal erwachsen, aber trotzdem ist sie irgendwie noch fast ein Kind. Sie wurde mit dem Glauben großgezogen, dass es so richtig ist. Ihr müsstet mal ihre Mutter kennenlernen, oder ihre damalige Tanzlehrerin.“

„Das ist irgendwie traurig“, sagte Peter. 

Bob sah zu Peter herüber. Seinen ursprünglichen Argwohn gegenüber Lexi schien er verloren zu haben. Er wirkte generell weniger verkrampft. Vielleicht hatte Bobs Hand doch Wunder wirken können. Ihre Blicke trafen sich. Bob lächelte. Irgendwie waren sie sich so nah, hier auf der Bank. Vielleicht sollte Bob mal wieder seine Hand zu sich nehmen. Aber irgendwie wollte er das nicht. Also ließ er sie liegen. 

„Würdest du denn sagen, dass du ihr gegenüber noch Wut hegst?“, hakte Justus nach. 

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin kein Mensch, der sich von Hassgefühlen auffressen lässt. Was hätte ich davon? Mir war es vor allem wichtig, dass ihr mal jemand aufzeigt, was sie falsch macht, und dass die Menschen darüber Bescheid wissen. Mehr kann ich nicht tun.“ 

Justus nickte andächtig. „Die Verbindung mit der Voodoo-Puppe ist allerdings schon sehr auffällig.“

Lexi zog die Augenbrauen zusammen. „Was ist denn mit der Voodoopuppe?“

„Jemand ist bei Lulu eingebrochen und hat dabei eine glitzernde Voodoo-Puppe hinterlassen“, erklärte Bob. 

„Oh“, sagte Lexi. „Das macht mich natürlich verdächtig, oder?“

„Möglich“, antwortete Justus. „Gleichzeitig könnte aber eine der folgenden Optionen auch wahrscheinlich sein: Einerseits könnte es sein, dass dich jemand rächen wollte. Andererseits könnte es sein, dass dir jemand eins auswischen wollte, indem er dir ein Verbrechen in die Schuhe schiebt.“

„Ja, das wäre beides irgendwie logisch“, stimmte Peter ihm zu. 

„Wo warst du denn gestern Abend?“, fragte Bob. „Dann können wir dich ja eventuell schon einmal ausschließen.“

Lexi zuckte mit den Schultern. „Zu Hause in meinem Wohnheim. Allein. Da kann ich leider nicht helfen.“

„Schade“, sagte Peter. „Aber uns ist ja trotzdem klar, dass du es vermutlich nicht warst.“

Peter hatte recht, fand Bob. Lexi wirkte wirklich nicht wie jemand, die so etwas machen würde. Zumal das ja nicht der einzige Einbruch war. 

 

Das Gespräch mit Lexi war nett, aber nicht besonders ergiebig. Lulu Sparkles war die Einzige der Geschädigten, mit der sie eine Verbindung hatte. Die anderen kannte sie gar nicht oder nur vom Hörensagen. Für zwei der Einbrüche hatte sie ein Alibi. 

Nach einer halben Stunde traten sie wieder gemeinsam ins Freie und verließen das Café. 

Auf der Rückfahrt saß Bob auf der Rückbank, als sein Handy surrte. Er entsperrte es. Lexi hatte ihm geschrieben. 

Ich kann es ja nur immer wieder sagen… Echt cute, dein Peter!

Verwundert zog Bob die Augenbrauen zusammen. Stehst du etwa auf ihn???

Prompt kamen einige lachende Smileys zurück. Nein, keine Sorge, du darfst ihn behalten.

Hä?, schrieb Bob zurück. 

Zurück kam nur der Herzhand-Emoji. Seltsam.

Notes:

Seltsam (:

Chapter 16: Kapitel 16: Das Experiment

Summary:

Bob probiert etwas aus :)

Notes:

Morgeeen :)
Dieses Kapitel war zu Teilen schon eine Weile in meinem Kopf und jetzt dürft ihr es endlich lesen! Bin sehr gespannt, ob es euch gefällt. Viel Spaß :)
Chris

PS: Korrekturgelesen von Milo, cuteste Person auf diesem Planeten 🫶🏼

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Bob tat das, was er am besten konnte. Er recherchierte. Im weitesten Sinne. Eigentlich sah er sich nur unzählige Coming-Out-Videos von irgendwelchen Menschen auf YouTube an. Gerade befand er sich mitten in einem 45-minütigen Videoessay von jemandem namens Daniel Howell, als sein Handy sich meldete. Ein Snap von Leo. Bob hatte in den letzten Tagen öfter mit Leo geschrieben. Leo fühlte sich einfach nach einer sicheren Person an, mit der Bob sein inneres Chaos problemlos teilen konnte, ohne dass Leo ihn in irgendeine Richtung schubsen oder ihm etwas aufzwingen würde. 

Bob entsperrte sein Handy und sah sich das Bild an, das Leo geschickt hatte. Ein Flyer für eine Regenbogenparty, die heute Abend stattfand. Hast du spontan Lust?, hatte Leo dazugeschrieben. 

Bob überlegte. Fällt das nicht auf, wenn ich so aussehe, als wüsste ich nicht, ob ich dahingehöre?, schrieb er zurück. 

, antwortete Leo, du versprühst Twink-Energy. Das merkt keine Sau. Zieh dich bisschen slutty an and you're good to go. 

Bob zog die Augenbrauen zusammen. Was sollte das denn heißen? Ich glaube nicht, dass ich Kleidung besitze, die als slutty durchgehen könnte. 

War auch nur ein Scherz. Jeans und T-Shirt sind völlig okay. Kleidung hat keine sexuelle Orientierung! 

Bob fragte sich, ob Leo ihn anlog. Was war, wenn sich alle Leute irgendwie queer anzogen und Bob dort auffiel wie ein kleines Mauerblümchen in einer Tüte Konfetti? Vielleicht hatten sie alle einen ungeschriebenen Dress-Code, den Bob nicht kannte und alle würden ihn argwöhnisch anstarren. 

Er stand auf und durchsuchte seinen Kleiderschrank. Er hatte irgendwie zu viele Hemden, die taugten alle nichts für so einen Abend. Er durchsuchte seine Hosen und fand eine gerippte Jeans, die er nur selten trug. Löcher in der Hose könnten doch vielleicht als “slutty” durchgehen, oder? Aber bei T-Shirts war er wirklich überfragt. Er zog ein simples, weißes Shirt aus dem Stapel und zog es über. Dann stieg er in die Hose. 

Nachdenklich betrachtete er sich im Spiegel. Er fühlte sich wohl in dem Outfit. Wirkte er so queer? Musste man auf einer queeren Party queer aussehen? Er würde es wohl oder übel herausfinden müssen. Nach kurzer Überlegung krempelte er sich die T-Shirt-Ärmel ein kleines bisschen hoch. Ja, das fühlte sich irgendwie authentischer an. 

Bob fotografierte sich im Spiegel und schickte Leo das Foto als Snap. Was denkst du? 

🥵 Hot! Slay!, kam es sofort zurück. 

Bob lachte. Wann geht ihr los? 

Jetzt gleich. Sind gerade noch bei mir zu Hause, aber brauchen zu Fuß nur fünf Minuten. 

Okay, antwortete Bob, dann fahre ich mal los. 

 

Als Bob auf dem Campus ankam, fühlte er sich nervös. Irgendwie hatte er das Gefühl, das alles noch nicht genug durchdacht zu haben. Was machte man denn genau auf so einer Regenbogenparty? Hätte er sich besser vorbereiten müssen? 

Beim Betreten der Location blieb Bob kurz im Eingangsbereich stehen und betrachtete das Geschehen. Irgendwie wirkte es einfach wie eine College-Party. Nur dass hier mehr offensichtlich queere Pärchen herumknutschten statt die üblichen Jock-slash-Cheerleader-Kombos. Die Musik war laut und die Menschen tanzten. An den Rändern saßen Leute auf Bänken und unterhielten sich lautstark. 

Es dauerte nicht lang, bis Bob Leo und deren Leute fand. Leo trug ein Shirt auf dem „be gay, do crime“ stand, Morgan war komplett in schwarz gekleidet, und Buck hatte ein sehr loses Tanktop an, bei dem Bob sich bemühen musste, nicht zu genau hinzusehen. Roxane war nicht dabei, aber irgendwie wunderte Bob das nicht. Sie wirkte nicht wie der Typ Mensch, der gerne auf Partys ging. 

Leo strahlte und nahm Bob in den Arm. „Hey, Cutie! Gut siehst du aus!“

Auch die anderen beiden gaben ihm eine Umarmung, als würde er völlig selbstverständlich dazugehören. 

Bob lächelte verlegen. „Irgendwie hatte ich das Gefühl, meine Garderobe war nicht besonders geeignet für diesen Anlass.“

Morgan blickte Bob an. „Ich trage auch nie Regenbogensachen. Das ist nicht mein Vibe.“

„Morgan ist gerade in ihrer Wednesday-Addams-Ära“, erklärte Leo. 

„Willst du auch was trinken?“, fragte Buck freundlich. „Ich wollte gerade Getränke holen.“

„Ich muss fahren“, rief Bob über die laute Musik, „aber vielleicht ne Cola?“

Buck nickte und gab ihm einen Daumen hoch, dann war er in der Menge verschwunden. 

„Also hat die Theorie mit dem römischen Reich doch gestimmt?“, fragte Morgan dann grinsend. 

„Hä?“, sagte Bob. 

„Naja, du denkst zu selten über das römische Reich nach, als dass du hetero hättest sein können.“

„Ach so!“ Bob lachte. „Kann sein.“

Morgan sah ihn prüfend an. 

Leo legte eine Hand auf Bobs Arm ab und sah ihn verschwörerisch an. „Vielleicht sollten wir heute Abend ein bisschen experimentieren.“

„Inwiefern?“, hakte Bob nach. 

„Du könntest mal mit ‘nem Kerl flirten, oder ein bisschen rumknutschen. Dann wüsstest du danach mehr.“

„Hm“, machte Bob und spürte dabei, wie er rot wurde. Eigentlich war das vielleicht gar nicht so eine schlechte Idee. 

„Das heißt, du weißt es noch nicht so richtig?“, sagte Morgan und grinste. „Ich liebe ja eine kleine Challenge.“

Bob zuckte mit den Schultern. „Ich habe halt nicht besonders viel Erfahrung mit Männern.“ 

Sie lächelte. „Das ist ja kein Problem. Wir haben alle mal irgendwo angefangen. Was für eine Art Kerl suchen wir dir denn? Bear, Jock, Otter?“

Bob zog die Augenbrauen hoch. „Bitte was?“

Leo lachte. „Kleine Brötchen, Morgan. Verschreck unseren Baby-Gay nicht.“

Morgan lachte ihr ansteckendes, helles Lachen. „Okay, Bob. Was denkst du? Größe? Körperbau? Haarfarbe?“

„Äh, keine Ahnung, um ehrlich zu sein.“

Zum Glück erschien jetzt wieder Buck und drückte allen Getränke in die Hand. Irgendwie wollte Bob sich nicht für irgendeine Sorte Mann entscheiden. Das wirkte doch irgendwie alles sehr überfordernd. 

„Wollen wir vielleicht einfach erstmal tanzen gehen?“, schlug Leo vor. 

„Gern!“, sagte Bob strahlend. Das klang irgendwie einfacher. Das konnte er. 

Sie schlängelten sich durch die Menge bis sie eine Stelle fanden, an der sie alle etwas Platz hatten, sich zu bewegen. Bob ließ sich in den Beat fallen und begann, sich zu bewegen. Um ihn rum war eine gute Stimmung. Leo, Buck und Morgan waren total witzig miteinander, machten lustige Tanzmoves, die irgendwelche Insider zwischen ihnen zu sein schienen. Immer wieder kamen andere Leute mit in ihren Kreis. Generell hatte Bob den Eindruck, dass in diesem Raum eine wahnsinnig offene Atmosphäre war. Ihm wurde klar, dass ihn niemand hier schief ansah. Irgendwie passte das alles. Und er fühlte sich wohl. 

Nach einer Weile traute er sich, sich ein bisschen mehr umzusehen. Er betrachtete die Jungs, die um sie herum tanzten. Manche von ihnen sahen echt gut aus. Nur wenige Meter neben ihm war ein Typ, der Sommersprossen hatte und sehr groß war. Und was noch viel auffälliger war: Der Kerl sah immer wieder zu Bob herüber und lächelte ihn an. Vorsichtig lächelte Bob zurück. Dann sah er beschämt wieder in die Runde. Leo hatte das ganze wohl beobachtet und grinste Bob schief an. Bob biss sich auf die Unterlippe und sah zurück zu dem Unbekannten. Der sah ihn immer noch an. Wieder lächelte Bob. 

Nach einer Weile steuerte der Unbekannte auf Bob zu und stellte sich schräg vor ihn. „Hey, ich bin Evan.“

„Bob“, sagte Bob. 

Evan grinste und tanzte weiter, während er Bob nicht aus den Augen ließ. 

Bob schmunzelte in sich hinein und versuchte, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen. Möglichst lässig setzte er sein eigenes Tanzen fort. Er hatte das schließlich schon etliche Male gemacht. Nur halt noch nie mit einem Kerl. 

Evan rückte ein bisschen näher und legte eine Hand auf Bobs Hüfte ab. „Ist das okay?“

Bob nickte und versuchte, sich fallen zu lassen. Dieser Evan war echt sehr sportlich gebaut. Er fühlte sich auch sportlich an, merkte Bob, als er seinerseits eine Hand auf Evans Oberkörper legte. Es fühlte sich gut an. Bob spürte ein nervöses Kribbeln in seinem Bauch. Jap, okay, Bob fühlte sich tatsächlich zu ihm hingezogen. Das Experiment war wohl erfolgreich. 

Er sah zu Evan hoch und sah in seine grauen Augen. Sie waren hübsch. 

„Du siehst echt gut aus“, sagte Evan jetzt. 

Bob lächelte. „Du auch.“ Irgendwie wusste er nicht, was er sonst sagen sollte. Und irgendwie dachte Bob jetzt, dass er Evan gern küssen würde. Einerseits um herauszufinden, ob er wirklich auf ihn stehen könnte, andererseits weil er es schon wusste. Er fand Evan wirklich anziehend. 

Als hätte Evan Bobs Gedanken gelesen, stupste er seine Nase vorsichtig an Bobs. Eine leise Einladung. Bob nahm sie an und legte seine Lippen sanft auf Evans. 

Es fühlte sich gut an. Bob spürte ein leichtes Kribbeln in seinem unteren Bauch und er musste in den Kuss grinsen. So fühlte es sich also an, wenn man jemanden küsste, den man tatsächlich attraktiv fand. Wie hatte Bob nur so lange in die falsche Richtung laufen können? Moment, war es das, was Justus damals gemeint hatte? 

Bob löste sich von Evan und lächelte. Oh man. Irgendwo in seinem Kopf machte es klick. Da war es also, das fehlende Puzzleteil. 

Er sah sich um und blickte zu Leo und den anderen herüber, die so taten, als würden sie ihn nicht beobachten, obwohl Bob genau wusste, dass sie definitiv genau das getan hatten. 

Aber dann wurde sein Blick auf etwas anderes gelenkt. Zwischen Leos und Bucks Köpfen konnte Bob nämlich die Tür der Location sehen. Und genau dort standen zwei Menschen, mit denen Bob nicht gerechnet hatte. Peter und Jeffrey. 

Peters und Bobs Blicke trafen sich. Bob fiel die Kinnlade herunter. Der zweite Detektiv sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen, machte auf dem Absatz kehrt und lief nach draußen. 

„Shit“, sagte Bob. „Bitte entschuldige mich kurz“, warf er dem verdatterten Evan zu und sprintete Peter so gut es ging hinterher. 

Draußen angekommen sah er, wie Peter sich in Richtung Parkplatz entfernte. 

„Pete!“

Peter drehte sich um. 

Abgehetzt holte Bob Peter ein. 

„Was machst du hier?“, fragte Peter wütend. 

Verwundert zog Bob die Augenbrauen zusammen. „Leo hat mich eingeladen.“

„Seit wann bist du mit Leo befreundet?“ Peters Stimme war giftig. So sehr, dass Bob gar nicht so recht wusste, was er damit anfangen sollte. 

„Keine Ahnung, seit ein paar Tagen?“, erklärte sich Bob. 

„Und seit wann gehst du auf queere Partys?“

Bob kratzte sich ratlos am Kopf. „Kannst du mir mal sagen, warum du so sauer auf mich bist?“

„Ich, halt, ich mein…“, stotterte Peter, „seit wann stehst du auf Männer?“

Bob verzog das Gesicht. „Keine Ahnung man, ich versuche doch selber gerade erst, mir einen Reim drauf zu machen. Ich hab doch keine Ahnung!“

„Hä, und dann küsst du einfach irgendwelche Typen?“, fragte Peter entsetzt. 

„Naja, das war halt eine Art Experiment.“ Bob wusste gar nicht so richtig, warum er sich dafür so rechtfertigen musste. So verwerflich war das doch jetzt wohl wirklich nicht. 

„Ein Experiment?“

Bob zuckte mit den Schultern. „Naja, das gleiche hast du doch mit mir auch gemacht, oder nicht?“

Peter stockte. „Ich… Hm… Ja, vielleicht.“

„Na siehst du.“

Peter stand unschlüssig vor ihm und schien zu überlegen. Er wirkte noch immer wahnsinnig wütend – auch wenn Bobs Rückfragen ihm wohl ein bisschen den Wind aus den Segeln genommen hatten.

„Ich gehe jetzt nach Hause.“

Wieder verzog Bob verwirrt das Gesicht. „Was? Warum? Du bist doch gerade erst angekommen.“

„Ich hab keinen Bock mehr auf Party“, sagte er patzig. 

„Peter, warte.“

Aber bevor Bob weiterreden konnte, drehte sich Peter auch schon um und ging. Eigentlich wäre Bob ihm gern hinterhergerannt. Aber irgendwie konnte er nicht. Er war wie eingefroren. Und er fragte sich, was um alles in der Welt er plötzlich verbrochen hatte. Lag es daran, dass er nicht mit Peter über seine Identitätskrise geredet hatte, sondern mit Leo? 

„Lass mich raten: Er ist der eine Typ, mit dem du bisher was hattest?“

Bob hatte gar nicht gesehen, dass Leo herausgekommen war und sich neben ihn gestellt hatte. 

„M-hm“, brummte Bob. 

„Aber ihr seid nicht zusammen, nehme ich an.“

„Ähm, nein.“

Sie schwiegen kurz. 

„Ist er out?“, fragte Leo dann. 

Bob zuckte mit den Schultern. „Naja, zumindest mir gegenüber. Und anscheinend seinem Freund Jeffrey gegenüber auch.“

„Hat er dir gesagt, dass er dich mag?“

Bob lachte kurz auf. „Nein, eigentlich im Gegenteil. Eigentlich hat er mir sehr explizit gesagt, dass er nicht auf mich steht.“

„Aber mit dir geschlafen hat er trotzdem.“ 

„Ja, so ein bisschen.“

Leo lachte. „Wie schläft man denn ein bisschen mit wem?“

Bob wurde verlegen. „Halt nur Hände. Mehr nicht“, murmelte er. 

„Hm.“

„Und am nächsten Morgen hat er noch ein weiteres Mal klargestellt, dass er wirklich nicht auf mich steht.“

Leo prustete. „Aha. Naja. I call bullshit.“

„Was meinst du?“

„Naja, er ist gerade entrüstet weggestürmt, oder?“

„Ich glaube, er ist sauer, dass er auf diese Art und Weise erfahren hat, dass ich an meiner sexuellen Orientierung zweifle.“

Leo fuhr sich durch die Haare und rümpfte die Nase. „Wenn du das sagst…“ 

Bob schwieg. Irgendwie machte ihm sein Gehirn es gerade schwierig, das weiter zu hinterfragen. 

„Stehst du denn auf ihn?“, fragte Leo jetzt. 

Bob überlegte. „Weiß nicht.“

Leo verengte die Augen und betrachtete Bob prüfend. Bob fühlte sich komisch. Irgendwie wurde er rot. Dann machte Leo große Augen. „Oh man, das ist ja so Klischee! Du bist in deinen besten Freund verliebt!“

Bob verzog das Gesicht. „Was? Ich… Hä?“

„Ach, Mausi“, sagte Leo und machte einen Schritt auf Bob zu, um ihn in den Arm zu nehmen. Bob ließ es geschehen. Er war so verwirrt.

Notes:

Komisch... Warum ist Peter nur so emotional?

Chapter 17: Kapitel 17: Das zweite Mal

Summary:

Bob wertet die Situation mit der Moonbeans-Crew aus und hat ein klärendes Gespräch mit Peter.

Was bisher geschah: Bob ist von Leo auf eine queere Party eingeladen worden und hat dort einen Kerl geküsst. Plötzlich war Peter da und hat eine Szene gemacht.

Notes:

Hello ihr Cuties. Heute mal ein ganz später Upload. Ich hoffe, ihr habt Spaß beim Lesen!
Alles Liebe
Chris

PS: Korrekturgelesen von Milopoli :)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Hä, und dann ist er einfach weggelaufen?“ Morgan starrte Bob verwirrt an. Sie hatten sich etwas entfernt von der Tanzfläche in eine kleine Sitzecke gesetzt. Hier war es ein bisschen ruhiger, sodass man sich unterhalten konnte. 

Bob zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, ich glaube, er hätte es lieber gehabt, dass ich ihm selbst erzähle, dass ich denke, ich könnte schwul sein, anstatt es auf diese Weise zu erfahren.“

Buck zog die Augenbrauen zusammen. „Aber darauf hat er ja kein Recht.“

„Aber so hat er es bei mir auch gemacht“, erklärte Bob. 

„Trotzdem“, sagte Buck. „Zeitpunkt und Art und Weise deines Coming-Outs sind ja wohl noch immer deine Sache.“

„Außerdem hast du dir das doch so nicht ausgesucht. Wie hättest du denn ahnen können, dass er gerade hier hereinspaziert, während du mit irgendeinem Rando rummachst?“

Bob presste die Lippen zusammen und suchte den Raum ab. Besagter Rando schien mittlerweile weitergezogen zu sein und hatte jetzt einen schmächtigen Kerl mit Lidstrich und Box-Braids in den Armen. Bob schoss der Gedanke in den Kopf, ob dieser Kerl wohl ein Twink war und dieser Evan – genauso wie Peter – auch auf Twinks stand. Der Begriff war Bob immer wieder im Kopf herumgegeistert, nachdem Peter ihn das eine Mal erwähnt hatte. Wenn er wirklich schwul war, was er mittlerweile für wahrscheinlich hielt, würde er nach Peters Aussage womöglich in diese Kategorie fallen. Bob wusste nicht so recht, was er davon halten sollte.

„Ich glaube ja, da ist mehr im Spiel“, holte Leo Bob aus seinen Gedanken. „Als ob er einfach so reagiert, wenn er nicht mehr für dich empfindet.“

Bob verdrehte die Augen. Er fand, dass Leo eindeutig übertrieb. „Er steht nicht auf mich. Das hat er ziemlich deutlich gemacht.“

Leo strich sich eine Locke aus der Stirn. „Denial is a river in Egypt.“

„Hä?“ Bob runzelte die Stirn. 

„Das musst du auch noch lernen, mein Lieber“, sagte Leo und legte Bob eine Hand auf den Arm. 

Bob schüttelte verwirrt den Kopf. Was sollte das denn schon wieder heißen? 

„Okay, und was machen wir jetzt?“, fragte Morgan an Bob gerichtet und kaute dabei auf ihrem Strohhalm herum. „Sollen wir uns mit dir über ihn aufregen oder sollen wir dich ablenken?“ Sie grinste. 

„Wie würde so eine Ablenkung denn aussehen?“

„Irgendwas Verrücktes“, sagte Morgan mit leuchtenden Augen. 

„Ins Schwimmbad einbrechen?“, schlug Buck vor.

„Das ist so alt, das ist mittlerweile nicht mehr cool“, motzte Leo. „Außerdem ist es Januar.“

„Habt ihr sowas schonmal gemacht?“, fragte Bob lachend. 

„Ein, zwei Mal“, erklärte Buck grinsend und zwinkerte. 

„Habt ihr nicht Angst, dass euch die Polizei erwischt?“

Leo legte den Kopf schief. „A - C - A - B, sage ich da nur.“

Bob presste die Lippen aufeinander. Er kannte das Akronym. Er verstand auch, was dahintersteckte. Aber ganz so hart ausdrücken würde er es vielleicht nicht. Dafür mochte er Cotta, Reynolds und Goodween zu gern. Aber vielleicht war das auch ein sehr privilegierter Standpunkt, den er da hatte. Drei weiße Jungs, die schon tausendmal irgendwelche Gesetzesüberschreitungen begangen hatten, aber dabei waren sie immer mit einem blauen Auge davongekommen. Einerseits, weil sie den Polizisten irgendwie dann doch die Arbeit abgenommen hatten, und gleichzeitig kannten sie eben einen Inspektor, der ihnen immer wieder den Arsch rettete. Ob ihre Geschichte genauso gelaufen wäre, wenn sie nicht weiß wären, war wohl schwierig einzuschätzen. Vielleicht wären sie dann gar nicht auf die Idee gekommen, Detektive zu werden. Aber wer wusste das schon? In der Lage waren sie eben nicht. Schwierig. Dass Buck, Leo und Morgan, die ja alle drei nicht weiß waren, ein schlechtes Bild von der Polizei hatten, war jedenfalls mehr als verständlich. 

„Sagen wir mal so“, schaltete sich Morgan wieder ein, „wir können von Glück reden, dass Buck sehr sportlich und wendig ist.“

Leo grinste. „Excuse me? Bei der letzten Aktion war es Roxy, die uns alle abgehängt hat, während Buck sich in dem Maschendrahtzaun der Cheesecake Factory verheddert hat.“

„Fair“, sagte Morgan. „Aber da hatten wir nicht mal was Falsches gemacht. Da wollte uns diese Karen einfach nur anzeigen, weil sie dachte, wir hätten in der Öffentlichkeit getrunken, obwohl das nicht mal stimmte.“

„Wie oft seid ihr in solchen Situationen?“, fragte Bob ungläubig und lachte. 

„Eigentlich gar nicht“, sagte Morgan. „Es gibt nur so zwei bis drei Geschichten, die wir nicht wieder loswerden. Eigentlich sind wir ganz brav.“ Sie grinste.

Buck zog eine Augenbraue hoch. „Und die Sache mit Tyler?“

„Ja, okay.“ Morgan grinste. „Als Bucks Ex ihn betrogen hat, haben wir uns in sein Handy gehackt. Dann haben wir einfach alle zwei Tage die Sprache auf dem Handy geändert. Mal Japanisch, mal Ukrainisch… Shits and Giggles halt, aber selbst da hätten wir sehr viel fieser sein können.“

„Be gay, do crime, aber nur wenn niemand dabei ernsthaft zu Schaden kommt“, erklärte Buck.

„Iconic, would visit again, 10 out of 10“, sagte Leo und ruckelte sich die Brille zurecht. „Abgesehen davon, dass ich seine Grindr-History nie wieder aus dem Kopf bekomme, das war wirklich prägend.“

Bob lachte. „Dass ihr sowas überhaupt könnt. Also das mit dem Hacken.“

„Manchmal finde ich es fast etwas gruselig, wie technisch versiert Morgan ist“, sagte Buck grinsend. 

„Kannst du dich in jedes Handy hacken?“, fragte Bob. 

Sie zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise…“ Sie lächelte verschmitzt. „Ich brauche nur deine Handynummer und ein bisschen Zeit.“

„Wild“, sagte Bob. 

Leo sah Bob verschwörerisch an. „Also, wenn du uns die Nummer von deinem Peter gibst, könnten wir uns in seine Google searches hacken und herausfinden, ob er in letzter Zeit mal ‚Was mache ich, wenn ich auf meinen besten Freund stehe?‘ gegoogelt hat. Oder ‚Wie finde ich heraus, ob mein bester Freund auf Männer steht?‘ oder ‚Woran erkenne ich ob mein Crush–‘“

Bob machte einen Satz nach vorne und hielt Leo den Mund zu. „Hörst du jetzt wohl mal auf, mein Leben noch komplizierter zu machen?“, rief er lachend. Das Letzte, das er jetzt brauchte, war, dass Leo ihm einen Floh ins Ohr setzte.

Leo fuchtelte mit den Armen und schlug dabei fast Bobs Brille von seiner Nase. Irgendwann gelang es Leo, sich zu befreien. „Ich kriege dich schon noch überzeugt. Warte nur ab.“ 

„Halt die Klappe“, murmelte Bob und hoffte dabei, dass die Dunkelheit, die in der Location war, überdeckte, dass er rot anlief.

 

 

 

Als Bob eine Stunde später durch seine Wohnungstür trat, war er erschöpft. Er hatte echt eine gute Zeit mit den anderen gehabt. Die drei waren witzig und offen und einfach entspannt. Aber irgendwie hatte er trotzdem nicht ausblenden können, was mit Peter geschehen war. Deshalb war er dann doch relativ schnell gegangen. Ob er wohl heute Nacht schlafen können würde? 

Er hängte seine Jacke in die Garderobe, befreite sich aus seinen Schuhen und sah sich in dem großen Spiegel an, der in ihrem Flur hing. Bob sah immer noch so aus, wie vorher. Das gleiche Gesicht, die gleichen Haare. Aber er hatte das Gefühl, dass etwas anders war. Was war denn, wenn er wirklich schwul war? Würde das etwas verändern?

Naja… wenn er es wirklich war, dann war er es ja vermutlich schon immer. Man wurde schließlich nicht plötzlich über Nacht schwul. Wenn, dann war er also schon sein Leben lang schwul. Er hatte es nur nicht gewusst. Also dürfte das nichts an ihm verändern. Er war immer noch der Gleiche. Aber auf irgendeine Weise hatte er das Gefühl, er war sich selbst ein bisschen fremd. Vielleicht würde er sich selbst erst einmal neu kennenlernen müssen. 

„Bob, bist du das?“

Bob zuckte zusammen. Peter war noch wach? 

Mit klopfendem Herzen bewegte Bob sich in die Wohnung hinein. Peters Tür war angelehnt und ein leichter Lichtschimmer trat aus dem Spalt in den Flur hinaus. Vorsichtig tippte Bob die Tür an, sodass sie sich sachte öffnete. Peter saß in seinem Bett und hatte sein Handy in der Hand. Bob lehnte sich in den Türrahmen und verschränkte die Arme. 

„Du bist ja noch wach.“

Peter presste die Lippen aufeinander und sah auf seine Hände. Dann wieder zurück zu Bob. „Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen.“

„Ja?“

Peter nickte. „Ich war einfach total überrumpelt, ich hätte dich nicht so anfahren dürfen.“

Bob überlegte. „Du warst sauer, weil du auf diese Art und Weise von meiner Identitätskrise erfahren hast, oder?“

Peter sah Bob für einen Moment an. „Ich… Ja, kann sein.“

Bob biss sich auf die Unterlippe.

„Und es tut mir wirklich leid, dass ich dir damit dein Coming-Out kaputt gemacht habe. Also, wenn es eins war. Ich hätte dich besser unterstützen müssen. Bob, es tut mir wirklich ehrlich leid!“ Peter hatte ganz leise geredet.

Bob lächelte. „Es ist okay, Pete. Du warst überrumpelt.“

„Sicher?“

„Es hat mich auf jeden Fall wirklich verwirrt. Ich weiß ja selbst noch nicht, was los ist, und es war echt seltsam, dann so auf den Prüfstein gelegt zu werden.“

Peter nickte bedächtig. „Das wollte ich wirklich nicht.“

„Ich weiß“, sagte Bob und lächelte.

„Also, wenn du noch drüber reden willst“, antwortete Peter, „dann bin ich gern für dich da. Aber ich kann auch verstehen, wenn du jetzt erst recht nicht mehr mit mir darüber sprechen willst. Da hast du allen Grund für.“ 

Und irgendwie sah Peter dabei so sehr wie ein Häufchen Elend aus, dass Bob ihm gar nicht mehr böse sein konnte. Bob löste sich aus dem Türrahmen, zog die Tür hinter sich zu und setzte sich neben Peter ins Bett. Sie drehten sich beide so, dass sie im Schneidersitz voreinander sitzen konnten. Bob schwieg kurz und sammelte seine Gedanken. Dann begann er zu erzählen.

„Ich hab Leo neulich auf dem Campus getroffen und irgendwie kamen wir auf mein Datingleben“, erklärte Bob. „Und ich hab erzählt, dass ich schon voll viele Mädels gedatet habe, aber irgendwie immer das Gefühl hatte, da funkt es nicht so richtig. Das hatte ich bisher noch nie. Selbst mit Elisabeth nicht.“

Peter nickte und ließ Bob reden.

„Und dann hat Leo einfach mal gefragt, ob es bei Jungs anders ist.“

Peter schluckte. „Und ist es das?“

Bob zuckte mit den Schultern. „Ich habe natürlich nicht besonders viele Vergleichswerte.“ Er lachte verlegen. „Aber der Sex mit dir war für mich einfach so viel besser als alles, was ich bisher mit Frauen hatte, dass ich es nicht leugnen konnte.“

Peter machte große Augen.

„Und klar, wir waren einfach mega schlaftrunken und das ganze fühlt sich an, wie ein einziger Fiebertraum, aber ich musste das zumindest mal irgendwie auf die Probe stellen. Ich habe in den letzten Tagen wirklich viel darüber nachgedacht und umso mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto logischer erschien mir das, dass ich vielleicht schwul sein könnte. Also hab ich mich auf der Party von Morgan, Buck und Leo überzeugen lassen mit irgendeinem Typen rumzumachen. Und das ist das, was du dann da gesehen hast.“

„Und? War das Experiment hilfreich?“

Bob lachte. „Also, ich muss das alles glaub ich noch ein bisschen verarbeiten. Aber ich denke, dass Leo vermutlich recht hatte.“

Wieder nickte Peter bedächtig. „Und… wie geht’s dir damit?“ Er nahm Bobs Hand und sah ihn liebevoll an. Oh man. Peter hatte wohl in den letzten Stunden seine komplette Einstellung verändert. Von wahnsinnig wütend zu unglaublich einfühlsam. Aber das war gut. Bob hatte das Gefühl, dass er dieses Gespräch gerade wirklich brauchte.

„Eigentlich ganz okay, denke ich“, antwortete Bob. „Hauptsächlich verwirrt. Aber gleichzeitig ist es auch irgendwie cool, weil ich endlich eine Erklärung für mein unerfolgreiches Datingleben hätte. Ich hab halt vielleicht einfach die falschen Leute gedatet.“

„Ich kann mir vorstellen, dass das erstmal viel zu verarbeiten ist.“

Bob zuckte mit den Schultern.

Ein paar Sekunden saßen sie einfach so da und sahen sich an. Bob war froh, dass die Sache jetzt wieder aus der Welt war. Und so würde er sicherlich besser schlafen können. Er hatte es noch nie gut ertragen können, wenn Peter sauer auf ihn war.

„Leo denkt übrigens, du stehst auf mich“, sagte Bob schließlich grinsend. Er wusste gar nicht, woher der Gedanke plötzlich kam.

Peter fiel die Kinnlade herunter. „Echt?“

„Naja, du hattest was mit mir und dann bist du wütend weggerannt, als ich wen anders geküsst habe. Da kann man das vielleicht mal denken.“ Bob räusperte sich. „Aber ich weiß ja, dass es nicht so ist. Das hast du mir ja schon gesagt.“

„Hm“, machte Peter.

„Was hat dich denn eigentlich an der Sache gerade so aufgeregt? War es nur, dass ich mit dir nicht über meine Gedanken zu meiner sexuellen Orientierung geredet habe?“

Peter atmete einmal tief durch und sah an Bob vorbei. „Ja, zum einen das, aber auch… Ach, keine Ahnung… Ich glaube, für mich ist es echt schwierig, mit Leuten intim zu sein, die ich nicht kenne. Und mit dir…“ Er stockte.

„Mit mir war es einfacher“, sagte Bob trocken.

„Ja.“

„Das heißt, du hättest dir gewünscht, ich würde mich lieber mit dir ausprobieren.“

Peter verdrehte die Augen. „Das klingt jetzt schon wieder so, als wollte ich was von dir. Aber naja… Ja, vielleicht.“

Bob grinste und betrachtete Peter. Dann packte ihn der Mut. Er zuckte mit den Schultern und rückte etwas näher an ihn heran, sodass sich ihre Knie berührten.

Er sah, wie Peter schluckte.

„Ist das okay?“

Peter biss sich auf die Lippe. „Ich will nicht, dass du das nur machst, weil ich das jetzt gesagt habe. Dann komm ich mir vor wie ein Charity-Case.“

Bob legte eine Hand an Peters Seite und strich ihm sanft über das Shirt. „Bist du nicht. Ich will das doch auch.“

„Ja?“

Bob nickte.

Für einen Moment sahen sie sich nur an. Bob spürte, dass er nervös wurde – auf eine positive Art und Weise. Er grinste verlegen. Vielleicht hätte das alles eine riesige Überwindung sein müssen. Vielleicht würde das ihre Freundschaft unwiderruflich verändern. Vielleicht war das eine dumme Idee. Aber irgendwie waren diese Gedanken für Bob irrelevant. Er vertraute Peter. Sie hatten immer schon alles lösen können. Und viel wichtiger: Bob wollte es. Alles in ihm zog ihn zu seinem besten Freund. Seinem besten Freund, der hier so saß und ihm gesagt hatte, dass er das hier auch wollte. Der Rest war egal. Also sagte Bob: „Ich küsse dich jetzt, okay?“

„Okay“, sagte Peter leise.

Als er seine Lippen auf Peters legte, war das Gefühl von vor einigen Tagen sofort wieder da. Innerhalb kürzester Zeit steckte sein ganzer Körper in Brand. Alles in ihm zog ihn zu Peter, wie in einem erbarmungslosen Magnetismus. Es war unvermeidlich und unaufhaltsam. Und schon nach wenigen Sekunden war es Bob glasklar: Er war definitiv schwul.

Notes:

Ein Hoch auf den Fluss in Ägypten!

Chapter 18: Kapitel 18: Die Babysitterin

Summary:

Bob und Peter sind süß. DDF treffen sich mit Ginny, der Babysitterin der Brooks-Familie.

Was bisher geschah: Bob und Peter haben sich gestritten, weil Bob auf einer Party einen Kerl geküsst hat. Dann haben sie sich wieder vertragen und sind miteinander im Bett gelandet ;)

Notes:

Greetings aus der stressigsten Woche seit langem, aber ich saß heute 3 Stunden im Auto auf der Rückbank, da hatte ich Zeit zu schreiben :) Schicke euch ganz viel Liebe!
Chris

Korrekturgelesen von Milopoli :)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Das erste, das Bob bemerkte, als er aufwachte, war, dass alles nach Peter roch. Das zweite war, dass er nichts anhatte. Müde öffnete er die Augen und sah in Peters schlafendes Gesicht, das sich nur wenige Zentimeter vor seiner Nase befand.

Oh.

Er war nackt und er lag in Peters Bett. Mit Peter. Der genauso wenig anhatte wie er selbst. Er musste lächeln, während die Erinnerungen seine Gedanken fluteten. Es war gut gewesen.

Vorsichtig bewegte Bob sich aus dem Bett und suchte nach seinen Klamotten. Seine Boxershorts lagen auf dem Boden, sodass er sie direkt anziehen konnte. Sein T-Shirt… Moment mal, wo war sein T-Shirt? Bob sah sich um und fand es nicht, bis er schließlich zurück zu Peter blickte. Der hatte nämlich Bobs T-Shirt unter seinem Kopf. Na gut. Dann musste Bob wohl etwas anderes anziehen. An sich hätte Bob ja auch einfach oben ohne in sein Zimmer laufen und da ein frisches Shirt anziehen können, aber vielleicht sollte er Just und Franca so nicht begegnen – sofern sie überhaupt da waren. Denn für diese Konversation war Bob definitiv nicht bereit.

Hilflos blickte Bob durch Peters Zimmer, bis er schließlich an einem zusammengefalteten Trikot von Peter hängen blieb. Ja, das war eine gute Idee. Schnell schnappte er sich das Trikot und zog es sich über.

Ein letztes Mal sah Bob auf Peter herunter, wie er da so lag. Er lag auf dem Rücken, der Kopf war leicht zur Seite gefallen, die Arme nach oben ausgestreckt. Es war fast frech wie gut er aussah, selbst wenn er schlief. Bob spürte, wie sein unterer Bauch sich wieder mit Verlangen meldete. Wäre Peter wach, würde er am liebsten genau da weitermachen, wo sie gestern aufgehört hatten. Es war, als hätte Peter in Bob die Schleusentore aufgemacht. Bob war überhaupt nicht klar gewesen, wie attraktiv er Peter eigentlich fand, aber jetzt, wo er es wusste, würde er diesen Gedanken so schnell nicht mehr wegschieben können. Beziehungsweise zwei Gedanken. Erstens: Peter war wirklich, wirklich heiß; Zweitens: Bob war wirklich, wirklich schwul. Unfassbar, dass ihm das bis jetzt nicht aufgefallen war.

Bob fragte sich, ob das mit diesem nur so halb definierten Arrangement wirklich eine so gute Idee war, aber irgendwie war es ihm auch egal. Peter hatte ihm gesagt, er wollte sich mit ihm ausprobieren, und jetzt, wo die Schleusentore offen waren, gab es für Bob so schnell kein Zurück mehr. Er wollte mehr davon. Und er würde sich seine Euphorie darüber jetzt nicht kaputtgrübeln. Er würde sich einfach verbieten, daran zu zweifeln.

Er riss seinen Blick von Peter los und verließ das Zimmer. Nachdem er sich im Bad kurz frisch gemacht hatte, schlurfte er in die Küche und machte sich Müsli, das er aß, während er auf sozialen Medien herumscrollte. Anschließend stellte er seine Schale in die Spülmaschine.

„Steht dir gut, das Trikot.“

Bob drehte sich um und sah, wie Peter grinsend im Türrahmen stand. Er hatte einen Arm angewinkelt hinter den Kopf gestreckt, sodass er sich mit dem Ellbogen im Türrahmen abstützen konnte. Dabei rutschte sein Shirt ein wenig nach oben und Bob hatte freie Sicht auf Peters unteren Bauch. Er grinste. „Jemand hat auf meinem T-Shirt geschlafen, also brauchte ich Ersatz.“

„Hm, wer könnte das nur gewesen sein?“, fragte Peter mit verschmitztem Lächeln.

Bob zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, irgend so ein Typ, der ziemlich gut im Bett ist. Hab seinen Namen vergessen.“

Peter lachte. „Also war das Ausprobieren wohl einigermaßen erfolgreich?“

Bob stützte sich rückwärts hoch auf die Küchenanrichte. Justus fand das meistens nicht so gut, wenn Bob und Peter sich dahinsetzten, wo er sein Essen zubereitete, aber er musste es ja nicht erfahren.

„Ich würde sagen, die Sache ist eindeutig.“

„Inwiefern?“, hakte Peter nach.

„Ich bin schwul.“

Peter zog anerkennend die Mundwinkel nach unten. Dann lächelte er und hielt Bob seine Hand hin. „Hallo, ‚schwul‘, ich bin Peter.“

Bob lachte und schlug Peters Hand weg. „Du bist so ein Idiot!“

Peter machte einen Schritt auf Bob zu, stellte sich zwischen seine Beine und strich Bob eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Sorry, das musste sein.“ Er grinste. „Aber ganz im Ernst: Ich bin sehr stolz auf dich. Und ich hab dich lieb.“

Bob spürte, dass er rot wurde. Er zog Peter zu sich ran und umarmte ihn.

Es fühlte sich viel zu schön an. Peters vertrauter Geruch, die Tatsache, dass sie beide nur Boxershorts trugen… Bob wollte gar nicht, dass das aufhörte. Irgendwo in Bob kam die Frage auf, ob das nicht zu viel war, was er hier empfand. Aber gleichzeitig hatte er sich ja verboten, zu viel darüber nachzugrübeln. Also ließ er es.

Stattdessen löste er sich leicht von Peter, sodass er ihn ansehen konnte und betrachtete dessen wunderschönes Gesicht. Peter lächelte und stupste ihre Nasen aneinander.

„Weißt du, ob Just da ist?“, fragte Bob leise.

Peter schüttelte den Kopf. „Schläft bei Franca.“

Bob grinste. „Sehr gut.“

Peter ließ seine Finger mit dem Stoff des Trikots spielen, das Bob trug, und schob sie schließlich darunter. Bob bekam sofort eine Gänsehaut, als Peter kleine Kreise auf seiner Haut zeichnete. Er überbrückte die Distanz zwischen ihnen und legte sanft seine Lippen auf Peters. Die morgendliche Müdigkeit löste sich innerhalb von Sekunden in Wohlgefallen auf. Peter konnte einfach unfassbar gut küssen.

Es blieb nur kurz bei den vorsichtigen, liebevollen Küssen, mit denen sie angefangen hatten. Innerhalb kürzester Zeit begann Bob, schwerer zu atmen, während sie sich leidenschaftlich ineinander verloren. Ihre Hände griffen nach dem anderen, drückten ihre Hüften gegeneinander, zerzausten sich gegenseitig die Haare.

Bob vergaß völlig, dass sie sich eigentlich in der Küche befanden, er blendete seine komplette Umgebung aus… bis sie schließlich den Schlüssel in der Wohnungstür hörten.

Hektisch machte Peter einen Schritt zurück und sah Bob verwirrt an. Dann besann er sich und setzte sich schnell auf einen der Stühle am Esstisch und nahm die Milchpackung in die Hand, die Bob dort hatte stehen lassen. Bob zupfte das Trikot zurecht, um die wirklich eindeutige Stimmung seiner Körpermitte zu verdecken und griff nach seinem Handy. Dann trat Justus in den Türrahmen.

„Morgen Kollegen!“ Der erste Detektiv strahlte.

„Morgen Just!“, sagten Peter und Bob etwas zu enthusiastisch.

Justus zog die Augenbrauen zusammen. „Ist alles okay bei euch?“

„Jaja, alles bestens“, beteuerte Peter.

Bob versuchte, sich sein Grinsen zu verkneifen.

„Ich hatte noch gar nicht mit dir gerechnet, so früh“, redete Peter weiter.

Justus sah auf die Uhr. „Es ist acht Uhr und ich habe gleich Vorlesungen. Ich habe eins meiner Bücher hier liegen lassen. Müsst ihr nicht auch gleich los?“

Oh. Da hatte Justus recht. Das hatte Bob ja ganz vergessen. Es war mitten in der Woche. „Ähm“, sagte Bob, „ja, ich muss nur noch duschen, dann gehe ich auch los.“

Peter grinste sich in seine Faust. „Ja, äh, ich auch“, sagte er dann.

„Okay, so lange wartet Franca nicht mit dem Auto vor der Tür. Dann müsst ihr wohl einzeln fahren.“

„Kein Problem“, beteuerte Peter. „Das schaffen wir schon.“

„Heute Nachmittag treffen wir uns mit Ginny, vergesst das nicht!“, ermahnte Justus sie noch schnell. Dann ging er in sein Zimmer, holte sein Buch und verabschiedete sich wieder. „Und geh von der Anrichte runter, darauf präparieren andere Leute ihre Mahlzeiten!“, rief er zuletzt und verschwand.

Nachdem die Tür zugezogen worden war, warteten Bob und Peter noch einige Sekunden schweigend ab. Dann brachen sie in Gelächter aus.

„Ach du scheiße!“, brachte Peter hervor.

„Es ist Dienstag“, sagte Bob unter Lachen.

„Gott, sind wir verpeilt!“

Bob grinste Peter an und zuckte mit den Schultern. „Ups.“

Peter erhob sich von seinem Küchenstuhl. „Dann gehen wir wohl mal duschen, oder?“

„Gehst du zuerst?“, fragte Bob.

„Gemeinsam geht schneller“, sagte Peter und zwinkerte.

Bobs Grinsen verbreiterte sich noch einmal. „Eine sehr kluge Idee. Umweltschonend und zeiteffizient.“

Peter lachte. Dann machte er einen Schritt auf Bob zu und ließ seine Hand an Bobs Oberschenkel nach oben fahren, was Bob sofort einen verzweifelten Laut entlockte. „Ja, genau. Ich hatte definitiv nur die Umwelt und die Zeit im Blick. Und definitiv nicht, dass ich eventuell platzen würde, wenn ich dich jetzt nicht nochmal ausziehe.“

„Ja, Platzen wäre nicht so gut“, stieß Bob außer Atem hervor.

Peter grinste. Dann gab er Bob einen letzten Kuss, hob ihn von der Anrichte und trug ihn ins Badezimmer. Und wieder ignorierte Bob gekonnt, wie sein Herz einen Sprung machte.

 

 

Sie hatten sich mit Ginny im Wald verabredet. Die Babysitterin musste die Brooks-Kinder hüten und hatte deshalb vorgeschlagen, sich an dem kleinen Waldspielplatz zu treffen, der zwischen den beklauten Häusern lag. Die vier blonden Kinder der Brooks-Familie – Elfie, Truth, Spurgeon und Lewis – spielten fröhlich auf der Rutsche und den Schaukeln, sodass die drei Fragezeichen sich mit Ginny an einen der Campingtische setzen konnten, um mit ihr zu reden.

Die junge Frau war vielleicht 20 Jahre alt, klein und zierlich und hatte hellbraunes Haar, das sie in einem lockeren, chaotischen Dutt am Hinterkopf zusammengeknotet hatte. Von Anfang an wirkte sie schüchtern und zurückhaltend.

„Wisst ihr“, erklärte sie den drei Jungs leise, „ich kann echt froh sein, dass Maddy mich nicht rausgeschmissen hat. Einfach die Terassentür offen zu lassen… ich habe keine Ahnung, wie mir das passieren konnte.“ Sie sah auf den Boden und knibbelte mit ihren Fingernägeln an ihren Nagelbetten herum. Sie wirkte nervös.

Sie hatte Recht, fand Bob. Madyson Brooks wirkte eigentlich nicht unbedingt wie jemand, der sich viel gefallen ließ. Und dass ihre Babysitterin einfach eine Terassentür ihrer superteuren Villa offengelassen hatte, als sie mit den Kindern auf den Waldspielplatz gegangen war, hatte sie sicherlich nicht besonders witzig gefunden – vor allem weil das Ganze ja auch gleich in einem Einbruch resultiert hatte. Es sprach für die Familie, dass sie Ginny nicht einfach gefeuert hatten.

„Die Familie hat dich anscheinend echt gern“, sagte Peter.

„Ja, ich arbeite ja auch schon seit zwei Jahren für sie. Die Kinder sind mir echt sehr ans Herz gewachsen.“

„Das glaube ich“, beteuerte Justus. „Ist dir denn am Tag des Einbruchs irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Du warst ja hier auf dem Spielplatz mit den Kindern, oder?“

„Was meinst du?“

„Man kann von hier aus das Haus der Brooks sehen. Dieser Weg dort vorne“, er zeigte mit seinem Finger zwischen die Bäume, „führt zu dem Haus. Wenn die Person, die dort eingebrochen ist, aus dem Wald kam, könntest du sie gesehen haben – wenn auch nur sehr entfernt und durch das Dickicht.“

„Ach so“, antwortete Ginny, „ich fürchte, ich habe mit dem Rücken zum Haus gesessen. Da vorne, auf der Bank da. Ein guter Freund von mir hatte gerade Mittagspause und dann haben wir uns unterhalten. Er ist Koch bei einem dieser TikTok-Häuser.“

„Argyle?“, fragte Bob.

„Ihr kennt ihn?“

Bob zuckte mit den Schultern. „Wir haben ihn kurz gesehen, als wir uns mit den Leuten aus der Fame Factory unterhalten haben, aber wir haben nicht mit ihm gesprochen.“

„Ja, er braucht immer ein wenig Zeit, um aufzutauen“, erklärte Ginny. „Vielleicht ähnlich wie ich.“

„Denkst du, Argyle könnte etwas gesehen haben? Oder saß er auf der gleichen Bank wie du?“, wollte Bob wissen.

Ginny zog die Augenbrauen zusammen und schien zu überlegen. „Er saß mir gegenüber, denke ich. Ne. Doch. Genau. Er saß mir gegenüber auf der anderen Bank.“

„Vielleicht sollten wir dann auch ihn noch einmal konsultieren“, sagte Justus nachdenklich.

„Könntest du uns einen Kontakt von ihm geben?“, fragte Bob.

„Äh, ja klar“, sagte Ginny und zog ihr Handy aus ihrer hinteren Hosentasche. Sie entsperrte es und öffnete etwas hektisch ihre Kontakte. Bevor die Seite aufging, konnte Bob jedoch noch einen Blick auf ihr Hintergrundbild werfen. Es war ein Bild von Ginny mit einer weiteren Person. Einer Person, die die drei Fragezeichen kannten. Bob sah auf und suchte Peters Blick. Peter blickte ihn schon mit zusammengepressten Lippen an. Er schien es auch bemerkt zu haben.

„Ich schick euch einfach seine Nummer, ja?“

„Ausgezeichnet, vielen Dank!“, gab Justus zurück.

„Ein schönes Hintergrundbild hast du da“, sagte Peter nonchalant. „Ist das deine Freundin?“

Ginny machte große Augen und blickte Peter fast etwas erschrocken an. „Äh, was?“

„Sorry, ich wollte nicht so neugierig sein. Irgendwie sah das Bild nur so vertraut aus.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, schon okay. Sie… Sie ist nicht meine Freundin. Zumindest noch nicht. Ich weiß nicht. Es ist kompliziert. Aber die Brooks dürfen das nicht wissen. Also dass ich lesbisch bin. Sonst fliege ich. Ich bekomme ja mit, wie die immer über Lulu Sparkle reden. Ihr dürft ihr das auf keinen Fall sagen!“

„Keine Sorge“, beteuerte Bob. „Das werden wir für uns behalten, versprochen.“

Peter verzog das Gesicht. „Also, die Terassentür offen zu lassen kann man verzeihen, aber lesbisch sein nicht?“

Ginny zuckte mit den Schultern. „Sie sind halt sehr religiös.“

„Das macht es nicht besser“, sagte Peter.

Sie schwiegen kurz. Vermutlich wusste Ginny auch, dass das für sie nicht das beste Arbeitsumfeld war. Aber wahrscheinlich war sie froh, überhaupt einen gut bezahlten Job zu haben.

„Ich würde gerne noch einmal zu dem Einbruch zurückkehren“, lenkte Justus nach ein paar Sekunden das Gespräch wieder zurück. „Bei einigen Einbrüchen wurden Gegenstände hinterlassen. Weißt du, ob das bei dem Einbruch bei den Brooks auch der Fall war? Du warst ja schließlich als erste am Tatort, oder?“

„Hm“, machte Ginny. „Es war halt alles super unordentlich. Fast das ganze Haus war durchwühlt worden. Da war es wirklich schwierig, etwas zu entdecken, was da nicht hingehört, aber ausschließen würde ich es nicht. Wer weiß.“

Justus zupfte sich an der Unterlippe. „Schade…“

„Was mich noch beschäftigt, ist, dass die Person, die das war, ja anscheinend wusste, dass du genau an dem Tag vergessen würdest, die Terassentür offen zu lassen“, sagte Peter.

„Das stimmt“, sagte Ginny. „Mir ist das vorher noch nie passiert.“

„Da muss jemand wirklich intensiv das Haus beobachtet haben“, murmelte Peter.

Ginny verzog das Gesicht. „Ja, das ist irgendwie schon unheimlich.“

„Wir werden schon herausfinden, wer das war“, sagte Justus selbstsicher.

„Danke“, erwiderte Ginny und lächelte schwach.

Bob fragte sich währenddessen immer noch, was für ein unglaublicher Zufall es war, dass Ginny ausgerechnet mit Morgan aus dem Moonbeans-Café eine fast-Beziehung führte.

Notes:

The plot thickenthhhh...

Chapter 19: Kapitel 19: Die Situationship

Summary:

Die drei Fragezeichen versuchen, sich einen Reim auf alles zu machen.

 

Was bisher geschah: Bob und Peter haben die Nacht miteinander verbracht. Am Nachmittag waren die drei Fragezeichen mit Ginny, der Babysitterin der Brooks, die aus Versehen die Terassentür offen gelassen hatte (sodass ohne Schwierigkeiten eingebrochen werden konnte), im Wald und haben sich mit ihr unterhalten. Dabei haben sie festgestellt, dass sie ein Handyhintergrundbild hat, auf dem sie gemeinsam mit Morgan aus dem Moonbeans-Café zu sehen ist.

Notes:

Ehhhh jaaa, einen Monat später lädt Chris dann auch mal wieder ein Kapitel hoch. Irgendwie war in letzter Zeit alles ein bisschen crazy, I'm sorry... Ich hoffe, das nächste kommt wieder schneller 😅 viel Spaß beim Lesen!

Korrekturgelesen von Milopoli ♥️

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Irgendetwas ist da doch faul, Kollegen“, sagte Justus, sobald sie wieder im Auto saßen. Er hatte sich vorne neben Peter gesetzt, was Bob dazu gezwungen hatte, sich nach hinten zu setzen. Irgendwie störte Bob das heute mehr als sonst. Er wollte neben Peter sitzen. Er schüttelte den Kopf. Das war doch dumm. Warum dachte er darüber überhaupt nach?

„Das würde ich aber auch sagen“, stimmte Peter Justus zu und riss Bob damit aus seiner Grübelschleife. 

Bob zwang sich, seine Gedanken wieder zurück zum Fall zu lenken. „Aber ihr denkt doch nicht, Morgan ist bei den Brooks eingebrochen, oder? Irgendwie kann ich mir das gar nicht vorstellen.“

„Ich schon“, sagte Peter. „Diese ganze Truppe ist mir suspekt!“

„Aha?“ Bob verzog das Gesicht. „Seit wann?“

„Keine Ahnung“, verteidigte sich der zweite Detektiv, „ist vor allem so ein Gefühl.“

Bob fragte sich, ob Peters Gefühl damit zusammenhing, dass er gestern Abend mit den Moonbeans-Leuten feiern gewesen war, aber er verkniff sich den Satz. An sich hatten Peter und er ja heute Nacht alles geklärt, also hatte Peter nicht unbedingt einen Grund, eifersüchtig zu sein, oder? Und eigentlich hatte Peter schon immer eine gute Intuition gehabt – außer es ging um Geister.

„Mich beschäftigt vor allem, dass hier zwei Tathergänge nicht zusammenpassen“, murmelte Justus.

„Und zwar?“, fragte Bob.

„Als wir Morgan das erste Mal getroffen haben, hat sie uns erzählt, dass sie von dem Einbruch bei den Brooks wisse, weil Madyson Brooks laut im Café telefoniert habe und Roxane dieses Gespräch mitgehört habe. Erinnert ihr euch?“

Bob verzog das Gesicht. „Stimmt, das hat sie gesagt.“

Bei Peter schien der Groschen auch gefallen zu sein. „Aber wenn Morgan und Ginny eine wie auch immer definierte Affäre oder Beziehung führen, wäre es doch nur logisch, dass Ginny ihr zuerst davon erzählt hat.“

„Außer Ginny hat sich dafür geschämt und es deshalb nicht erzählt. Oder die beiden kannten sich zu dem Zeitpunkt noch nicht so gut“, bot Bob an.

„Vielleicht“, erwiderte Justus nachdenklich, „aber zugleich recht unwahrscheinlich.“

„Hm“, machte Bob.

„Und wenn Morgan hinter der ganzen Sache steckt, wie hat sie dann bemerkt, dass Ginny die Terassentür aufgelassen hat?“, fragte Peter. „Denkt ihr, sie ist eine Stalkerin?“

„So schätze ich sie nicht ein“, sagte Bob entschieden.

„Ich würde eher davon ausgehen, dass Ginny mit ihr unter einer Decke steckt und die Tür absichtlich offengelassen hat“, erklärte Justus. „Aber das mit dem Stalking sollten wir im Hinterkopf behalten. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass Ginny gern mit Morgan zusammen wäre, aber Morgan noch nicht unbedingt mit Ginny.“

„Ja, das Gefühl hatte ich auch“, bestätigte Peter.

„Das würde also eher dafür sprechen, dass Morgan keine Stalkerin ist“, schloss Justus. „Sonst würde die Beziehung ja vermutlich nicht an ihr scheitern, oder?“

„Ja, ich finde es auch logischer, dass Ginny die Tür für Morgan offen gelassen hat“, stimmte Peter ihm zu.

Bob gefiel das alles nicht. Das ergab doch gar keinen Sinn. „Irgendwie wirkt Ginny zu schüchtern für sowas.“

„Sie ist halt sehr verliebt“, sagte Peter. „Ich kann mir vorstellen, dass Morgan sie gut um den Finger wickeln konnte.“

„Ich weiß ja nicht. Irgendwie passt das nicht in mein Bild von Morgan. Sie ist viel zu nett und war uns gegenüber total hilfsbereit“, antwortete Bob. „Wenn sie hinter all dem steckt, warum bietet sie uns dann so freiwillig ihre Hilfe an?“

„Es ist nicht unüblich, dass Täterinnen und Täter sich in die Investigation ihrer eigenen Straftaten involvieren“, erklärte Justus mit seinem üblichen Schlaumeierton. 

„Eben. Ich traue ihr nicht.“ Peter schnaubte.

Bob verdrehte die Augen. „Warum sollte Morgan das denn machen? Sie hat doch gar kein Motiv!“

„Geld?“, schlug Peter vor. „Ihr Praktikum in dieser Medienagentur scheint doch unbezahlt zu sein, sonst müsste sie ja nicht nebenbei noch im Café arbeiten.“

„Und die Hexenleiter? Und die Voodoo-Puppe? Welche Berührungspunkte hat sie denn bitte mit Lulu Sparkles und Karissa?“, fragte Bob. „Das ist doch an den Haaren herbeigezogen. Nur weil sie Ginny datet, bricht sie doch nicht gleich in Häuser ein.“

Justus zuckte mit den Schultern. „Ich denke, wir sollten sie fragen.“

Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Wie, jetzt?“

„Natürlich, Kollegen! Wir sind schließlich eh schon in der Gegend, da können wir auch gleich noch einmal beim Moonbeans vorbeifahren. Oder habt ihr beiden heute Abend noch ein heißes Date, von dem ich nichts weiß?“

Peters und Bobs Blicke trafen sich im Rückspiegel. Bob hätte definitiv lieber den Abend mit Peter verbracht, als jetzt noch weiter zu ermitteln. Vielleicht einen Film gucken in Peters Bett oder einfach ein bisschen reden. Oder vielleicht auch ein bisschen mehr als nur Reden. Das schien ihm jetzt irgendwie angenehmer, als Leute, die er eigentlich nett fand, einer Straftat zu bezichtigen. Aber naja. Sie hatten halt einen Fall. Peter würde wohl warten müssen.

„Also ich habe kein heißes Date“, sagte Bob deshalb. „Du, Pete?“

Peter lachte. „Nope, anscheinend nicht.“

„Anscheinend?“, fragte Justus verwundert.

„Egal“, sagte Peter.

Justus hakte nicht weiter nach und begann stattdessen, nachdenklich an seiner Unterlippe zu zupfen.

 

 

Auf dem Parkplatz vor dem Moonbeans war nicht mehr so viel los – schließlich war es schon halb sieben und um sieben schloss das Café. Peter lenkte seinen MG in eine der Parklücken.

„Wir sollten nicht mit der Tür ins Haus fallen“, erklärte Justus bevor sie ausstiegen. „Wir sollten ihr das Gefühl geben, dass wir ihr vertrauen, sodass sie uns bereitwilliger und ungezwungener begegnet.“

„Das heißt?“, fragte Peter.

„Lasst einfach mich reden.“

Peter verdrehte die Augen und sah herüber zu Bob, der ihm nur wissend zulächelte. „Geht klar, Chef.“

Das Café war tatsächlich nicht mehr besonders gut besucht. In einer Ecke saßen ein paar Menschen, die gerade von Roxane bedient wurden. Leo sortierte das übriggebliebene Gebäck hinter der Theke und Morgan reinigte bereits eine der Kaffeemaschinen.

Roxane stand mit dem Rücken zur Tür, sodass sie die drei Fragezeichen nicht wahrnahm. Leo und Morgan sahen sie jedoch sofort und grinsten freudig. Die drei Jungen liefen zur Theke und begrüßten die beiden. Leo warf Bob einen fragenden Blick zu und machte eine Kinnbewegung hin zu Peter. Bob biss sich auf die Unterlippe und grinste etwas beschämt zurück. Leo machte große Augen.

„Was kann ich euch Gutes tun?“, riss Morgan Bob freudig lächelnd aus seinem stillen Gespräch.

„Wir hatten gehofft, du könntest uns bezüglich unseres Falls sachdienlich sein“, erklärte Justus ihr.

Morgan zog die Augenbrauen zusammen. „Ich?“ Sie lachte.

„Wir haben heute mit Ginny gesprochen, die du ja zu kennen scheinst…“, fuhr Justus fort.

„Uuuuhhhh, Ginny“, rief Leo belustigt.

Morgan verdrehte die Augen. „Musst du nicht irgendwo was fegen oder so?“

„Nö, ich hab Zeit.“ Leo grinste selbstgefällig und bewegte sich keinen Zentimeter von der Stelle.

„Wir fragen uns, wie wir die Lage einschätzen sollen“, erklärte Justus. „Hältst du Ginny für einen Menschen, dem so ein Fehler, aus Versehen eine Tür offen zu lassen, schnell passiert?“

Morgan überlegte und sah nachdenklich zur Seite. „Eigentlich nicht unbedingt. Sie kann sehr neurotisch sein. Aber manchmal ist sie auch ein bisschen verpeilt.“

„Interessant“, sagte Justus, als hätte Morgan tatsächlich etwas Hilfreiches von sich gegeben. „Und weißt du, was Ginny von Madyson Brooks und ihrer Familie hält? Mag sie ihre Arbeitgeber?“

Morgan rümpfte die Nase. „Mag irgendjemand die Brooks?“

Bob lachte auf. „Fair.“

„Sie bezahlen halt gut. Und wenn man ihnen nicht krumm kommt, sind sie glaub ich auch ganz nett. Wenn sie mich treffen würden mit meinem Goth-Style, wären sie bestimmt der Überzeugung, ich sei vom Teufel besessen, aber Ginny ist ein totales Mauerblümchen, darauf stehen die ja.“ Sie sah auf ihre Fingernägel. Irgendwie fand Bob, dass Morgan nicht besonders liebevoll von Ginny sprach. Aber vielleicht interpretierte er da auch zu viel rein.

„Wie hat Ginny denn nach dem Einbruch gewirkt? Hat sie mit dir darüber gesprochen?“, wollte Justus jetzt wissen.

Morgan presste die Lippen zusammen und überlegte erneut. „Direkt danach habe ich nicht mit ihr geredet. Ich war auf einem Kongress in San Francisco mit meiner Medienagentur. Da hatte ich kaum Zeit zu reden. An dem Abend, an dem der Einbruch passiert ist, hatte ich plötzlich 20 unbeantwortete Anrufe von ihr oder so. Aber ich hatte halt keine Zeit. Und als ich am nächsten Morgen bei ihr angerufen habe, hat sie nicht mehr abgenommen und mich erstmal zwei Tage geghostet. Roxane hat mir dann erzählt, dass sie Madyson Brooks im Café hat telefonieren hören, sonst hätte ich gar nicht mitbekommen, was los war. Ich bin dann, als ich wieder hier war, gleich zu Ginny hin und habe mit ihr geredet und mich entschuldigt, dass ich nicht abgenommen habe. Es war ein Riesendrama. Wir konnten es dann klären, aber sie war echt sauer. Also um eure Frage zu beantworten: Sie war total fertig. Das hat sie alles total mitgenommen.“

Eine kurze Stille entstand.

„Das klingt auf jeden Fall, als wäre sie nicht involviert gewesen“, sagte Peter nach ein paar Sekunden. Bob fragte sich, ob er damit nur Ginny meinte oder auch Morgan. Denn Morgan hatte demnach ja auch ein Alibi – sofern die Geschichte stimmte.

„Dafür, dass du immer darauf bestehst, dass ihr nicht zusammen seid, investierst du dich dann doch ganz schön in die Beziehung“, sagte Leo zwinkernd. „Vielleicht sollten wir das nochmal überdenken?“

Morgan zuckte mit den Schultern und sah auf den Boden. „Ist halt irgendwie so eine Situationship. Ich denke, sie will da mehr als ich. Auch wenn sie sich nicht traut, das zu sagen.“

„Das heißt, du hast keine Gefühle für sie?“, fragte Bob.

Morgan rümpfte die Nase. „Manchmal fängt man ja was mit Leuten an, mit denen man eigentlich eher eine platonische Freundschaft führen sollte, aber überschreitet dann doch die Grenzen, die man sich selbst gesetzt hat, weil es sich im Moment gut anfühlt. Wir kennen uns halt schon sehr lange und waren ewig Freundinnen und jetzt ist es alles ganz schwammig.“

Bob schluckte. Er fragte sich, ob diese Aussage auch auf ihn zutraf. War er mit Peter in einer Situationship? Vielleicht sollten sie ihre Freundschaft auch eher bei Freundschaft belassen. Vielleicht war das die Moral aus dieser Geschichte.

„Ich glaube ja, das ist Bullshit“, warf Leo fröhlich grinsend ein. „Ihr könntet Princess Bubblegum und Marceline sein. Für mich fühlt sich das an wie Schicksal!“

Morgan nahm einen leeren Pappbecher und warf ihn Leo an den Kopf. Leo duckte sich noch gerade so, dass der Becher vorbeiflog und im Industriewaschbecken hinter der Theke landete.

„Was denn?“, rief Leo und machte eine theatralische Körperbewegung. „Vielleicht seid ihr fated lovers und das Universum will euch zusammenbringen und du kommst hier mit Vernunft um die Ecke. Nur weil du Angst um die Freundschaft hast. Manchmal muss man eine Freundschaft ja auch zu was Neuem upgraden.“ Leo ließ den Blick zu Bob wandern und heftete ihn dort fest. Eindringlich sah Leo Bob weiter an und sagte: „Also ich shippe es.“ Dann zuckte Leo mit den Schultern und lief weg, in die Richtung von Roxane, die gerade begonnen hatte, leeres Geschirr von den Tischen zu sammeln. Die Gäste waren mittlerweile alle gegangen.

„Ja, hau ruhig ab“, rief Morgan Leo lachend hinterher. „Sonst werfe ich nur noch mehr Dinge nach dir.“ Sie drehte sich zu Bob. „Weißt du, manchmal glaube ich, Leo ist davon überzeugt, von den Göttern höchstpersönlich als die neue Verkörperung von Amor auserwählt zu sein. Da darf man nicht zu genau zuhören.“



Notes:

Und? Was denken wir?

Chapter 20: Kapitel 20: Die Rumtreiber

Summary:

Der Fall geht endlich mal voran. Und Bob und Peter sind süß.

Was bisher geschah: DDF haben sich im Moonbeans mit den Mitarbeitenden über Ginny und Morgans Nicht-Beziehung unterhalten. Morgan hat ein Alibi für den Einbruch bei den Brooks.

Notes:

Moin :) Da bin ich wieder. Macht euch bereit für ganz viel Fluff!
Hab euch lieb!
Chris

PS: Am meisten lieb hab ich natürlich Milo (@Milopoli). Ohne Milo wären Teile dieses Kapitels etwas verwirrend geworden. Und generell ist Milo toll. Kann ich nur immer wieder betonen.

PPS: Ich weiß, dass ich noch auf eure ganzen lieben Kommentare auf das letzte Kapitel antworten muss. I'm so sorry. Ich hoffe, ich komme morgen mal dazu!!! Ich hoffe, ihr denkt nicht, dass die mir nichts bedeuten... Weil sie bedeuten mir sehr sehr viel!!!!
Okay und jetzt viel Spaß:)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Sind wir jetzt eigentlich wieder auf Punkt Null?“, fragte Peter, sobald er das Auto gestartet hatte. 

Sie hatten noch eine ganze Weile mit der Freundesgruppe im Moonbeans-Café verbracht. Auch Buck war irgendwann noch dazugekommen und sie hatten zu siebt ein bisschen da gesessen und gequatscht. Es war wirklich witzig gewesen. Selbst Justus war irgendwann ein wenig aufgeweicht und hatte mitgescherzt.

Bob fühlte sich triumphal. Er hatte von vornherein recht gehabt, als Peter und Justus – seiner Meinung nach grundlos – Morgan verdächtigt hatten. Er grinste. „Ich denke, wir sollten uns jetzt echt mal mit ein paar der Bediensteten unterhalten, die in den ausgeraubten Häusern arbeiten. Das haben wir noch viel zu wenig getan. Zum Beispiel mit diesem Argyle. Der hat sich doch während des Einbruchs mit Ginny unterhalten. Vielleicht wollte er sie ablenken.“

„Und selbst wenn er nichts damit zu tun hatte, hätte er vielleicht etwas sehen können“, stimmte Peter ihm zu. „Es könnte sich so oder so lohnen, ihn zu befragen.“ 

„Das sehe ich ähnlich“, bestätigte Justus. „Allerdings bin ich nicht der Ansicht, dass wir an Punkt Null stehen.“

„Ach so?“, erwiderte Bob. „Aber wir haben aktuell keine tatsächlichen Hinweise oder Tatverdächtigen.“

„Irrtum, Bob.“ Justus schüttelte vehement den Kopf. „Ich traue dem Braten weiterhin nicht. Ich verstehe, dass ihr beiden die Moonbeans-Gruppe ins Herz geschlossen habt. Dennoch möchte ich an dieser Stelle nicht voreilig handeln. Ich denke, wir sollten alle vier einer ausgiebigen Hintergrund-Recherche unterziehen, bevor wir sie endgültig ausschließen. Morgan mag zwar auf einer Tagung in San Francisco gewesen sein, doch wäre es durchaus möglich, dass einer der anderen den Einbruch durchgeführt hat.“

Bob fiel die Kinnlade herunter. „Wie jetzt? Du verdächtigst alle vier?“ 

„Räuberbanden sind nicht unüblich“, erklärte Justus mit einem Schulterzucken. 

Bob verdrehte die Augen. 

„Fühlst du dich in der Lage, eine unvoreingenommene Recherche über die vier in die Wege zu leiten, oder soll ich das lieber übernehmen?“

Bob überlegte. „Nein, ich mache das schon“, antwortete er dann zähneknirschend. Er hatte große Lust, Justus zu widerlegen. Das war umso mehr Motivation, gründlich zu recherchieren, um dann Detail für Detail seine Annahme auseinanderzunehmen. 

„Ich kann dir gern helfen“, bot Peter sich an und suchte Bobs Blick im Rückspiegel. 

Bob war sich nicht sicher, ob Peters Anwesenheit ihm wirklich helfen oder ihn eher ablenken würde. Aber er nickte brav. Vor allem, weil er die Idee, abgelenkt zu werden, eigentlich gerade ganz nett fand. 

„Nun gut“, sagte Justus. „Dann werde ich mich gleich mal mit Argyle in Kontakt setzen und ein Treffen ausmachen. Dann können wir uns hoffentlich gleich morgen mit ihm treffen.“

In Bobs Tasche vibrierte es. Er zog sein Handy hervor. Eine Nachricht von Leo. Ihr habt es wieder getan, oder?

Bob lief rot an. So offensichtlich?

Ja.

Das war eine sehr prompte, eindeutige Antwort. Bob biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht sollte er vorsichtiger sein. Gerade, wenn Justus dabei war. Bob fragte sich, wie der wohl auf so etwas reagieren würde. Vermutlich wäre er wütend, wenn er den Eindruck hätte, die beiden würden ihr Detektivbüro mit unnötig komplizierten F-Plus-Geschichten aufs Spiel setzen. Oder was auch immer das zwischen ihnen war. So richtig definiert hatten sie das ja nicht. Aber eins war Bob klar: So schnell würde er damit nicht aufhören wollen.

Und? Hast du dir schon eingestanden, dass du in ihn verliebt bist?, kam es jetzt von Leo.

Bob schickte einen Stinkefinger zurück. Dann: Peter steht nicht auf mich. Das hat er deutlich gesagt. Wenn ich mich jetzt in ihn verliebe, versaue ich nur alles.

Zurück kam ein augenverdrehender Emoji. Sure, Jan.

Was soll das jetzt schon wieder heißen?

Leo antwortete mit drei Punkten.

Verwirrt schüttelte Bob den Kopf und schickte ein einfaches Fragezeichen zurück.

Das heißt, dass du dringend aus deinem Kopf rauskommen musst.

Aha, antwortete Bob, immer noch verwirrt.

 

Zu Hause angekommen, machte Bob sich direkt an die Arbeit. Es war mittlerweile schon neun, aber er war zu sehr davon motiviert, Justus widerlegen zu wollen, dass ihn die Uhrzeit nicht mehr störte. Er durchforstete alles an sozialen Medien nach Leo, Buck, Roxane und Morgan und machte sich ausführliche Notizen. Aber nichts von dem, was er dort fand, wies irgendwie darauf hin, dass die vier in irgendwelche kriminellen Aktivitäten verwickelt waren. Er fand sogar einen Post von Morgans Medienagentur über den Kongress in San Francisco. Dort war sie eindeutig auf einem der Bilder zu erkennen.

Er fühlte sich blöd, im Leben der vier herumzuwühlen. Sie waren doch eindeutig nette Leute und keine Kriminellen und trotzdem saß er hier und durchforstete ihre komplette Internetpräsenz.

Irgendwann klopfte es leise an der offenen Tür. Peter stand im Türrahmen und lächelte vorsichtig. „Brauchst du Hilfe?“

„Eigentlich bin ich so gut wie fertig.“

„Sorry, irgendwie hat es doch länger gedauert, als gedacht, diesen blöden Artikel für die Vorlesung zu lesen.“

Bob lächelte. „Nicht schlimm. Bin ja geübt in Recherche.“

„Ja, trotzdem“, sagte Peter entschuldigend. „Ich hab dir ja gesagt, ich würde dir helfen. Naja. Hast du wenigstens was Interessantes gefunden?“

Bob schüttelte den Kopf. „Ne, nicht wirklich. Sie sind ganz normale Menschen mit ganz normalen Leben.“

„Na umso besser.“

„Ja, ich bin irgendwie auch erleichtert“, sagte Bob.

Eine kurze Stille entstand, sodass Bob Zeit hatte, Peter anzusehen. Peters Anwesenheit machte etwas mit ihm. Irgendwie war er hibbeliger. Und er fand es nicht gut, dass Peter noch immer da stand, obwohl er doch auch hier neben Bob im Bett sitzen könnte. „Magst du reinkommen und die Tür hinter dir zumachen?“

Peter grinste und leistete Folge. Als die Tür zu war, lehnte sich der zweite Detektiv mit dem Rücken gegen sie und betrachtete Bob verschmitzt.

„Guck nicht so!“

Peters Grinsen wurde breiter. „Wie guck ich denn?“

„Keine Ahnung, aber du machst mich ganz verrückt.“ Bob lachte unsicher. „Komm lieber zu mir.“

Bob stellte seinen Laptop von seinem Schoß auf den Nachttisch und streckte seine Hand nach Peter aus, der sich sogleich auf Bob zubewegte und sich neben ihn ins Bett fallen ließ. Bob rutschte auf ihn zu und klammerte sich an ihn. Peters Wärme löste sofort tausend Glücksgefühle in Bob aus.

Peter lachte. „Du bist so süß!“

„Ich bin nicht süß, ich will einfach nur kuscheln“, nuschelte er in Peters Shirt.

Peter strich ihm sanft durch die Haare. „Das schließt sich ja nicht gegenseitig aus.“

„Ist das denn okay für dich?“

Peter prustete auf. Dann rutschte er ein bisschen nach unten, sodass sie fast auf Augenhöhe miteinander waren. „Bob, ich will schon seit wir heute Morgen das Haus verlassen mussten nichts anderes machen als das hier.“

Bob lächelte. „Okay, gut.“

„Und ich würd dich auch gern küssen, wenn ich darf“, schob Peter leise hinterher und sah etwas beschämt an Bobs Gesicht vorbei.

Bob spürte, wie er rot anlief. Er nickte stumm.

Peter nahm Bobs Hinterkopf sanft in die Hand und legte seine Lippen vorsichtig auf Bobs. Bob schwebte im siebten Himmel. Er hatte das Gefühl, er würde sich von der Erde lösen und sich irgendwo in eine entfernte Galaxie begeben, in der nur er und Peter existierten. Würde er für den Rest des Lebens nur noch eine Sache machen dürfen, dann würde er sich diese hier aussuchen. Und irgendwo in seinem Hinterkopf tauchte das Gespräch wieder auf, das er gestern Abend mit Leo geführt hatte. Was hatte Leo noch gleich gesagt? „Oh man, das ist ja so Klischee! Du bist in deinen besten Freund verliebt!“ Immer und immer wieder hallte es in seinem Kopf nach. War er in Peter verliebt? Irgendwie schon, oder?

Unbewusst verlangsamte Bob seine Bewegungen.

„Alles okay?“, fragte Peter schließlich.

Bob sah Peter an. Wie schön er aussah. Wie seine unglaublich perfekten Sommersprossen um seine besorgten Augen tanzten. Bob konnte sich in diesem Moment keinen attraktiveren Menschen vorstellen.

„Bob?“, hakte Peter erneut nach.

Bob schüttelte sich aus seinen Gedanken. „Ne, alles okay, keine Sorge!“

„Sicher?“

Bob nickte.

„Seid ihr beide hier drinnen?“, kam es von vor der Tür. Justus.

Bob ließ es sich nicht nehmen und drückte Peter einen kleinen Kuss auf die Wange. Dann löste er sich aus der Umarmung und setzte sich etwas unauffälliger aufrecht ins Bett. Peter tat es ihm gleich. „Komm rein!“, rief er Justus dann zu.

Die Tür öffnete sich und Justus stiefelte herein. „Habt ihr schon etwas herausgefunden?“ Seufzend ließ er sich in Bobs Schreibtischstuhl fallen.

„Bob hat die ganze Arbeit gemacht“, sagte Peter. „Ich war nur mit meinem blöden Unizeugs für morgen früh beschäftigt.“

Justus nickte andächtig. „Na, dann lass dich nicht lange bitten, Dritter.“

Bob war noch immer ein wenig in seinem Kopf gefangen. Aber es half ja alles nichts. Er griff nach seinem Notizheft und vergegenwärtigte sich nochmal seine Aufschriebe, bevor er zu Erklären begann.

„Also die Kurzform ist, dass ich nichts Auffälliges finden konnte. Morgans Alibi für den Einbruch bei den Brooks konnte ich durch einen Social Media Post ihrer Medienagentur bestätigen. Und ansonsten habe ich nur ein paar persönliche Daten gesammelt.“

Justus grummelte unzufrieden in sich hinein. „Das ist überaus ungünstig.“

„Alle vier posten relativ viel auf sozialen Medien. Naja – Roxane nicht ganz so viel. Leo postet mit Abstand am meisten. Leo heißt mit Nachnamen Kerber, studiert an der UCLA Theater und Geschichte. Das Instaprofil ist voll von eigener Kunst, irgendwelchen Museumsbesuchen, Fotos mit der Theatergruppe und den anderen Moonbeans-Leuten. Und einiges an queerem Aufklärungszeugs. Habe sehr viel über Nicht-Binärität und Neopronomen gelernt, aber für unseren Fall war nicht groß was Brauchbares dabei. Buck heißt mit Nachnamen Radford. Er studiert irgendwelches Wirtschaftszeugs und sein Insta ist vor allem Lacrosse und oberkörperfreie Bilder von sich selbst.“

„Hm“, machte Justus.

„Dann haben wir Morgan Wolfhardt, die wie gesagt bei dieser Medienagentur arbeitet. Sie hat Computerlinguistik und Mediengestaltung studiert. Ihr sozialer Medienauftritt ist super ästhetisch. Künstlerische Shots von sich selbst und ihrer Freundesgruppe. Vor allem Roxane, Buck und Leo. Und zuletzt Roxane Hawk. Sie gibt nicht ganz so viel von sich preis. Sie postet vor allem Naturbilder–“

„Moment!“ Justus sprang auf und fiel Bob ins Wort. „Ich habe da eine Idee.“

Bob stockte. „Okay?“

„Kannst du nochmal die vollen Namen der vier vorlesen?“

Bob zog die Augenbrauen verwirrt zusammen, tat aber wie ihm geheißen. „Morgan Wolfhardt, Roxane Hawk, Leo Kerber und Buck Radford.“

„Ist das nicht sonderbar?“, erwiderte Justus.

„Sie haben alle Tiernamen“, sagte Peter und lachte. „Aber für ihre Namen können sie ja nichts. Also höchstens Leo.“

„Weißt du, ob Leo einen Deadname hat, Bob?“, fragte Justus.

„Ja, da bin ich auch drüber gestolpert, aber ich denke nicht, dass ich ihn euch sagen sollte. Ich habe ihn auch nicht bewusst gesucht.“

„Sollst du auch nicht. Ich wüsste nur gern, ob der Name irgendeine tierische Konnotation hatte.“

„Hatte er nicht.“

Justus nickte.

„Denkt ihr, Leo hat sich den Namen ausgesucht, damit er in das Tierthema passt?“, fragte Peter.

Justus zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber unwahrscheinlich ist es nicht. Und: Jetzt, da wir die vollen Namen der vier kennen, haben wir noch einen weiteren Zusammenhang hergestellt. Wisst ihr noch, was in die Hexenleiter eingebunden war, die wir von Karissa Fisher bekommen haben?“

Bob spürte ein absinkendes Gefühl in seinem Bauch. Scheiße. Justus hatte also doch den richtigen Riecher gehabt. „Habichtfedern“, sagte er tonlos.

„Richtig, Dritter!“, lobte ihn Justus.

Bob schüttelte den Kopf. „Also haben wir es hier mit einer Räuberbande zu tun, die sich selbst irgendwie alle ihren eigenen Patronus zugeschrieben haben? Ist das nicht ein bisschen kindisch?“

„Patronus?“, unterbrach ihn Peter. „Wie in Harry Potter? Ich kann mir ja nicht vorstellen, dass die vier mit J. K. Rowling assoziiert sein möchten.“

„Vermutlich nicht“, stimmte Justus ihm zu.

„Hey, aber wisst ihr noch, als wir in der Fame Factory waren? Da hat doch Raya gesagt, sie denkt, die Marauders wären bei ihnen eingebrochen. Und über die Marauders gibt es wahnsinnig viel Fanfiction. Hat Leo nicht gesagt, dass Roxane Fanfiction schreibt?“

Bob machte große Augen. „Denkst du, die vier verstehen sich als so ne Rumtreiber-Bande?“

Justus begann, an seiner Unterlippe zu zupfen. „Keine Ahnung.“

„Die Frage ist halt, wo die persönliche Verbindung ist. Die vier haben ja mit unseren Influencern eigentlich keine Berührungspunkte, oder?“, fragte Peter.

„Das Einzige, was ich herausfinden konnte, war, dass Roxane früher in einer Megachurch war. Es gibt ein paar Posts von vor so drei Jahren, in denen sie verlinkt ist. Vielleicht können wir damit etwas anfangen?“, erklärte Bob zögerlich.

„Welche?“, hakte Justus nach.

Bob suchte seine Notizen ab. „Devotion LA.“

„Wir sollten dringend herausfinden, ob einer unserer Geschädigten Teil dieser Kirche ist“, sagte Justus.

„Ich kümmere mich drum.“ Bob machte sich einen dicken Kreis um den Kirchennamen.

„Gut.“ Justus strahlte. „Dann kommen wir ja endlich mal ein bisschen voran. Ich habe meinerseits ein Treffen mit Argyle für morgen Nachmittag ausgemacht. Vielleicht kann er uns ja einen Einblick geben, wie die Beziehung zwischen Morgan und Ginny wirklich aussieht und ob Ginny da mit drinhängt.“

Bob und Peter nickten. Bob fühlte sich müde und erschlagen. Er wollte nicht, dass die vier mit der Sache etwas zu tun hatten. Ihm gefiel das alles nicht.

„In Ordnung, Kollegen.“ Justus schlug mit seinen Händen auf seine Oberschenkel und erhob sich aus Bobs Schreibtischstuhl. „Morgen Nachmittag um halb vier dann.“

„Klingt gut“, erwiderte Peter.

Dann war Justus schon aus dem Zimmer gestiefelt und hatte die Tür hinter sich zugezogen.

Es war kurz still. Bob schob sich wieder etwas nach unten in eine Liegeposition und wandte sich zu Peter, der es ihm gleich tat. Der Blickkontakt löste sofort wieder Nervosität in Bob aus.

„Mir tut das voll leid, dass die vier jetzt vielleicht doch involviert sind“, sagte Peter leise. „Ich weiß, du hast die echt schon ins Herz geschlossen.“

„Du nicht?“

Peter schüttelte den Kopf. „Ich hab ein komisches Gefühl bei denen. Vor allem bei Morgan. Schon die ganze Zeit.“

„Hm“, machte Bob. „Du hattest schon immer ein gutes Bauchgefühl.“

„Außer bei Geistern“, sagte Peter und lächelte.

Bob lachte. „Ja, außer bei Geistern.“

Wieder war es kurz still. Sie sahen sich einfach nur an. Bob erinnerte sich daran, dass er eben noch in Grübelschleifen verfallen war. Aber eigentlich war es doch klar. Er mochte Peter. Vermutlich ein bisschen zu sehr. Gut war das nicht. Peter hatte ihm ja schließlich mehrmals gesagt, dass er nicht auf ihn stand. Aber sie hatten nun mal dieses Arrangement. Ein Arrangement, das Bob sich definitiv nicht nehmen lassen wollte. Er würde seine Gefühle einfach ignorieren. Er konnte sich ja immer noch damit auseinandersetzen, wenn es notwendig wurde. Jetzt gerade war ihm das alles irgendwie egal. Jetzt gerade wollte er einfach mit Peter hier liegen.

„Schläfst du heute Nacht hier?“

Peter runzelte die Stirn. „Denkst du nicht, Justus könnte das ein bisschen auffällig finden?“

„Nö.“ Bob schüttelte amüsiert den Kopf. „Wir übernachten ständig beieinander.“

„Auch wieder wahr.“

Bob zuckte mit den Schultern. „Wir müssen ja auch nichts machen. Wir können ja einfach ein bisschen kuscheln. Ich bin eh total müde.“

Peter lächelte. „Finde ich gut.“ Er rutschte ein bisschen auf Bob zu und nahm ihn in den Arm. Bob wurde sofort von einer wohligen Wärme durchflutet, tausende von Endorphinen strömten durch seinen Körper. Bob griff mit seiner freien Hand in den Stoff auf Peters Rücken und atmete Peters Geruch ein.

Jap, er war definitiv in seinen besten Freund verliebt. 

Notes:

Justus wusste sicherlich, was er tat, als er die Tür hinter sich geschlossen hat, oder? :D

Chapter 21: Kapitel 21: Die Detektivin

Summary:

Justus macht Entdeckungen, Lexi auch.

Was bisher geschah: DDF haben herausgefunden, dass alle Moonbeans-Leute komischerweise irgendwelche Verbindungen zu Tieren haben, die bisher in den Ermittlungen aufgetaucht sind. Das macht die ganze Gruppe sehr verdächtig. Bob und Peter waren süß und sind zu zweit bei Bob im Bett eingeschlafen.

Notes:

Hallo ihr Cuties, ich bin grad im Urlaub in Süddeutschland und schicke euch ganz liebe Grüße von Herrn Söder (ich hoffe, ich treff ihn nicht.)

Korrekturgelesen von Milopoli :)
Viel Spaß!

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Als Bob am nächsten Morgen zu sich kam, war er so fest in Peters Armen eingeschlossen, dass er sich nicht einmal hätte bewegen können, wenn er es wirklich gewollt hätte. Aber irgendwie störte es ihn so gar nicht. Es fühlte sich nach zu Hause an. Nach angekommen sein. Und vermutlich, überlegte Bob, lag das einfach daran, dass alles nach Peter roch. Er hatte Peters Geruch schon immer gemocht, aber jetzt, seit das hier – was auch immer das zwischen ihnen war – angefangen hatte, hatte sich dieses Gefühl noch einmal verstärkt. Irgendwie verband Bob diesen Geruch so sehr mit Geborgenheit, dass er gar nicht so recht wusste, wie er jemals wieder darauf verzichten können sollte. Aber vielleicht sollte er einfach nicht darüber nachdenken. Damit würde er sich beschäftigen, wenn es so weit war. Und jetzt würde er das einfach genießen.

Bob schloss die Augen wieder und machte es sich mit seinem Kopf auf Peters Oberarm gemütlich. Hätte er heute keine Uni gehabt, hätte er seinetwegen den ganzen Tag so bleiben können.

Ein sehr leises Klopfen ertönte. „Seid ihr wach?“, raunte Justus vor der Tür.

„Hmpf“, machte Bob. Er öffnete die Augen und sah, wie sich die Türklinke behutsam nach unten bewegte. Dann schob Justus sich durch die Tür. Hinter sich spürte Bob, wie Peter begann, sich zu räkeln. Er löste den festen Griff um Bob etwas auf, ließ seinen rechten Arm aber auf Bobs Oberkörper liegen. Bob nutzte seine neugewonnene Freiheit, um sich ein bisschen aufrechter und Justus zugewandt zu positionieren.

Justus schien von der ganzen Szene völlig unbeeindruckt zu sein. Völlig gelassen setzte er sich in den Bürostuhl, in dem er gestern Abend schon gesessen hatte, und begann unbeirrt über den Fall zu reden.

„Da ich gestern Abend nicht mehr damit gerechnet habe, dass ihr noch weiter recherchieren würdet, habe ich beschlossen, eigene Untersuchungen anzustellen.“ In Justus‘ Ton war nichts Vorwurfsvolles. Er schien einfach Fakten vorzutragen. Bob wusste nicht so recht, ob Justus erwartet hatte, dass Bob gleich noch weiter recherchierte, aber es war auch echt spät gewesen. Eigentlich war es ja recht natürlich, dass er lieber ins Bett gehen wollte.

Justus ruckelte sich in seiner Sitzposition zurecht und fuhr fort. „Ich habe in Erfahrung bringen können, dass Roxane früher der gleichen Megachurch angehört hat, wie Karissa. Ich habe sogar ein Foto gefunden, auf dem beide gemeinsam zu sehen sind. Es scheint mir, als habe Karissa eine Art Kleingruppe geleitet, der Roxane angehört hat. Die Kirche nennt sowas Home-Groups. Da scheinen sich die Mitglieder wöchentlich zum Bibellesen und Austausch bei sich zu Hause zu treffen.“

„Das ist ja alles tatsächlich interessant, Erster“, grummelte Peter neben Bob so, dass er die Vibration seiner Stimme überall in seinem Körper spürte, „aber hätte diese Information nicht auch noch ne halbe Stunde warten können?“

„Mitnichten, Zweiter, ich muss gleich los.“ Justus grinste. „Und ich bin auch noch nicht fertig.“

„Hast du auch irgendwann mal geschlafen, Just?“, protestierte Bob.

„Weniger als von Experten empfohlen wird, aber das ist jetzt nebensächlich.“

Bob lachte.

„Ich habe nämlich ebenso herausgefunden, dass die älteste Tochter der Brooks – Elfie – auch in Lulu Sparkles‘ Kindertanzgruppe war, bevor sie aufgelöst wurde.“

„Ernsthaft? Das kann doch irgendwie kein Zufall sein“, raunte Bob.

„Ist es vermutlich auch nicht. Maddy und Lulu waren ja schließlich früher befreundet“, erwiderte Justus.

„Das heißt, möglicherweise hasst Maddy Brooks Lulu gar nicht, weil sie lesbisch ist, sondern weil ihr Kind auch schlecht behandelt wurde“, überlegte Peter.

„Oder es kommt beides zusammen, wer weiß“, sagte Justus.

„Klasse“, sagte Bob mit sarkastischem Unterton.

„Okay, aber ich verliere langsam echt den Überblick. Also Morgan hat was mit Ginny, die für die Brooks arbeitet. Die Brooks sind mit den Fishers befreundet und ein Kind von denen war in einer Tanzgruppe von Lulu Sparkles“, fasste Peter zusammen.

„Genauso wie die kleine Schwester von Lexi“, ergänzte Justus. „Und Ginny ist außerdem mit Argyle befreundet, der für die Fame Factory arbeitet.“

„Und Jack und Brianne haben mal zur Fame Factory gehört.“

Bob stöhnte. „Das ist mir alles viel zu kompliziert. Ich brauche erstmal nen Kaffee.“

„Den könntest du dir auf dem Weg zur Uni beim Moonbeans holen. Dann können wir schonmal abchecken, wer von unseren Verdächtigen heute arbeitet“, schlug Justus vor.

Bob verdrehte die Augen.

Justus zuckte mit den Schultern. „Das schafft ihr schon. Ich muss jetzt los. Franca wartet bereits.“ Und damit war er auch schon weg.

Bob und Peter verharrten in ihrer Position, bis sie die Tür im Schloss hörten.

„Denkst du, er weiß Bescheid?“, fragte Peter.

„Worüber?“

„Na, über uns.“

Bob überlegte. „Es ist halt Justus.“

„Das kann in beide Richtungen gehen“, erwiderte Peter. „Einerseits weiß Justus immer alles. Andererseits kann er auch echt blind sein, wenn es um romantische oder sexuelle Themen geht.“

Bob kratzte sich am Kopf. „Das stimmt. Denkst du, wir sollten es ihm sagen?“

„Keine Ahnung“, sagte Peter.

 

 

Im Moonbeans war heute Morgen von den vier Freunden nur Buck anwesend gewesen. Er und eine völlig überforderte Aushilfe, der die ganze Zeit von der ebenfalls anwesenden Managerin dabei beobachtet wurde, wie sie nervös die Bestellungen in die Kasse eingab. Buck musste währenddessen hinten Inventur machen, sodass Bob und Peter sich gar nicht groß mit ihm unterhalten konnten. Allerdings hätten sie ohnehin nicht viel Zeit gehabt, da sie beide in ihre Vorlesungen mussten.

Der Vorlesungssaal war noch nicht besonders gut besucht, als Bob etwas überpünktlich in der UCLA ankam. Er setzte sich in eine der hinteren Reihen und schaltete seinen Laptop ein.

Er wollte gerade einen Schluck aus seinem Coffee-to-go-Becher nehmen, als ihm jemand durch die Haare wuschelte.

„Hey!“, protestierte Bob und duckte sich.

Lexi grinste und ließ sich neben ihm in den herunterklappbaren Stuhl plumpsen. „Na? Was geht?“

Bob strich sich seine Haare wieder zurecht. „Du hast zu viel Energie. Es ist gerade mal neun.“

„Nawww, ein Morgenmuffel.“ Lexi legte den Kopf schief.

Bob schob seine Unterlippe nach vorne.

Lexi ließ sich nicht beirren. „Wie geht’s dir?“

„Ganz gut, bis auf, dass ich noch nicht ganz wach bin.“

„Hat dich jemand um den Schlaf gebracht?“ Wieder grinste Lexi breit.

Bob lachte. „Nein, wir waren nur für den Fall länger unterwegs und dann habe ich noch recherchiert. Da sind wir erst sehr spät ins Bett gekommen.“

„Du redest von deinen Detektivkollegen, als wären sie deine Ehepartner.“

„Äh, was?“ 

Lexi lachte. „Na, wie bei so Pärchen, die von allem, was sie machen, immer nur in der wir-Form reden. Gestern waren wir beim Arzt. Letzte Woche war schwierig für uns. Sowas halt.“

„Aha“, sagte Bob.

„So klingt es, als wärt ihr gemeinsam ins Bett gegangen.“

Bob wusste nicht so richtig, was er darauf antworten sollte, und starrte Lexi einfach an.

Lexi atmete scharf ein und ließ ihre Kinnlade herunterklappen. „Oh mein Gott.“

„Was?“

„Bitte sag mir, dass Peter in deinem Bett geschlafen hat.“

„Ich…“ Bob verengte die Augen. „Woher…“

„Halleluja“, rief Lexi. Dann sah sie ihn ernst an und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Lieber Bob, dir stehen deine Gefühle wirklich ausgesprochen stark ins Gesicht geschrieben.“

Bob legte sein Gesicht in seine Hände und versuchte, die Röte zu verdecken, die sich mittlerweile auf seinen Wangen gebildet haben musste. „Warum wussten alle, dass ich schwul bin, nur ich nicht?“

Bob sah wieder auf. Lexi zuckte nonchalant mit den Schultern. „Schwul wusste ich nicht unbedingt, aber du schmachtest den guten Peter sehr an. Außerdem hattest du am Sonntag bestimmt eine halbe Stunde deine Hand auf seinem Bein. Das kann man natürlich schon platonisch so machen, aber es ist definitiv ungewöhnlich – vor allem unter Männern.“ Sie kratzte sich am Kopf. „Nicht, dass das was Gutes wäre. Ich würde das gesellschaftlich eigentlich ganz gerne Mal überdenken, ob das so sinnvoll ist, Zärtlichkeiten unter Männern immer gleich als queer zu betrachten, aber you get my point.“

Bob lachte. „Ja, okay, wenn du das so sagst.“

„Aber krass, dass du gerade erst festgestellt hast, dass du schwul bist, und dann innerhalb kürzester Zeit schon eine Beziehung eingegangen bist.“

Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Wir sind nicht zusammen.“

Lexi verzog das Gesicht. „Warum nicht?“

„Er steht nicht auf mich“, antwortete er schulterzuckend.

„Er steht nicht auf dich, aber er schläft in deinem Bett“, erwiderte Lexi trocken.

„Für Körperliches reicht es wohl, nehme ich an.“

„Hä, das ist ja unlogisch.“

„Keine Ahnung.“ Wieder zuckte Bob mit den Schultern. „Ich nehme einfach, was ich kriegen kann, und beschäftige mich später damit, was ich mit meinen Gefühlen mache.“

„Ich weiß ja nicht“, sagte Lexi. „Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass er dich genauso anschmachtet, wie du ihn.“

„Naja, aber ich kann ja nicht einfach annehmen, dass er mich anlügt. Wenn er mir sagt, er steht nicht auf mich und er will sich einfach ein bisschen mit mir ausprobieren, dann wäre es ja auch irgendwie asozial, wenn ich einfach davon ausgehe, dass das nicht stimmt.“

Lexi tippte sich nachdenklich ans Kinn. „Schwierige Kiste. Ich denke, wir müssen das weiter beobachten.“

Bob lachte. „Okay, Frau Detektivin. Dann beobachte du mal.“

Die Vorlesung begann und Bob versuchte, sich auf das Thema zu konzentrieren, das die Dozentin gerade präsentierte. Es war gar nicht so leicht. Jetzt war ja nicht mehr nur Leo davon überzeugt, dass Peter ihn auch mochte, sondern auch noch Lexi. Generell ergab das alles keinen Sinn. Peter hatte ja eigentlich schon gesagt, dass er so ungefähr auf Bobs Typ stand. Und er suchte sehr viel Nähe und gab Bob die Bestätigung, dass er ihn wollte. 

Die Frage war, woran es dann hakte. An Bobs Persönlichkeit? Oder vielleicht kannten sie sich einfach schon so lange, dass Peter ihn eher als eine Art Bruder wahrnahm? Aber mit seinem Bruder schlief man ja nicht. Das konnte es also nicht sein.

Vielleicht war es letztlich überhaupt nicht sinnvoll, sich so den Kopf zu zerbrechen. Wenn er es wirklich wissen wollte, würde er vermutlich mit Peter reden müssen. Aber ob er das wollte? Nachher käme dabei noch heraus, was er selbst für seinen besten Freund empfand, und dann würde Bob alles zerstören. Und das wollte er definitiv nicht. Dafür genoss er gerade einfach zu sehr, was sie da hatten – selbst wenn es so undefiniert und ungewiss war.

Bobs Gedanken schweiften zurück zu Lexi. Lexi und ihre Schwester Aditi. Aditi war in Lulu Sparkles’ Tanzgruppe gewesen. Genauso wie ein Kind der Brooks-Familie. Müsste dann Lexi die Brooks nicht kennen? Aber bei ihrem Gespräch hatte sie behauptet, die Familie nicht zu kennen. Das war doch komisch, oder? Vielleicht konnten sie Lexi ja doch nicht vertrauen.

„Weißt du“, sagte Bob deshalb sobald die Vorlesung zu Ende war, „wir haben herausgefunden, dass die Tochter von einem der in unserem Fall geschädigten Haushalte auch in der Tanzgruppe war, in der deine Schwester war.“

Lexi wirkte unbekümmert. „Ach echt? Wer denn?“

„Elfie Brooks. Das ist die Tochter von Madyson Brooks. Hast du nicht gesagt, du kennst die Familie nicht?“ Er versuchte, seine Frage so nonchalant wie möglich zu stellen. Aggression half hier sicherlich nicht. 

Das schwarzhaarige Mädchen dachte kurz nach und schien sich dann an etwas zu erinnern. „Ach ja, natürlich. Du hast recht. Klar kenne ich die. Also nicht besonders gut, aber das ist doch so eine Blonde, die immer so richtig perfekt gestylt rumläuft und ihre Kinder so krass herausputzt und sie dann ständig bei allem filmt.“

„Jap“, sagte Bob und ließ dabei das P ploppen. „Das ist eine recht treffende Beschreibung.“

„Die kann ich ja auch nur so begrenzt leiden. Auch die Tochter… die ist richtig eingebildet. Sie hat Aditi immer ein bisschen wegen ihrer Hautfarbe gestichelt. Furchtbar.“

Bob verzog das Gesicht. „Ernsthaft?“

„There’s no hate like Christian love“, erwiderte Lexi mit einem Schulterzucken. „Hast du jetzt was vor oder hast du Lust noch nen Kaffee zu trinken?“

Bob presste die Lippen entschuldigend aufeinander. „Muss gleich weiter in die nächste Vorlesung leider.“

„Schade.“ Lexi schob die Unterlippe nach vorne. „Na gut, dann bis bald mal, ja?“

Bob lächelte. „Bis bald!“

Sie umarmten sich kurz und dann war Lexi auch schon verschwunden. 

Bob wusste wirklich nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Irgendwie hatte sich Lexi da jetzt so geschickt rausgewunden, dass es schon wieder verdächtig wirkte.

Notes:

<3

Chapter 22: Kapitel 22: Der Löwenzahn

Summary:

Die drei Fragezeichen entdecken spannende Dinge (und Leute) im Wald.

Was bisher geschah: Die drei Fragezeichen vermuten, dass Roxane, Morgan, Buck und Leo aus dem Café möglicherweise als Gruppe hinter den Raubüberfällen stecken. Außerdem haben alle vier Tiernamen, was das ganze ein bisschen verrückt macht. Jetzt treffen sie sich mit Argyle, dem Koch aus der Fame Factory (das TikTok-Haus vom Anfang, das auch beklaut wurde). Argyle war nämlich mit Ginny, der Babysitterin, auf dem Waldspielplatz, als der Einbruch in der Brooks-Villa passiert ist, und hätte möglicherweise etwas gesehen haben.

Notes:

Zweiiii Monate später... Oh man Leute... Mein Umzug war einfach mega stressig und auf der Arbeit ist gerade so viel los. Es tut mir echt schrecklich leid, dass ihr so lange warten musstet. Aber dafür dann jetzt hier ein long-boy :) Viel Spaß! Chris :)

Korrekturgelesen von Milopoli <33

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Argyle, der Koch der Fame Factory, wirkte unbeteiligt. Genauso wie als sie ihn das erste Mal getroffen hatten. Sie spazierten mit ihm durch den Wald, direkt hinter dem Haus der Fame Factory. Argyle hatte nur eine halbe Stunde Mittagspause, dann musste er wieder arbeiten gehen.

Es war etwas mühsam. Argyle redete nicht viel und man musste ihm die Worte quasi aus der Nase ziehen. Er hatte an dem Tag, an dem bei den Brooks eingebrochen worden war, nichts gesehen oder mitbekommen. Auch für den Einbruch in der Fame Factory hatte er keine hilfreichen Informationen. Es war frustrierend. Bob fragte sich erneut, ob der Kerl einfach mental abgeschaltet hatte, weil er die Leute, für die er arbeitete, nicht ertragen konnte. Vielleicht war er außerhalb des Valleys eine extrovertierte Partymaus. Aber irgendwie schien das unwahrscheinlich. Gleichzeitig war er aber mit Ginny befreundet. Also irgendwo musste er ja zumindest einen Deut einer sozialen Ader besitzen.

„Argyle, als du mit Ginny bei dem Spielplatz auf der Bank gesessen hast“, setzte Justus jetzt erneut an, „hat Ginny auf dich irgendwie verändert gewirkt? Ist dir an ihr etwas aufgefallen?“

Das war eine gute Frage. Schließlich war es ja eine legitime Möglichkeit, dass sie die Terrassentür der Brooks absichtlich offengelassen hatte. Sie hätte sich also vielleicht häufig nervös umsehen können. Oder möglicherweise hätte sie versuchen können, Argyle davon abzuhalten, in die Richtung der Brooks Villa zu sehen. Einem guten Freund wäre so ein Verhalten sicherlich aufgefallen.

„Inwiefern?“, fragte Argyle lustlos. Seine schwarzen Haare hingen ihm beim Laufen ins Gesicht und er schaute auf den Boden, sodass es schwierig war, überhaupt irgendetwas von seiner Mimik zu erkennen.

„War sie irgendwie nervös, oder so?“, spezifizierte Bob.

„Ist sie das nicht immer?“

„Ist sie das?“ Peter rümpfte die Nase.

„Keine Ahnung, ich mein ja nur. Sie knibbelt sich immer an den Nagelbetten herum oder kaut an den Fingernägeln. Das macht sie schon seit ich sie kenne.“ Eine ungewöhnlich ausführliche Antwort.

Eine kurze Pause entstand.

„Denkst du, es gibt einen spezifischen Umstand, der sie nervös macht, oder ist sie einfach ein ängstlicher Mensch?“, fragte Justus jetzt wieder.

Argyle zuckte mit den Schultern. „Ich würd sie gern mal zur Therapie schicken. Aber keine Ahnung. Das ist halt teuer, wenn man so schlecht krankenversichert ist.“

Justus nickte wissend.

„Aber ich habe schon das Gefühl, dass es schlimmer geworden ist, seit der Morgan-Sache“, ergänzte Argyle jetzt nuschelnd. Es war das erste Mal, dass er was sagte, das irgendwie hilfreich erschien.

„Was meinst du damit?“, fragte Justus.

„Naja, seit die was miteinander haben. Keine Ahnung. Ich mag Morgan nicht.“

Bob horchte auf. Das hatte Peter auch schon gesagt. Peter hatte auch behauptet, bei Morgan ein komisches Gefühl zu haben.

Argyle biss sich auf die Unterlippe und sah in die Ferne. „Ich finde, Morgan spielt mit Ginnys Gefühlen. Bewusst. Und es ist ihr egal. Aber was weiß ich. Auf mich hört Ginny eh nicht. Die ist viel zu verknallt.“

Sie waren mittlerweile wieder am Gartentor der Fame Factory angekommen. Durch die Streben des Zauns sah man, wie ein paar Leute auf einem riesigen Trampolin sprangen, umgeben von einer riesigen Menge Konfetti, die durch die Sprünge immer wieder hoch in die Luft gewirbelt wurde. Es sah aus, als wären sie in einer Schneekugel. Um das Trampolin herum standen mehrere Handys auf Gestellen, die das Ganze filmten. Bob fragte sich, ob das nicht gefährlich war. Auf dem Konfetti konnte man doch sicherlich ausrutschen. Aber bis jetzt schien es gut zu gehen. Die Jugendlichen auf dem Trampolin lachten und feuerten sich gegenseitig an. Bob fiel auf, dass er schon wieder alle ihre Namen vergessen hatte. Er hatte die Jungs ja letzte Woche Tick, Trick und Track getauft, aber welcher von denen war jetzt welcher? Aber irgendwie war ihm das auch ein bisschen egal. Er war sich sicher, dass sie seinen Namen auch nicht mehr wussten.

„Naja. Ich muss jetzt wieder zurück. Ich wünsch euch noch viel Glück.“ Argyle hob die Hand zum Abschied und verschwand.

„Und? Was machen wir jetzt?“, fragte Peter, nachdem der junge Koch durch das Gartentor verschwunden war.

Eine kurze unschlüssige Stille entstand. Bob fragte sich, ob es verwerflich war, dass er am liebsten nach Hause wollte. Vielleicht auf die Couch, wo er ein bisschen mit Peter kuscheln konnte. Außerdem fühlte dieser Fall sich dumm an. Alle Leute, die er mochte, waren verdächtig und er hatte keine Ahnung, wer es sonst sein sollte.

„Jetzt, da wir schon einmal hier sind, sollten wir uns meiner Meinung nach noch einmal genauer im Wald umsehen“, verkündete Justus. „Ich würde gern noch einmal die Stelle in Augenschein nehmen, an der die Sticker verbrannt wurden. Vielleicht finden wir in der Gegend ja noch etwas.“

Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Und was soll das sein?“

Er sah zu Peter herüber, der auch nur mit den Schultern zuckte.

„Ich weiß es nicht, Kollegen“, antwortete Justus. „Aber ich habe den Eindruck, dass in diesem Wald noch etwas zu finden sein könnte. Schließlich wurden von hier aus mit hoher Wahrscheinlichkeit die meisten oder alle Einbrüche ausgeführt. Das kann kein Zufall sein. Irgendeine Bedeutung hat dieser Wald.“

Justus setzte sich in Bewegung und Peter folgte ihm. Etwas missmutig setzte sich auch Bob in Bewegung. Es fühlte sich ein bisschen sinnlos an. Aber gleichzeitig wusste Bob auch, dass Justus recht damit hatte, dass zumindest die Chance bestand, hier etwas zu finden. Und außerdem mussten sie auch irgendwie weiterkommen. Denn selbst wenn sie jetzt eine Vermutung hatten, wer hinter den Einbrüchen steckte, fehlten ihnen noch immer jegliche Beweise. Sie mussten etwas Belastbares finden. Oder irgendjemanden auf frischer Tat ertappen, sonst brachte ihnen das bloße Herumspekulieren überhaupt nichts. Zumal diese Rumtreiber-mit-Tiernamen-Idee auch völlig aberwitzig war. Wenn sie damit in irgendeiner Polizeiwache auftauchten, würde man ihnen ins Gesicht lachen. Bis jetzt waren das alles nur ungewöhnliche Zufälle, die sie zu ihrer eigenen kleinen Verschwörungstheorie zusammengebaut hatten.

Sie stiefelten eine Weile lang schweigend durch den Wald. Es war einigermaßen viel los – immer wieder mal begegneten ihnen Menschen, die gerade joggten oder mit ihren Hunden spazierten. Erst als sie wieder auf den kleinen Trampelpfad, auf den Boopsie sie das letzte Mal geführt hatte, einbogen, wurde es etwas ruhiger. Man hörte zwar noch immer in der Ferne Kinderstimmen vom Spielplatz, aber vor allem hörte man jetzt Vögel und, wenn man es wirklich versuchte, konnte man sich einbilden, dass sie gerade einen schönen Spaziergang irgendwo weitab der Zivilisation machten. Darauf hatte Bob gerade definitiv mehr Lust. Es war fast idyllisch. Bob hatte kurz das Bedürfnis, nach Peters Hand zu greifen, ließ es aber. Er wusste ja nicht einmal, ob Peter so etwas wollte. Und wenn er wirklich darüber nachdachte, war er sich eigentlich sicher, dass Peter so etwas definitiv nicht wollte. Sonst hätte er ihm ja nicht so eindeutig erklärt, dass er nicht auf ihn stand – selbst wenn Lexi und Leo etwas anderes behauptet hatten.

„Hier war letztes Mal die Feuerstelle“, sagte Justus schließlich und blieb stehen.

Bob und Peter blieben ebenfalls stehen und sahen auf den noch ganz leicht schwarz aussehenden Fleck auf dem Boden. Wüssten sie nicht, wo die verkohlten Holzstückchen das letzte Mal gelegen hatten, hätten sie keine Chance gehabt, die Stelle wiederzufinden. Das Wetter hatte fast alle Spuren beseitigt.

Für eine Weile standen sie da und sagten nichts, unschlüssig, wie ihnen das jetzt helfen sollte.

„Kommt, wir schwärmen aus. Vielleicht finden wir ja noch irgendwas“, befahl Justus.

Peter und Justus fingen an, sich von der ehemaligen Feuerstelle wegzubewegen und auch Bob leistete Justus‘ Anweisung Folge, indem er begann, sich durch das Dickicht zu schlagen. Man konnte von dem kleinen Trampelpfad aus durch ein paar kniehohe Pflanzen auf ein paar Büsche zugehen, die für Bob so aussahen, als könnte man sich gut darin verstecken. Er bog ein paar Zweige aus seinem Sichtfeld und duckte sich unter einem Ast hindurch, bis er sich im Geäst befand. Unter dem Blätterdach konnte er fast aufrecht stehen. Peter würde sich hier vermutlich ordentlich ducken müssen, aber Bob war ja ein deutliches Stück kleiner. Es war, als wäre hier eine eigene kleine Welt in den Büschen. Bob fühlte sich, als wäre er, wie bei Arthur und die Minimoys oder der Biene Maya, geschrumpft worden und in einer kleinen fantastischen Naturwelt ausgesetzt worden. Die Äste der Büsche wanden sich knorpelig und von den Blüten, die auf der anderen Seite der Blätter waren, sah er hier fast nichts. Es war auch deutlich kühler und dunkler. Und vor allem: Das Ganze schien ein riesiges System zu sein. Er konnte nicht sehen, wo das alles hier aufhörte. Für Kinder musste das ein Paradies sein. Hier konnte man sicherlich gut verstecken spielen.

Bestimmt ging Bob weiter. Er wusste gar nicht so recht, nach was er genau suchen konnte. Abwechselnd suchte er mit den Augen den Boden und die Äste um ihn herum ab. An sich wirkte hier alles sehr gewöhnlich.

„Bob, bist du das?“, hörte er nach ein paar Minuten Justus rufen.

Bob kniff die Augen zusammen und sah den ersten Detektiv etwas weiter hinten stehen. Er schien von einer anderen Ecke aus die kleine Buschwelt betreten zu haben. „Hast du was, Erster?“

„Ich glaube schon“, kam es zurück.

Bob hüpfte flink über einen kleinen Ast und rannte leicht geduckt zu Justus herüber. Der Besagte stand zwischen ein paar Zweigen und betrachtete etwas, das an einem der Äste zu hängen schien. Bob kam neben ihm zum Stehen und sah in dieselbe Richtung.

Bob stockte. „Oh.“

Justus grinste. „Volltreffer, würde ich sagen.“

„Eine Hexenleiter.“

An dem Ast hing tatsächlich ein sehr ähnliches Modell, wie das, was sie von Karissa bekommen hatten: Ein bräunlicher, dicker Faden – vermutlich aus Paketband oder etwas ähnlichem geflochten – in das verschiedene Objekte geknotet waren.

„Nicht nur das, Dritter. Schau mal genauer hin.“ Justus sah ihn herausfordernd mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

Bob analysierte die Hexenleiter genauer. „Naja… Das hier ist vermutlich irgendein Zahn von einem Tier oder so? Und das da sind Blumen. Und wieder Federn. Vermutlich die gleichen wie das letzte Mal.“

„Genauer, Bob. Was sind das für Blumen?“

„Löwenzahn.“

„Richtig!“ Justus strahlte. „Und wenn dieser Tierzahn dort nicht von einem Wolf stammt, dann fresse ich nen Besen.“

Bob biss sich auf die Unterlippe und dachte laut nach. „Das heißt, wir haben hier die Habichtfedern – Roxane Hawk; dann Löwenzahn – wie Leo Kerber; und außerdem einen möglichen tatsächlichen Zahn eines Wolfs – wie Morgan Wolfhardt.“

„Genau. Und in der letzten Hexenleiter waren die gleichen Federn und außerdem Hirschhorn – passend zu Buck Radford“, ergänzte Justus.

„Damit ist wohl klar, wer hier im Wald die Hexenleitern bastelt.“

Justus zuckte mit den Schultern. „Die Raubüberfälle können wir ihnen damit zwar nicht nachweisen, aber zumindest für uns wissen wir jetzt erstmal, was Sache ist, und in welche Richtung wir ermitteln müssen.“

„Denkst du, diese Ginny hängt da auch mit drin?“

Justus schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht, dass sie Teil der Gruppe ist. Aber ich halte es für wahrscheinlich, dass Morgan sie überredet hat, die Terrassentür aufzulassen, damit die anderen einbrechen können. – Sie selbst war ja zu der Zeit in San Francisco.“

„Hm“, machte Bob.

„Das haben sie clever gelöst“, murmelte Justus nun weiter. „Sie brechen nie zu viert ein und sorgen dafür, dass mindestens eine Person ein Alibi hat. So kann man keine Person für alle Diebstähle belangen. Sobald man denkt, man hat die eine Person gefunden, merkt man, dass sie für einen der Einbrüche ein Alibi hat und schließt sie automatisch von allen Einbrüchen aus.“

„Ganz schön gerissen“, kommentierte Bob.

„Komm, wir nehmen das Ding hier mit.“ Justus begann, den Knoten der Hexenleiter vom Ast zu lösen.

„Wo ist eigentlich Peter?“ Er sah sich um. Soweit er schauen konnte, war keine Spur vom zweiten Detektiv zu sehen.

„Keine Ahnung. Ruf ihn doch mal an.“

Während Justus noch immer mit dem Knoten beschäftigt war, zückte Bob sein Handy und wählte Peters Nummer. Zwei Freizeichen ertönten leise aus Bobs Lautsprecher, dann ging die Mailbox dran. Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Er hat mich weggedrückt.“

Justus hatte inzwischen den Knoten gelöst und die Hexenleiter in seiner Jackentasche verstaut. Er sah Bob ein paar Sekunden nachdenklich an. „Sofern er nicht jemanden getroffen hat und sich nett unterhält, könnte das durchaus besorgniserregend erscheinen.“

Bob presste die Lippen zusammen. In seinem Bauch machte sich ein ungutes Gefühl breit. „Finde ich auch.“

„Komm, wir suchen ihn. Ich glaube, er ist vorhin in die Richtung gegangen.“ Justus zeigte in die Richtung, die vermutlich irgendwo wieder zum Trampelpfad führen würde, und lief los. Gerade als Bob sich auch in Bewegung setzen wollte, vibrierte sein Handy in seiner Hand.

Eine Nachricht von Peter: Habe Morgan gesehen und bin ihr gefolgt. Darunter ein Live-Standort.

„Just, warte!“

Justus drehte sich um und kam zurück. Er stellte sich neben Bob und las die Nachricht ebenfalls.

Okay, wir kommen, antwortete Bob Peter.

Aber seid leise. Sie hat mich noch nicht bemerkt, kam es zurück.

„Sehr gut“, sagte Justus feierlich. „Dann können wir gleich mal gucken, was sie hier so treibt.“

 

Sie folgten dem kleinen roten Punkt auf Bobs Handy, bis sie schließlich Peter sahen. Erst, als sie ihn erreichten, entdeckten sie auch Morgan. Peter hatte einen sehr großen Abstand zu ihr eingehalten und sie schien tatsächlich noch nicht bemerkt zu haben, dass sie Beobachter hatte. Ohne sich umzusehen, stiefelte sie abseits von den Wegen durch das Gestrüpp. Die drei Fragezeichen versuchten, möglichst geräuschlos und mit großem Abstand zu folgen, ohne sie dabei zu verlieren.

Nach einer Weile lehnte Morgan sich an einen Baumstamm und sah auf ihr Handy. Hinter ihr war ein kleines Lager, das aus vielen Stöckern bestand, die um einen Baum herum drapiert waren. Es sah aus wie ein kleines Zelt.

„Und jetzt?“, flüsterte Bob so leise er konnte.

„Keine Ahnung“, antwortete Peter ebenso leise.

Alle drei verharrten in ihrer Position. Morgan bewegte sich auch nicht.

Bob fragte sich, ob überhaupt noch etwas passieren würde. Vielleicht war die Barista ja einfach für ihre Mittagspause in den Wald gegangen, um frische Luft zu schnappen. Dann wäre das Ganze hier ein ziemlich sinnloses Unterfangen.

Aber nach ein paar Minuten passierte dann doch etwas. Aus einer anderen Richtung lief Ginny auf Morgan zu. Die grinste und steckte ihr Handy weg.

Die beiden Frauen umarmten sich zur Begrüßung. Dann begannen sie, sich zu küssen. Erst nur ganz zärtlich und vorsichtig, dann schließlich immer länger und leidenschaftlicher.

Bob sah zu Peter herüber, der – so schien es – kurz davor war, loszuprusten. Er warf ihm einen warnenden Blick zu. Jetzt durften sie erst recht nicht mehr auffliegen. Das wäre sicherlich unfassbar unangenehm. 

„Kommt, wir gehen ein Stückchen weiter weg“, schlug Justus schließlich flüsternd vor.

Sie traten vorsichtig den Rückzug an und entfernten sich aus der Hörweite des Paares. Schließlich konnten sie die beiden nur noch weit in der Ferne sehen. Die Szene war noch die gleiche. Es schien recht heiß her zu gehen und es wirkte auch nicht, als würde sich das bald ändern.

Justus räusperte sich. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir jetzt gehen. Ich habe den Eindruck, dass diese Szene weder für unsere Augen bestimmt, noch investigativ sachdienlich ist.“

Bob lachte auf. „Sag bloß, du hast kein Interesse daran, anderen Leuten beim Sex zuzuschauen, Erster?“

Justus starrte ihn mit großen Augen an. „Das habe ich in der Tat nicht.“

Peter grinste. „Du guckst auch nicht mal Pornos, oder?“

Stille.

„Das war ein Scherz, Just, das musst du nicht beantworten.“

Bob sah geschockt zwischen den beiden hin und her. Hatte Peter das gerade wirklich gesagt?

„Danke“, sagte Justus trocken.

Peter lachte.

„Auf jeden Fall bin ich der Ansicht, dass wir in ein paar Stunden hierher zurückkehren sollten“, ergänzte der erste Detektiv jetzt nonchalant, als hätte Peter nicht eben versucht, mit ihm über Pornos zu reden.

„Was meinst du, Erster?“, hakte Bob nach.

„Diese Hütte aus Stöckern da hinten. Ich denke, wir sollten sie uns ansehen. Vorzugsweise, wenn gerade niemand darin Sex hat.“

„Aber, Just, du hast gesagt in ein paar Stunden? In ein paar Stunden ist es Nacht“, stammelte Peter.

„Ja, und?“

„Du willst im Dunkeln in den Wald?“ Peter klang jetzt wirklich verunsichert.

Justus zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hält dir Bob ja die Hand, dann schaffst du das schon.“

Notes:

Greets:)

Chapter 23: Kapitel 23: Die Frostbeule

Summary:

Was bisher geschah: DDF waren im Wald und haben Morgan und Ginny bei einem kleinen Lager aus Stöcken beobachtet. Sie haben beschlossen, in der Nacht zurückzukommen und sich dort genauer umzusehen, wenn niemand mehr da ist.
Jetzt sind sie kurz zu Hause in der Wohnung und entspannen sich ein bisschen ;)

Notes:

Ehmmm, ja... Möglicherweise ist das hier ein bisschen überfällig... o.o Ich hoffe, ihr habt mich trotzdem noch lieb 🥺

Korrekturgelesen von Milopoli (Löwe, Bär, Held des Alltags)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Als die drei Fragezeichen zurück in ihrer Wohnung waren, konnte Justus es anscheinend nicht eilig genug haben. Gekonnt streifte er sich seine Schuhe von den Füßen und verkündete: „Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, Kollegen, aber mir würde jetzt ein Nickerchen guttun. Ich schlage vor, wir treffen uns um acht wieder hier und fahren los.“

Bob zog die Augenbrauen zusammen und fragte sich, ob es nicht ungewöhnlich war, dass Justus weder weiter über den Fall sprechen noch irgendwelche Lagebesprechungen abhalten wollte. Aber bevor er die Chance hatte, nachzufragen, war Justus schon hinter seiner Zimmertür verschwunden.

Bob sah hoch zu Peter, der auch nur mit den Schultern zuckte. „Naja, er hat morgen früh die erste Vorlesung gleich um halb acht. Ich habe ja die Vermutung, dass unser geplantes Waldabenteuer etwas länger werden könnte und er schonmal vorschlafen will.“

„So, wie ich Justus kenne, würde ich das bestätigen“, antwortete Bob und lachte.

„Oder… die Schuhe hier…“, Peter deutete auf ein Paar Stiefeletten, das neben der Garderobe stand, „…gehören Franca und sie ist mit ihrem Zweitschlüssel hier reingekommen und wartet jetzt auf Justus.“

Bob grinste Peter an. „Das klingt schlau. Man könnte fast meinen, du seist Detektiv.“

Peter lächelte verlegen und verdrehte die Augen. Es sah sehr süß aus.

„Du bist süß“, rutschte es Bob raus, bevor er es verhindern konnte.

Als Antwort machte Peter einen Schritt auf Bob zu und legte eine Hand auf seine Hüfte. Bob sah zu ihm auf und schluckte, als seine Gefühle begannen, in ihm aufzuflattern wie ein Haufen aufgeschreckter Fruchtfliegen. Peter grinste. „Was denkst du? Vielleicht sollten wir uns auch ein bisschen… ehm… hinlegen?“

Bob konnte nicht anders, als das letzte Stückchen Luft zwischen ihnen fast ein bisschen stürmisch zu überbrücken und Peter zu küssen. Peter machte einen kleinen überraschten Laut, stieg dann aber sofort darauf ein. Bob schlang seine Arme um Peters Hals und vergaß völlig, wo er sich befand und dass rein theoretisch Justus oder Franca jederzeit wieder zurück auf den Flur kommen könnten. Es war ihm alles egal. Seit Stunden hatte er sich nach nichts anderem gesehnt, als Peter wieder nah sein zu können. Er liebte es, wie Peter küsste – irgendwie so völlig offen, ohne jede Maske oder Zurückhaltung, wie ein offenes Buch. Bob fühlte sich, als hätte er freien Zugang zu Peters Innerem, so als wäre Peter völlig nackt vor ihm, obwohl er alle seine Kleidung noch anhatte. Es war ein Privileg, ihn so vor sich haben zu dürfen.

„Dein Zimmer oder meins?“, nuschelte Bob schließlich in den Kuss.

„Meins“, sagte Peter. „Deins ist zu nah an Justus‘ Zimmer. Der hört sonst jedes Wort mit, so dünn wie unsere Wände sind.“

„Hab ich schonmal gesagt, dass du sehr schlau bist?“ Bob grinste Peter breit an.

Peter grinste zurück. „Möglicherweise habe ich das heute schonmal gehört.“

 

Als Bob aus seinem Dämmerschlaf aufwachte, griff er nach seinem Handy auf dem Nachttisch. Es war kurz nach sieben Uhr abends.

„Guten Morgen, Dornröschen“, sagte Peter und lächelte von der anderen Seite des Bettes auf ihn herunter. Er saß an seinem Laptop und schien daran zu arbeiten.

„Pfff!“, machte Bob und verdrehte die Augen. Er rutschte zu Peter hoch und kuschelte sich an ihn. „Ich hab ja bestimmt locker ne Stunde geschlafen.“ Er gähnte.

„Jemand scheint dich sehr müde gemacht zu haben“, scherzte Peter.

Bob machte einen amüsierten Laut. „Ja, ich weiß auch nicht, wer das gewesen sein könnte.“

„Ich auch nicht. Keine Ahnung. Nicht die geringste.“ Peter begann jetzt, sanfte Spuren auf Bobs Rücken zu zeichnen. Bob atmete tief aus und genoss es.

„Was machst du da eigentlich?“ Bob rückte ein Stück nach oben und begann, sich die komische Exceltabelle anzuschauen, die auf Peters Laptopbildschirm zu sehen war.

„Ich erstelle eine Tabelle zu unseren Einbruchsfällen. Ich will wissen, wer für welchen der Einbrüche infrage kommt. Hier links sind die Einbruchsorte, daneben sind die verfluchten Hinterlassenschaften und rechts davon, wer zu welcher Tatzeit ein Alibi hat.“

„Voll die gute Idee“, lobte Bob.

Peter lächelte. „Ja, kam mir eben. Guck, zum Beispiel: Bei den Fishers und bei Jack und Brianne kann Buck nicht dabei gewesen sein, weil er angeblich nie sein Lacrossetraining schwänzt. Und Roxane hat uns doch einmal erzählt, dass sie über Weihnachten bis kurz vor Silvester bei ihren Eltern war, deshalb kann sie nicht in die Fame Factory eingestiegen sein. Und Morgan war beim Einbruch bei den Brooks auf Tagung.“

„Du kannst noch hinzufügen, dass ich Leo an dem Tag, als bei Lulu eingebrochen wurde, gesehen habe. Da haben wir uns auf dem Campus unterhalten. Außer die sind, nachdem sie an dem Tag am Strand waren, noch nachts dort eingestiegen. Aber das halte ich für unwahrscheinlich. Sie wussten ja nicht, wann Lulu von der Release-Party wieder zurückkommt.“

Peter nickte und fügte die Information hinzu. Dann zeigte er auf die Spalte mit der Fame Factory. „Wenn unsere Rumtreiber-Theorie stimmt, könnte man ja vielleicht vermuten, dass die Sachen, die hinterlassen werden, mit den Tieren der Leute zu tun haben. In der Fame Factory wurde der Sticker mit dem Geweih hinterlassen. Das könnte also Buck gewesen sein.“

„Und die Hexenleiter bei Karissa Fisher könnte Roxane gewesen sein. Schließlich hat sie mit ihr ja eine gemeinsame Vergangenheit und wusste deshalb, wie schlimm das für Karissa sein würde“, schloss Bob.

„Zumal in der Hexenleiter Habichtfedern waren. Das könnte ihr Markenzeichen sein, da sie ja Hawk heißt“, ergänzte Peter.

„Ja, aber Hirschhorn war da auch eingeflochten.“

„Stimmt“, antwortete Peter. „Vielleicht waren sie es zu zweit?“

Bob schwieg ein paar Sekunden lang und überlegte. Das war eine gute Idee. „Es könnte doch generell sein, dass sie Zweierteams machen, oder?“

„Vielleicht.“

Peter drehte seinen Kopf zur Seite und betrachtete Bob. Bob musste schmunzeln.

„Naja, wir können ja gleich nochmal mit Justus darüber reden“, sagte Peter nach ein paar Sekunden und stellte den Laptop auf den Nachttisch. Dann drehte er sich wieder zu Bob und rutschte etwas weiter herunter, sodass er eine liegende Position einnahm.

„Was hast du vor?“

„Kuscheln“, antwortete Peter und lag auch schon sogleich mit dem Kopf auf Bobs nacktem Oberkörper. Durch Peters dünnes Shirt konnte Bob dessen Körperwärme sofort überall spüren.

„Wie bist du bitte immer so warm?“, fragte Bob leise und lachte. „Das ist, als würde ich einen Ofen im Arm haben.“ Nicht dass er sich darüber beschweren wollte. Er fand diese Eigenschaft an Peter wirklich fantastisch.

„Ich bin normal warm“, murmelte Peter zurück. „Du bist nur ne Frostbeule.“

„Bin ich gar nicht“, protestierte Bob.

„Bist du wohl.“ Peter löste sich ein kleines bisschen und rutschte mit Bob auf Augenhöhe. „Gib mir mal deine Hand.“

Bob zog verwundert seine Augenbrauen zusammen, gehorchte aber, indem er seinen Arm aus der Bettdecke wurschtelte und die Hand zwischen sie beide hielt. Peter griff nach ihr und verschränkte ihre Finger. Peters Hand war so viel wärmer als seine und Bob bekam sofort Gänsehaut. Vermutlich nicht nur wegen des Wärmeunterschieds. Obwohl Peters Hand ein Stück größer war als Bobs, hatte Bob das Gefühl, dass sie perfekt ineinander passten. Als wären sie als zueinandergehörige Puzzleteile gemacht worden. 

Peter grinste. „Schau, du hast gerade unter dieser fetten Bettdecke geschlafen, aber deine Finger sind trotzdem kälter als meine.“

„Du hast ein T-Shirt an“, kommentierte Bob.

„Ja, weil ich im Bett gesessen habe und mich da nicht richtig zudecken konnte. Meine Beine sind genauso nackt wie deine. Und eine Bettdecke ist ja wohl immer noch dicker als dieses T-Shirt.“

Bob verdrehte die Augen. „Ja, okay, meinetwegen.“

Peter lächelte verschmitzt. „Aber dann hab ich immer ne Ausrede, dich zu kuscheln. Du musst ja schließlich gewärmt werden.“

Bob lachte. „Ja, siehst du, vielleicht ist das alles einfach Taktik, um mir Streicheleinheiten zu erschnorren.“

„Wenn du das mit Absicht machst, bin ich auf jeden Fall sehr beeindruckt. Ich glaube, es gibt nicht viele Säugetiere, die mit ihrer eigenen Willenskraft ihre Körpertemperatur beeinflussen können. Beziehungsweise denke ich, du wärst das einzige Säugetier, das das kann.“

Bob lächelte. „Ich bin halt was Besonderes.“

„Da kann ich auf jeden Fall nicht widersprechen.“

Und so schön die Gefühle auch waren, die Peter dadurch in ihm auslöste, fragte Bob sich langsam, warum – wenn Peter doch schon mehrmals darauf bestanden hatte, dass er nicht auf ihn stand – er ihm dann immer wieder solche Dinge sagte.

Und plötzlich spürte Bob, wie sich etwas Schweres in seinem Bauch festsetzte. Er konnte es gar nicht so recht beschreiben. Vielleicht eine Mischung aus Unsicherheit, Eventualitäten und der Vermutung, dass all das ihm sehr bald ins Gesicht explodieren könnte. Das Ganze fühlte sich fragil an, wie eine tickende Zeitbombe. Und wenn die Uhr abgelaufen war, würde es schweineweh tun, soviel war klar – auf welche Weise auch immer.

Notes:

Talk to me in the comments if you like :)

Chapter 24: Kapitel 24: Die Kiste

Summary:

Die drei fahren nachts in den Wald, um sich das Lager anzugucken, das sie am Nachmittag dort gesehen hatten.

Notes:

Hello ihr Cuties, wooow guckt mal, wie schnell ich dieses Kapitel hochlade. Unfassbar oder? Ich glaube, ich komme so langsam wieder in einen Schreibflow :) Aber versprechen tu ich natürlich nichts :D Aber momentan habe ich auf der Arbeit etwas weniger Stress, das ist schonmal sehr förderlich.
So und jetzt erstmal viel Spaß!
Chris

 

Korrekturgelesen von Milopoli <3

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

„Ich halte das mit den Zweierteams für keine schlechte Idee“, sagte Justus, nachdem Peter von seiner Exceltabelle berichtet hatte. Dass er bei der Erstellung halb nackt mit Bob im Bett gelegen hatte, hatte er gekonnt ausgelassen. Aber das war Bob nur recht. Da das Ganze zwischen ihnen wahrscheinlich eh bald zu Ende sein würde, war es wirklich nicht mehr notwendig, Justus einzuweihen.

Sie waren mittlerweile wieder im Valley angekommen und verließen gerade Bobs Käfer.

„Zu zweit besteht die Möglichkeit sich gegenseitig zu warnen, sollten die Parteien, die das Haus bewohnen, nach Hause zurückkehren“, fuhr Justus fort. „Eine Person bezieht einen Wachposten, während die andere sich der Wertgegenstände bemächtigt.“

„Zumal sie ja auch eine Gruppe sind. Ich fände es komisch, wenn immer nur eine einzelne Person diese Einbrüche begeht und dann ganz auf sich allein gestellt ist“, ergänzte Bob. „Das passt für mich nicht in die Gruppendynamik. Die vier scheinen ja sehr aneinander zu hängen.“ Er schloss das Auto ab und schulterte seinen kleinen Rucksack. 

Es ging ihm nicht gut. Seit er eben mit Peter im Bett gelegen hatte, konnte er nicht aufhören zu grübeln und so richtig auf den Fall konzentrieren konnte er sich auch nicht. Wilde Gedanken rasten unermüdlich durch seinen Kopf. Würde Peter noch mit ihm befreundet sein wollen, wenn er herausfand, wie sehr Bob ihn mochte? Oder würde er plötzlich anfangen, ihn komisch zu behandeln? Wieso um alles in der Welt hatte er gedacht, dass es eine schlaue Idee wäre, mit seinem besten Freund eine wie auch immer geartete Affäre zu starten? Das war doch einfach nur unüberlegt und dumm gewesen. Wie sollte er da jemals wieder rauskommen? Aber die Fragen fanden eh keine Antwort. Und es waren immer dieselben. Vielleicht musste er einfach einen Weg finden, sie zu ignorieren. Denn weiter brachten sie ihn eh nicht. Es war ein nicht enden wollendes Chaoskarussell.

Auf dem Weg in den Wald wurde es gleich ein ganzes Stück dunkler. Es passte zu Bobs Stimmung. Es gab nur wenige Straßenlaternen an den Wegen und die sonst übliche Lichtverschmutzung von Los Angeles wurde zu großen Teilen von den Baumkronen geschluckt. Es war auch nicht besonders warm. Sie waren zwar in LA, aber es war immer noch Januar. Bob trug sogar eine Mütze.

Als sie von einem der Hauptwege schließlich auf einen der Trampelpfade einbogen, schaltete Bob seine Taschenlampe ein. Das teilweise dornige Gestrüpp verfing sich immer wieder in seiner Jeans und ohne Licht würde am Ende dieser Nacht wohl sonst nicht viel von seinem Hosenbein übrigbleiben. Die anderen beiden kramten ebenfalls nach wenigen Metern ihre Taschenlampen hervor. Vielleicht war es nicht so schlau gewesen, nachts in den Wald zu fahren. Aber jetzt waren sie wohl hier. Und sie waren auf jeden Fall ungestört.

Es war still, fast friedlich. Hier und da hörte man ein leises Rascheln, aber es war tatsächlich mittlerweile so gut wie menschenleer. Auf den großen Wegen war ihnen ganz zu Beginn noch ein Mensch mit einem Hund begegnet, aber hier auf den Trampelpfaden wollte bei der Dunkelheit wohl niemand mehr sein. Kein Wunder – hier gab es ja nicht mal Straßenlaternen.

„Was erhoffen wir uns eigentlich von dieser Aktion hier?“, sagte Peter nach einer Weile leise.

„Als Erstes möchte ich herausfinden, was in diesem kleinen Lager da hinten ist. Vielleicht hat unser Räuberquartett dort Spuren hinterlassen“, erklärte Justus. „Möglicherweise haben wir auch Glück, dass etwas Ungewöhnliches geschieht, obgleich ich dies für unwahrscheinlich halte.“

„Das heißt, wenn nichts Ungewöhnliches passiert, kann ich vielleicht vor Mitternacht im Bett sein? Das wäre doch wirklich wünschenswert!“ Die Freude in Peters Stimme war nicht zu überhören. Er sah herüber zu Bob und ihre Blicke trafen sich. Bob lächelte gepresst. Das hieß wohl, Peter wollte mit ihm gemeinsam im Bett schlafen. Vor wenigen Stunden hätte Bob das noch fantastisch gefunden. Aber jetzt? Jetzt hatte er nur noch ein flaues Gefühl im Magen.

Es dauerte nicht lang, bis irgendwann das Lager im Kegel ihrer Taschenlampen auftauchte. Es schien noch genauso auszusehen wie vorhin, aber je näher sie kamen, desto mehr merkte Bob, dass es ein ganzes Stückchen größer war, als er erwartet hatte. Die langen Stöcker, die wie ein Tipi um einen Baumstamm gestellt waren, waren so lang, dass sie alle aufrecht darunter stehen konnten, wenn sie in der Nähe des Baumstamms blieben. In der hinteren Ecke waren vier Baumstümpfe zusammengestellt, die vermutlich als Sitzgelegenheiten dienten. Von außen waren dicke Tannenzweige mit braunem Band an die Äste gebunden worden, sodass das Lager mit Sicherheit fast regendicht sein musste. Auf dem Boden lag festgetretenes Laub – wie eine Art Teppich.

„Okay, und was finden wir hier jetzt?“, fragte Peter, nachdem sie sich das Lager angesehen hatten.

Justus zuckte mit den Schultern. „Weiß ich noch nicht. Ich schlage vor, wir suchen alles gründlich ab.“ Er riss an einem Baum neben sich ein paar Tannenzweige ab und drückte jedem einen in die Hand. Dann begann er, mit seinem eigenen Zweig das Laub hin und her zu fegen.

„Just, das ist doch viel zu auffällig. Nachher sehen die noch, dass wir hier waren!“, beschwerte sich Peter.

Bob stand nur stumm dabei. Er wusste nicht so recht etwas mit dieser Situation anzufangen.

„Ich will wissen, ob sie etwas vergraben haben. Na los, Kollegen, macht euch an die Arbeit.“

Bob wich Peters fragendem Blick aus und gehorchte einfach den Worten des ersten Detektivs. Manchmal war es sinnvoll, Justus nicht infrage zu stellen. Er hockte sich in eine Ecke des Lagers und schob mit seinem Tannenzweig etwas Laub zur Seite. Darunter war nur unberührter Boden. Er schob das Laub wieder zurück und machte weiter.

Er fragte sich, was andere Leute wohl denken würden, wenn sie sie hier so sähen. Drei junge Männer, die mit Tannenzweigen den Wald fegten. Bob lachte. „Wisst ihr noch, als Trump gesagt hat, die Österreicher haben keine Waldbrände, weil sie immer ihre Wälder harken? Denkt ihr, er hat sich das so vorgestellt?“

Peter lachte. „Wir können ihn ja mal anrufen und fragen, ob er uns für unsere Arbeit einen Verdienstorden anstecken möchte.“

„Ich kann auf einen Verdienstorden von der sprechenden Orange mit Verlaub verzichten“, entgegnete Justus.

„Ich auch“, sagte Bob. „Aber falls jemand vorbeikommen sollte und uns fragt, was wir hier machen, können wir ja sagen, die sprechende Orange hat uns beauftragt, im Namen der Feuerwehr den Wald zu fegen.“

„Gute Idee“, lobte Peter scherzhaft. „Total glaubhaft, da würde ich auch drauf reinfallen. Vor allem sehen wir richtig professionell aus mit unseren Tannenzweigen.“

„Wir hätten uns Warnwesten anziehen sollen, dann würden wir seriöser wirken. Damit kann man im öffentlichen Raum viel verrichten, ohne dass jemand Notiz davon nimmt. Ich habe dazu schon einige Videos gesehen“, kommentierte Justus.

Bob lachte. „Wenn wir das nächste Mal einen Wald fegen, können wir ja daran denken und uns vorher welche mitnehmen.“

„Kollegen, ich habe etwas.“ Justus klang erstaunt. Vermutlich hatte er selbst damit gerechnet, dass sie ergebnislos aus diesem Abend nach Hause fahren würden.

Bob drehte sich um. „Was denn, Erster?“

Justus hockte in einer Nische des Lagers und schien jetzt seine Hände zur Hilfe zu nehmen, um an etwas unterirdischem zu ziehen. „Helft mir mal.“

Bob und Peter hockten sich rechts und links von ihm dazu. Da war ein kleines Loch, in dem etwas Metallenes schimmerte.

„Ich denke, es ist eine Blechdose, aber sie scheint zu sehr verkeilt zu sein.“

„Lass mich mal, Erster!“

Justus rückte zur Seite und ließ Peter vor das Loch im Boden. Peter ruckelte ein paar Mal daran. „Meine Güte, das sitzt ja wirklich fest.“ Bob konnte sehen, wie sich die Muskeln auf Peters Unterarmen anspannten. Er musste schlucken. Seit wann fand er Unterarme heiß? Er sah woanders hin. Das war jetzt wirklich nicht hilfreich.

Nach ein paar weiteren Rucken löste sich die Box schließlich. Sie setzten sich auf die Baumstümpfe, stellten die Box in die Mitte und öffneten sie. In ihr war ein kleines Sammelsurium an Gegenständen.

„Oh wow“, sagte Peter.

Bob nahm die Feder heraus, die darin lag. „Wenn das mal keine Habichtfeder ist.“

„Und das hier ist sicherlich Hirschhorn, so wie es in der Hexenleiter war.“ Justus nahm ein kleines Stück Etwas in die Hand und leuchtete mit der Taschenlampe darauf.

„Und die Münze hier hat einen Wolfskopf darauf“, sagte Peter und zeigte in die Ecke der Box. „Und was ist das da?“

Justus verzog das Gesicht. „Eine Kralle vielleicht? Leo ist sonst die einzige Person der Gruppe, von der hier kein Artefakt liegt. Deshalb würde ich vermuten, dass das hier von einem Löwen stammen könnte.“

„Hm“, machte Bob und griff geistesabwesend nach einem kleinen Büchlein, das unter der Feder lag. Es waren ein paar Sternenbilder darauf. „Ich glaube, das hier ist ein Horoskop oder so.“

„Ein Horoskop?“, fragte Justus zurück.

„Ja, schau doch.“ Bob drehte es in seinen Händen. „Oder zumindest sind hier Sternbilder drin.“

Justus blickte ihn mit offenem Mund an. In seinem Kopf schienen sich die Zahnräder zu bewegen. „Bob, ich glaube ich habe da eine Idee.“

„Und zwar?“

„Schlag mal das Sternbild Löwe nach.“

Bob gehorchte. Im Inhaltsverzeichnis fand er es sofort. Er blätterte auf die richtige Seite und hielt das geöffnete Büchlein in die Mitte.

„Da!“, sagte Justus aufgeregt. „Erkennt ihr diese Sternenkonstellation wieder?“ Er zeigte auf die Ecke, in der die Sterne des Löwenbilds skizziert und miteinander verbunden aufgemalt waren.

„Das sieht ein bisschen so aus, wie das, was bei Jack und Brianne in das Holz geritzt war, mit dem das Geweih an die Wohnzimmerwand gehängt war“, sagte Peter leise.

„Exakt“, lobte Justus. „Sehr gut erkannt, Zweiter.“

„Das heißt, ihr denkt, Leo hat sich dort mit dem Löwensternbild verewigt?“, hakte Bob nach.

„Das ist in jedem Fall wahrscheinlicher, als dass jemand unbedingt einen Kleiderhaken dort in das Haus malen wollte, denkst du nicht?“, fragte Justus zurück.

„Ja, okay, wenn du es so sagst.“

„Blöd nur, dass das noch immer so vage ist, dass man damit unmöglich etwas beweisen kann“, murmelte Peter.

Justus grummelte unzufrieden in sich hinein. „Ja, das ist in der Tat sehr ungünstig.“

„Was ist denn hier noch?“ Peter griff nach dem Kartendeck, das in der Ecke der Box lag. Er löste den Papierstreifen, mit dem die Karten zusammengehalten wurden. „Sieht aus wie Tarotkarten.“

„Ganz obendrauf steht ‚Der Einsiedler‘. Wenn ich mich nicht irre, ist das eine Karte aus dem klassischen Tarotkartendeck“, erklärte Justus.

„Hm“, machte Peter und nahm die Karte vom Stapel und musterte sie genauer. „Ist ja nicht sonderlich spannend. Vielleicht spielen sie damit einfach.“ Er legte die Karte zurück und nahm den Stapel in der Mitte auseinander.

Und da passierte es. Irgendwas explodierte – ein leiser Knall. Es war rot und staubte im Taschenlampenlicht. Peter schreckte zurück, ließ die Karten auf den Boden fallen und stand ruckartig auf. Justus und Bob waren ebenfalls sofort auf ihren Füßen.

„Scheiße, das ist ja heiß!“, Peter schüttelte seine Hände. „Was zur Hölle ist das?“ Entsetzt betrachtete er seine Handflächen. Seine kompletten Hände waren knallrot eingefärbt. Auch auf Peters Jeans waren ein paar Flecken.

Bob ging auf ihn zu und griff nach Peters Händen.

„BOB, NICHT ANFASSEN!“, schrie Justus, aber es war zu spät. Bob hatte bereits Peters Finger in der Hand. „Ach, Bob, du Trottel.“

Bob verstand gar nicht, was los war. Jetzt lief auch Justus auf sie beide zu. „Schau, jetzt hast du die Farbe auch an deinen Fingern.“

Bob ließ Peters Finger wieder los und betrachtete seine eigenen Fingerspitzen, die nun auch einen leichten Rotstich hatten.

„Was ist das?“ Peter sah mit offenem Mund auf seine Hände.

Bob betrachtete das Chaos, das zwischen den Baumstümpfen auf dem Boden herrschte. Der Inhalt der Kiste lag verteilt zwischen dem Laub – alles mit roten Flecken bedeckt – und die Tarotkarten waren großflächig um den kleinen Kreis herum verteilt. Bob bückte sich und begann, mit einem Stock alles zusammenzuschieben. Es war wohl besser, nichts weiteres mit seinen Händen anzufassen. Dann fiel sein Blick auf eine bestimmte Karte.

„Hey, Leute, guckt mal.“ Jetzt griff er doch nach der Karte, nahm sie aber so vorsichtig wie möglich an zwei ungefärbten Stellen an den Kanten zwischen die Finger. „Hier steht: Der rote Fluch.“ Er richtete sich auf und hielt die Karte so, dass die anderen beiden sie auch sehen konnten.

„Der rote Fluch“, begann Justus vorzulesen. „Du hast deine Augen auf das Allerheiligste gelegt. Das darf nicht ungestraft bleiben. Der rote Fluch liegt auf dir und wird dich holen in der Nacht. Nur die Knoten der Hexenleiter können dich retten.“

„Bin – bin ich jetzt verflucht?“ Peter starrte entsetzt zwischen seinen Händen und der Karte hin und her.

„Nein, Zweiter, das ist nur ein Farbpäckchen“, erklärte Justus zerknirscht und verdrehte die Augen. „Es explodiert durch einen mechanischen Trigger. So etwas verwenden Banken oder auch die Polizei, um Geldscheine, die geraubt werden, aufspüren zu können und Täter:innen dingfest zu machen. Das Päckchen wird zwischen Geldbündeln deponiert und es explodiert, wenn man diese auseinandernimmt. Die stehlende Person wird permanent mit der roten Farbe markiert, sodass eindeutig sichtbar wird, wer für die Tat verantwortlich ist. Manche dieser Päckchen können so starke Hitze entwickeln, dass man gegebenenfalls Verbrennungen dritten Grades davonträgt.“

„Ach du scheiße“, sagte Bob und machte große Augen. „Peter, hast du dich verbrannt?“

Peter musterte seine Finger. „Nein, ich glaube nicht.“

„Dann wäre die Explosion auch größer gewesen“, sagte Justus gelassen. „Wir scheinen es hier mit einer harmloseren Variante zu tun zu haben. Dennoch kann ich dir nicht garantieren, dass du die Farbe heute noch von deinen Fingern kriegst, Zweiter. Die Farbe ist für gewöhnlich recht stark.“

„Na toll“, jammerte Peter. „Jetzt denken sicher alle, ich hab ne Bank ausgeraubt.“

„Du könntest Leuten ja sagen, deine Haare seien gefärbt und du hast beim Nachfärben vergessen, Handschuhe anzuziehen.“ Bob versuchte, ihm aufmunternd zuzulächeln.

„Und was ist, wenn ich doch verflucht bin?“

Justus zuckte mit den Schultern. „Die Hexenleiter, die wir heute im Wald gefunden haben, haben wir ja zu Hause“, sagte er mit einem ironischen Unterton. „Wenn du sie aufknotest, kannst du schlafen wie ein Baby.“

Bob wusste, dass Justus scherzte, aber irgendwie beschlich ihn das Gefühl, dass Peter vermutlich tatsächlich besser schlief, wenn sie das dumme Ding später noch aufknoteten.

„Wie dem auch sei“, fuhr Justus fort. „Ich denke, wir haben für heute genug gesehen. Lasst uns den ganzen Krempel einpacken und mitnehmen. Dann können wir den Rückzug antreten.“

Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Du willst die ganze Kiste mitnehmen?“

Justus zog die Mundwinkel nach unten. „Die Farbe ist ohnehin explodiert. Ob sie herausfinden, dass wir ihr Lager gefunden haben, indem sie die rote Farbe sehen, oder indem sie bemerken, dass die Kiste fehlt, tut nichts Nennenswertes zur Sache. Und möglicherweise hilft uns ja noch irgendetwas, was darin ist.“

Da hatte Justus definitiv recht. Aufgeflogen war ihre nächtliche Aktion so oder so.

 

 

Die Farbe war die Hölle. Bob hatte sowohl Löse- als auch Bleichmittel ausprobiert und mit einer Nagelbürste seine Haut abgerieben, bis es weh tat. Es war hoffnungslos. Seine Finger blieben fleckig. Ein bisschen blasser waren sie zwar geworden, bildete er sich ein, aber viel hatte das Ganze nicht gebracht.

Peter erging es noch schlimmer. Seine Hände und Unterarme waren komplett eingefärbt und seine Jeanshose konnte er in den Müll schmeißen. Er hatte gleich beim Ankommen einen Putzeimer mit Seifenwasser und einem Schuss Bleichmittel gefüllt und seine Arme und Hände eine Viertelstunde darin eingeweicht. Dann hatte er auch mit dem Schrubben angefangen. Es brachte nur wenig. Er würde morgen mit roten Händen zur Uni gehen müssen.

„Kannst du mal googeln, was man noch machen kann?“, fragte Peter.

Bob zuckte mit den Schultern. „Hab ich schon. Wir müssen warten, bis sich die Hautzellen von allein regenerieren. Das kann ein paar Tage dauern.“

„So ein Mist“, murmelte Peter.

Bob lächelte gepresst.

„Ich öffne nie wieder irgendeine Kiste.“

Bob lachte. „Oder wir nehmen für solche Aktionen in Zukunft Gummihandschuhe mit.“

„Meinst du, Gummihandschuhe können Flüche abwehren?“

„Pete, du bist nicht verflucht.“

„Ich weiß ja nicht“, jammerte Peter.

Bob schwieg für ein paar Sekunden und überlegte. „Sollen wir die Hexenleiter einfach aufknoten?“

Peter betrachtete ihn für ein paar Sekunden. „Ist Just schon im Bett?“

Bob nickte.

„Na gut, dann machen wir das.“

Bob ging voraus und machte das Licht in der Küche an. Die Hexenleiter lag noch auf dem Esstisch, wo Justus sie gestern abgelegt hatte. Sie setzten sich hin und begannen schweigend, an unterschiedlichen Enden die Knoten aufzufriemeln.

„Danke, dass du mich nicht auslachst“, sagte Peter leise.

„Mir ist wichtig, dass es dir gut geht“, antwortete Bob. „Und dass du keine Angst hast. Der Rest ist egal.“ Er spürte, wie er einen Kloß im Hals bekam. Knoten für Knoten kam er Peters Händen immer näher und es machte ihn nervös. Es war fast schwindelerregend, wie verliebt er in ihn war. Das konnte doch nicht normal sein.

Peter war jetzt beim letzten Knoten angekommen und Bob löste seine Hände vom Faden. Peter griff nach ihnen. Bob bekam sofort Gänsehaut.

„Bob, schläfst du heute Nacht bei mir?“ Peter sah ihn mit großen Augen an. „Bitte?“

Und Bob wusste, dass es dumm war. Er musste dringend mal ein bisschen Abstand von Peter bekommen. Aber so, wie Peter ihn ansah, mit diesem offenen, verunsicherten Wunsch in seinen Augen, konnte Bob einfach nicht anders. Er konnte ihm keinen Wunsch abschlagen – es war erbärmlich. „Na klar“, antwortete er deshalb und ignorierte den Stein in seinem Magen, als Peter ihm sein strahlendstes Lächeln schenkte.

Notes:

Frage mich ja, ob mir das irgendwann zum Verhängnis wird, dass ich in meiner Freizeit herumgoogle, wie man die Farbe von Dye Packs wieder von der Haut abkriegt. Mein CIA-Agent denkt sich, ich hätte ne Bank ausgeraubt :D

Chapter 25: Kapitel 25: Die Rächer der Enterbten

Summary:

Die drei Fragezeichen ermitteln ein bisschen:)

Notes:

Hellou, da bin ich wieder. Bin viel zu müde, um mir noch coole Notes auszudenken, ich hoffe, ihr verzeiht es mir. :)

Diesmal korrekturgelesen von Leenela :)

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Chapter Text

„Ach du meine Güte, deine Hände sind ja noch schlimmer, als Justus angekündigt hatte“, sagte Franca, als Bob und Peter sich an den Frühstückstisch setzten.

Peter zog eine Grimasse und drehte seine Hände ein paar Mal hin und her. „Ja, sowas ähnliches hat Bob heute Morgen auch schon gesagt.“

„Im Tageslicht sieht man halt nochmal mehr, wie stark diese rote Farbe ist“, sagte Bob. „Gestern war das Rot zwar schon noch ein Stück dunkler, aber dafür, wie viel wir geschrubbt haben… Naja, Peter sieht ein bisschen aus, als hätte er jemanden ermordet, finde ich.“

Sie hatten sich heute Morgen schonmal darüber unterhalten. Er und Peter. Was ja logisch war. Schließlich waren sie im gleichen Bett aufgewacht.

Und natürlich hatten sie gestern Abend schon wieder miteinander geschlafen. Es war einfach unmöglich, neben Peter im Bett zu sein, ohne dass eins zum anderen führte. Es fühlte sich natürlich an, so als wäre das schon immer normal gewesen, selbst wenn es effektiv erst seit ein paar Tagen so lief. Es war wirklich verrückt. Irgendwie hasste sich Bob auch ein bisschen dafür. Es war fast, als könnte er es gar nicht steuern. Er war Wachs in Peters Händen. Und der Stein in Bobs Bauch wurde immer schwerer und unerträglicher. Er hatte einfach ein schrecklich schlechtes Gewissen.

„Ich frage mich ja, ob ich wirklich so zur Uni gehen sollte“, riss Peter ihn aus seinen Gedanken. „Aber für so einen Quatsch Fehltage zu sammeln, die man vielleicht bei der nächsten Erkältung braucht, ist auch nicht die beste Idee.“

„Du könntest Handschuhe tragen“, schlug Franca vor.

„Das fände ich fast noch komischer“, entgegnete Peter und lachte.

„Was hältst du von Make-Up?“

„Dann kann ich ja nichts mehr anfassen.“

Sie schwiegen kurz. Es war wirklich eine dumme Situation. Hände waren halt einfach generell sehr sichtbar. Man konnte sie quasi nicht verstecken.

„Ich denke, du wirst dich vorerst mit deiner misslichen Lage arrangieren müssen“, schaltete sich Justus ein. „Du kannst ja sagen, dass du einer befreundeten Person die Haare gefärbt hast und die Gummihandschuhe anscheinend nicht dick genug oder veraltet waren.“

„Die Idee finde ich gar nicht so schlecht“, sagte Bob. „Wir dürfen nur nicht zu zweit sein. Dass wir zu zweit jemandem die Haare gefärbt haben, ist sicherlich etwas unglaubwürdiger.“

Bobs Hände sahen zwar weitaus weniger schlimm aus als Peters, aber auffallen würde es definitiv trotzdem. Er hatte schon einigermaßen deutliche Flecken an seinen Fingern. Wenn er seine Hände zu einer lockeren Faust formte, bemerkte man allerdings fast nichts. Von außen sahen sie ganz normal aus.

„Hm“, machte Peter.

„Auf jeden Fall – da ihr ja jetzt auch aufgestanden seid – würde ich gern noch einmal die Kiste in Augenschein nehmen. Wir hatten ja gestern gar nicht mehr die Chance, alles genaustens zu untersuchen.“ Justus griff nach der Blechdose, die in eine Plastiktüte eingepackt war. Dann schnappte er das Päckchen mit Latexhandschuhen, die hinter ihm auf der Arbeitsplatte stand, und stellte es auf den Tisch. „Ein weiteres Farbpäckchen haben wir hoffentlich nicht zu befürchten, aber ich werde mir dennoch Handschuhe anziehen, um nicht von mit Farbe kontaminierten Gegenständen eingefärbt zu werden.“ Etwas umständlich zog er sich ein paar Handschuhe an, zog die Kiste heraus, stellte sie auf die Tüte und hob dann den Deckel.

„Das sieht aus, als wäre darin jemand abgeschlachtet worden“, kommentierte Franca.

„Dafür ist die Farbe zu gleichmäßig“, antwortete Justus, während er konzentriert die Kiste untersuchte.

„Stimmt“, gab Franca zurück. „Die Pigmentierung hat eine zu ebenmäßige Verteilung.“

„Ihr habt beide nen Schaden“, kommentierte Peter.

Franca zuckte mit den Schultern und grinste. „Je größer der Dachschaden, desto besser der Blick auf die Sterne.“

Bob hob die Augenbrauen.

„Wie dem auch sei, Kollegen“, sagte Justus. „Hier gibt es noch einige Gegenstände, mit denen wir uns gestern noch nicht befasst haben. Zum einen möchte ich eure Aufmerksamkeit gern auf den Deckel der Kiste lenken.“ Er drehte den Blechdeckel so, dass Bob und Peter auch auf die Innenseite sehen konnten. Dort klebte ein Sticker von Disneys Robin Hood.

Bob wusste sofort, woher er ihn kannte. Der gleiche hing auch am Spiegel im Moonbeans.

„Unsere kleine Räuberbande scheint eine Affinität für Sticker zu haben.“ Justus hatte recht. Und das verschärfte den Eindruck noch einmal. Die vier sahen immer verdächtiger aus. Mittlerweile konnte man es wirklich nicht mehr bezweifeln.

„Denkt ihr, sie sehen sich so? Als die Rächer der Enterbten? – Oder Rächer:innen, in diesem Fall?“

Bob sah Peter an. „Vielleicht. Sie berauben schließlich nur Menschen, die wirklich zu echt Geld haben. Aber gleichzeitig geben sie soweit ich weiß nichts von ihrem Raubgut an Arme weiter.“

Justus zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise nehmen sie sich selbst als die Armen wahr.“

„Dann hat das Ganze aber nicht mehr viel mit Robin Hood zu tun“, kommentierte Bob.

„Wenn sie tatsächlich etwas an Arme weitergeben, würden sie es uns andererseits aber auch nicht unbedingt mitteilen. Vielleicht wissen wir es also auch einfach nur nicht“, murmelte Justus. „Möglicherweise spenden sie Geld an etwaige Hilfsorganisationen oder an ein Heim für Obdachlose.“

„Hm“, machte Bob.

„Mich stört vor allem, dass es in den Häusern von allen aus der Gruppe Spuren gab - außer von Morgan“, sagte Peter.

„Hä?“, antwortete Bob.

„Naja, wie haben einmal eine Hexenleiter, in der Hirsch und Habicht auftauchen. Also Buck und Roxane. Dann gab es einmal ein Löwe-Sternzeichen, das auf Leo hindeutet, und einen Hirschgeweihsticker, der wieder auf Buck hindeutet. Bei den Brooks wurde, soweit wir wissen, nichts hinterlassen und bei Lulu Sparkle eine glitzernde Voodoo-Puppe, die auf niemanden hindeutet. Wo bleibt Morgan in dem Ganzen?“

„Stimmt.“ Justus begann mit den Fingern mit seiner Unterlippe zu spielen.

„Ich frage mich eh, was die vier für eine Dynamik miteinander haben. Ich habe das Gefühl, Morgan hat da meistens die Strippen in der Hand“, sagte Peter.

„Sie haben sich auf jeden Fall vor allem deswegen angefreundet, weil Morgan irgendwann vorgeschlagen hat, dass sie zu viert etwas unternehmen. Leo meinte, ohne Morgan hätten sie sich nicht so schnell angefreundet“, erklärte Bob. 

„Und sie ist auch diejenige, die am meisten auf sozialen Medien über die Freundschaft mit den dreien postet“, warf Peter ein.

Justus kratzte sich am Kopf. „Also zum einen scheint ihr die Gruppe am meisten zu bedeuten und zum anderen könnte sie möglicherweise eine Art Anführerin sein.“

Peter lachte. „Passt ja zum Wolf. Alphatier und so.“

„Umso rätselhafter mutet es an, dass dann von ihr keine Spuren in den Einbruchshäusern zu finden sind,“ murmelte Justus. „Als Anführerin müsste sie sich doch am ehesten verewigen, oder?“

„Vielleicht wurde bei den Brooks etwas hinterlassen, das mit einem Wolf zu tun hat, aber es wurde nicht gefunden“, schlug Bob vor.

„Möglich“, entgegnete Justus. „Allerdings unterscheidet sich der Brooks-Einbruch auch noch in einem weiteren Punkt von den anderen.“

„Aha? Und zwar?“, fragte Peter.

„Dort wurde, laut Ginny und Maddy, eine große Unordnung hinterlassen. Alle weiteren Beteiligten haben nichts dergleichen berichtet.“

„Ja, das ist wirklich komisch“, sagte Bob.

Sie schwiegen einen Moment. Dann sagte Peter: „Zeig mal, Erster, was ist denn noch in der Kiste?“

Justus zog unbeeindruckt die Mundwinkel nach unten. „Nicht viel. Lediglich noch eine Karte vom San Fernando Valley. Aber auf ihr scheint nichts markiert zu sein.“ Er wendete das rechteckige Stück Karton ein paar Mal zwischen seinen Fingern.

„Und was ist das Buch da?“ Peter zeigte auf die Ecke eines Büchleins, das zwischen den rot gefärbten Tarotkarten hervorschaute.

„Das ist das Buch über die Sternbilder.“

Peter schüttelte den Kopf. „Nein, das liegt dort.“

Justus machte große Augen. „Du hast recht! Gut beobachtet, Zweiter!“ Er zog es heraus und blätterte sogleich die Seiten durch. „Er scheint eine Art Zaubersprüchebuch zu sein. Es ist sogar noch einigermaßen unversehrt. Es hat nur ganz wenige Farbsprenkel“

„Darf ich mal?“, fragte Bob.

Justus hielt es ihm hin. Er griff danach und schlug das Inhaltsverzeichnis auf. Sprüche, Affirmationen, Astrologie… Flüche. Da wollte er hin. Er blätterte und fand die richtige Seite sofort. „Tadaa!“ Er drehte seinen Kollegen das geöffnete Buch zu.

„Was ist das?“, wollte Peter wissen.

„Knüpfen einer Hexenleiter“, las Justus vor. „Bingo.“

 

 

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Bob hatte gerade angefangen, seine Sachen im Vorlesungssaal aus seiner Tasche zu kramen und auf den Tisch zu legen, als sich Lexi neben ihm in den Stuhl plumpsen ließ.

„Na? Wie geht es meinem Lieblings-Baby-Gay?“

Bob verdrehte die Augen. „Ist das jetzt mein neuer Spitzname?“

Lexi grinste. „Gefällt er dir nicht? Ich kann auch was anderes nehmen. Zum Beispiel Fruit Loop. Oder Detective Twinky…?“

„Hilfe, das wird ja immer schlimmer“, murmelte Bob und machte große Augen.

„Na gut, ich hör ja schon auf.“ Sie lachte. „Wie läuft’s denn? Habt ihr euch endlich eure Liebe gestanden?“

„Ha, ha“, sagte Bob tonlos.

„Ach komm schon, auch ein supercooler Jock namens Peter Shaw muss doch irgendwann mal schwach werden und seine Gefühle loswerden.“

„Wenn er keine hat, dann muss er sie vielleicht nicht loswerden.“

Sie seufzte. „Und du? Musst du deine Gefühle nicht irgendwann loswerden?“

„Vermutlich“, sagte Bob und sah geradeaus. Irgendwie wollte er Lexi nicht in die Augen sehen.

Sie betrachtete ihn für ein paar Sekunden von der Seite. „Das Ganze frisst dich doch jetzt schon auf. Oder sehe ich das falsch?“

Bob biss sich auf die Unterlippe. 

„Na also. Was hält dich denn auf?“

Bob stöhnte genervt. „Keine Ahnung, vielleicht, dass wir Mitbewohner sind und uns jeden Tag mehrmals über den Weg laufen müssen? Dass ich nicht meinen besten Freund verlieren will? Dass ich nicht unsere WG sprengen will, oder unser Detektivunternehmen?“

Es war kurz still.

„Sorry, das kam jetzt genervter raus, als ich wollte. Ich wollte meinen Frust nicht an dir rauslassen.“

Lexi lächelte. „Ist okay. Ich glaube, das musste raus.“

„Vielleicht“, erwiderte Bob. „Trotzdem sorry.“

„Alles gut.“ Sie überlegte. „Ich würde ja sagen, zur Not kannst du immer noch der Studi-Administration schreiben, dass du einen neuen Mitbewohner willst, aber das ist vermutlich auch nicht hilfreich…“

„Nicht wirklich.“ Bob lachte. „Außerdem wohnen wir nicht auf dem Campus.“

„Nicht?“

Bob schüttelte den Kopf. „Wir haben eine WG zu dritt in Rocky Beach. Wir sind mit der Bibliotheksleiterin befreundet und dürfen deshalb eine Wohnung ihres Hauses neben der Stadtbibliothek bewohnen.“ Er wusste gar nicht, warum er das so ausführlich erzählte. Eigentlich tat es nichts zur Sache.

„Hm“, machte Lexi. „Naja, ich sehe das so.“ Sie griff nach seinen Händen und nahm sie in ihre. Sie stockte. „Was ist mit deinen Händen passiert?“

„Äh, was?“

„Deine Hände haben Flecken.“

„Ach so.“ Bob lachte. „Farbunfall während unseres Falles. Kann ich dir später erzählen.“

Sie betrachtete ihn kurz skeptisch, holte sich dann aber wieder zurück. „Äh ja. Ist ja auch nicht wichtig. Ich will nur sagen, dass ich den Eindruck habe, dass du zu sehr in Peter verliebt bist, als dass du mit ihm eine F+ führen könntest. Du scheinst mittlerweile echt emotional geladen zu sein und das tut dir nicht gut. Oder?“

Bob biss sich auf die Unterlippe. „Ja, eigentlich weiß ich das. Aber ich kann nicht damit aufhören. Dafür ist es zu schön mit ihm. Ich will das nicht aufgeben.“

„Dann solltest du mit ihm reden und das klären. Vielleicht liebt er dich ja auch. Vermutlich sogar.“

„Glaube ich nicht“, sagte Bob.

„Naja, wenn er es tatsächlich nicht tut, dann solltest du es vermutlich beenden. Sonst verlierst du irgendwann deinen Verstand. Aber vielleicht wird ja auch alles gut. 

„Hm“, machte Bob erneut. 

„Und selbst wenn nicht, seid ihr sicherlich erwachsen genug, dass ihr es schafft, eure Freundschaft zu behalten. Sowas geht. Man muss nur darüber reden.“ Sie lächelte ihn ermutigend an.

Bob zuckte mit den Schultern. Er hatte wirklich keine Lust, so ein Gespräch zu führen.

 

 

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Einige Stunden später verließ Bob die Institutsbibliothek der Journalistik. Er hatte ein paar Artikel gelesen und an einer seiner Hausarbeiten gesessen. Sein Kopf war durchgekocht. Peter stand bereits mit geschultertem Rucksack vor der Tür und strahlte ihn an.

Bob musste instinktiv zurücklächeln, auch wenn er sich eigentlich so fühlte, als sollte er wegrennen.

„Was machst du denn hier?“

Peter zuckte mit den Schultern. „Vorlesung war früher fertig, da dachte ich, ich hole dich mal ab. Justus kommt gleich zum Auto.“

„Ah“, sagte Bob. Sie liefen los in Richtung Parkplatz.

„Wie war dein Tag?“

„Normal“, sagte Bob. Er wusste gar nicht, was er darauf sagen sollte. Sein Gehirn hatte sich fast die ganze Zeit nur um Peter gedreht, aber das war jetzt vielleicht nicht der beste Ort, um das zuzugeben.

„Hm“, machte Peter.

„Und deiner?“, fragte Bob.

„Ganz gut eigentlich. Training war richtig lustig heute. Blake hat sich einen Schnurrbart stehen lassen und wir haben ihn die ganze Zeit Mario genannt. Und dann hat er auch angefangen, uns allen Videospielnamen zu geben. Ich war Knuckles aus Sonic the Hedgehog.“

„Aha“, sagte Bob und lachte auf. „Kann der irgendwas cooles?“

„Er ist halt stark. Und er kann–“ Er blieb abrupt stehen. „Moment mal!“

Bob drehte sich um und sah zu Peter. Der war vor dem Café stehen geblieben, an dem sie gerade vorbeigegangen waren, und blickte hinein.

„Hat Lexi nicht behauptet, unsere ganzen Raubopfer nicht zu kennen?“

„Ja, außer Familie Fisher, das hat sie später noch revidiert“, erklärte Bob.

„Guck mal, mit wem sie da an einem Tisch sitzt!“

Bob sah durch die Scheibe. Und tatsächlich. Da saß Lexi. An einem Tisch mit Raya und Devon aus der Fame Factory.

„Sie sehen aus, als wären sie gute Freunde, findest du nicht?“, murmelte Peter.

„Definitiv“, sagte Bob.

„Also entweder, sie hat die beiden gerade erst kennengelernt–“

„– oder sie hat uns angelogen“, beendete Bob den Satz.

Notes:

Liebe an euch alle <3

Chapter 26: Kapitel 26: Der Spaziergang

Summary:

Die drei Fragezeichen gehen bei Nacht in den Wald.

Notes:

Ach Leutis, ich will mich ja nicht schon wieder für mein schlechtes Uploadtempo entschuldigen, aaaaber... Naja. Momentan arbeite ich dezent viel und dann ist mein Kopf sehr voll. Ich habe die große Hoffnung, dass das im Juni wieder chilliger wird, aber wir werden sehen. Und ich verspreche euch, dass ich Das Leben und die Kunst auch noch weiterschreiben werde. Ich lasse euch da nicht hängen. Aber momentan ist alles etwas viel und mein Kopf ist Matschepampe.

Okay, anyways, wünsche euch erstmal viel Spaß!
Alles Liebe
Chris

PS: Korrekturgelesen von Milo, der vermutlich noch gestresster ist, als ich selbst, und trotzdem meine Kapitel liest, also schickt ihm ein bisschen Liebe und Entspannung per Gedankenübertragung bitte :)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Es war eindeutig, dass Justus auf heißen Kohlen saß. Während Bob seinen Käfer in Richtung des Waldparkplatzes steuerte, wechselte der erste Detektiv ständig seine Sitzposition im Beifahrersitz, als hätte er einen Flo in der Hose.

Auch Peter schien das aufzufallen. „Just, sag mal, es kann doch auch sein, dass heute Abend überhaupt nichts passiert. Du wirkst, als wärst du dir sicher, dass irgendwo eingebrochen wird.“

Bob fand, dass Peter recht hatte. Klar, es war seit einer Woche kein Einbruch mehr verübt worden. Davor hatten nie mehr als sechs Tage zwischen den Vorfällen gelegen. Da ergab es Sinn, dass Justus sich unbedingt auf die Lauer legen wollte. Aber Bob hatte wirklich interessantere Ideen, wie er seinen Freitagabend verbringen konnte, statt sich irgendwo im Wald zu verschanzen. Sie wussten ja nicht einmal, wo sie sich positionieren sollten. Der Wald war nicht klein. Selbst wenn jemand einen Einbruch beging, hieß das noch lange nicht, dass sie der Person begegnen würden.

„Möglich, Zweiter. Aber stellt euch vor, es gibt doch einen. Und dann begegnen wir vielleicht einem der Moonbeans-Leute. Oder Lexi.“

Tja, Lexi. Nachdem Peter und Bob Lexi vorgestern im Café gesehen hatten, wirkte sie plötzlich doch recht verdächtig. Bob hatte sie am selben Tag noch angeschrieben. Sie hatte erklärt, dass Raya und Devon aus der Fame Factory ein Musikvideo für Devons neue Single drehen wollten und dafür eine Tanzgruppe zusammenstellten. Lexi und ihre kleine Schwester Aditi haben die beiden deshalb kennenlernen wollen, um zu schauen, ob Aditi einen Platz in der Gruppe bekommen könnte. Sie habe die beiden zuvor nicht persönlich gekannt. Das klang alles erst einmal recht logisch und nachvollziehbar. Es war trotzdem eigenartig, dass Lexi anscheinend immer wieder in ihrem Fall auftauchte und wie auf magische Weise irgendwelche Verbindungen zu den Geschädigten der Einbruchsreihe hatte. Sie wirkte zwar total unbeteiligt und unschuldig, aber irgendwie wurden sie sie dennoch nicht so recht los.

Bob parkte den Wagen, zog die Handbremse an und stieg aus. Es war bereits dämmrig, sodass Justus beim Ausräumen des Autos seine Taschenlampe einschalten musste, um die drei Rucksäcke im Kofferraum auseinanderhalten zu können. Er verteilte die Rucksäcke und schloss geräuschvoll die Kofferraumklappe.

„Kollegen, ich denke, wir sollten uns aufteilen“, verkündete er dann.

„Das kannst du ja gerne denken, aber ich bin dagegen“, erklärte Peter. „Es ist stockdunkel zwischen den Bäumen und –“

Justus seufzte etwas theatralisch. „Ihr könnt ja zu zweit gehen. Wir sollten zumindest zwei Posten besetzen. Aber ich würde vorschlagen, dass wir erstmal gemeinsam in den Wald gehen. Die Stellen, an die wir gehen, können wir ja noch gemeinsam aussuchen. Dann finden wir uns auch besser wieder.“

„Okay“, sagte Bob und schluckte. Stundenlang mit Peter auf einer Stelle im stillen Wald hocken zu müssen, war eigentlich eine gute Gelegenheit, um mit ihm ein klärendes Gespräch zu führen. Die Frage war nur, ob er dazu bereit war. Aber eigentlich musste er. Es musste langsam mal raus.

Sie setzten sich in Bewegung und liefen schweigend in den Wald hinein. Mit jedem Schritt fraßen die Blätter der Bäume mehr des ohnehin schon schwachen Lichts auf. Man hörte kaum etwas. Hier und da mal ein Rascheln – der Wind in den Zweigen, oder vielleicht Waschbären oder Ratten in den Büschen, wer wusste das schon? Ein paar wenige Vögel sangen noch müde Lieder und es war menschenleer. Für abendliche Joggingrunden war es zu dunkel und die spielenden Kinder waren sicherlich schon in ihren Betten.

Bob hörte eine Eule rufen und ihm lief ein Schauer über den Rücken. Irgendwie war es hier doch ganz schön gruselig. Das hatte er das letzte Mal schon gedacht, als sie hier gewesen waren, aber irgendwie war das Gefühl heute stärker. Peter schien es ähnlich zu gehen. Er rückte, anscheinend instinktiv, näher an Bob heran und verschränkte ihre kleinen Finger miteinander. Nur ein paar Sekunden, dann löste er sie wieder, als wäre nichts gewesen. Allerdings reichten die wenigen Sekunden, um Bobs Inneres völlig auf den Kopf zu stellen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, seine Haut brannte. Er musste wirklich dringend mit Peter reden.

Nach einer Weile kamen ihnen zwei Menschen mit einem Hund entgegen. Es war dunkel, deshalb konnte Bob die beiden Gesichter nicht ausmachen. Der Hund lief an der langen Leine und schien sehr viel Energie zu haben. Eifrig lief er auf Peter zu, der sich sogleich hinhockte und darauf wartete, dass er ihn streicheln konnte. 

„Hey, Daisy, aus! Komm zurück!“, rief jetzt eine der Personen. 

Peter lachte. „Ist nicht schlimm, ich mag Hunde sehr gerne.“ Er fuhr besagter Daisy mit den Fingern durch das lockige Fell und musste aufpassen, dass sie ihm nicht das Gesicht abschleckte, was ihn immer wieder zum Lachen brachte. Bob liebte das Geräusch. 

„Ach, Entschuldigung, das macht sie immer“, sagte jetzt eine weiblich klingende Stimme. „Sie wäre echt eine fürchterliche Wachhündin.“

Und irgendwie erkannte Bob jetzt die Stimme. Moment, waren das nicht–

„Moment mal. Die drei Fragezeichen?“ Die andere Stimme lachte auf. Auch sie kam Bob bekannt vor. „Was macht ihr denn hier?“

Erst jetzt traute sich Bob, die Taschenlampe auf die beiden dunklen Figuren zu richten. Es waren Leo und Morgan. Komischer Zufall, fand Bob.

„Das könnten wir euch genauso fragen“, erwiderte Justus mit herausforderndem Ton. 

Bob fühlte sich seltsam. Zum einen hatte er Leo gar nicht mehr geschrieben, seit sie angefangen hatten, die Café-Crew zu verdächtigen. Was Leo darüber dachte, konnte Bob nur erahnen. Schließlich hatten sie davor recht viel geschrieben. Zum anderen waren sie ja hierhergekommen, um eventuell jemanden bei einem Einbruch erwischen zu können. Dass Leo und Morgan jetzt hier waren, war also mehr als verdächtig.

„Wir arbeiten hier“, antwortete Morgan mit völlig unbekümmertem Ton.

„Streng genommen arbeite ich“, erklärte Leo. „Morgan ist nur so nett, mich zu begleiten. Ich gehe manchmal mit Hunden Gassi, um noch ein bisschen Extra-Cash zu haben. Daisy hier gehört so einem Influencer-Couple. Die sind aber eigentlich ganz nett.“

„Jack und Brianne?“, fragte Justus.

„Ihr kennt die?“, erwiderte Morgan erstaunt.

„Klar“, schaltete Bob sich ein. „Die beiden wurden schließlich auch bestohlen.“

„Oh, das wusste ich ja gar nicht“, sagte Leo.

„Hm“, machte Peter skeptisch.

Bob teilte die Skepsis, auch wenn er fand, dass Leos Ton glaubwürdig geklungen hatte.

„Wie läuft’s denn bei euch? Kommt ihr voran mit eurem Fall? Kann man euch irgendwie helfen?“, hakte Morgan nach.

Die drei Fragezeichen tauschten Blicke miteinander aus – was nicht leicht war. Schließlich war es recht dunkel.

Leo grinste. „Super, Morgan. Bestimmt ist es eine schlaue Idee, wenn du dich mit in das Detektivteam einschleust, statt deine Liebesprobleme zu lösen.“

„Halt’s Maul“, warf Morgan zurück, aber grinste auch.

„Ginny?“, fragte Peter.

Morgan verdrehte die Augen. „Sie ghostet mich. Es ist alles super kindisch.“

„Ja, weil du nicht weißt, was du willst. Du könntest dir langsam mal eingestehen, dass du in sie verliebt bist und Klartext mit ihr reden.“ Leo ruckelte sich gespielt pseudointellektuell die Brille zurecht.

„Das hat sie aber nicht gesagt. Sie hat einfach aufgehört mir zu schreiben und antwortet plötzlich nicht mehr. Wenn das der Fall wäre, hätte sie mir das doch gesagt.“ Sie stupste Leo in die Seite. „Du Pseudo-Therapeut:in, ehrlich!“

„Ich meine ja nur. Du könntest bei ihr vorbeifahren und nachfragen.“

„Wenn sie von mir besucht werden wollen würde, würde sie mir schreiben. Ich bin doch keine Stalkerin!“

„Seit wann hast du denn nichts von ihr gehört?“, schaltete sich Justus in das Gespräch ein.

Morgan zuckte mit den Schultern. „Drei Tage vielleicht?“

„Vielleicht?“, lachte Leo. „Tu mal nicht so, als wüsstest du das nicht auf die Sekunde genau!“

Morgan schnipste Leo gegen die Nase.

„Ey, meine Brille!“, protestierte Leo. „Ich werde attackiert!“

Bob lachte. Er mochte Leo einfach. Verdächtig oder nicht.

„Vor drei Tagen war Dienstag“, fachsimpelte Justus. „Da haben wir sie noch getroffen.“

„Ja, das hatte sie mir noch geschrieben. Sie hat die Kinder gehütet und ist danach da weg. Sie hat mir noch geschrieben, dass sie noch kurz spazieren will und dann nach Hause geht und dann hat sie nicht mehr auf meine Nachrichten geantwortet.“

„Das klingt in der Tat nicht, als würde sie dich ignorieren wollen“, pflichtete Justus ihr bei.

„Wo war sie denn spazieren? Hier im Wald?“, fragte Peter.

„Ich denke schon“, sagte Morgan. „Keine Ahnung, vielleicht hat sie beim Spazieren irgendwas gemerkt, was sie an mir stört oder so und dann beschlossen, mir nicht mehr zu schreiben oder so. Naja, was auch immer. Komme ich schon drüber weg.“

Bob sah Morgan ins Gesicht. Man merkte ihr an, dass sie versuchte tough zu wirken. Aber vollkommen gelang es ihr nicht. Leo hatte vermutlich recht und Morgan war wirklich in Ginny verliebt. Auch wenn sie es anscheinend nicht gern zugab – aus welchem Grund auch immer.

„Vielleicht musst du auch gar nicht drüber wegkommen“, sagte Leo jetzt sanft und legte Morgan eine Hand an den Arm. „Vielleicht wird ja auch alles gut und es gibt irgendwie eine logische Erklärung.“

Morgan seufzte. „Ja, egal.“

„Komm, wir bringen Daisy zurück. Die beiden warten bestimmt schon.“

Sie nickte Leo zu.

Die beiden verabschiedeten sich und gingen weiter. Die drei Fragezeichen blieben noch eine Weile dort stehen und warteten, bis die beiden außer Hörweite waren.

Schließlich durchbrach Peter die Stille. „Kollegen, denkt ihr, in dem Wald hier ist ein Entführer unterwegs?“, raunte er besorgt. „Vielleicht ist ihr hier im Wald was passiert!“

„Das glaube ich nicht, Zweiter. Hier leben viel zu viele Leute drumherum. Da kannst du nicht einfach am helllichten Tage jemanden entführen“, antwortete Justus gelassen.

„Es war aber nicht helllichter Tag, oder? Es muss abends gewesen sein“, entgegnete Peter. „Wir haben sie nachmittags getroffen und danach hat sie noch weitergearbeitet. Es ist immer noch Januar. Es wird früh dunkel.“

„Stimmt“, gab Justus zu. „Ich werde mal Madyson Brooks anrufen.“ Er zog sein Handy und entfernte sich.

Zurück blieben Peter und Bob, die ihm einfach stumm hinterhersahen.

„Denkst du, Ginny weiß, wie sehr Morgan sie eigentlich mag?“, flüsterte Peter in die Stille.

„Keine Ahnung“, sagte Bob. „Ich glaube, es kommt oft vor, dass jemand keine Ahnung hat, wenn jemand in einen verliebt ist.“ So wie Peter, dachte er. Peter hatte vermutlich auch keine Ahnung, wie viele Gefühle Bob für ihn hatte. Aber in dem Fall war das vielleicht auch besser so.

„Irgendwie ist es einfach schwierig, Klartext zu reden, oder?“

„Für viele, ja.“ Bob räusperte sich. „Ich hab den Eindruck, du kannst das eigentlich ganz gut.“

„Hm?“

„Naja, du hast mir ja klar gesagt, wie du zu mir stehst. Das ist gut. Da weiß ich, was ich erwarten kann.“ Das stimmte. Selbst, wenn es Bob nicht gefiel. Natürlich hätte er es lieber gehabt, wenn Peter ihm gesagt hätte, dass er Gefühle für ihn hatte. Aber so wusste Bob zumindest, woran er war.

„Wie geht’s dir denn damit?“, fragte Peter leise.

„Hm“, machte Bob und überlegte ein paar Sekunden. „Schwierig.“

Peter presste die Lippen aufeinander.

„Ich finde, so langsam verschwimmen bei mir die Grenzen zwischen dem Körperlichen und der Freundschaft.“ Bob hatte einen riesigen Stein im Bauch, während er redete. Und ihm kamen auch ein bisschen die Tränen. Zum Glück war es dunkel. „Ich weiß nicht, wie lange ich das so kann.“

„Oh“, sagte Peter.

Auf einmal raschelte es neben ihnen. Bob richtete seine Taschenlampe in die Richtung des Geräuschs.

„Kollegen, das war ausgesprochen aufschlussreich!“

„Himmel, Just, hast du mich erschreckt“, protestierte Peter.

Bob hatte Schwierigkeiten, seine Gedanken zu sammeln.

Der erste Detektiv schien allerdings nicht die geringste Ahnung zu haben, in welche Stimmung er gerade gestolpert war. „Madyson Brooks hat mir erzählt, dass Ginny sich ein paar Tage freigenommen habe. Sie habe ihnen ganz spontan eine Nachricht geschrieben, dass sie aus persönlichen Gründen wegmüsse. Madyson wirkte auf mich zugleich wütend und besorgt. Bis jetzt habe Ginny immer lange im Voraus bekannt gegeben, wenn sie nicht da sei, und habe dies auch immer in Person oder am Telefon getan. Sie sagte, das sehe ihr gar nicht ähnlich.“

„Das klingt ja wirklich, als sei ihr etwas passiert.“ Peters Stimme zitterte.

„Oder sie hatte einen familiären Notfall. Vielleicht liegt einer ihrer Großeltern im Sterben oder so“, mutmaßte Bob.

„Ja, oder jemand hat sie hier im Wald überfallen und geistert jetzt noch hier herum“, jammerte Peter. „Lasst uns lieber von hier abhauen, Kollegen!“

„Nein, gerade jetzt, wo wir Leo und Morgan hier schon begegnet sind, sollten wir das nicht tun“, erklärte Justus bestimmt. „Wer weiß, was die beiden heute Nacht planen. Wir müssen uns auf die Lauer legen.“

Es brauchte noch ein paar ermutigende Sätze, aber schließlich hatten Bob und Justus Peter überzeugt. Sie einigten sich darauf, dass Justus in Richtung Norden und Peter und Bob in Richtung Süden gingen.

Mittlerweile war es echt düster im Wald. Ohne Taschenlampe konnte man die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Bob fragte sich so langsam, ob sie – wenn heute tatsächlich ein Einbruch verübt würde – das überhaupt mitbekommen würden. Schließlich kamen sie allerdings auf eine kleine Lichtung. Dort schien der Mond hell genug, dass sie wenigstens ein bisschen was sehen konnten. Am Rand der Lichtung konnte man einige prunkvoll gestaltete Villen ausmachen. Das war ein guter Ort für eine Observierung. Wenn jemand diese Häuser im Visier hatte, hatten sie eine gute Chance, die Person verfolgen zu können. Sie machten es sich auf ein paar Felsen so gemütlich, wie es eben ging und beobachteten die Häuser. Es war völlig still. Wenn sie Pech hatten, saßen sie hier einfach stundenlang auf dem gleichen Fleck und sahen zu, wie sich absolut gar nichts auch nur einen Zentimeter regte. Na toll.

Zu Beginn schwiegen sie eine Weile, bis schließlich Peter die Stille durchbrach. „Bob, ich glaube wirklich, dass mit diesem Wald irgendwas nicht stimmt.“

„Was meinst du?“

„Irgendwas geht hier vor sich. Ich hab da so ein Gefühl. So als wäre der Wald verflucht oder so.“

Bob wusste, dass es vermutlich nichts war. Wenn Peter bei gruseligen Dingen ein Gefühl hatte, stellte es sich meistens als Quatsch heraus. Hinter Grusel steckten eigentlich immer irgendwelche Menschen mit bösen Absichten. Das hatten sie schon unzählige Male erlebt. Wie unendlich viele Fälle hatten sie schon bearbeitet, in denen sich irgendwelche Idioten – meistens aus Habgier – haarsträubende Gruselgeschichten ausgedacht und umgesetzt hatten, nur um eine Person in ihrem Umfeld den Verstand verlieren zu lassen? Und wie oft war Peter auf genau den Zauber hereingefallen? Aber trotzdem löste das bei Bob keine Genervtheit aus. Dafür kannte er Peter zu gut. Peter machte das ja nicht mit Absicht. Er hatte halt einfach Angst. Und Bob wollte ihn trösten. Wie so oft. Also griff er nach Peters Hand und verschränkte ihre Finger. „Es ist nur ein Wald, Pete. Vielleicht gibt es hier böse Menschen. Aber der Wald ist mit Sicherheit nicht verflucht.“

Peter seufzte. „Ich weiß ja nicht.“

„Kann ich irgendwas machen, um es für dich weniger schlimm zu machen?“, flüsterte Bob.

„Glaub nicht.“ Peter räusperte sich leise. „Ich meine… Also, das hier“ – Er hob ihre miteinander verbundenen Hände kurz an. – „Das hilft.“

„Okay“, sagte Bob.

„Danke!“

„Klar.“

Wieder schwiegen sie eine kurze Weile. Bob hatte das Gefühl, Peters Hand brannte einen permanenten Abdruck in seine eigene Handfläche. Wie ein zweiter Handabdruck, der sich über seinem eigenen bildete und für immer ein neues Cluster aus Linien formte.

Und wieder war es Peter, der zuerst etwas sagte. „Bob?“ Er sprach wahnsinnig leise.

„Hm?“, gab Bob ebenso leise zurück.

„Ich glaube, wir werden beobachtet.“

Bob schüttelte den Kopf. „Ach Quatsch, Pete.“

„Ich… Doch!“ Peter löste ihre Hände voneinander und begann, sich umzudrehen.

Bob tat es ihm gleich und blickte in die unendliche Schwärze des Waldes.

„Ich glaube, da ist wer“, wisperte Peter.

„Wo?“ Bob verengte die Augen im ziellosen Versuch, doch irgendetwas in den Bäumen erkennen zu können. Es war völlig sinnbefreit.

„Keine Ahnung“, sagte Peter und leuchtete ziellos mit seiner Taschenlampe umher.

„Pete, da ist nichts.“

„Hallo?“, rief Peter jetzt in Richtung des Waldes.

Es kam nichts zurück.

Noch einmal. „Hallo?“

Dann hörte Bob ein Rascheln.

Da war tatsächlich wer. Peter hatte sich nicht geirrt.

Bob leuchtete in die Büsche, in Richtung des Raschelns. Und plötzlich erschien ein Gesicht im Lichtkegel. Vor Schreck machte Bob einen Schritt nach hinten.

Die Person kniff die Augen zusammen. Jetzt hatte auch Peter seine Taschenlampe auf sie gerichtet. Sie hatte zottelige Haare, die überall aus einem unordentlichen Zopf vom Kopf abstanden. Das Gesicht war dreckig, die Klamotten auch. An ihren Händen und in ihren Haaren klebte getrocknetes Blut.

„Könnt ihr mir helfen?“, sagte sie jetzt mit kleinlauter Stimme. „Ich weiß nicht, wo ich bin.“

Bob machte einen Schritt auf sie zu. „Um Himmels Willen, was ist denn passiert?“

„Ich rufe Just an“, sagte Peter.

Bob stand wie versteinert da und überlegte, wie um alles in der Welt er reagieren sollte.

„Just?“, hörte er Peter hinter sich sagen. „Wir haben Ginny gefunden.“

Notes:

Whoops, was da los?

Chapter 27: Kapitel 27: Das letzte Mal

Summary:

Die drei Fragezeichen versuchen, das Erlebte zu verstehen.
Bob und Peter sind Deppen und ein bisschen dramatisch.

Notes:

Hello :) Dieses Mal etwas pünktlicher mit nem neuen Kapitel. Dafür habe ich aber mal wieder die Kommentare vom letzten Kapitel noch nicht beantwortet. Das mache ich noch, ich schwöre! Dafür freue ich mich immer viel zu sehr über jeden einzelnen, als dass ich sie da so liegen lassen könnte. Aber naja, Arbeit ist grad viel. Ich schicke euch liebe Grüße und wünsche euch viel Spaß!
Chris

Korrekturgelesen von Milo :)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Aus Ginny war nicht viel herauszukriegen. Sie stand völlig neben sich. Und um zu Bobs Auto zu kommen, mussten sie wieder durch den Wald, was für Ginny nicht infrage kam. Also warteten sie auf Justus und versuchten, die junge Frau so gut es ging mit Wasser und ihren Observierungs-Snacks zu versorgen. Sie wollte nicht besonders viel davon. Sie versuchten, ihr vorsichtig Fragen zu stellen, aber sie schüttelte einfach nur immer wieder den Kopf und sagte, dass sie nichts wusste. Das Einzige, was sie ihr entlocken konnten, war, dass sie in irgendeinem Schuppen oder einer Hütte eingesperrt gewesen war. Wie lange, wusste sie nicht.

Als Justus endlich kam, ging Bob allein durch den Wald zu seinem Auto, um es auf die andere Seite des Waldes zu fahren. Er sammelte die drei ein und fuhr mit ihnen in die nächste Notaufnahme. Auf dem Weg riefen sie auch Cotta an, der seine Kollegen aus LA zum Krankenhaus bestellte.

Ginny hatte eine Gehirnerschütterung, was nicht weiter überraschend war. Die Wunde an ihrem Kopf zeugte von einem starken Schlag, den vermutlich niemand so einfach wegsteckte. In jedem Falle musste sie über Nacht bleiben und beobachtet werden. Gerade redeten die beiden Polizistinnen mit Ginny und die drei Fragezeichen waren angewiesen worden, im Flur zu warten. Mit ihnen wollten die beiden auch noch sprechen. Sie kannten das schon. Wie oft hatten sie schon in Fluren auf Polizeirevieren gesessen, um der Polizei Bericht zu erstatten? Und für gewöhnlich dauerte das Prozedere eine Weile. Wenn sie von Cotta befragt wurden, reichte es ihm meistens, sie alle drei gleichzeitig zu sprechen. Bei anderen wurden ihre Statements – wie es sich für ein ordentliches Polizeiprozedere gehörte – jedoch meistens getrennt aufgenommen. Sie mussten sich auf eine lange Nacht einstellen.

„Ich bin langsam echt verwirrt, Leute“, sagte Peter müde, den Kopf gegen die Wand gelehnt. „Erst haben wir es mit Einbrüchen und verfluchten Gegenständen zu tun… Und jetzt? Was ist das? Eine Entführung?“

„Jemand muss sie verletzt und eingesperrt haben. Von einer Entführung würde ich stark ausgehen“, erklärte Justus.

„Aber wozu?“, fragte Peter. „Das muss doch zusammenhängen. Dass eine unserer Mitverdächtigen entführt wird, ausgerechnet in der Zeit, in der wir in diesem Fall ermitteln, das kann doch kein Zufall sein, oder?“

„Das halte ich auch für unwahrscheinlich“, erwiderte Justus.

Bob brummte der Kopf. Das ergab doch alles keinen Sinn! „Und Morgan und Leo? Die haben wir ja quasi vom Tatort weglaufen sehen.“

„Wenn wir denn überhaupt wissen, wo genau der Tatort ist. Das müssen wir dringend herausfinden“, warf Justus ein.

„Denkt ihr, es waren Leo und Morgan? Vielleicht haben sie auf dem Spaziergang geschaut, ob Ginny noch lebt oder so?“, fragte Peter.

„Ich finde diese Vorstellung noch immer völlig verrückt. Ich traue ihnen das gar nicht zu!“ Bob schüttelte heftig den Kopf.

„Also wenn sie das wirklich waren, dann wären sie wirklich exzellent darin, uns gerissen und perfide etwas vorzuschauspielern. Wenn das nicht echt war, dann haben sie dort eine einzigartige Show hingelegt, das muss man ihnen lassen“, überlegte Justus und begann sogleich, mal wieder mit seiner Unterlippe zu spielen.

„Und was, wenn es nicht gespielt war? Sollten wir dann nicht Morgan Bescheid sagen, dass wir Ginny gefunden haben? Die denkt ja, dass Ginny sie nicht mehr will. Vielleicht würde sich Ginny auch freuen, wenn sie Morgan sehen könnte.“

„Den Gedanken hatte ich auch schon, Zweiter“, pflichtete Justus ihm bei. Denn wenn sie es war, könnte es sein, dass sie zu dem Schuppen fährt und ihre Spuren beseitigt. Die Frage ist, ob wir dieses Risiko eingehen sollten.“

„Sie war das nicht!“, schaltete sich Bob etwas zu laut ein. „Wie krass wäre dieses Theater dann bitte, was sie uns da erzählt haben. Das denkt man sich doch nicht mal so aus dem Stehgreif aus!“

„Und vor allem: Warum sollte Morgan die Person entführen, auf die sie steht?“, fragte Peter.

„Möglicherweise, weil Ginny an dem Einbruch bei den Brooks beteiligt war. Vielleicht hat sie die Tür mit Absicht aufgelassen, damit die anderen dort einbrechen konnten. Ginny könnte den Wunsch geäußert haben, sich der Polizei zu stellen, sodass die Moonbeans-Leute sie mundtot machen mussten“, überlegte Justus.

„Das wäre ganz schön heftig“, murmelte Bob. „Irgendwie kann ich mir das gar nicht vorstellen.“

„Ja, Morgan müsste schon eine echt gute Lügnerin sein“, gab Justus zu. „Ich weiß selbst noch nicht so recht, ob ich ihr das zutraue.“

„Hm“, machte Peter.

 

Die Befragung der Polizistinnen dauerte glücklicherweise nicht ganz so lang, wie Bob es befürchtet hatte. Es war zwar etwas kompliziert gewesen, ihnen zu erklären, woher sie Ginny kannten und dass sie vermuteten, dass ihre Entführung mit den Einbrüchen im Viertel zu tun hatte, aber die beiden Frauen glaubten ihnen und hörten ihnen aufmerksam zu, sodass sie dann um halb eins nach Hause konnten. Justus hatte protestiert, dass er Ginny gern noch selbst befragen wollte, sah dann aber ein, dass sie vermutlich erst einmal eine gute Portion Schlaf brauchen würde. Sie konnten ja morgen immer noch zu Besuch kommen.

Zu Hause angekommen machten die drei sich bettfertig. Sie waren völlig erledigt und ihnen stand nicht mehr groß der Sinn danach, über den Fall zu reden. Das konnten sie morgen früh noch immer machen.

Das Blöde war, dass Bob wusste, dass er eh nicht schlafen konnte. Er war zwar echt müde, aber sein Inneres lief auf Hochtouren. Zum einen war es ein ganz schön heftiger Adrenalinkick gewesen, Ginny zu finden, dann allein durch den Wald zu laufen, in dem eventuell ein Entführer sein Unwesen trieb, und nach all dem immer noch nicht zu wissen, was hier eigentlich gespielt wurde. Zum anderen geisterte ihm dieses halbe Gespräch mit Peter von vorhin unentwegt im Kopf herum. Er hätte so gern gewusst, was Peter dachte. Es war unmöglich, auch nur zu erahnen, was in ihm vorging. Und das machte Bob irre.

In seinem Zimmer kramte Bob sein Handy aus der Tasche. Leo hatte ihm geschrieben.

Und? Wie läuft’s mit deinem Ginger Jock? 😉

Bob überlegte. So gern er Leo hatte, hatte er es immer noch mit einer verdächtigen Person zu tun. Aber irgendwie war es ihm auch egal. Vielleicht war er naiv. Vielleicht. Gleichzeitig konnte er sich einfach nicht vorstellen, dass Leo in der Lage war, eine Person zu entführen. Das passte alles nicht. Und er wollte Leo schreiben. Also tat er es. Justus musste es ja nicht erfahren.

Schlecht.

Ich glaub, ich kann dieses F-Plus-Ding nicht. Ich glaub, ich muss es beenden.

Die Antwort kam schnell: Und wie sicher bist du dir, dass von ihm keine Gefühle im Spiel sind?

Ziemlich, schrieb Bob, er hat es schließlich mehrmals gesagt.

Naja, das heißt ja nichts. Guck dir Morgan an, antwortete Leo.

Und er hatte ja jetzt lang genug Zeit, seine Aussage zu revidieren. Wenn er dabei bleibt, muss ich vielleicht dann einfach für mich gucken, ob ich das so will oder nicht. Und ich kann das so nicht. Bob sah sich seine Nachricht noch ein paar Sekunden lang an, bevor er sie abschickte. War das zu heftig formuliert? Nein, eigentlich stimmte das so. Also drückte er auf Senden.

Leo ließ nicht locker: Was hältst du denn davon, ihm von deinen Gefühlen zu erzählen? Du kannst doch nicht verlangen, dass er was über seine erzählt, wenn du selber den Mund nicht aufkriegst.

Hm, schrieb Bob zurück.

Irgendwie klang das schon logisch. Aber gleichzeitig fragte sich Bob, ob es wirklich sinnvoll war, sich die Demütigung zu geben. Peter hatte seine Position ja klar kommuniziert. Wenn er jetzt Peter erklärte, was er fühlte, würde das doch nur eine Wunde aufreißen, die man dann nicht wieder schließen konnte.

„Du siehst ja nachdenklich aus.“

Bob schreckte hoch und sah Peter im Türrahmen stehen. Er sah wahnsinnig attraktiv aus, so seitlich angelehnt in seinem UCLA-Kapuzenpulli. Bob steckte sein Handy weg.

„Wie geht’s dir?“, fragte Peter.

„Ich, äh… Keine Ahnung“, sagte Bob, etwas überfordert. „Ich glaub, ich find grad alles ein bisschen viel.“

„Den Fall?“

„Ich… ne, eigentlich nicht.“

„Also uns.“ Peter hatte sehr leise gesprochen. Bob war sich sicher, dass Justus schon im Bett lag und nicht mithörte, aber immerhin war die Tür offen.

Bob zuckte mit den Schultern.

„Kann ich reinkommen?“

Bob nickte. „Klar.“

Peter zog die Tür hinter sich zu und stand ein bisschen wie bestellt und nicht abgeholt im Raum. Genauso wie Bob.

„Bin ich dir zu anhänglich?“

Bob schüttelte den Kopf. „Nein, auf keinen Fall. Ich mein… Wir waren ja auch schon vorher so. Wir hängen doch schon immer so aneinander.“

„Ja, das stimmt“, sagte Peter.

„Ich glaub, ich kann dieses ganze F-Plus-Ding nicht.“ Bob überlegte, wie viel er preisgeben wollte. Aber vielleicht hatte Leo ja recht. Vielleicht sollte er sich wenigstens ein bisschen aus dem Fenster lehnen. Er hatte Peter sowieso noch nie gut etwas verschweigen können. Also fügte er hinzu: „Ich glaube, bei mir hängt Sex zu sehr mit Gefühlen zusammen. Mein Kopf kann das so nicht.“ Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Bob war sich sicher, dass das hier das aufwühlendste Gespräch war, das er je hatte führen müssen. Okay, das war vielleicht ein bisschen dramatisch, aber trotzdem.

Peter betrachtete ihn für ein paar Sekunden, lehnte sich jetzt mit dem Rücken gegen die Wand neben seiner Kommode. Sein Gesicht war unlesbar. „Mir tut es wirklich leid, dass ich unsere Freundschaft für dich komisch gemacht hab“, sagte er dann. „Das wollte ich nicht.“

„Hast du nicht“, schob Bob schnell ein. „Hast du wirklich nicht. Es macht nur nach und nach alles in meinem Kopf sehr chaotisch. Ich kann die Freundschaft nicht mehr so richtig von dem Körperlichen trennen.“

„Hm“, machte Peter. „Okay.“

„Bist du enttäuscht?“

Peter lachte auf. „Naja. Also ich schlafe schon sehr gern mit dir, so ist’s ja nich‘.“

„Ich schlafe auch sehr gern mit dir“, sagte Bob, ohne nachzudenken. „Der Sex an sich ist absolut nicht das Problem.“

„Ich glaube, wir passen körperlich einfach sehr gut zusammen.“

Bob grinste. „Quasi verschenktes Talent, das jetzt aufzugeben.“

„Das ist gemein“, sagte Peter lächelnd. „Je länger wir so reden, desto mehr will ich wieder mit dir schlafen.“

„Ja, same“, antwortete Bob und merkte, wie er rot anlief.

Peter biss sich auf die Unterlippe. „Dann… gehe ich lieber mal, bevor ich hier zu sehr aufheize.“ Er bewegte seinen Arm nach hinten und legte seine Hand auf die Türklinke.

Und irgendwas in Bob machte klick. Er wollte nicht, dass Peter ging. Er konnte ihn nicht gehen lassen. „Warte, Pete.“

Peter sah ihn mit großen Augen an.

„Ich finde, also… wenn du willst, könnten wir…“ Verlegen kratzte Bob sich am Kopf. „Vielleicht noch ein letztes Mal? So als Abschluss?“ Es war so dumm. Kognitiv gesehen sollte er Peter gehen lassen. Aber alles in ihm schrie danach, sich wieder von ihm ausziehen zu lassen. Er wollte ihn. So sehr.

Für ein paar viel zu lange Sekunden sahen sie sich einfach an. „Bist du dir sicher?“, sagte Peter dann.

„Ja“, antwortete Bob.

„Ich will mich dir nicht aufdrängen oder dich überreden oder so.“

„Pete.“ Bob schluckte. „Bitte.“ Er streckte seine Hand nach ihm aus, berührte seinen Arm und beobachtete, wie sich Peters Armhaare aufstellten.

Peter atmete scharf ein und machte einen Schritt nach vorn, sodass er nur noch wenige Zentimeter vor ihm stand. Sie sahen sich noch immer tief in die Augen, als würden sie beide versuchen, herauszufinden, ob man in ihnen ein Rätsel entschlüsseln könnte. „Darf ich dich küssen?“

Bob antwortete ihm, indem er seine Lippen sanft auf Peters drückte. Sofort stellten sich in Bob alle schon bekannten Peter-Gefühle wieder ein. Das Kribbeln, die Elektrizität, die Lust, alles. Der ganze Zirkus. Peter zu lieben war gefährlich. Es war das schönste Gefühl, das sein Körper jemals produziert hatte. Wie sollte er sich das wieder abgewöhnen? Er würde es herausfinden müssen.

Peter zog sanft an seinem T-Shirt, eine stille Frage, ob er es ihm über den Kopf ziehen durfte. „Ein letztes Mal?“, sagte Peter leise.

„Ein letztes Mal“, wiederholte Bob. „Ein letztes Mal“, wiederholte er in seinem Kopf wie ein stilles Mantra. „Ein letztes Mal.“

Notes:

Wie gesagt: Deppen.

Chapter 28: Kapitel 28: Die Entführte

Summary:

Was bisher geschah:
Die drei Fragezeichen haben eine entführte Ginny im Wald gefunden. Sie verdächtigen momentan die Café-Crew aus dem Moonbeans, vor allem Morgan. Bevor sie Ginny gefunden haben, sind ihnen auch Leo und Morgan im Wald begegnet.
Bob und Peter hatten ein Gespräch, indem sie beschlossen haben, ihre F+Geschichte zu beenden. Dann haben sie sich, weil sie so schlau sind, gedacht, sie schlafen noch "ein letztes Mal" miteinander.

Jetzt folgend:
Der Morgen danach und ein erstes richtiges Gespräch mit Ginny.

Notes:

Willkommen zurück aus der Sommerpause. Habe mal ein bisschen Urlaub gemacht und mich erholt :) Freue mich aber, dass es jetzt endlich weitergeht. Viel Spaß!
Chris :)

PS: Korrekturgelesen von Milo :)

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Als Bob aufwachte, lag sein Kopf auf Peters Brustkorb. Er atmete tief ein und sah nach oben. Peter blickte ihn lächelnd an und streichelte ihm durch die Haare.

„Na, Schlafmütze?“

„Wie lang bist du schon wach?“

„Ein paar Minuten, aber ich wollte dich nicht wecken.“ Peter strich eine Locke aus Bobs Gesicht. Bob bekam überall Gänsehaut. „Du sahst so schön aus.“

Bob lachte. „Und wach bin ich weniger schön?“

Peter lachte auch. „Das habe ich nicht gesagt.“ Er sah an die Decke und überlegte. Dann blickte er Bob in die Augen, fast ein bisschen ernst. „Halt anders schön. Wenn du schläfst, dann siehst du friedlich aus. Wie ein Gemälde. Und wenn du wach bist, ist das anders. Deine Augen, dein Blick, der durchdringt einen richtig. Und ich kenne niemanden, der so schön lächelt, wie du.“

Für einen Moment wusste Bob nicht, was er sagen sollte. Er schluckte. In seinem Bauch kribbelte alles. Warum sagte ihm Peter das? Und warum jetzt? Aber er konnte das auch nicht so richtig durchdenken, denn Peter sah ihn noch immer so unglaublich eindringlich an und wie sollte dabei irgendwer denken können?

„Ich – äh“, machte Bob.

Peter grinste. „Du bist süß, wenn du so rot wirst.“

Bob biss sich auf die Unterlippe und spürte, wie er noch roter wurde.

Peter beugte sich vor und küsste Bob auf die Stirn. Es machte Bob völlig fertig. Und er hatte keine Lust auf sein Kopfkarussel. Also rutschte er nach oben und schaltete es aus, indem er Peter zurückküsste. Auf den Mund. Peter machte einen kleinen – sehr niedlichen – überraschten Laut, dann küsste er umso vehementer zurück. Es ging schnell. Ausgezogen waren sie ja ohnehin schon – da war es kein Wunder, dass sie innerhalb von wenigen Sekunden von Null auf Hundert beschleunigt hatten.

„Wie war das nochmal mit dem letzten Mal gestern?“, nuschelte Peter irgendwann gegen seine Lippen.

„Scheiß drauf“, antwortete Bob und begann, mit seiner Hand an Peters Körper herunterzuwandern.

Peter löste sich kurz und blickte Bob außer Atem an. „Bist du dir sicher?“

Bob verdrehte die Augen. „Peter, kann ich dir bitte einfach einen–“

Es hämmerte gegen die Tür.

„Kollegen?“

Entgeistert starrten Bob und Peter sich an. Was jetzt?

Es klopfte noch einmal. „Seid ihr wach?“

„Was machen wir jetzt?“, raunte Bob.

„Keine Ahnung, aber wenn du nichts sagst, kommt er vielleicht einfach rein“, antwortete Peter leise.

„Wenn ich sage, dass wir wach sind, kommt er auch rein“, flüsterte Bob zurück.

„Ja, du hast recht.“

„Ich kann euch flüstern hören“, kam es jetzt von vor der Tür.

„Ist gerade schlecht, Erster“, rief Bob.

„Ich habe euch gestern gesagt, ich will um zehn Uhr los. Es ist fünf vor zehn.“

Peter stöhnte. „Scheiße.“

„Ich komme jetzt rein“, sagte Justus und schon bewegte sich die Klinke.

„Ich hätte wirklich abschließen sollen gestern Abend“, murmelte Bob.

Justus stand jetzt mit verschränkten Armen in der Tür und blickte ernst auf sie herab. Dass sie beide unter ein und derselben Bettdecke zu stecken schienen – und das auch noch unbekleidet, soweit er das sehen konnte – verwunderte ihn wohl nicht. „Es tut mir wirklich außerordentlich leid, euch derart zu stören, aber ich denke, der Fall geht vor und ich bin mir sicher, dass ihr eure koitalen Vorhaben auch auf einen späteren Zeitpunkt verschieben könnt.“

„Unsere koitalen was?“, antwortete Peter mit zusammengezogenen Augenbrauen.

Bob ließ seinen Kopf ins Kissen fallen. „Er meint Sex.“

„Woher weißt du überhaupt–“, begann Peter, wurde aber sofort von Justus unterbrochen. „Wir haben recht dünne Wände, Zweiter. Ich weiß nicht, ob dir das schon einmal aufgefallen ist.“

Peter sah nun maximal verwirrt aus. „Also wir haben von dir und Franca bisher noch keinen einzigen Mucks gehört.“

Justus grinste selbstgefällig. „Ihr könnt nichts hören wo es nichts zu hören gibt.“

Bob kam auch nicht mit. „Ihr – ich meine – hä?“

„Bob, nicht jeder Mensch hat das Bedürfnis nach koitalem Kontakt.“

„Just, du musst aufhören, das Wort ‚koital‘ zu verwenden“, antwortete Bob trocken und rieb sich die Augen. 

Der erste Detektiv zuckte non-chalant mit den Schultern.

„Also ist einer von euch Ace?“, hakte Peter nach.

„Beide“, sagte Justus entspannt und sah auf seine Fingernägel, als wäre das etwas, das sie schon hätten ahnen müssen. Vielleicht hätten sie das. Eigentlich war das alles überhaupt nicht überraschend. 

„Okay, und wie lange weißt du schon über das hier Bescheid?“ Bob zeigte mit dem Finger zwischen sich und Peter hin und her.

Justus lachte. „Dass ihr unsterblich ineinander verliebt seid, seit vielleicht einem Jahr, würde ich schätzen. Dass ihr eure Gefühle endlich in die Tat umgesetzt habt, erst seit ein paar Tagen.“ Er kratzte sich am Kopf. „In jedem Falle solltet ihr jetzt duschen und frühstücken, damit wir endlich loskönnen. Ich würde euch ja die Decke wegziehen, um euch zu motivieren, aber ich habe wirklich nicht das geringste Interesse daran, zu sehen, was darunter ist.“ Und damit drehte er sich auf seinem Absatz um und stolzierte in sein Zimmer. Zurück blieben Bob und Peter, beide mit offenen Mündern.

 

 

Ginny sah noch immer völlig gerädert aus, als die drei Fragezeichen ihr Zimmer betraten. Sie hatte anscheinend geduscht, sodass sie um einiges sauberer aussah als gestern Nacht noch. Dennoch hatte sie tiefe Augenringe und sie hatte mehrere sichtbare blaue Flecken und Schürfwunden. Die Wunde an ihrem Kopf war mit einem dicken Pflaster verdeckt.

Die Jungen setzten sich auf die kleine gepolsterte Sitzbank, die vor dem Fenster stand. Es war still im Raum. Das Bett neben Ginnys war leer.

Ginny sprach leise, ihre Mimik war gedämpft. „Wisst ihr, ich wünschte, ich könnte euch mehr helfen. Ich weiß so wenig.“

„Das heißt, du hast wirklich keine Idee, wer dich eingesperrt haben könnte?“, hakte Justus nach.

Ginny schüttelte schwach den Kopf. „Es war ja total dunkel. Vielleicht hätte ich einfach nicht allein im Wald sein sollen. Aber ich bin da ja ständig und kenne mich aus. Naja. Wer auch immer das war, muss irgendwie so von der Seite gekommen sein.“ Sie fasste sich geistesabwesend an das Pflaster auf ihrer Stirn. „Ich kann mich nicht daran erinnern, überhaupt jemanden gesehen oder gehört zu haben. Ich weiß nur noch, wie ich diesen einen Weg entlanggelaufen bin und dann wird alles schwarz.“

„Und dann warst du in dieser Hütte?“, fragte Bob vorsichtig.

Sie nickte. „Ja, das war so ein Schuppen oder so. Vielleicht eine Ranger-Hütte. Mit Regalen und einem Feldbett und leeren Kanistern und so. Es sah so aus, als hätte da jemand alles rausgeräumt. Die Halterungen an der Wand, die waren bestimmt mal für Gewehre und so. Da lag auch einiges an Essen und Wasser. Und ähm – ein Eimer… Also wer auch immer das war, hat zumindest dafür gesorgt, dass ich da für ein paar Tage überleben konnte.“

„Und du warst dann gefesselt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Nur eingeschlossen. Die Tür war verriegelt und ich glaube, es stand auch noch was vor der Tür.“

„Wie bist du denn dann da wieder rausgekommen?“, wollte Peter wissen.

„An der einen Stelle in der Ecke war das Holz ein bisschen morsch. Ich habe da so lange gegengetreten, bis die Holzdielen abgebrochen sind. Dann bin ich da rausgekrochen. Ich hab das erst voll spät bemerkt. Ich war am Anfang noch so durch den Wind und mir war schwindelig, ich habe fast nur geschlafen. Und dann irgendwann hatte ich die Kraft, mich mal ein bisschen umzusehen.“  

„Und du hast wirklich keine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?“, hakte Justus weiter nach. „Irgendjemand, mit dem du Streit hast? Oder gibt es vielleicht eine Person, die davon profitieren könnte, dich für eine Weile aus dem Verkehr zu ziehen?“

Ginnys Augen füllten sich mit Tränen. Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab wirklich keine Ahnung.“ Sie wischte sich die Augen mit dem Handrücken ab. „Ich frag mich auch: Was ist, wenn die Person zurückkommt, jetzt wo ich geflohen bin? Vielleicht bin ich in Gefahr.“

Bob versuchte sein Bestes, sie möglichst ermutigend anzusehen. „Dafür sind ja zum Glück die Polizisten vor deiner Tür da. Sowohl die Polizei als auch wir werden nicht aufhören zu ermitteln, bis wir wissen, was hier gespielt wird.“

Ginny lächelte gepresst. „Das ist nett, danke.“ Überzeugt wirkte sie nicht.

Es klopfte an der geöffneten Tür und eine bekannte Figur erschien darin. Ginnys Gesicht hellte sich auf. „Morgan!“

Morgan sah fertig aus, aber sie lächelte. „Hey Stranger!“ Sie ging auf Ginnys Bett zu und nahm sie in den Arm. Sie blieben für eine Weile so und die drei Fragezeichen saßen dumm daneben, während die beiden jungen Frauen sich drückten. Sie lösten sich wieder und Morgan sah Ginny liebevoll an. „Was machst du denn für Sachen?“

Ginny lachte schwach. „Keine Ahnung.“ Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich bin so froh, dass du mich angerufen hast.“

„Ich wüsste nicht, wen sonst“, sagte Ginny leise. „Deine Nummer ist auch die Einzige, die ich je auswendig konnte.“

Morgan schüttelte den Kopf. „Und ich dachte schon du ghostest mich.“

„Warum sollte ich das tun?“

Jetzt wischte sich auch Morgan eine Träne aus dem Gesicht. „Keine Ahnung, weil ich immer alles so langsam angehen will? Ich weiß nicht.“

„Naja, das machst du ja nicht, um mich zu ärgern. Wenn du Zeit brauchst, um von deinem Ex-Arschloch zu heilen, dann ist das eben so.“ Ginny lächelte. „Für dich warte ich gerne.“

„Ich hab dich nicht verdient“, murmelte Morgan leise.

„Das stimmt nicht. Du verdienst nur das Beste in der Welt“, flüsterte Ginny und schloss Morgan wieder in die Arme.

Die drei Fragezeichen tauschten Blicke untereinander aus. Es war eindeutig: Sie waren hier überflüssig. Sie winkten Ginny mit einem Lächeln zu, dann stahlen sie sich aus dem Raum.

„Hilfe, sind die beiden süß“, platzte es aus Peter heraus, sobald sie auf dem nächsten Flur waren.

„Ihr beide seid nicht viel besser“, sagte Justus trocken.

In Bobs Magen bildete sich ein Knoten. Dass Justus jetzt davon ausging, dass sie ein Paar waren, machte die ganze Sache noch schwieriger. Vor allem hatte Justus gesagt, er fand, Peter und er seien unsterblich ineinander verliebt. Das stimmte ja einfach nicht. Vor allem in Bezug auf Peter. Bei Bob hatte er ja durchaus ein bisschen recht.

„Aber verdächtigen wir Morgan jetzt immer noch?“, wollte Peter wissen.

Justus zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Kollegen. Wir sollten sie auf jeden Fall weiter im Auge behalten.“

Bob seufzte. „Ich glaube, so gut schauspielern kann niemand.“

„Wenn das geschauspielert war, war das wirklich eine einmalige Darbietung“, murmelte Justus.

„Okay, und jetzt?“, sagte Peter und wippte zwischen Fußzehen und -ballen hin und her.

„Jetzt suchen wir diese blöde Hütte“, antwortete Justus. „Ich fürchte, davon wird es in dem Wald mehr als eine geben.“

Bob presste die Lippen zusammen. „Aber nur eine in der ein vermutlich nicht so gut riechender Eimer stehen wird.“

„Ew, Bob“, sagte Peter lachend und schubste ihn ein wenig gegen die Schulter.

Wieder zuckte Justus mit den Schultern. „Er hat nicht ganz unrecht. Also los, Kollegen.“

Notes:

(in meinem Kopf hat der vermaledeite Eimer einen Deckel)
(gotta love some tmi)